L 10 KA 19/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 KA 58/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KA 19/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 KA 18/05 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 05.12.2001 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die bedarfsunabhängige Zulassung der Klägerin als Psychologische Psychotherapeutin in L-Q.

Die 1948 geborene Klägerin hat 1991 das Studium der Psychologie abgeschlossen. Sie ist geschieden und hat eine Tochter, die 1984 geboren wurde. Die Klägerin ist approbierte Psychologische Psychotherapeutin und seit November 1992 als Dipl. Psychologin am B-Krankenhaus L (Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie) tätig, seit 1995 mit 26 Stunden wöchentlich. Seit dem 27.12.1998 ist sie berechtigt, als Psychologische Verhaltenstherapeutin gesetzlich Krankenversicherte im Delegationsverfahren zu behandeln. Seit März 1995 ist sie in L-Q, C-straße 00, in eigener Praxis selbständig tätig, zuvor hatte sie in der Praxis G, L-D, gearbeitet.

Am 28.12.1998 beantragte die Klägerin die bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin. Sie gab an, im Falle der Zulassung werde sie ihre Tätigkeit im B-Krankenhaus auf 19,25 Stunden (Montag, Dienstag, Mittwoch) reduzieren; sie werde an fünf Tagen in der Woche in ihrer Praxis präsent sein. Zwischen ihrer klinischen Tätigkeit und ihrer Praxistätigkeit bestehe keine Interessenkollision. Ihrem Antrag waren Bescheinigungen der gesetzlichen Krankenkassen beigefügt, wonach sie vom 25.06.1994 bis zum 24.06.1997 (Zeitfenster) in einem Umfang von 659 Stunden gesetzlich Krankenversicherte behandelt hat.

Mit Beschluss vom 28.06.1999 gab der Zulassungsausschuss für Ärzte Köln - Kammer Psychotherapie - (Zulassungsausschuss) dem Antrag der Klägerin auf bedarfsunabhängige Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung als Psychologische Psychotherapeutin in L-Q, C-straße 00, statt. Im Zeitfenster sei die Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Umfang von 659 Stunden nachgewiesen. Die Zulassung erfolge unter dem Vorbehalt der Einreichung einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag hinsichtlich der Arbeitszeit unter 19,25 Stunden wöchentlich und einer Interessenkollisionsausschließungserklärung des Arbeitgebers. Hiergegen erhoben die Beigeladenen zu 6) und 7) unter Hinweis auf eine der Zulassung entgegenstehende Interessen- und Pflichtenkollision Widerspruch.

Die Klägerin übersandte daraufhin die zwischen ihr und dem B-Krankenhaus getroffene Ergänzungsvereinbarung vom 30.09.1999 zum Dienstvertrag sowie die weitere Vereinbarung vom 12.01.2000, wonach es ihr nicht gestattet sei, Patienten, mit denen sie zuerst in der Einrichtung des Arbeitgebers in Kontakt komme, in ihre Praxis zu überführen und dort im Rahmen ihrer Tätigkeit als niedergelassene Vertragspsychotherapeutin zu behandeln, und außerdem vereinbart sei, ab dem Zeitpunkt der Zulassung die Dienstzeit auf 19 Wochenstunden zu reduzieren. Die Klägerin trug ferner vor, ihre Tätigkeit im B-Krankenhaus beziehe sich schwerpunktmäßig auf die Langzeitbetreuung geistig Behinderter und chronisch psychisch kranker Patienten. Dem Krankheitsbild dieser Klientel könne durch eine psychotherapeutische Einzelbehandlung in keiner Weise Genüge getan werden.

Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Beklagten am 10.02.2000 erklärte die Klägerin, eine Reduzierung auf 16 Stunden sei machbar, sofern der Arbeitgeber zustimme; eine Reduzierung auf 12 Stunden könne nicht hingenommen werden. Ferner erklärte sie, sie sei nicht mehr im Patientenbereich tätig; sie arbeite im Wohn- und Heimbereich. Ihre Arbeitszeit im B-Krankenhaus sei montags, dienstags, mittwochs und donnerstags von 08.15 Uhr bis 13.45 Uhr; die Praxis könnte an diesen Tagen von 15.00 bis 19.00 Uhr und freitags ganztägig von 09.00 bis 17.00 Uhr geöffnet sein.

Mit Beschluss vom 10.02.2000 hob der Beklagte den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 28.06.1999 auf und lehnte den Zulassungsantrag ab, weil die Klägerin wegen des Beschäftigungsverhältnisses am B-Krankenhaus der Versorgung der Versicherten nicht im erforderlichen Maße zur Verfügung stehe. Die Zulassung verlange eine im wesentlichen hauptberufliche Tätigkeit. Eine Tätigkeit im Umfang von wöchentlich 19 Stunden, die nicht nur rein organisatorische und Verwaltungsaufgaben beinhalte, sondern sich auf die Betreuung chronisch psychisch Kranker und Behinderter erstrecke, überschreite deutlich eine halbtägige Tätigkeit. Da der Tätigkeitsbereich im B-Krankenhaus eine Zuwendung zu dem betreuenden Klientel in etwa gleicher Intensität erfordere wie die psychotherapeutische Tätigkeit in eigener Praxis, könnte allenfalls eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 12 Wochenstunden, zu der sie sich nicht bereit erklärt habe, die sich aus § 20 Abs. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ergebenden Hinderungsgründe beseitigen.

Mit ihrer am 20.03.2000 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe von ihrem Arbeitgeber die mündliche Zusage erhalten, ihre Tätigkeit im B-Krankenhaus auf 16 Stunden reduzieren zu können. Auch bestehe keine Interessenkollision, da sie nur noch im Wohnbereich und nicht mehr im Akutbereich des Hauses tätig sei. Zudem sei die Arbeitsbelastung dort bedeutend geringer als vom Berufungsausschuss angenommen worden sei. Selbst bei einer Reduktion ihrer Stundenzahl auf nur 19 Stunden und einer Erweiterung der Patientenzahl auf 22 bis 24 käme auf sie eine geringere Belastung als in der Vergangenheit zu, da ihre Tochter, die sie allein großgezogen habe, inzwischen fast 16 Jahre alt sei. Zu der Frage, ob sie bereit sei, ihre vertragliche Tätigkeit im B-Krankenhaus auf 12 Wochenstunden zu reduzieren, sei sie nicht konkret gefragt worden. Da eine Tätigkeit im Umfang von 12 Stunden im B-Krankenhaus vertraglich nicht möglich sei, sei sie notfalls auch bereit, ihre Stelle dort aufzukündigen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Klägerin erklärt, sie sei bereit, ihre im Hinblick auf den ungewissen Ausgang des Verfahrens noch nicht reduzierte Tätigkeit im B-Krankenhaus auf 19 Stunden zu reduzieren, so dass sie dann einen weiteren Vormittag in der Praxis sein könnte. Auf eine geringere Stundenzahl als 19 könne sie ihre Beschäftigung im B-Krankenhaus nicht reduzieren, weil dem der Arbeitgeber nicht zustimmen würde.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beschluss des Beklagten vom 10.02.2000 aufzuheben und sie zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologische Psychotherapeutin mit Sitz in Q, C-straße 00, zuzulassen, hilfsweise unter der Auflage, die Nebentätigkeit am B-Krankenhaus auf 19 Stunden wöchentlich zu reduzieren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 05.12.2001 zurückzuweisen.

Zur Begründung hat er auf die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Die Beigeladene zu 5) hat sich dem Antrag des Beklagten angeschlossen.

Das Sozialgericht Köln hat die Klage mit Urteil vom 05.12.2001 abgewiesen; der Zulassung stehe der Hinderungsgrund des § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV entgegen. Auch eine Reduzierung der Tätigkeit im B-Krankenhaus auf 16 Stunden schlösse eine Zulassung aus, denn die Klägerin stünde an vier Wochentagen vormittags den gesetzlich Krankenversicherten nicht zur Verfügung. Hinzu komme, dass sie in der abhängigen Beschäftigung weisungsgebunden tätig sei und letztlich ihre freiberufliche Tätigkeit an dieser Weisungsbefugnis ausrichten müsse.

Gegen das am 06.03.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.04.2002 Berufung eingelegt und unter Übersendung der zwischen ihr und dem B-Krankenhaus geschlossenen arbeitsvertraglichen Vereinbarung vom 11.02.2003 vorgetragen, sie sei in der Lage und bereit, ihre Tätigkeit bei der B-Krankenhaus GmbH auf einen wöchentlichen Stundenumfang von 13 Stunden zu reduzieren. Sie werde dann montags und donnerstags ganztägig und an den übrigen Werktagen nachmittags in ihrer Praxis Sprechstunden abhalten. Es sei sichergestellt, dass sie auch außerhalb der vorstehenden Sprechzeiten für die Versorgung der Versicherten für Notfallbehandlungen und für andere wichtige Fälle zur Verfügung stehe. Ebenso wenig bestehe eine Interessen- und Pflichtenkollision. Ihr Aufgabengebiet im B-Krankenhaus sei nicht vorrangig psychotherapeutisch geprägt und patientenbezogen, sondern vielmehr administrativer und organisatorischer Art. Auch könne ihr Arbeitgeber Art und Ausmaß ihrer psychotherapeutischen Tätigkeit nicht beeinflussen. Zu dem gesetzlichen Erfordernis der Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitfenster hat die Klägerin vorgetragen, im Zeitfenster insgesamt 802 und somit während des Zeitraums von 12 Monaten durchschnittlich 267 Behandlungsstunden im Rahmen der psychotherapeutischen Versorgung gesetzlich Krankenversicherter durchgeführt zu haben. Das Einkommen aus der Behandlungstätigkeit in ihrer Praxis habe während des Zeitfensters mindestens ein Drittel ihres Gesamteinkommens ausgemacht und entspreche der Bewertung der Praxistätigkeit als "bedeutsam" für das Erwerbseinkommen. Darüber hinaus habe die Praxistätigkeit zu keinem Zeitpunkt den Charakter einer Nebentätigkeit von untergeordneter Bedeutung gehabt. Unter Einbeziehung des Zeitaufwandes für die die eigentlichen Behandlungen begleitenden Tätigkeiten habe ihre Praxistätigkeit während des Zeitfensters ca. 15 bis 19 Stunden wöchentlich betragen. Gleichzeitig habe sie eine nicht unerhebliche Zeit sowie finanzielle Mittel in die gesetzlich vorgesehene verhaltenstherapeutische Ausbildung investiert, was eine Reduzierung der wöchentlichen Behandlungsstunden zur Folge gehabt habe. Die berufliche Tätigkeit als Psychotherapeutin habe gegenüber ihrer Tätigkeit im B-Krankenhaus trotz des vergleichsweise geringeren Erwerbseinkommens auch deshalb mindestens einen von zwei gleich zu gewichtenden Schwerpunkten der beruflichen Tätigkeit gebildet, weil ihre Tätigkeit in ihrer Praxis seit jeher darauf ausgerichtet gewesen sei, diese sobald wie möglich hauptberuflich auszuüben. Ein Verzicht auf die Arbeit im B-Krankenhaus sei ihr aufgrund der unklaren Rechtslage im Zusammenhang mit der Rechtsstellung der Psychotherapeuten im Zeitfenster und auf ggf. bestehende Zulassungshindernisse sowie in Anbetracht der ihr allein obliegenden Fürsorge- und Unterhaltspflicht für ihre Tochter bisher nicht möglich gewesen. Zu der Diskrepanz zwischen der Anzahl der behaupteten 802 und der durch Bescheinigungen der gesetzlichen Krankenkassen belegten 659 Behandlungsstunden hat die Klägerin erklärt, sie habe gegenüber der Krankenkasse lediglich die Behandlungsstunden angegeben, die sie in selbständiger Tätigkeit nach ihrem Praxiswechsel von der Praxis G in L-D in die Praxis L-Q ab März 1995 durchgeführt habe. Die während des Zeitfensters bis März 1995 in der Praxis G erbrachten Behandlungsstunden habe sie dagegen unberücksichtigt gelassen. Auch wenn lediglich 659 Stunden zu berücksichtigen seien, sei daran festzuhalten, dass die Voraussetzungen einer "Teilnahme" i.S.d. § 95 Abs. 10 SGB V nicht anhand einer exakt festgelegten Mindestzahl von Behandlungsstunden zu bewerten seien. Darüber hinaus seien bei der Auslegung der "Härtefallregelung" stets die konkreten Umstände des Einzelfalles, in ihrem Fall ihre persönliche Situation als alleinerziehende Mutter, hinreichend zu berücksichtigen. Eine starre Anwendung des vom BSG entwickelten Maßstabes der "annähernd halbtägigen" Tätigkeit sei dann nicht mehr zu rechtfertigen, wenn dies im Einzelfall zu einer versteckten geschlechtsspezifischen Diskriminierung führen würde. Lege man lediglich die von März 1995 bis Juni 1997, d.h. während 2,3 Jahren, durchgeführten 659 Behandlungsstunden zu Grunde, so habe sie bei 43 Behandlungswochen pro Jahr durchschnittlich 6,7 Behandlungsstunden pro Woche durchgeführt. Dies dürfte im Hinblick auf die gewissenhafte Wahrnehmung der elterlichen Pflichten, die gerade in der heutigen Zeit von größter gesellschaftlicher Wichtigkeit sei und einem pflichtbewussten und verantwortungsvollen Elternteil daher nicht "per Gesetz" zum Nachteil gereichen könne, an der obersten Grenze des vorliegend zu erwartenden Behandlungsumfanges liegen. Die ihr allein obliegende Versorgung ihrer Tochter habe im Zeitfenster wöchentlich mindestens 15 Stunden betragen; ab deren Erkrankung im Jahr 1996 sei ein zusätzlicher Zeitaufwand von mindestens weiteren fünf Stunden hinzu gekommen. Hätte sie während der Dauer des Zeitfensters kein Kind versorgen müssen, hätte sie die neben ihrer Tätigkeit im B- Krankenhaus die nach der Rechtsprechung des BSG erforderliche Anzahl von Behandlungsstunden pro Woche als Psychotherapeutin in eigener Praxis erreicht. Die Klägerin hat die ihr vorliegenden Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 1994 - 1998 und 2000 - 2001 übersandt. Die darin angegebenen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit beruhen nach ihren Angaben ausschließlich auf der Behandlung gesetzlich Krankenversicherter.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 05.12.2001 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Beschlusses vom 10.02.2000 zu verurteilen, sie zur vertragsärztlichen Versorgung als psychologische Psychotherapeutin mit Sitz in C-straße 00, L-Q, zuzulassen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 05.12.2001 zurückzuweisen.

Er hat nach Kenntnis der im Berufungsverfahren beigebrachten arbeitsvertraglichen Vereinbarung des B Krankenhauses vom 11.02.2003 seine aus § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV hergeleiteten Bedenken als erledigt angesehen. Es sei jedoch nicht nachgewiesen, dass die Klägerin im Zeitfenster im erforderlichen Umfang an der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter teilgenommen habe. Diese Frage sei, da es darauf nicht mehr angekommen sei, im Widerspruchsverfahren nicht erörtert worden. Selbst unter Berücksichtigung der von der Klägerin angegebenen Anzahl von durchschnittlich 267 Behandlungsstunden im Kalenderjahr und vom BSG regelmäßig zu Grunde gelegten 43 Arbeitswochen ergäben sich nur durchschnittlich 6,1 Behandlungsstunden pro Woche. Daraus werde deutlich, dass diese Tätigkeit gegenüber der im B-Krankenhaus von völlig untergeordneter Bedeutung gewesen sei und damit zur Erlangung eines Bestandsschutzes nicht ausreiche.

Die Beigeladene zu 5) schließt sich dem Antrag an.

Die Beigeladene zu 4) hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand mündlicher Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin in L.

Im Hinblick auf die im Planungsbereich bestehende Zulassungssperre wegen Überversorgung könnte sich die Klägerin dort nur aufgrund einer bedarfsunabhängigen Zulassung niederlassen. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Die Klägerin erfüllt nicht das Tatbestandsmerkmal des § 95 Abs. 10 Satz 1 Nr. 3 SGB V, nämlich der Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum vom 25.06.1994 bis zum 24.06.1997 (sog. Zeitfenster). Schon deshalb kommt es auf die Frage, ob die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 und/oder Abs. 2 Ärzte-ZV einer Zulassung entgegenstehen, nicht mehr an.

Dass die Regelung des § 95 Abs. 10 Satz 1 Nr. 3 SGB V mit Verfassungsrecht im Einklang steht, hat das Bundessozialgericht (BSG), dem sich der Senat nach eigener Überprüfung und Überzeugung anschließt, in seinen Urteilen vom 08.11.2000 entschieden ( B 6 KA 52/00 R, BSGE 87, 158 ff., u.a. ). Danach sind die Einbeziehung der Psychotherapeuten in die Bedarfsplanung und die Bindung der Privilegierung einer bedarfsunabhängigen Zulassung als Psychotherapeut(in) an die Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten in der Vergangenheit mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine Ausnahme von der bedarfsabhängigen Zulassung sieht das Gesetz nur für diejenigen Psychotherapeuten vor, die innerhalb des Zeitfensters an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten teilgenommen haben. Damit sollen diejenigen Psychotherapeuten geschützt werden, für die die grundsätzlich zumutbare Verweisung auf eine bedarfsabhängige Zulassung eine unbillige Härte darstellen würde. Dies setzt voraus, dass im Zeitfenster eine schützenswerte Position vorhanden gewesen oder geschaffen worden ist. Deshalb muss der Psychotherapeut im sogenannten Zeitfenster in niedergelassener Praxis eigenverantwortlich Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen in anerkannten Behandlungsverfahren in einem Mindestumfang behandelt haben.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht.

Sie ist zwar im Zeitfenster in eigener Praxis tätig gewesen. Dass sie die Behandlungen von Versicherten gesetzlich Krankenversicherter nicht während des gesamten Zeitfensters, sondern erst ab März 1995 in eigener niedergelassener Praxis durchgeführt hat, steht dem Innehaben einer schützenswerten Position nicht entgegen (BSG, Urteil vom 08.11.2000 - B 6 KA 52/00 R -, a.a.O.). Jedoch hat die Tätigkeit der Klägerin in eigener niedergelassener Praxis nicht einen solchen Umfang gehabt, dass die Verweisung auf eine bedarfsabhängige Zulassung und der damit verbundene Zwang zu einem beruflichen Neuanfang an einem anderen Ort eine unzumutbare Härte darstellten.

Der Senat schließt sich auch insoweit der Rechtsauffassung des BSG in den oben genannten Urteilen an, als der Behandlungsumfang gegenüber Versicherten der Krankenkassen annähernd einer halbtätigen Tätigkeit entsprochen haben muss und die Behandlungen in eigener Praxis nicht gegenüber anderen beruflichen Tätigkeiten, sei es in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, sei es gegenüber anderen Kostenträgern, von nachrangiger Bedeutung gewesen sind. Daraus folgt, dass die Arbeit in eigener Praxis nicht die einzige einkommensrelevante berufliche Beschäftigung gewesen sein muss. Maßgeblich für die Beurteilung des Mindestumfanges ist, dass die Behandlung Versicherter der gesetzlichen Krankenkassen vom Umfang her für das gesamte Erwerbseinkommen von Bedeutung war. Das BSG hat unter Berücksichtigung der die eigentliche Behandlung notwendigen begleitenden Tätigkeiten einen wöchentlichen Behandlungsumfang von 11,6 Stunden und bei Praxen, die erst zu Beginn oder im Frühjahr des Jahres 1997 gegründet worden sind, unter bestimmten Umständen durchschnittlich 15 Behandlungsstunden pro Woche für erforderlich gehalten.

Die geforderte annähernd halbtägige Tätigkeit ist vorliegend zu verneinen. Die Klägerin hat nach ihren eigenen Angaben, die durch die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Bescheinigungen der gesetzlichen Krankenkassen belegt sind, in eigener niedergelassener Praxis 659 Behandlungsstunden innerhalb des Zeitfensters in dem Zeitraum von März 1995 bis zum 24.06.1997 gegenüber Versicherten der Krankenkassen erbracht. Ausgehend von 43 Arbeitswochen pro Kalenderjahr (BSG, Urteil vom 25.08.1999 - B 6 KA 14/98 R -, BSGE 84, 235 ff.; BSG, Urteil vom 08.11.2000 - B 6 KA 52/00 R -, a.a.O.) ergeben sich 6,81 Wochenstunden. Unter Berücksichtigung der zunächst für das gesamte Zeitfenster geltend gemachten 802 Behandlungsstunden, die auch Behandlungsstunden in der Praxis G beinhalten, ergäben sich sogar nur 6,22 Stunden pro Woche.

Dass bei einem solchen Behandlungsumfang die Tätigkeit in eigener niedergelassener Praxis nicht annähernd halbtägig war, ergibt sich auch unter Berücksichtigung des in dem fraglichen Zeitraums erzielten Bruttoeinkommens. Jährlichen Bruttoeinkünften aus nichtselbständiger Arbeit von 64 593,- DM (1995), 66 621,- DM (1996) und 67 994,- DM (1997) stehen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit von 14 560,- DM (1995), 17 522,- DM (1996) und 16 289,- DM (1997) gegenüber. Diese betragen ca. ein Drittel bzw. ein Viertel der Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit. Auch daraus folgt, dass die Tätigkeit in eigener niedergelassener Praxis die berufliche Tätigkeit im Zeitfenster nicht geprägt hat.

Der Einwand der Klägerin, die Erziehung und Versorgung der 1984 geborenen Tochter, die nach der Trennung von ihrem Ehemann im Jahre 1986 allein durch sie erfolgt und die auch im Hinblick auf deren 1996 aufgetretene psychische Erkrankung sehr zeitaufwändig gewesen seien, hätten sie daran gehindert, im Zeitfenster die Anzahl der Behandlungsstunden in ihrer selbständigen Tätigkeit zu erhöhen, führt zu keinem anderen Ergebnis.

Weder verstößt § 95 Abs. 10 Satz 1 Nr. 3 SGB V gegen Artikel 6 Grundgesetz (GG) noch ist eine rechtswidrige Diskriminierung der Klägerin zu erkennen.

Zwar stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung und hat jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 und 4 GG). Der Gesetzgeber ist jedoch nicht gehalten, alle mit der Mutterschaft und Kindererziehung zusammenhängenden wirtschaftlichen und beruflichen Belastungen auszugleichen. Der Grundsatz, dem Gesetzgeber stehe bei seiner Entscheidung, in welchem Umfang und mit welchen Mitteln er dem Schutzauftrag des Art. 6 GG nachkommt, eine weite Gestaltungsfreiheit zu (BSG, Urteil vom 18.03.1998 - B 6 KA 37/96 R -, SozR 3-2500 § 103 Nr. 2, Verweisung eines Zulassungsbewerbers auf nicht gesperrte Planungsgebiete), gilt auch für die bedarfsunabhängige Zulassung von Psychologischen Psychotherapeuten. Dabei ist festzustellen, dass der Gesetzgeber die besondere Situation der Erziehungsleistenden im Zeitfenster gesehen und ihr durch die Härteregelungen des § 95 Abs. 11 a und b SGB V, die die bereits erleichterten Zulassungsvoraussetzungen in § 95 Abs. 10 und 11 SGB V noch erweitern, Rechnung getragen hat. Einer darüber hinaus gehenden Regelung zum Schutz der Familie bedurfte es angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht.

Ebenso wenig vermag der Senat der Auffassung der Klägerin zu folgen, es liege eine nicht durch objektive Gründe gerechtfertigte mittelbare geschlechtsspezifische Diskriminierung vor, weil sie im Hinblick auf ihre familiäre Situation gehindert gewesen sei, den erforderlichen Mindestumfang an Behandlungsstunden im Zeitfenster zu erbringen. Die Frage, ob § 95 Abs. 10 Satz 1 Nr. 3 SGB V eine mittelbare Diskriminierung von Frauen beinhaltet, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Denn die Klägerin ist nicht durch die Erziehung ihrer Tochter gehindert worden, die Voraussetzungen einer Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitfenster zu erfüllen. Sie hat im fraglichen Zeitraum trotz ihrer Pflichten als alleinerziehende Mutter eine abhängige Beschäftigung mit 26 und daneben eine selbständige Tätigkeit im Umfang von knapp 7 Stunden wöchentlich ausgeübt. Unter Berücksichtigung dessen, dass nach dem BSG eine Tätigkeit im Umfang von 11,6 Stunden als annähernd halbtägig anzusehen ist, hat die Klägerin insgesamt eine volle Berufstätigkeit ausgeübt. Es wäre ihr deshalb möglich gewesen, die Voraussetzungen einer Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten zu erfüllen. Die Entscheidung, welcher Tätigkeit sie den Vorrang geben sollte, ist eine Frage der persönlichen Lebensplanung. Dass sich die Klägerin, wie sie vorgetragen hat, angesichts der unsicheren Rechtslage für die "sichere" abhängige Tätigkeit im B-Krankenhaus entschieden hat, ist verständlich. Im Hinblick auf die mit einer selbständigen Tätigkeit verbundenen Möglichkeit, die Arbeitszeit selbst zu bestimmen, wäre angesichts der ihr allein obliegenden Erziehung und Versorgung ihrer Tochter eine andere Entscheidung ebenso verständlich gewesen. Eine eindeutige Ausrichtung auf eine selbständige Tätigkeit in eigener niedergelassener kommt deshalb in ihrer Entscheidung gerade nicht zum Ausdruck.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der vor dem 01.01.2002 geltenden Fassung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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