L 16 Kr 11/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 12 Kr 63/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 Kr 11/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
1 RK 5/97
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Nach Rev. d.Kl. 1 RK 5/97 Zurückverweisung an LSG
Neues Az. L 16 KR 51/99. Dieses Verfahren hat am 06.12.1999 durch gerichtlichen Vergleich seine Erledigung gefunden.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.11.1996 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger nach Ablauf seiner Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit weiter Krankengeld beanspruchen kann.

Der 1939 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist seit dem 19.04.1993 arbeitsunfähig. Die Beklagte zahlte ihm deshalb Krankengeld, wobei am 22.01.1994 ein neuer Dreijahreszeitraum mit Anspruch auf 78 Wochen Krankengeld begann. Parallel zu der Krankengeldgewährung bewilligte die LVA Westfalen mit Bescheid vom 05.04.1994 eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit. Der Rentenbeginn war der 01.11.1993, das Ende der 31.08.1995. Mit Eingang des Rentenbescheides am 06.04.1994 stellte die Beklagte die Krankengeldzahlung ein. Einen Antrag auf Verlängerung der Zeitrente lehnte die LVA Westfalen mit Bescheid vom 28.07.1995 ab. Der Kläger reichte dagegen Klage vor dem Sozialgericht Dortmund ein.

Noch vor Ablauf der Zeitrente beantragte er bei der Beklagten unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Orthopäden Dr. X vom 18.07.1995, ihm ab 01.09.1995 weiter Krankengeld zu gewähren. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheiden vom 12.09. und 16.11.1995 mit der Begründung ab: Mit dem am 19.05.1995 in Kraft getretenen Dritten Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches V sei festgelegt worden, daß ein Anspruch auf Krankengeld bei Wegfall einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit nur dann erneut entstehe, wenn das Mitglied mit Anspruch auf Krankengeld versichert sei. Da vom 07.04.1994 bis zum 31.08.1995 eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner bestanden habe und diese Versicherung einen Krankengeldanspruch nicht mit einschließe, bestehe ein erneuter Anspruch auf Krankengeld nach Wegfall der Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit nicht. Mit den hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor:
Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs V in Kraft getretene § 50 Abs. 1 Satz 4 SGB V nicht einschlägig. Es handele sich hier nicht um den Eintritt einer erneuten Arbeitsunfähigkeit. Begehrt werde eine Krankengeldzahlung aus dem "noch nicht verbrauchten" Anspruch auf Krankengeld ausgehend von der seit dem 19.04.1993 bestehenden Arbeitsunfähigkeit.

Die Widerspruchstelle wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.1996 zurück und führte zur Begründung aus:
Mit dem Wegfall der Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit am 31.08.1995 entstehe bei fortlaufender Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Krankengeld ab 01.09.1995 nicht neu. Der Gesetzgeber sei durch Einfügung des § 50 Abs. 1 Satz 4 SGB V dem Rentencharakter einer Krankengeldzahlung entgegengetreten. Es sei kein plausibler Grund erkennbar, warum die aufgrund der Initiative der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen eingeführte Gesetzeserweiterung den vorliegenden Sachverhalt nicht erfassen solle. Ein neuer Krankengeldanspruch setze eine erneute Arbeitsunfähigkeit voraus, die beim Kläger nicht vorgelegen habe. Desweiteren habe am 01.09.1995 auch kein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld bestanden. Erst seit dem 05.09.1995 sei Arbeitslosengeld nach § 105 a AFG wegen Minderung der Leistungsfähigkeit gezahlt worden.

Der Kläger hat am 14.06.1996 vor dem Sozialgericht Klage erhoben. Er hat sich auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren berufen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 12.09 und 16.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.1996 zu verurteilen, ihm ab 01.09.1995 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihren bisher vertretenen Standpunkt aufrechterhalten.

Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger ab 01.09.1995 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. In der Begründung hat es dargelegt:
Dem Kläger stehe Krankengeld ab 01.09.1995 zu. Der Krankengeldanspruch sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nach Wegfall der Erwerbsunfähigkeitsrente bei unverändert fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nicht mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen sei. Das Wiederaufleben des alten noch bestehenden Krankengeldanspruchs sei nach Wegfall der Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit allein an die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten geknüpft. Dies ergebe sich zwangsläufig aus dem Normzweck des § 50 SGB V. Dieser sei es, Doppelleistungen, die das gleiche Ziele hätten, zu vermeiden. Auch mit der Einführung des neuen § 50 Abs. 1 Satz 4 SGB V durch das Dritte Gesetz zur Änderung des SGB V habe der Gesetzgeber keineswegs den Normzweck insgesamt ändern wollen. Es solle vielmehr weiterhin ein Nebeneinander von Lohnersatzleistungen vermieden werden. Der - mit der Gesetzesbegründung in Einklang zu bringende - Gesetzeswortlaut sei insoweit mißglückt, als darin neben der Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld eine erneute Arbeitsunfähigkeit gefordert werde. Mit dieser an § 48 Abs. 2 SGB V angelehnten Formulierung könne der Gesetzgeber den Fall der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit bei nach § 48 Abs. 1 SGB V noch nicht verbrauchtem Krankengeldanspruch nicht gemeint haben. Ein solcher Fall liege außerhalb des Regelungsbereichs des neuen § 50 Abs. 1 Satz 4 SGB V. Das entspreche im übrigen auch § 48 Abs. 3 Satz 2 SGB V, wonach bei Feststellung der Leistungsdauer die Zeiten, für die - wie nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V - kein Anspruch auf Krankengeld bestehe, unberücksichtigt blieben.

Gegen dieses ihr am 22.12.1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.01.1997 Berufung eingelegt und vorgetragen:
Aus § 50 Abs. 1 Satz 4 SGB V ergebe sich, daß ein neuer Krankengeldanspruch nur entstehen könne, wenn zu dem betreffenden Zeitpunkt eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld bestehe. Daß dabei dem Gesetzgeber der Wortlaut mißglückt sei, sei zwar eine modische These; im vorliegenden Fall gebe es hierfür aber keinerlei Anhaltspunkte.

Die Beklagte beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger ab 01.09.1995 Krankengeld zu gewähren. Die Bescheide vom 12.09. und 16.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.1996 sind nämlich rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger kann nämlich ab 01.09.1995 Krankengeld nicht verlangen.

Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 1. HS Nr. 1 SGB V endet für Versicherte, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, ein Anspruch auf Krankengeld vom Beginn dieser Leistung an. Nach dem zweiten Halbsatz dieser Vorschrift entsteht nach Beginn dieser Leistungen ein neuer Krankengeldanspruch nicht. Nach § 50 Abs. 1 Satz 4 SGB V in der durch das Dritte Gesetz zur Änderung des SGB V vom 10.05.1995 (BGBl. I S. 678) geltenden Fassung entsteht, wenn eine der in Satz 1 genannten Leistungen nicht mehr gezahlt wird, ein Anspruch auf Krankengeld, wenn das Mitglied bei Eintritt einer erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert ist.

Der Kläger erfüllt die nach diesen Vorschriften erforderlichen Voraussetzungen für einen Krankengeldanspruch ab 01.09.1995 nicht. Mit Beginn der Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit (01.11.1993) endete der Anspruch auf Krankengeld (§ 50 Abs. 1 Satz 1, 1. HS SGB V). Ein neuer Krankengeldanspruch entstand in der Zeit danach, aber noch während der Dauer der Erwerbsunfähigkeitsrente nicht (§ 50 Abs. 1 Satz 1, 2. HS SGB V). Nach seiner alten Fassung war die Anwendung des § 50 Abs. 1 SGB V auf Fälle beschränkt, in denen der Anspruch auf Krankengeld schon bestand, bevor der Rechtsanspruch auf z.B. die Erwerbsunfähigkeitsrente entstand (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1993 - 1 RK 25/93 -). Für diese Auslegung sprachen sowohl der Wortlaut wie auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des SGB V hat der Gesetzgeber jedoch eine grundlegende Änderung der Rechtslage herbeigeführt. Abs. 1 Satz 1 2. HS bestimmt nunmehr ausdrücklich, daß auch nach dem Beginn der in den Nrn. 1 bis 5 genannten Leistungen ein neuer Krankengeldanspruch nicht entsteht. Ziel dieser Regelung ist es, jeglichen Bezug von Krankengeld neben Rentenleistungen auszuschließen (vgl. BT-Drucks. 13/340 S. 2,9). Damit wird durch die in Nrn. 1 bis 5 genannten Leistungen jeder Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen, und zwar unabhängig davon, ob dieser vorher oder nachher begonnen hat.

Ein Krankengeldanspruch des Klägers ab 01.09.1995 läßt sich aber auch nicht aus § 50 Abs. 1 Satz 4 SGB V in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des SGB V herleiten. Zwar wird ab 01.09.1995 die Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit nicht mehr gezahlt. Nach dieser Vorschrift ist ein Wiederentstehen des Anspruchs auf Krankengeld auch grundsätzlich möglich. Diese Vorschrift verlangt dafür jedoch ausdrücklich den Eintritt einer erneuten Arbeitsunfähigkeit. Es darf sich also nicht - wie hier - um dieselbe (ununterbrochene) Arbeitsunfähigkeit handeln, die dem früher ausgeschlossenen Krankengeldanspruch zugrundelag (siehe Höfler in Kasseler Kommentar, SGB V, § 50 Rdn. 7a; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, Stand 1/97, § 50 Rdn. 89). Erforderlich ist ferner eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld (siehe Höfler in Kasseler Kommentar § 50 Rdn. 7a i.V.m. § 44 Rdn. 3 ff., 28 ff.; Maaßen/Schirmer/Wiegand/Zipperer, SGB V, Kommentar, Stand 5/97 § 50 Rdn. 3; Vay in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Kommentar, Stand 1/96 § 50 Rdn. 21; a.M. Noftz in Hauck-Haines, SGB V, § 50 Rdn. 6 f., 51 f.). Diese sich aus dem Wortlaut der genannten Vorschrift ergebende Voraussetzung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 13/340 S. 9). Die bloße Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung, z.B. in der Krankenversicherung der Rentner, ist dagegen nicht ausreichend. Zwar ist ein Krankengeldanspruch bei krankenversicherten Rentner nicht in jedem Fall ausgeschlossen. Zwingend notwendig ist jedoch, daß Arbeitseinkommen der Beitragspflicht unterworfen ist (vgl. Krauskopf Soziale Krankenversicherung, Kommentar, § 44 Rdn. 3).

Dies ist verständlich, weil nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der am 01.09.1995 geltenden Fassung das Krankengeld 80 % des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt, beträgt. Der Kläger bezog in der Zeit bis zum 31.08.1995 (lediglich) die Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit und nicht daneben zusätzlich noch Arbeitseinkommen, welches der Beitragsberechnung unterlag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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