L 8 RJ 131/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 15 (9) RJ 185/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RJ 131/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 7/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.09.2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für den Berufungsrechtszug zu tragen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Neuberechnung ihres Altersruhegeldes unter Berücksichtigung einer weiteren Ersatzzeit von Oktober 1946 bis 31. Dezember 1949.

Die am 00.00.1929 in M/Polen geborene Klägerin ist Jüdin. Sie ist als Verfolgte im Sinne von § 1 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt und erhielt Entschädigungsleistungen für alle Schäden nach dem BEG durch Vergleich vom 09.06.1961.

Der nationalsozialistischen Verfolgung war die Klägerin von November 1939 bis zu ihrer Befreiung im Januar 1945 ausgesetzt: Sie wurde im Januar 1945 in M von der russischen Armee befreit. Sie ist die einzige Überlebende ihrer Familie. Nach ihrer Befreiung hielt sie sich zunächst bis zum Dezember 1945 weiterhin in M auf. Sodann begab sie sich mit ihrem Kibbuz, dem sie sich in M angeschlossen hatte, nach M1/Bayern. Von April 1946 an lebte sie in einem Lager für "Displaced Persons" (DP-Lager), von wo aus sie im Herbst 1946 ihre Ausreise nach Palästina antrat. Seit Januar 1948 lebt sie in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.

Am 31. Dezember 1990 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung eines Altersruhegeldes. Der Antrag wurde zunächst von der Beklagten mit Bescheid vom 19. September 1991 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt. Mit einem erneuten Antrag am 30. November 1991 machte die Klägerin geltend, von Sommer 1942 bis August 1944 als Arbeiterin in der Schneiderabteilung im Ghetto M gearbeitet zu haben. Unter dem 10. März 1992 beantwortete die Klägerin die Fragen im Antragsformular nach durch Verfolgungsmaßnahmen hervorgerufene Arbeitslosigkeit oder Auslandsaufenthalt mit "nein". Gleichzeitig gab sie an, von Januar bis Mai 1945 im Anschluss an die Haftzeit krank oder unverschuldet arbeitslos gewesen zu sein.

Mit Bescheid vom 09. Mai 1994 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Altersruhegeldes zunächst ab. Im Widerspruchsverfahren erkannte sie jedoch mit Bescheid vom 18. Juni 1998 glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten vom 25. Dezember 1943 bis zum 31. August 1944 und eine Ersatzzeit von September 1944 bis Januar 1945 an und gewährte Regelaltersrente ab 01. Januar 1995. Im Übrigen wies sie den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1998 zurück.

Im April 1999 beantragte die Klägerin die Neuberechnung ihres Altersruhegeldes unter Berücksichtigung weiterer Ersatzzeiten wegen verfolgungsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis 1946 und daran anschließend wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes bis zum 31. Dezember 1949. Sie machte geltend, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) bei dem Personenkreis, der sich im DP-Lager aufgehalten habe, nahezu immer auch ein verfolgungsbedingtes Verlassen Deutschlands anzunehmen sei.

Mit Bescheid vom 15. Juli 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung weiterer Ersatzzeiten ab, da hinsichtlich einer verfolgungsbedingten Arbeitsunfähigkeit keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung vorlägen und ein Ursachenzusammenhang zwischen der Ausreise der Klägerin und der nationalsozialistischen Verfolgung nicht zu erkennen sei. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch trug die Klägerin vor, dass nach der Rechtsprechung des BSG davon auszugehen sei, dass das Verfolgungsschicksal Grund für das Verlassen Deutschlands sei. Es sei nur dann nicht von einem verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalt auszugehen, wenn sich im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände erweise, dass das Verlassen des Verfolgungsgebietes allein wesentlich auf anderen Umständen als den nationalsozialistisch-geprägten politischen Verhältnissen und der durch sie bedingten besonderen Zwangslage beruhe. Hierfür sei aber die Beklagte beweispflichtig. Zur weiteren Glaubhaftmachung überreichte die Klägerin eine eidesstattliche Erklärung, in der sie vorbringt, sich habe sich im Anschluss an die Verfolgung in körperlich und seelisch sehr schlechtem Zustand befunden. Es sei ihre einzige Absicht gewesen, die Stätten ihrer Verfolgung zu verlassen und zu versuchen, in einer neuen Umgebung ihr weiteres Leben in den Griff zu bekommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02. November 1999 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie führte aus, ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt sei nicht glaubhaft.

Die Klägerin hat am 05. November 1999 bei dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben. Sie hat zuletzt die Neuberechnung ihrer Altersrente unter Berücksichtigung weiterer Ersatzzeiten wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes von Oktober 1946 bis Dezember 1949 begehrt. Zur Begründung hat sie sich auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren bezogen.

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt;

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15. Juli 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02. November 1999 zu verurteilen, einen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalt als Ersatzzeit von Oktober 1946 bis 31. Dezember 1949 rentensteigernd zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die angefochtene Entscheidung für zutreffend gehalten und den von der Klägerin zurückgelegten Auslandsaufenthalt bis Dezember 1949 nicht als verfolgungsbedingt angesehen. Aus den Angaben der Klägerin gehe hervor, dass bei ihr der Wunsch, nach Palästina zu gelangen, im Vordergrund gestanden habe. Zudem sei die Klägerin nicht aus einem Gebiet innerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nach dem Stand vom 30. Juni 1945 ausgewandert, da die Klägerin von M aus den Weg Richtung Deutschland aufgenommen habe, nur um von Deutschland aus nach Palästina auszuwandern. Sie habe damit nicht aus Verfolgungsgründen das Inland verlassen.

Mit Urteil vom 09.09.2003 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der maßgeblichen Bescheide verurteilt, den Bescheid vom 18.06.1998 zu ändern und der Klägerin Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer weiteren Ersatzzeit vom 01.11.1946 bis 31.12.1949 zu gewähren. Zur Begründung ist im Urteil ausgeführt worden, es handele sich bei der geltend gemachten Zeit um eine Ersatzzeit, da die Klägerin nach dem 30. Juni 1945 ihren Aufenthalt in Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nach dem Stand vom 30. Juni 1945 genommen habe. Sie sei im Herbst von Bayern aus nach Israel gereist, wo sie im Jahre 1948 angekommen sei. Zur Überzeugung der Kammer liege auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Verfolgungsmaßnahmen und dem Auslandsaufenthalt vor. Dabei genüge es, wenn der Beginn des Auslandsaufenthaltes verfolgungsbedingt war. Eine Auswanderung nach dem 08. Mai 1945 sei ausnahmsweise eine Ersatzzeit, wenn hierfür Nachwirkungen von Verfolgungsmaßnahmen als wesentliche Ursache mitbestimmend seien. Zu der Frage, wann Nachwirkungen von Verfolgungsmaßnahmen als wesentliche Ursache für den Auslandsaufenthalt mitbestimmend seien, schließe sich die Kammer den Feststellungen bzw. der Annahme des 4. Senates des BSG in den Urteilen vom 29. August 1996 (SozR 3 - 5070 § 18 WGSVG Nr. 2) an. Darin werde festgestellt, dass in aller Regel davon auszugehen sei, dass die in der deutschen Rentenversicherung versicherten Verfolgten und in ihrer Rentenberechtigung durch die NS-Verfolgung Geschädigten Nachkriegsdeutschland verfolgungsbedingt verlassen haben. Etwas anderes könne nur gelten, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles erwiesen sei, dass allein wesentliche Ursache für das Verlassen Deutschlands andere Gründe als das Verfolgungsschicksal gewesen sei; hierfür sei der Versicherungsträger darlegungspflichtig und objektiv beweisbelastet. Diese Rechtsprechung zu § 18 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) sei zur Überzeugung der Kammer auf § 250 Abs. 1 Nr. 4 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) zu übertragen. Beide Vorschriften stellten auf einen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalt ab. Dieser Rechtsbegriff könne nur einheitlich ausgelegt werden. In diesem Punkt schließe sich die Kammer auch der Rechtsprechung des 14. Senates des Landessozialgerichts Essen (LSG) (Urteil vom 16.05.2003 - Az.: L 14 RJ 190/02) an. Gravierende Gründe, die gegen einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Verfolgungsschicksal der Klägerin und ihrem Auslandsaufenthalt sprächen, seien von der Kammer nicht zu erkennen. Auch der Einwand der Beklagten, dass sich die Klägerin nach der Befreiung zunächst noch bis Ende 1946 in M aufgehalten habe, werde von der Kammer nicht als Hinderungsgrund für die Anerkennung der geltend gemachten Zeit angesehen. Denn die Klägerin falle trotz dieses Aufenthaltes in M und des anschließenden Aufenthaltes in Deutschland unter den Schutzbereich des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB Vl. Eine Anerkennung von Ersatzzeiten scheide nicht dadurch aus, dass die Klägerin von M aus ihre Ausreise nach Palästina über Deutschland betrieben habe. Die Anrechnung der Zeiten eines Auslandsaufenthaltes gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI bis zum 31. Dezember 1949 habe nämlich den Sinn, den in der deutschen Rentenversicherung Versicherten bis zu diesem Datum die Möglichkeit zu geben, ihre Rückkehr in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsordnung zu überdenken, ohne dabei Schaden im Rentenversicherungsverlauf zu nehmen.

Dies gelte unabhängig davon, wo sich die Verfolgten bei Ende der Verfolgung befunden hätten. Es seien also grundsätzlich auch diejenigen vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst, die erst durch die Eingliederung ihrer Heimatgebiete in das Deutsche Reich in den Geltungsbereich der Reichsversicherungsordnung (RVO) gelangt und nach Kriegsende durch Rückgängigmachung dieser Eingliederung wieder ausgeschieden seien. Ersatzzeiten gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI seien daher auch denjenigen zu gewähren, die sich vor, während und nach der Verfolgung in solchen Gebieten (ihren Heimatgebieten) befunden hätten, wenn diese Gebiete nach Ende des Krieges wieder zu Ausland geworden seien. Auch diesen Versicherten solle die Gelegenheit gegeben werden, einen Verbleib in der deutschen Rentenversicherung, auch wenn dieser mit dem erstmaligen Verlassen ihrer Heimatgebiete in das Gebiet der RVO nach Ende der Verfolgung verbunden gewesen sei, zu überdenken. Aus diesem Grunde erfasse der Wortlaut der Vorschrift auch nicht nur diejenigen, die ihren Wohnsitz im Ausland genommen, sondern auch diejenigen, die ihren Wohnsitz dort beibehalten hätten. Anderenfalls bliebe es dem bloßen Zufall überlassen, ob einem Versicherten die Bedenkzeit des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI eingeräumt werde oder nicht.

Gegen das ihr am 15.10.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31.10.2003 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, es könne der Rechtsauffassung des Sozialgerichts Düsseldorfs, dass vom Wortlaut des § 250 SGB VI auch diejenigen erfasst seien, die ihren Wohnsitz beibehalten hätten und nicht neu genommen hätten, nicht gefolgt werden. Der Ersatzzeitentatbestand des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes stelle nach Sinn und Zweck darauf ab, dass der Verfolgte zunächst im Inland gewesen sei, dieses verlassen habe und ins Ausland gezogen sei. Inland könne nur das Gebiet des Deutschen Reiches in seinen Grenzen vom Mai 1945 sein. Bei der Klägerin sei aber nach dem 08. Mai 1945 zunächst eine Einreise nach Deutschland erfolgt, um sodann im Herbst 1946 nach Israel auszuwandern. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin aber nicht mehr verfolgt gewesen. Für Verfolgte wie die Klägerin, die sich mit Ausnahme der Zeit der Verfolgung im eingegliederten Gebiet nie in Deutschland aufgehalten hätten, bestehe keine schutzwürdige Veranlassung nach Deutschland "zurückzukehren". Dem § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI liege der Gedanke zugrunde, dass es den deutschen Versicherten nach der Verfolgung nicht mehr zumutbar gewesen sei, in Deutschland zu verbleiben und deutsche Beitragszeiten zu erwerben. Dies gelte gleichermaßen für ausländische Verfolgte, die auf dem Gebiet des Deutschen Reiches befreit worden seien. § 250 SGB VI solle jedoch nicht die ausländischen Verfolgten, die ausschließlich durch die Verfolgung eine Anbindung an die deutsche Rentenversicherung erhielten und die im Ausland befreit worden seien, motivieren, nach Deutschland zu kommen, um dort weitere rentenrechtliche Zeiten zu erwerben. Für Verfolgte wie die Klägerin, die sich - mit Ausnahme der Zeit der Verfolgung im eingegliederten Gebiet - nie in Deutschland aufgehalten hätten, bestehe keine schutzwürdige Veranlassung, nach Deutschland "zurückzukehren".

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.09.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat nachgefragt, seit wann es den Kibbuz, dem sich die Klägerin anschloss, gab und welche Motivation des Kibbuz vorlag, geschlossen nach Palästina auszuwandern. Nach Auskunft des Bevollmächtigten der Klägerin gab es den Kibbuz seit 1945, die Klägerin habe sich ihm wegen ihrer Entwurzelung angeschlossen, um gemeinsam auszuwandern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakt, der Verwaltungsakte und der Entschädigungsakte der Klägerin (Bayerisches Landesentschädigungsamt (Az.: EG 59072-28) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Düsseldorf die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Rentenbescheid vom 18. Juni 1998 teilweise zu ändern und die Rente der Klägerin unter Berücksichtigung einer weiterer Ersatzzeiten von November 1946 bis 31. Dezember 1949 neu zu berechen. Durch den Bescheid vom 15. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. November 1999 ist die Klägerin insoweit im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert.

Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Nach § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt wurde oder von einem Sachverhalt ausgegangen wurde, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Im Bescheid vom 18. Juni 1998 ist das Recht von der Beklagten unrichtig angewandt worden, denn die Beklagte hat zu Unrecht keine Ersatzzeit für den Zeitraum von November 1946 bis 31. Dezember 1949 angenommen.

Gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sind Ersatzzeiten Zeiten vor dem 01. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr in ihrer Freiheit eingeschränkt gewesen oder ihnen die Freiheit entzogen worden ist (§§ 43 und 47 BEG) oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind oder infolge Verfolgungsmaßnahmen a) arbeitslos gewesen sind, auch wenn sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden haben, längstens aber die Zeit bis zum 31. Dezember 1946 oder b.) bis zum 30. Juni 1945 ihren Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder danach in Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nach dem Stand vom 30. Juni 1945 genommen oder einen solchen beibehalten haben, längstens aber die Zeit bis zum 31. Dezember 1949, wenn sie zum Personenkreis des § 1 des BEG gehören.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin. Zunächst handelt es sich bei der Klägerin um eine Verfolgte im Sinne von § 1 BEG. Des weiteren hat die Klägerin mit ihrem Antrag die Berücksichtigung von Zeiten als Ersatzzeiten, die vor dem 01. Januar 1992 liegen, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und die Klägerin das 14. Lebensjahr vollendet hat, geltend gemacht. Schließlich handelt es sich auch um Zeiten im Anschluss an Zeiten, die die Voraussetzungen nach §§ 43 und 47 BEG erfüllen.

Auch fällt die Klägerin in den Schutzbereich des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI. Einer Anerkennung von Ersatzzeiten steht nicht entgegen, dass die Klägerin lediglich Beitragszeiten im eingegliederten Gebiet aufweisen kann und die Klägerin weder vor noch nach ihrer Befreiung bundesdeutsche Beitragszeiten aufweisen kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten schließt dieser Umstand eine anschließende rentenrechtlich relevante Ersatzzeit nicht aus.

Die Argumentation der Beklagten zu Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 250 SGB VI kann nicht überzeugen. Diese kann weder aus dem Wortlaut noch aus einer teleologischen Auslegung des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI entnommen werden.

Nach dem Wortlaut des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI kommt es, anders als noch in der Vorgängervorschrift § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO, in der es einfach nur hieß Auslandsaufenthalt", noch deutlicher zum Ausdruck, dass in den Genuss einer Ersatzzeit auch der Personenkreis kommen kann, der Anerkannter nach dem BEG ist und einen Aufenthalt in den Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsordnung sogar noch bis zum 30. Juni 1945 hatte. Denn es sollen gerade auch Personen, die aus welchen Gründen auch immer ihren Aufenthalt bereits vor dem 30. Juni 1945 außerhalb des Reichsgebiets hatten, in den Genuss einer Ersatzzeit kommen. Der Gesetzgeber konkretisiert mit dem in § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI enthaltenen Stichtag 30. Juni 1945, was als Inland bzw. als Ausland anzusehen ist. Bei einer Auswanderung bis zum 30. Juni 1945 muss ein Versicherter den Aufenthalt in den Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereiches der Reichsversicherungsgesetze genommen haben und bei einer Auswanderung nach dem 30. Juni 1945 muss er das Gebiet der vier Besatzungszonen Deutschlands verlassen haben. Gerade durch den Umstand, dass der Gesetzgeber dies im Verhältnis zur RVO im SGB VI konkretisiert hat und nicht explizit Personenkreise ausgeschlossen hat, die außer während ihrer Verfolgteneigenschaft zu keinem weiteren Zeitpunkt Bezug zur deutschen Rentenversicherung aufweisen, zeigt, dass auch dieser Personenkreis einen Anspruch auf Ersatzzeiten haben soll. Schon mit der Verfolgteneigenschaft, ist ein Tatbestand gesetzt worden, der die anschließende Geltendmachung einer Ersatzzeit ermöglicht. Unmaßgeblich dagegen ist, ob es sich um einen Versicherten handelt, der nur Zeiten im eingegliederten Gebiet geltend machen kann. Der Wortlaut erfasst explizit nicht nur diejenigen, die ihren Wohnsitz im Ausland genommen, sondern auch diejenigen, die ihren Wohnsitz dort beibehalten haben.

Der Sinn und Zweck von § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI steht ebenfalls der Anerkennung der geltend gemachten Ersatzzeiten bei der Klägerin nicht entgegen. Denn die Norm hat den Sinn, den in der deutschen Rentenversicherung Versicherten bis zum Datum 31. Dezember 1949 die Möglichkeit zu geben, ihre Rückkehr in den Geltungsbereich der RVO zu überdenken, ohne dabei Schaden im Versicherungsverlauf zu nehmen. Dies gilt unabhängig davon, wo sich die Verfolgten bei Ende der Verfolgung befanden. Es sind also auch grundsätzlich diejenigen vom Anwendungsbereich der Norm erfasst, die erst durch Eingliederung ihrer Heimatgebiete in das Deutsche Reich in den Geltungsbereich der RVO gelangten und nach Rückgängigmachung dieser Eingliederung wieder ausschieden. Andernfalls wäre es dem Zufall überlassen, ob einem Versicherten die Bedenkzeit, die § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI bietet, eingeräumt würde oder nicht. Derjenige, der sich im Zeitpunkt der Befreiung im Geltungsbereich der RVO nach dem Stand vom 30. Juni 1945 aufhielt, aber nur weil er aus seinem Heimatgebiet, welches in diesem Zeitpunkt nicht mehr der RVO angehörte, verschleppt worden war, hätte die Möglichkeit, durch Ausreise aus dem Inland Ersatzzeiten zu erlangen, während demjenigen, der bis zum Kriegsende in seinem Heimatland verblieben ist, diese Möglichkeit genommen wäre. Es kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht Sinn und Zweck des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sein, die Möglichkeit einer Ersatzzeit an solchen Zufälligkeiten in der Nachkriegslandschaft festzumachen.

Die Argumentation der Beklagten steht auch in Bezug zu den anderen möglichen Ersatzzeittatbeständen des § 250 Abs. 1 Nr. 1-5 SGB VI im Sinne einer systematischen Auslegung in Widerspruch. Denn dort ist grundsätzlich nur Voraussetzung, dass der Kreis der Berechtigten zum Personenkreis der §§ 1-4 BVFG gehört. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der von der Beklagten vorgebrachte anspruchsbegründende Tatbestand auch in den anderen Alternativen des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nicht zum Ausdruck kommt. Liegt eine Verfolgteneigenschaft i.S. von § 250 SGB VI vor, genügt z.B. allein eine anschließende Krankheit unabhängig von dem Aufenthaltsort des Versicherten zur Erfüllung eines Ersatzzeitentatbestandes. Anknüpfungspunkt und Schwerpunkt im Sinne eines Annexes ist somit die Verfolgteneigenschaft und nicht etwa der Gedanke einer rentenversicherungsrechtlichen Zugehörigkeit.

Bei der Klägerin liegt auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Verfolgungsmaßnahmen und dem Auslandsaufenthalt vor.

Für diese weitere Voraussetzung der Anerkennung einer Ersatzzeit bedarf es eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Verfolgungsmaßnahmen und Auslandsaufenthalt. Ursächlich ist nach der im Sozialversicherungsrecht anzuwendenden Kausalitätstheorie der "wesentlichen Ursache" jede, aber auch nur diejenige Bedingung, die nach der Auffassung des praktischen Lebens wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (BSGE 13, 175, 176).

In diesem Sinn sind die Verfolgungsmaßnahmen gegen die Klägerin ursächlich dafür, dass sie nach Kriegsende Deutschland verlassen hat. Schon mit der Rechtsprechung des 4. Senates des BSG vom 01. Juli 1970 (Az.: 4 RJ 353/69) zu § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO wird entsprechend des Wortlauts der Norm herausgestellt, dass über das Kriegsende hinaus fortdauernde und erst später eingetretene Nachwirkungen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen in den Nachkriegsjahren Anlass zur Auswanderung geben können. Während allerdings bei einer Auswanderung zwischen 1933 und Kriegsende in der Regel ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt zu unterstellen sei, gelte diese Vermutung für die Fälle der Auswanderung nach Kriegsende nicht. Bei späterer Auswanderung bedürfe es objektiver Gründe. Nach der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG vom 13. September 1978 (Az.: 5 RJ 86/99) zählen zu diesen objektiven Gründen u.a. verfolgungsbedingte Erkrankungen, das Überleben des Holocaust als einziger der Familie, die Entwurzelung und der Wunsch nach einem Leben bei im Ausland lebenden Verwandten, die im Einzelfall als wesentliche Ursache für die Auswanderung mitbestimmend waren. Diese beispielhaft genannten Gründe würden der Verfolgungsschicksale der überlebenden Juden im Nachkriegsdeutschland entsprechen. Darüber hinaus wird in der Entscheidung dargelegt, dass, da für das Verlassen des Heimatlandes in aller Regel gravierende Umstände maßgebend und nach allgemeiner Lebenserfahrung eine Reihe gewichtiger Gründe zusammen kommen müssen, ehe ein solcher Entschluss gefasst wird, es genügt, wenn verfolgungsbedingte Gründe das Verlassen Deutschlands im Sinne der Relevanztheorie zumindest "wesentlich mitverursacht" haben.

Nach dieser zutreffenden Rechtsprechung ist bei der Klägerin bereits ein verfolgungsbedingtes Auswandern anzunehmen. Der geltend gemachte Ersatzzeitentatbestand ist zumindest ab dem Zeitpunkt der Ausreise aus Deutschland kausal auf Verfolgungsmaßnahmen zurückzuführen. Die objektiven Gründe der Klägerin liegen darin begründet, wie sie glaubhaft zum Ausdruck bringt, dass sie als einzig Übriggebliebene ihrer Familie keinen Halt im Herkunftsland und ebenso wenig in Deutschland sah, sondern mit einem Kibbuz, dem sie sich wegen ihres Schicksals anschloss, nach Israel auswanderte. Andere Gründe sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten nicht vorgetragen. Im Übrigen genügt es, wenn der Beginn des Auslandsaufenthaltes verfolgungsbedingt war (vgl. BSG Urteil vom 13.09.1987, Az.: 5 RJ 86, 77). Die darauffolgenden unterschiedlichen Stationen und Aufenthaltsorte der Klägerin, auch die Einreise nach Deutschland in die Gebietsgrenzen nach dem 08. Mai 1945 sind kausal auf die Verfolgungsmaßnahmen zurückzuführen. Gerade die Einreise nach Deutschland steht entgegen der Argumentation der Beklagten einer verfolgungsbedingten Auswanderung nicht entgegen. Denn die Organisation einer Ausreise wurde deutlich erleichtert durch die Mithilfe der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration), die, nachdem alle Flüchtlings- bzw. DP-Lager anfänglich dem Militär unterstanden, offiziell am 15. November 1945 die Verwaltung der DP-Lager übernahm. Eine Auswanderung aus den russisch besetzen Gebieten, in denen sich die Klägerin vor dem Zuzug nach Deutschland aufhielt, war dagegen nicht oder nur unter sehr großen Schwierigkeiten möglich (vgl. Königseder/ Wetzel "Lebensarmut im Wartesaal" Frankfurt a.M., August 1994 S. 31 ff). Folglich ist von einer zwingenden Kausalkette der Auswanderung der Klägerin auszugehen.

Zu diesem Ergebnis gelangt man erst recht, wenn man mit dem 4. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 29.08.1996 (Az.: 4 RA 85/95) zu der besonderen Problematik des § 18 Abs. 2 WGSVG für die Fälle des Verlassens des Reichsgebietes nach dem 08. Mai 1945 eine Beweislastregelung zugunsten der Betroffenen annimmt. Mit dieser Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass rechtsgrundsätzlich und faktisch in aller Regel davon auszugehen sei, dass der Verfolgte Nachkriegsdeutschland verfolgungsbedingt verlassen habe. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles bewiesen sei, dass wesentliche Ursache für das Verlassen Deutschlands andere Gründe als das durchlittene Verfolgungsschicksal gewesen sei. Hierfür sei der Versicherungsträger darlegungs- und objektiv beweisbelastet.

Verfahrensrechtlich folgt aus dieser gesetzlichen Rechtsvermutung, dass grundsätzlich von der Verfolgungsbedingtheit auszugehen ist und nur ausnahmsweise etwas anderes angenommen werden kann. Für den Verfolgten streitet daher allein die Tatsache der Auswanderung aus Deutschland im Sinne einer widerlegbaren Vermutung. Nur dann, wenn evidente und eindeutige Anhaltspunkte vorhanden sind, aus denen sich ergibt, dass das Heimatgebiet aus nicht verfolgungsbedingten Gründen verlassen wurde, besteht eine Veranlassung, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären. Allerdings führt nur der Beweis des Gegenteils durch die Beklagte zum Rechtsverlust.

Diese aufgestellte Rechtsvermutung ist übertragbar auf den vorliegenden Fall. Denn der Rechtsbegriff des "verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes" kann in § 18 WGSVG und § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nur einheitlich ausgelegt werden (so im Ergebnis auch SG Düsseldorf Urteil vom 21.10.2002 Az.: S 11 (9) RJ 167/99 und Bestätigung durch Urteil des Landessozialgerichts Essen vom 16.05.2003 Az.: L 14 RJ 190/02). Diese Rechtsauslegung, den Ursachenzusammenhang widerlegbar zu vermuten, findet seine Stütze in der Überlegung, dass § 18 Abs. 2 WGSVG eine Vorschrift ist, die ausschließlich den durch mittelbare Nachwirkungen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen eingetretenen Schaden regelt. Die Vorschrift des § 18 Abs. 2 WGSVG begünstigt den Personenkreis der Verfolgten, die das Gebiet des Deutschen Reichs nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 oder das Gebiet der Freien Stadt Danzig in der Zeit vom 09. Mai 1945 bis 31. Dezember 1949 verlassen haben. Diese Verfolgten erhalten aus den in der Auslandsrente nach § 17 Abs. 1 b Fremdrentengesetz zu berücksichtigen Zeiten eine Rente wie bei einem gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland. Für die nach § 18 Abs. 1 WGSVG Anspruchsberechtigten, das sind die Verfolgten, die die in obengenannten Gebiete vor dem 08. Mai 1945 verlassen haben, um sich der besonderen Zwangslage zu entziehen, gilt nämlich nach der Praxis der Rentenversicherungsträger zu Recht eine widerlegbare Rechtsvermutung dahingehend, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen Verfolgung und Auswanderung vermutet wird. Diese Rechtsvermutung ist nach Ansicht des BSG in seiner Entscheidung vom 29.08.1996 auch auf Verfolgte übertragbar, die bis zum Tag der Befreiung im Konzentrationslager inhaftiert waren und die trotz Ausreisebemühungen ihre Heimat nicht vor 1945 verlassen konnten. Gerade in Fällen einer Auswanderung nach dem 08. Mai 1945 müsse nach Ansicht des BSG ebenfalls ein Zusammenhang zwischen Verfolgung und Auswanderung unterstellt werden, andernfalls hieße dies, die von der Verfolgung am stärksten Betroffenen ungerechtfertigter Weise von der Regelung des § 18 WGSVG auszunehmen. Eine weitere Stütze findet die Überlegung des BSG, den Ursachenzusammenhang widerlegbar zu vermuten, darin, dass § 18 Abs. 2 WGSVG eine Vorschrift ist, die ausschließlich den durch mittelbare Nachwirkungen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen eingetretenen Schaden regelt. Dabei handelt es sich um einen wiedergutmachungsrechtlichen Ansatz mit der Folge, dass zwar keine Beitragszeiten fingiert werden, wie es z.B. in § 14 WGSVG der Fall wäre, jedoch ein Nachteilsausgleich stattfindet für die Folgen, die mittelbar auf die Verfolgung zurückgehen.

Dieser wiedergutmachungsrechtliche Charakter ist auf § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI übertragbar. Zwar soll die Vorschrift Beitragszeiten ersetzen, indem sie die Ersatzzeit als beitragsfreie Zeit bei der Rentengewährung berücksichtigt. Letztlich hat die Norm damit auch einen haftungsbegründenden Charakter (Vgl. Joswig, Nachwirkungen der Verfolgung - ein Kausalitätsproblem in § 250 Abs. 1 Ziff. 4 SGB VI, in Mitteilungen LVA Rheinprovinz 2002 S. 28 ff.). Es überwiegt aber der Ausgleich, nach Anerkennung von vorhergehenden Beitragszeiten, von verfolgungsbedingten Nachteilen in der Rentenbiographie. Aus diesem Grund sind die beiden Normen zugrundeliegenden Erfordernisse des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes einheitlich auszulegen, und die Rechtsprechung des BSG zu § 18 WGSVG führt dazu, dass auch bei § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI eine Rechtsvermutung aufzustellen ist, die in der Regel eine verfolgungsbedingte Auswanderung unterstellt.

Etwas anderes kann daher auch im Rahmen von § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nur gelten, wenn aufgrund besonderer Umstände bewiesen ist, dass wesentliche Ursache für das Verlassen Deutschlands etwas anderes als das durchlittene Verfolgungsschicksal war. Hierfür ist der Versicherungsträger darlegungs- und beweispflichtig. Diese Rechtsvermutung greift für die Klägerin, es muss bei ihr von einer verfolgungsbedingten Auswanderung ausgegangen werden. Die Beklagte hat weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass die Klägerin nicht verfolgungsbedingt ausgewandert ist. Sie konnte keinen Grund nennen, der an diesem Ergebnis zweifeln lässt. Auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe angegeben, dass der Grund für den Auslandsaufenthalt, der Wunsch gewesen sei, nach Palästina zu gehen, steht einem verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalt nicht entgegen. Denn, wie die Klägerin überzeugend angibt, war es gerade die Verfolgung, die den Wunsch zur Auswanderung nach Palästina begründete.

Der Einwand der Beklagten, die Klägerin müsse sich mit aus dem Ausland auswandernden Verfolgten gleichstellen lassen, geht fehl. Die aus dem Ausland auswandernden Verfolgten gehören nicht zu dem Schutzbereich des § 250 SGB VI, weil sie nicht aus einem Gebiet innerhalb des Geltungsbereiches der Reichsversicherungsgesetze nach dem Stand vom 30. Juni 1945 ausgewandert sind und somit keine rentenversicherungsrechtliche Anknüpfung vorliegt. Auch kann der im Ausland gefasste Auswanderungsbeschluss nicht einer Auswanderung aus dem Ausland gleichgestellt werden, wenn -wie hier- der Aufenthalt in einem DP-Lager im Bundesgebiet vor der tatsächlich vollzogenen Auswanderung zwischengestaltet war. Denn bei diesem Sachverhalt handelt es sich um einen typischen Geschehensablauf von verfolgungsbedingten Auswanderungen. Mit der Aufenthaltsnahme in einem DP-Lager haben die allgemeinen Zielvorgaben der Internationalen Refugee Organization (IRO) für den Personenkreis der Klägerin Bedeutung erlangt, die neben der Repatriierung von DP-Flüchtlingen auf deren Versorgung, Rechtsschutz, Rehabilitation, Gewährung eines gesicherten Aufenthaltsstatus und Auswanderung gerichtet waren. Dieser tatsächliche und rechtliche Status der Personen in einem DP-Lager, verknüpft mit den Vorgaben des § 250 SGB VI zur Bestimmung des Personenkreises, der die Möglichkeit auf Verwirklichung eines Anspruchs auf eine Ersatzzeit hat, bedingt, dass bei solchen Personen eine verfolgungsbedingte Auswanderung anzunehmen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Regelung des § 193 SGG.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision gegen dieses Urteil zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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