L 3 R 108/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 RJ 139/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 108/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.05.2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtigt ist, den Ausgleichsanspruch des Klägers nach § 4 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) für die Vergangenheit nach Maßgabe der §§ 48 Abs. 4, 44 Abs. 4 Zehntes Buch des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) zu beschränken.

Die Ehe des am 00.00.1940 geborenen Klägers wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Köln vom 16.11.1982 geschieden. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurden von dem Versicherungskonto des Klägers auf das Versicherungskonto der Ehefrau "Rentenanwartschaften" aus der Ehezeit vom 01.11.1969 bis zum 30.09.1981 in Höhe von monatlich 163,60 DM übertragen.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 08.01.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01.12.1996. Den monatlichen Wert der Rente stellte sie mit 1.945,25 DM fest. Dabei berücksichtigte sie die rentenversicherungsrechtlichen Folgen des durchgeführten Versorgungsausgleichs durch entsprechende Kürzung der Entgeltpunkte wegen der übertragenen Rentenanwartschaften um 5,7085 Entgeltpunkte. Seit dem 01.09.2005 bezieht der Kläger Regelaltersrente.

Die geschiedene Ehefrau des Klägers starb am 00.00.2003. Sie bezog vom 01.09.2002 bis zum 28.02.2003 Rente wegen Erwerbsminderung und insgesamt Leistungen in Höhe von 4.919,50 Euro. Die Höhe der Rentenleistung aus der übertragenen Rentenanwartschaft betrug insgesamt 892,75 Euro und überschritt nicht den von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute Deutsche Rentenversicherung Bund) ermittelten Grenzbetrag in Höhe von 3.582,88 Euro.

Am 17.11.2003 beantragte der Kläger die ungekürzte Auszahlung seiner Rente ab 01.12.1996, da seines Wissens nach seine geschiedene Ehefrau keine Leistungen aufgrund der übertragenen Anwartschaften erhalten habe. Mit Bescheid vom 03.05.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf § 48 Abs. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X Rente ohne Minderung um die im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften ab dem 01.01.1999. Unter Berücksichtigung der Leistungen, die seine geschiedene Ehefrau erhalten habe, errechne sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 7.766,47 Euro.

Der Kläger legte am 26.05.2004 Widerspruch ein. Er war der Auffassung, dass der Vierjahreseinwand dem Rückausgleichsanspruch des § 4 Abs. 1 VAHRG nicht entgegengehalten werden könne. Zur Stützung seines Vortrags verwies er auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.07.2001, Az.: B 4 RA 94/00 R. Die ungekürzte Rente stehe ihm bereits ab dem 01.12.1996 zu. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass in Anwendung des § 48 Abs. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X eine Neufeststellung nur für vier Jahre rückwirkend in Betracht komme.

Der Kläger hat am 25.11.2005 Klage erhoben. Das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 24.07.2001 ausgeführt, dass § 48 SGB X für die Wertfeststellung des streitigen Ausgleichsanspruchs nicht einschlägig sei. Es gehe nicht um die Erfüllung eines in der Vergangenheit in einem Dauerrechtsverhältnis entstandenen und fällig gewordenen Rentenanspruchs, sondern um die Erfüllung eines mit der wesentlichen Änderung mit dem Tod der Ausgleichsberechtigten erstmals entstandenen einmaligen Ausgleichsanspruchs. Hierfür sei § 48 Abs. 1 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X ohne Bedeutung.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 03.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2004 dem Grunde nach zu verurteilen, ihm über den bisher zuerkannten Ausgleichsanspruch von 7.766,47 Euro hinaus einen weiteren Betrag unter Berücksichtigung auch des Ausgleichszeitraumes vom 01.12.1996 bis zum 31.12.1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung gewesen, dass auch in den Fällen, in denen gem. § 4 VAHRG ein Abschlag an Entgeltpunkten rückwirkend ab Rentenbeginn nicht mehr zu berücksichtigen sei, § 48 Abs. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X Anwendung finde.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20.05.2005 die Beklagte verurteilt, dem Kläger einen Ausgleichsbetrag auch für die Zeit vom 01.12.1996 bis zum 31.12.1998 zu zahlen. Auf die Ausführungen des Sozialgerichts in den Entscheidungsgründen wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 06.06.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.06.2005 Berufung eingelegt. Sie verweist auf einen Beschluss des Fachausschusses für Versicherungen und Rente des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger vom 22.06.2004 und erklärt sich nicht bereit, der vom Kläger zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts über den Einzelfall hinaus zu folgen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass die Aufspaltung des Ausgleichsanspruchs in einen Anspruch für die Zukunft auf Aufhebung des bisherigen Rentenfeststellungsbescheides und einen Anspruch für die Vergangenheit auf einmalige Ausgleichszahlung ersichtlich mit dem Ziel erfolge, die vom Gesetzgeber gewollte Anwendung der Vierjahresfrist auch in den Fällen des § 48 SGB X auszuschließen. Die Aufspaltung sei ein Novum, denn auch der 4. Senat des Bundessozialgerichtes habe in seinem Urteil vom 14.05.1996 eine solche Unterscheidung nicht vorgenommen und § 48 SGB X als Anspruchsgrundlage genannt. Ausgehend vom System des Versorgungsausgleichs erscheine es zwingend, dass der Anspruch auch für die Vergangenheit nicht als einmaliger Zahlungsanspruch, sondern als Ausgleichsanspruch auf laufende Monatsrenten ausgestaltet sei. Der Versorgungsausgleich berücksichtige ausschließlich laufende Leistungen, nicht jedoch einmalige Leistungen. Der Anspruch aus § 4 VAHRG teile die Rechtsnatur des Anspruchs, der durch die Härteregelung berichtigt werden solle. Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung würden als laufende Leistungen, also als solche mit Dauerwirkung erbracht. Deshalb sei auch im Falle der Korrektur einer Rentenkürzung aufgrund nachträglich eingetretener rechtlicher oder tatsächlicher Veränderungen die Rente für die Vergangenheit neu festzustellen und somit ein Fall des originären Anwendungsbereichs des § 48 SGB X gegeben. Es sei nicht erkennbar, dass der Anspruch auf Neufeststellung nach § 4 VAHRG eine andere Rechtsqualität habe als sonstige gesetzlich fixierte Neufeststellungsgründe. Auch sei denkbar, dass im Rahmen eines Rentenfeststellungsverfahrens die Voraussetzungen des § 4 VAHRG nach Beginn der Rente jedoch vor der Erteilung des Rentenbescheides einträten. Dann entstünden nach der Konstruktion des Bundessozialgerichts zwei Ansprüche, nämlich ein Anspruch auf ungekürzte laufende Monatsrente ab Beginn des Kalendermonats, an dessen Ersten die Voraussetzungen erstmals erfüllt waren und ein einmaliger Ausgleichsanspruch für die vorangehende Zeit. Hieran sei die Künstlichkeit der Aufspaltung des rechtlich einheitlich zu beurteilenden Vorgangs offenkundig. Auch im Hinblick auf Folgeprobleme, die ansonsten bei in Abzug zu bringenden Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung, bei der rückwirkenden Erhöhung der ggf. zu zahlenden Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung, bei der Abwicklung von Erstattungsansprüchen als auch im Rahmen der Einkommensanrechnung aufträten, müsse der Ausgleichsanspruch als laufende Rentenleistung angesehen werden. Es stelle sich die Frage, ob hier nicht einem Anspruch eine Rechtsnatur beigemessen worden sei, die dieser in Wirklichkeit nicht habe. Da die Rente nach § 48 SGB X neu festzustellen sei, sei die Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X, auf den § 48 Abs. 4 SGB X verweise, entsprechend anzuwenden. Auch erscheine die Aufhebung von Verwaltungsakten nach § 48 SGB X unter Verzicht auf die Anwendung des Abs. 4 grundsätzlich nicht möglich. Dass die vierjährige Ausschlussfrist für die Betroffenen generell eine Härte bedeute, sei nicht zu bestreiten. Gleichwohl bestünden gegen die Anwendung der Ausschlussfrist keine verfassungsrechtlichen Bedenken, denn diese stelle dort, wo Sozialleistungen in den Schutzbereich des Eigentumsrechts einbezogen seien, einen Ausgleich der Individualinteressen des Versicherten mit denen der Versichertengemeinschaft und damit eine zulässige Schranke im Sinne des Art. 14 Grundgesetz dar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.05.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist darauf hin, dass bei Anwendung der Vierjahresfrist eine auf dem Versorgungsausgleich beruhende verfassungswidrige Härte verbleibe, die unter Berücksichtigung der in § 4 VAHRG nicht vorgesehenen zeitlichen Einschränkung nicht zu rechtfertigen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Az: 000) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 01.12. 1996 bis zum 31.12.1998 einen Ausgleichbetrag zu zahlen. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig. Die Beklagte beruft sich zu Unrecht auf die Anspruchbeschränkung des § 48 Abs. 4 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X.

Rechtsgrundlage für die Neuberechnung der Rente des Klägers ist § 48 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit u.a. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (Satz 2 Nr. 1).

Für die in dem Rentenbescheid vom 08.01.1997 getroffene und bindende Festsetzung des monatlichen Rentenhöchstwertes war u.a. wesentlich, dass auf Grund der Übertragung von Rentenanwartschaften auf das Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau der Rangstellenwert der Rente des Klägers um die abgezogenen Entgeltpunkte verringert worden war, so dass sein Recht auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit einen entsprechenden geringeren Geldwert hatte.

Mit dem Tod der geschiedenen Ehefrau ist eine wesentliche Änderung insofern eingetreten, als der Kläger nunmehr einen Anspruch darauf hat, dass sein Recht auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht mehr auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt wird, denn es sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1, 2 VAHRG erfüllt.

Nach § 4 Abs. 1, 2 VAHRG wird die Versorgung des Verpflichteten nicht aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn ein Versorgungsausgleich nach § 1587b Abs. 1 oder 2 BGB durchgeführt worden ist und der Berechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten hat. Gleiches gilt, wenn der Berechtigte verstorben ist und aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt wurden/werden, die insgesamt zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezuges ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors berechneten Vollrente wegen Alters aus der allgemeinen Rentenversicherung aus dem erworbenen Anrecht nicht übersteigen. Dabei sind die gewährten Leistungen auf die sich aus Absatz 1 ergebende Erhöhung anzurechnen.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn die Verstorbene hatte nach der Auskunft der für sie zuständigen Deutschen Rentenversicherung Bund vom 13.04.2004 aus den im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nur Leistungen in einem Umfang erhalten, der insgesamt zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezuges ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors berechneten Vollrente wegen Alters aus der allgemeinen Rentenversicherung aus dem erworbenen Anrecht nicht überstieg.

Hieraus ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Aufhebung der Rentenbewilligung ab dem Zeitpunkt des Eintritts der wesentlichen Änderung. Erst von diesem Zeitpunkt an ist die Rentenwertfestsetzung rechtswidrig geworden. Die gilt nicht für die Zeit vom Rentenbeginn bis zum Eintritt der wesentlichen Änderung. Für diesen Zeitraum hatte die Beklagte den Wert der Rente zutreffend festgesetzt. Jedoch steht dem Kläger auch für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Rückausgleich (Ausgleichsanspruch) zu, der sich aus § 4 Abs. 1 VAHRG ergibt.

Dieser Ausgleichsanspruch ist auf eine einmalige Leistung gerichtet (BSG, Urteil vom 24.04.2001, Az: B 4 RA 94/00 R, in: SozR 3-5795 § 4 Nr 7). Hierzu hat das Bundessozialgericht in der vorgenannten Entscheidung ausgeführt: "Es geht nicht um in der Vergangenheit entstandene und fällig gewordene Einzelansprüche, deren "anteilige" Nichterfüllung durch eine Änderung i.S. des § 48 Abs 1 SGB X rechtswidrig geworden sein könnte. Eine solche Rechtsfolge hätte allenfalls eintreten können, wenn eine "Rückgängigmachung" des Versorgungsausgleichs auch durch eine rechtlich "rückwirkende" Rückübertragung der "Rentenanwartschaften" auf das Versicherungskonto des Ausgleichsverpflichteten (hier: des Klägers) und daher durch eine echt "rückwirkende" Begründung einer Rechtswidrigkeit der Durchführung des Versorgungsausgleichs vorzunehmen wäre. Eine solche "Rückübertragung" erfolgt aber gerade nicht (Urteil des Senats vom 14. Mai 1996, SozR 3-5795 § 4 Nr 6). Denn dann läge ein rechtswidriger Grundrechtseingriff vor, der die von der Beklagten gesetzte Rechtsfolge schlechthin nicht zuließe. Demzufolge sind die bis zum Tode der früheren Ehefrau entstandenen und fällig gewordenen monatlichen Ansprüche des Klägers mit ihrem rechtmäßigen Wert erfüllt worden. Um verfassungswidrige Härten im Versorgungsausgleich zu vermeiden, gebietet § 4 Abs 1 VAHRG, der insoweit die Rechtsprechung des BVerfG umsetzt (Urteil vom 28. Februar 1980, BVerfGE 53, 257 = SozR 7610 § 1587 Nr 1), den Ausgleichsverpflichteten jetzt so zu stellen, als sei eine Rentenkürzung wegen des Versorgungsausgleichs in der Vergangenheit nicht vorgenommen worden. Berechnungsgrundlage dieses Ausgleichsanspruchs ist ein Wertevergleich, d.h. die Werte der in der Vergangenheit entstandenen und fällig gewordenen monatlichen Ansprüche werden jeweils den Werten gegenübergestellt, die ohne die Kürzung bestanden hätten. Hierbei handelt es sich um eine bloße Berechnungsmethode, in der Rechnungsposten miteinander verglichen werden, nicht aber um eine Erfüllung von in der Vergangenheit gerade nicht entstandenen Ansprüchen oder um eine Umwandlung der früheren rechtmäßigen Wertfestsetzung in einen rechtswidrigen Eingriffsakt.

§ 4 Abs 1 VAHRG konkretisiert das verfassungsrechtliche Gebot eines wirtschaftlich vollständigen Rückausgleichs. Deshalb enthält das Gesetz keine zeitliche Einschränkung. Der Ausgleichsanspruch ist aufgrund der Verluste im gesamten Zeitraum vorzunehmen, in dem wegen des Versorgungsausgleichs eine niedrigere Rente zu zahlen war. Ansonsten verbliebe eine verfassungswidrige Härte (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980, aaO).

Dem schließt sich der Senat an.

Die Beklagte hat somit auch die Rentenminderung auf Grund des Versorgungsausgleichs für die Zeit vom 01.12.1996 bis zum 31.12.1998 bei der Festsetzung des Ausgleichsbetrages zu berücksichtigen.

Dem steht auch nicht § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Dieser materiell-rechtliche Einwand ist nicht einschlägig, denn der Ausgleichanspruch ist, wie oben bereits ausgeführt, nicht auf in der Vergangenheit wiederkehrend entstandene und fällig gewordene Einzelansprüche gerichtet, sondern auf einen Einzelanspruch, der mit dem Tod des geschiedenen Ehegatten entstanden und fällig geworden ist. Vor diesem Zeitpunkt gab es keinen wegen des Versorgungsausgleichs ("anteilig") nicht erfüllten Anspruch des Klägers, gegen den der "Vierjahreseinwand" überhaupt nur erhoben werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2001 a.a.O). Auch wenn das Bundessozialgericht in Fällen rückwirkender Gewährung einer Sozialleistung, die einen anderen Anspruch zum Wegfall oder Ruhen bringt, den Zeitpunkt der wesentlichen Änderung auf den Zeitpunkt des Leistungsbeginns fingiert (vgl. BSG, Urteil vom 06.11.1985, Az: 10 RKg 3/84; in: SozR 1300 § 48 Nr 4), ist diese Rechtsprechung auf die hier vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar, denn in den Fällen einer rückwirkenden Bewilligung einer laufenden Leistung bestand der Anspruch auf diese Leistung dem Grunde nach schon vor der wesentlichen Änderung (Zeitpunkt der Bewilligung der Leistung). Der Anspruch hätte grundsätzlich schon früher zugesprochen werden können. Das ist hier nicht der Fall. Der Ausgleichsanspruch hätte dem Kläger nicht früher zugesprochen werden können, da er auch dem Grunde nach erst im Zeitpunkt des Eintritts der wesentlichen Änderung entstanden ist.

Der Einwand der Beklagten, es entstünden Folgeprobleme bei in Abzug zu bringenden Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung, bei der rückwirkenden Erhöhung der ggf. zu zahlender Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung, bei der Abwicklung von Erstattungsansprüchen und im Rahmen der Einkommensanrechnung, wenn der Ausgleichsanspruch eine einmalige Leistung sei, vermag nicht zu überzeugen, zumal die Beklagte die möglichen Folgeprobleme nicht näher konkretisiert hat. Der Ausgleichsanspruch ist darauf gerichtet, dem Kläger Rente in der Höhe zu gewähren, wie sie ihm ohne den Versorgungsausgleich zugestanden hätte. Es ist eine betragsmäßige Differenz zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2001, a.a.O), wobei es unerheblich ist, ob der Ausgleichsanspruch rechtlich als einmalige oder als laufende Leistung anzusehen ist. Es sind keine Gründe erkennbar, dass die Berechnung der Höhe des einmaligen Ausgleichsanspruchs nicht wie bei einer laufenden Leistung erfolgen kann.

Es mag dahinstehen, ob die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 15.05.1996 (Az: 4 RA 22/95, in SozR 3-5795 § 4 Nr. 6) der hier vertretenen Rechtsauffassung hinsichtlich der Anwendung des § 48 SGB X für Zeiten vor dem Eintritt der wesentlichen Änderung entgegensteht, denn das BSG hat in dieser Entscheidung ebenfalls die Anwendung der Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X ausgeschlossen. Hierzu hat es ausgeführt, dass die Vierjahresfrist bei Ansprüchen auf Rückausgleich nach § 4 Abs. 1, 2 VAHRG frühestens in dem Zeitpunkt beginnen könne, in dem der Ausgleichspflichtige erstmals den Rückausgleich (zu Recht) verlangen könne. Dies bedeutet im Ergebnis ebenfalls, dass der Rückausgleich ab Beginn der Rente des Ausgleichspflichtigen zu erfolgen hat. Dabei ist unerheblich, wie viel Zeit zwischen dem Rentenbeginn und dem Eintritt der wesentlichen Änderung vergangen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war im Hinblick auf die nach Angabe der Beklagten durchaus nennenswerte Anzahl gleichgelagerter Verfahren gem. § 160 Abs. 2 Zif. 1 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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