Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 15 RJ 158/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 117/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.05.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszuge nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Regelaltersrente hat. Dabei ist insbesondere umstritten, ob Arbeitszeiten des Klägers während eines Aufenthaltes im Ghetto/Zwangsarbeiterlager Demblin im damaligen Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete von März 1940 bis Mai 1942 auf die Wartezeit anrechenbar sind.
Der Kläger ist am 00.00.1927 in Polen als polnischer Staatsbürger geboren und gehört der jüdischen Glaubensgemeinschaft an. Bei Ausbruch des 2. Weltkrieges lebte er mit seinen Eltern in Demblin. Von Dezember 1939 bis zum 17. Januar 1945 war er nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Nach der Befreiung gelangte er über Österreich, Italien und Zypern nach Israel und lebt dort seit 1949 als israelischer Staatsangehöriger.
In einem Antrag auf Gewährung einer Entschädigung wegen Schadens an Freiheit, der von Dezember 1939 bis Januar 1945 anerkannt wurde, gab der Kläger an, ab Dezember 1939 habe er den Judenstern tragen müssen, ab März 1940 habe er sich im geschlossenen Ghetto Demblin gemeinsam mit seinen Eltern befunden, die im Mai 1942 in ein Vernichtungslager abtransportiert worden seien und zur gleichen Zeit sei er im Mai 1942 in das zu dieser Zeit errichtete Konzentrationslager Demblin überführt worden. Dieses sei ebenfalls mit Stacheldraht umgeben gewesen und habe einer Polizeibewachung unterstanden. Er sei zu Landwirtschaftsarbeiten herangezogen worden, die er unter Aufsicht verrichtet habe. Im Juli 1944 sei er in das Zwangsarbeitslager Czenstochowa (Tschenstochau) deportiert worden und habe im dortigen Lager Zwangsarbeit in der HASAG Munitionsfabrik unter Aufsicht von Meistern geleistet. Diese im Antrag vom 21.02.1957 gemachten Angaben bestätigte der Kläger nochmals in einer eidlichen Erklärung gleichen Datums und erklärte hierin ergänzend, dass die Straße, in der er wohnhaft gewesen sei, im Dezember 1939 in das errichtete Ghetto Demblin einbezogen worden sei. Das Ghetto sei mit einem Stacheldrahtzaun umgeben gewesen und habe einer strengen Polizeibewachung unterstanden. Im März 1940 sei es geschlossen worden und auf unbefugtes Verlassen des Ghettos habe der Tod gestanden. Im Mai 1942 seien seine Eltern in das Vernichtungslager Sovibosze abtransportiert worden. Seit dieser Zeit sei er im KZ Demblin untergebracht worden. Dasselbe sei in der Nähe des Flugplatzes errichtet und mit einem Stacheldrahtzaun gesichert gewesen. Hier sei er zu Landwirtschaftsarbeiten eingesetzt worden und während der Arbeit von Wehrmachtsangehörigen überwacht worden. Im Juli 1944 sei er nach Czenstochowa abtransportiert worden. Die Zeugin M M1 bestätigte in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 11.02.1957 die Angaben des Klägers, dass ab März 1940 alle Juden im Ghetto untergebracht sein mussten. Ab dieser Zeit sei das Ghetto mit Stacheldraht abgeschlossen und von ukrainischer sowie jüdischer Polizei bewacht worden. Die Angehörigen des Klägers seien im Mai 1942 in das Vernichtungslager abtransportiert worden. Das Ghetto Demblin sei in ein Konzentrationslager übertragen und in der Nähe des Flugplatzes errichtet worden. Hier habe sie zusammen mit dem Antragsteller Landwirtschaftsarbeiten unter Bewachung von Wehrmachtsangehörigen verrichtet. Im Juli 1944 sei sie zusammen mit dem Kläger nach Czenstochowa abtransportiert worden, wo sie Zwangsarbeit in der HASAG Munitionsfabrik bei der Munitionsherstellung habe verrichten müssen. Der Zeuge C T bestätigte in seiner eidesstattlichen Erklärung vom 21.02.1957 ebenfalls, dass das Ghetto Demblin im März 1940 geschlossen worden sei. In diesem habe der Kläger zusammen mit seinen Eltern gewohnt. Das Ghetto sei mit einem Stacheldrahtzaun umgeben und durch ukrainische sowie jüdische Polizei überwacht worden. Im Mai 1942 sei ein Teil der Ghetto-Insassen - auch die Angehörigen des Klägers - in das Vernichtungslager abtransportiert worden. Seit Mai 1942 sei er zusammen mit dem Kläger im KZ Demblin, das in der Nähe des Flugplatzes errichtet und mit einem Stacheldrahtzaun umgeben worden sei, zusammen gewesen. Zusammen mit ihm habe er Landwirtschaftsarbeiten verrichtet. Im Juli 1944 sei der gemeinsame Abtransport nach Czenstochowa erfolgt, wo sie Zwangsarbeit in der HASAG Munitionsfabrik hätten verrichten müssen.
In einem Fragebogen der Claims Conference gab der Kläger unter dem 26.12.1994 an, bis Mai 1942 im Ghetto Demblin, danach bis Juli 1944 im ZAL Demblin und danach bis Januar 1945 im ZAL Czenstochowa gelebt zu haben. In der Beschreibung seines Verfolgungsschicksales führte er aus, ab Dezember 1939 habe er das Judenzeichen tragen müssen. Er habe sehr gelitten unter der Angst, unter der Freiheitsberaubung und den Demütigungen. Dann sei das Ghetto errichtet worden, streng bewacht und er habe bis 1942 hinter Stacheldraht leben müssen. Seine Eltern seien abtransportiert worden und er sei ganz allein gewesen. Dann sei er in das ZAL Demblin gekommen, habe schwer arbeiten müssen, die Erde bearbeitet, auch beim Flugplatz habe er die schwersten, mühseligsten Arbeiten tun müssen. Er sei bis Juli 1944 geblieben und dann ins ZAL Czenstochowa gekommen und habe bei den HASAG Munitionsfabriken gearbeitet. Während all der Jahre habe er gehungert, gefroren, gelitten und unzählige Prügel bekommen. Die Schläge seien auf den Körper gegeben worden und er sei durch diese Behandlung fast taub.
Am 16.10.2002 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 unter Hinweis auf das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Im Antragsvordruck vom 25.11.2002 gab der Kläger an, von März 1940 bis Mai 1942 im Ghetto Demblin als Arbeiter in Vollzeit beschäftigt gewesen zu sein. Die Höhe des Entgelts sei ihm nicht erinnerlich. Ferner bejahte er die Frage, ob Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden seien. Aus der Volksschule sei er im Herbst 1939 entlassen worden. In einer ergänzenden Erklärung vom 18.12.2002 gab der Kläger an, im März 1940 in dem errichteten Ghetto Demblin untergebracht gewesen zu sein. Um zu existieren und nicht deportiert zu werden, habe er Arbeit gesucht. Er habe sie mit Hilfe des Judenrates gefunden. Er habe verschiedene landwirtschaftliche Arbeiten erfüllt. Er habe ganztags gearbeitet. Dafür habe er das Essen bekommen. Im Mai 1942 sei das Ghetto in ein KZ übertragen worden.
Die Beklagte zog vom Amt für Wiedergutmachung in Saarburg die Entschädigungsakte des Klägers sowie die Unterlagen der Claims Conference, von der der Kläger eine Entschädigung nach dem Artikel 2 Fond erhielt, bei. Nach Auswertung der Unterlagen lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 24.03.2993 ab. Zur Begründung führte sie aus, das Ghetto Demblin habe im Generalgouvernement gelegen und dort sei vom 26.10.1939 der Arbeitszwang für die jüdische Bevölkerung eingeführt worden. Jedoch ergäben sich weder aus der Entschädigungsakte noch aus den Unterlagen der Claims Conference Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Ghetto gearbeitet habe. Die Beschäftigung in der Landwirtschaft sei vielmehr im Zwangsarbeitslager bzw. Konzentrationslager ausgeübt worden. Hierbei handele sich um Zwangsarbeiten, die unentgeltlich aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses erbracht worden seien.
Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine persönliche Erklärung vom 29.04.2003 vor, in der er ausführte, von März 1940 an sei er im Ghetto Demblin gewesen. Oft habe er im Ghetto landwirtschaftliche Arbeiten erfüllt und auch habe er in einer Schuhwerkstatt für zusätzliche Lebensmittel gearbeitet.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2003 zurück. Bei den Arbeitstätigkeiten im Ghetto Demblin habe es sich um eine für die damalige Zeit typische Form der Zwangsarbeit unter direkter Kontrolle und Aufsicht der Besatzer bei Unterbringung im Ghetto und notdürftiger Versorgung gehandelt. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Lohn für die Zwangsarbeiten erhalten habe. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis auf freiwilliger Basis im Ghetto Demblin sei nicht für überwiegend wahrscheinlich zu halten.
Der Kläger hat am 13.08.2003 Klage erhoben. Er trägt vor, er habe sich von März 1940 bis Mai 1942 im Ghetto Demblin befunden und zur Verbesserung seiner Lage Tätigkeiten in der Landwirtschaft und in einer Schuhwerkstatt gesucht. Nach der Erklärung vom 29.04.2003 habe er für diese Tätigkeiten zusätzliche Lebensmittel erhalten. Arbeitsentgelt könne auch in Sachbezügen bestehen, wobei eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit (Äquivalenz) der Leistung nicht gegeben sein müsse.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2003 zu verurteilen, ihm ab 01. Juli 1997 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften eine Regelaltersrente zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 19.05.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger im Ghetto Demblin eine Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt habe. Aus seiner im Rentenantrag gemachten Erklärung von Dezember 2002, im Ghetto ganztags gearbeitet und dafür Essen bekommen zu haben sowie in seiner Erklärung von April 2003, in der Schuhwerkstatt für zusätzliche Lebensmittel gearbeitet zu haben, sei nicht zu entnehmen, dass er Lebensmittel in einem Umfang zur beliebigen Verfügung erhalten hätte und dass die erhaltenen Lebensmittel zur geleisteten Arbeit in einem angemessenen Verhältnis gestanden hätten. Vielmehr lasse sich aus den Erklärungen des Klägers nur schließen, dass es sich um eine bessere Verpflegung zum unmittelbaren Eigenverbrauch gehandelt habe, auch um für die geforderte Arbeitsleistung bei Kräften zu bleiben. Dies genüge dem Entgeltcharakter, wie er in dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 07. Oktober 2004 - B 13 RJ 59/03 R - verlangt werde, nicht.
Gegen das am 17.06.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.06.2005 Berufung eingelegt. Er verweist zum Sach- und Streitstand auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und führt durch seinen Bevollmächtigten ergänzend aus, das Ghetto Demblin habe im Generalgouvernement gelegen und wie im Ghetto Lodz habe eine Arbeitsverwaltung des Judenrates existiert. Hierbei sei eine Entlohnung der jüdischen Arbeitskräfte von 80 % des polnischen Tarifs angestrebt worden. Scheinbar sei für kurzfristige Arbeitseinsätze nichts bezahlt worden. Solche stünden aber der Anwendung des ZRBG nicht entgegen. Zwar falle es Antragstellern schwer, sich nach 60 Jahren noch an Einzelheiten der Entlohnung zu erinnern, er sei sich aber sicher, wie allen anderen jüdischen Arbeiter entlohnt worden zu sein. Zu Tätigkeiten im Ghetto Lodz habe der Gutachter Bodek bereits festgestellt, dass Angaben im Entschädigungsverfahren zur Zwangsarbeit nicht den historischen Erkenntnissen entsprächen. Vielmehr sei erwiesen, dass alle, die in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hätten, damit auch ihren Lebensunterhalt hätten sichern können. Hierzu sei ein Gutachten über das Ghetto Demblin einzuholen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.05.2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.03.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2003 zu verurteilen, dem Kläger eine Versicherungsunterlage über die Tätigkeit von März 1940 bis Mai 1942 nach dem ZRBG herzustellen und Regelaltersrente ab 01.07.1997 mit der Verfolgungszeit als Ersatzzeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren eine weitere Erklärung vom 08.09.2005 eingereicht in der er ausführt, von März 1940 bis Mai 1942 habe er sich im Ghetto Demblin befunden. Da er fast kein Essen bekommen habe, habe er sich an den Judenrat mit der Bitte um Arbeit gewandt. Im Frühling und Sommer habe er landwirtschaftliche Arbeiten erfüllt, im Winter in der Schuhwerkstatt in der T Straße gearbeitet. Für alle diese Arbeiten habe er von der Ghettoverwaltung Mittagessen jeden Tag, zusätzliche Lebensmittel für zu Hause wöchentlich: Brot, Kartoffeln, Gemüse, Kaffeeersatz, Margarine, Marmelade, Salz usw. erhalten. Das sei eine sehr große Hilfe für ihn gewesen. Im Mai 1942 sei das Ghetto in ein KZ überführt worden. Dort habe er ebenfalls in der Landwirtschaft und in der Schuhwerkstatt gearbeitet. Aber im KZ habe man nicht gezahlt. In den Angaben für das BEG und Claims Conference habe er nichts über seine Arbeit im Ghetto gesagt, weil man nur nach Zwangsarbeit gefragt habe und Zwangsarbeiten habe er im Ghetto nicht erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der Entschädigungsakte des Amtes für Wiedergutmachung aus Saarburg, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten verletzt den Kläger nicht im Sinne des § 54 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rentenzahlungen gegen die Beklagte.
Nach § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat ein Versicherter Anspruch auf Altersrente, wenn er u.a. die Wartezeit von 5 Jahren erfüllt hat. Auf die allgemeine Wartezeit werden Kalendermonate mit Beitragszeiten und gegebenenfalls Ersatzzeiten angerechnet (§ 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI). Nach § 55 Abs. 1 SGB VI sind Beitragszeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (Satz 1). Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (Satz 2). Ersatzzeiten finden allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn sie bei Versicherten vorliegen, also bei Personen, für die vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt (§ 250 SGB VI). Allein durch die Zurücklegung einer Ersatzzeit wird eine Person noch nicht zum Versicherten. Nur mit Ersatzzeiten besteht daher kein Rentenanspruch (Bundessozialgericht Urteil vom 07.10.2004, Az.: B 13 RJ 59/03 R m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger hat keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zurückgelegt. Insbesondere ist keine "Ghettobeitragszeit" im Sinne des § 2 ZRBG zu berücksichtigen, wonach für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt gelten. Bei der vom Kläger vorgetragenen Arbeit im Ghetto Demblin handelt es sich nicht um eine "Ghetto-Beitragszeit", weil die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Gesetzes gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG nicht erfüllt sind. Danach gilt dieses Gesetz für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist (Abs.1 Nr. 1 Lit. a), gegen Entgelt ausgeübt wurde (Abs. 1 Nr. 1 Lit. b) und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, dass vom deutschen Reich besetzt oder diesem angegliedert war (Abs. 1 Nr. 2).
Die für die Anwendung des ZRBG erforderlichen Voraussetzungen einer aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen und entgeltlichen Beschäftigung liegen nicht vor.
Es kann dahin stehen, welche Tätigkeiten der Kläger im Einzelnen im Ghetto Demblin vor dessen Umwandlung in ein Konzentrationslager verrichtet hat ... Es ist nach Auffassung des Senats zwar nicht ausgeschlossen, sondern möglich, dass der in der streitigen Zeit von März 1940 bis Mai 1942 zwischen 13 und 15 Jahre alte Kläger zur Verbesserung seiner Situation zumindest zeitweise im Sommer landwirtschaftliche Arbeiten und im Winter Tätigkeiten in einer Schuhwerkstatt innerhalb des Ghettos verrichtet hat. Dies auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass durch die von der Beklagten in Bezug genommene Verordnung des Generalgouverneurs vom 26.10.1939 und den hierzu ergangenen Durchführungsverordnungen alle jüdischen Bewohner im Generalgouvernement vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr dem Arbeitszwang unterlagen und sie zur Auswertung ihrer Arbeitskraft bei lagermäßiger Unterbringung zur Arbeit einzusetzen waren, wobei Barlohn erst ab dem 01.11.1942 ausgeschlossen war. Es kann jedoch dahin stehen, inwieweit und in welchem Umfang der Kläger für den streitigen Zeitraum eine Arbeitstätigkeit glaubhaft gemacht hat, denn die Annahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung scheitert bereits daran, dass nicht hinreichend glaubhaft ist, dass der Kläger für seine Arbeit ein Entgelt erhalten hat, das über die Gewährung freien Unterhaltes hinausging.
Die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfordert, dass ein Austauschverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und gezahltem Entgelt vorliegt. Zwar ist die Höhe des Entgelts allein kein wesentliches Merkmal für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und kann auch in Form von Sachbezügen gewährt werden. Aus der Art und dem Umfang der gewährten Leistung lassen sich jedoch regelmäßig Rückschlüsse darauf ziehen, ob das Entgelt als Bezahlung im Sinne einer Entlohnung der geleisteten Arbeit oder zu einem anderen Zweck, wie z. B. nur als "Mittel zur Erhaltung der Arbeitskraft" des zur Arbeit herangezogenen Beschäftigten gewährt wurde. Dabei haben allzu geringfügige Leistungen außerhalb eines jeden Verhältnisses zur erbrachten Arbeitsleistung keinen Entgeltcharakter mehr (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R). Nach der genannten Entscheidung des BSG reicht selbst der Erhalt einer "guten Verpflegung" für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Kläger für die von ihm vorgetragenen Arbeiten ein Entgelt erhalten hat, dass über die bloße Gewährung von Verpflegung zum eigenen Gebrauch hinausging. Den Bezug von Barlohn hat der Kläger nicht vorgetragen und bereits im Rentenverfahren erklärt, dass ihm eine Entlohnung nicht erinnerlich sei. Insoweit kann offen bleiben, ob - wie vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen - in dem streitgegenständlichen Zeitraum nach der Verordnungslage eine Entlohnung jüdischer Arbeitskräfte im Generalgouvernement in Höhe von 80 % des Tarifes polnischer Arbeitnehmer beabsichtigt war und ob, wann oder in wieweit diese Absicht praktisch umgesetzt worden ist. Denn selbst der sich anschließende nicht näher konkretisierte Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren, er sei sich sicher, wie alle anderen jüdischen Arbeitnehmer entlohnt worden zu sein, enthält nicht den Vortrag, selbst Barlohn erzielt zu haben.
Die vom Kläger als Entlohnung vorgetragene Verpflegung von täglichem Essen und der erstmals im Berufungsverfahren vorgetragene Erhalt wöchentlich zusätzlicher Lebensmittel für zu Hause in Form von Brot, Kartoffeln, Gemüse, Kaffeeersatz, Margarine, Marmelade, Salz usw. stellt kein Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG dar. Schon die eigene Schilderung von Art und Umfang der gewährten Lebensmittel lässt nicht auf eine angemessene Gegenleistung für eine vollschichtige Arbeitstätigkeit schließen. Dass die Verpflegung durch ein tägliches Mittagessen und zusätzlich weitere, aber nur wöchentliche Rationen von Brot, Kartoffeln, Gemüse, Kaffeeersatz, Margarine, Marmelade, Salz usw. zu mehr ausgereicht habe, als den notwendigsten täglichen bzw. wöchentlichen eigenen Verpflegungsbedarf zu decken, lässt sich dem Vortrag nicht entnehmen. Denn ein tägliches Mittagessen allein wäre nicht einmal ausreichend gewesen, bei insbesondere in der Landwirtschaft zu verrichtenden schwereren körperlichen Arbeiten, über den genannten Zeitraum von gut zwei Jahren das bloße Überleben zu sichern. Selbst mit den zusätzlichen wöchentlichen Verpflegungsrationen wurde deshalb keine angemessene Gegenleistung im Sinne von "einer mehr als guten Verpflegung", sondern nur eine notdürftige Versorgung erzielt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Regelaltersrente hat. Dabei ist insbesondere umstritten, ob Arbeitszeiten des Klägers während eines Aufenthaltes im Ghetto/Zwangsarbeiterlager Demblin im damaligen Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete von März 1940 bis Mai 1942 auf die Wartezeit anrechenbar sind.
Der Kläger ist am 00.00.1927 in Polen als polnischer Staatsbürger geboren und gehört der jüdischen Glaubensgemeinschaft an. Bei Ausbruch des 2. Weltkrieges lebte er mit seinen Eltern in Demblin. Von Dezember 1939 bis zum 17. Januar 1945 war er nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Nach der Befreiung gelangte er über Österreich, Italien und Zypern nach Israel und lebt dort seit 1949 als israelischer Staatsangehöriger.
In einem Antrag auf Gewährung einer Entschädigung wegen Schadens an Freiheit, der von Dezember 1939 bis Januar 1945 anerkannt wurde, gab der Kläger an, ab Dezember 1939 habe er den Judenstern tragen müssen, ab März 1940 habe er sich im geschlossenen Ghetto Demblin gemeinsam mit seinen Eltern befunden, die im Mai 1942 in ein Vernichtungslager abtransportiert worden seien und zur gleichen Zeit sei er im Mai 1942 in das zu dieser Zeit errichtete Konzentrationslager Demblin überführt worden. Dieses sei ebenfalls mit Stacheldraht umgeben gewesen und habe einer Polizeibewachung unterstanden. Er sei zu Landwirtschaftsarbeiten herangezogen worden, die er unter Aufsicht verrichtet habe. Im Juli 1944 sei er in das Zwangsarbeitslager Czenstochowa (Tschenstochau) deportiert worden und habe im dortigen Lager Zwangsarbeit in der HASAG Munitionsfabrik unter Aufsicht von Meistern geleistet. Diese im Antrag vom 21.02.1957 gemachten Angaben bestätigte der Kläger nochmals in einer eidlichen Erklärung gleichen Datums und erklärte hierin ergänzend, dass die Straße, in der er wohnhaft gewesen sei, im Dezember 1939 in das errichtete Ghetto Demblin einbezogen worden sei. Das Ghetto sei mit einem Stacheldrahtzaun umgeben gewesen und habe einer strengen Polizeibewachung unterstanden. Im März 1940 sei es geschlossen worden und auf unbefugtes Verlassen des Ghettos habe der Tod gestanden. Im Mai 1942 seien seine Eltern in das Vernichtungslager Sovibosze abtransportiert worden. Seit dieser Zeit sei er im KZ Demblin untergebracht worden. Dasselbe sei in der Nähe des Flugplatzes errichtet und mit einem Stacheldrahtzaun gesichert gewesen. Hier sei er zu Landwirtschaftsarbeiten eingesetzt worden und während der Arbeit von Wehrmachtsangehörigen überwacht worden. Im Juli 1944 sei er nach Czenstochowa abtransportiert worden. Die Zeugin M M1 bestätigte in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 11.02.1957 die Angaben des Klägers, dass ab März 1940 alle Juden im Ghetto untergebracht sein mussten. Ab dieser Zeit sei das Ghetto mit Stacheldraht abgeschlossen und von ukrainischer sowie jüdischer Polizei bewacht worden. Die Angehörigen des Klägers seien im Mai 1942 in das Vernichtungslager abtransportiert worden. Das Ghetto Demblin sei in ein Konzentrationslager übertragen und in der Nähe des Flugplatzes errichtet worden. Hier habe sie zusammen mit dem Antragsteller Landwirtschaftsarbeiten unter Bewachung von Wehrmachtsangehörigen verrichtet. Im Juli 1944 sei sie zusammen mit dem Kläger nach Czenstochowa abtransportiert worden, wo sie Zwangsarbeit in der HASAG Munitionsfabrik bei der Munitionsherstellung habe verrichten müssen. Der Zeuge C T bestätigte in seiner eidesstattlichen Erklärung vom 21.02.1957 ebenfalls, dass das Ghetto Demblin im März 1940 geschlossen worden sei. In diesem habe der Kläger zusammen mit seinen Eltern gewohnt. Das Ghetto sei mit einem Stacheldrahtzaun umgeben und durch ukrainische sowie jüdische Polizei überwacht worden. Im Mai 1942 sei ein Teil der Ghetto-Insassen - auch die Angehörigen des Klägers - in das Vernichtungslager abtransportiert worden. Seit Mai 1942 sei er zusammen mit dem Kläger im KZ Demblin, das in der Nähe des Flugplatzes errichtet und mit einem Stacheldrahtzaun umgeben worden sei, zusammen gewesen. Zusammen mit ihm habe er Landwirtschaftsarbeiten verrichtet. Im Juli 1944 sei der gemeinsame Abtransport nach Czenstochowa erfolgt, wo sie Zwangsarbeit in der HASAG Munitionsfabrik hätten verrichten müssen.
In einem Fragebogen der Claims Conference gab der Kläger unter dem 26.12.1994 an, bis Mai 1942 im Ghetto Demblin, danach bis Juli 1944 im ZAL Demblin und danach bis Januar 1945 im ZAL Czenstochowa gelebt zu haben. In der Beschreibung seines Verfolgungsschicksales führte er aus, ab Dezember 1939 habe er das Judenzeichen tragen müssen. Er habe sehr gelitten unter der Angst, unter der Freiheitsberaubung und den Demütigungen. Dann sei das Ghetto errichtet worden, streng bewacht und er habe bis 1942 hinter Stacheldraht leben müssen. Seine Eltern seien abtransportiert worden und er sei ganz allein gewesen. Dann sei er in das ZAL Demblin gekommen, habe schwer arbeiten müssen, die Erde bearbeitet, auch beim Flugplatz habe er die schwersten, mühseligsten Arbeiten tun müssen. Er sei bis Juli 1944 geblieben und dann ins ZAL Czenstochowa gekommen und habe bei den HASAG Munitionsfabriken gearbeitet. Während all der Jahre habe er gehungert, gefroren, gelitten und unzählige Prügel bekommen. Die Schläge seien auf den Körper gegeben worden und er sei durch diese Behandlung fast taub.
Am 16.10.2002 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 unter Hinweis auf das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Im Antragsvordruck vom 25.11.2002 gab der Kläger an, von März 1940 bis Mai 1942 im Ghetto Demblin als Arbeiter in Vollzeit beschäftigt gewesen zu sein. Die Höhe des Entgelts sei ihm nicht erinnerlich. Ferner bejahte er die Frage, ob Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden seien. Aus der Volksschule sei er im Herbst 1939 entlassen worden. In einer ergänzenden Erklärung vom 18.12.2002 gab der Kläger an, im März 1940 in dem errichteten Ghetto Demblin untergebracht gewesen zu sein. Um zu existieren und nicht deportiert zu werden, habe er Arbeit gesucht. Er habe sie mit Hilfe des Judenrates gefunden. Er habe verschiedene landwirtschaftliche Arbeiten erfüllt. Er habe ganztags gearbeitet. Dafür habe er das Essen bekommen. Im Mai 1942 sei das Ghetto in ein KZ übertragen worden.
Die Beklagte zog vom Amt für Wiedergutmachung in Saarburg die Entschädigungsakte des Klägers sowie die Unterlagen der Claims Conference, von der der Kläger eine Entschädigung nach dem Artikel 2 Fond erhielt, bei. Nach Auswertung der Unterlagen lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 24.03.2993 ab. Zur Begründung führte sie aus, das Ghetto Demblin habe im Generalgouvernement gelegen und dort sei vom 26.10.1939 der Arbeitszwang für die jüdische Bevölkerung eingeführt worden. Jedoch ergäben sich weder aus der Entschädigungsakte noch aus den Unterlagen der Claims Conference Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Ghetto gearbeitet habe. Die Beschäftigung in der Landwirtschaft sei vielmehr im Zwangsarbeitslager bzw. Konzentrationslager ausgeübt worden. Hierbei handele sich um Zwangsarbeiten, die unentgeltlich aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses erbracht worden seien.
Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine persönliche Erklärung vom 29.04.2003 vor, in der er ausführte, von März 1940 an sei er im Ghetto Demblin gewesen. Oft habe er im Ghetto landwirtschaftliche Arbeiten erfüllt und auch habe er in einer Schuhwerkstatt für zusätzliche Lebensmittel gearbeitet.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2003 zurück. Bei den Arbeitstätigkeiten im Ghetto Demblin habe es sich um eine für die damalige Zeit typische Form der Zwangsarbeit unter direkter Kontrolle und Aufsicht der Besatzer bei Unterbringung im Ghetto und notdürftiger Versorgung gehandelt. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Lohn für die Zwangsarbeiten erhalten habe. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis auf freiwilliger Basis im Ghetto Demblin sei nicht für überwiegend wahrscheinlich zu halten.
Der Kläger hat am 13.08.2003 Klage erhoben. Er trägt vor, er habe sich von März 1940 bis Mai 1942 im Ghetto Demblin befunden und zur Verbesserung seiner Lage Tätigkeiten in der Landwirtschaft und in einer Schuhwerkstatt gesucht. Nach der Erklärung vom 29.04.2003 habe er für diese Tätigkeiten zusätzliche Lebensmittel erhalten. Arbeitsentgelt könne auch in Sachbezügen bestehen, wobei eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit (Äquivalenz) der Leistung nicht gegeben sein müsse.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2003 zu verurteilen, ihm ab 01. Juli 1997 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften eine Regelaltersrente zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 19.05.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger im Ghetto Demblin eine Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt habe. Aus seiner im Rentenantrag gemachten Erklärung von Dezember 2002, im Ghetto ganztags gearbeitet und dafür Essen bekommen zu haben sowie in seiner Erklärung von April 2003, in der Schuhwerkstatt für zusätzliche Lebensmittel gearbeitet zu haben, sei nicht zu entnehmen, dass er Lebensmittel in einem Umfang zur beliebigen Verfügung erhalten hätte und dass die erhaltenen Lebensmittel zur geleisteten Arbeit in einem angemessenen Verhältnis gestanden hätten. Vielmehr lasse sich aus den Erklärungen des Klägers nur schließen, dass es sich um eine bessere Verpflegung zum unmittelbaren Eigenverbrauch gehandelt habe, auch um für die geforderte Arbeitsleistung bei Kräften zu bleiben. Dies genüge dem Entgeltcharakter, wie er in dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 07. Oktober 2004 - B 13 RJ 59/03 R - verlangt werde, nicht.
Gegen das am 17.06.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.06.2005 Berufung eingelegt. Er verweist zum Sach- und Streitstand auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und führt durch seinen Bevollmächtigten ergänzend aus, das Ghetto Demblin habe im Generalgouvernement gelegen und wie im Ghetto Lodz habe eine Arbeitsverwaltung des Judenrates existiert. Hierbei sei eine Entlohnung der jüdischen Arbeitskräfte von 80 % des polnischen Tarifs angestrebt worden. Scheinbar sei für kurzfristige Arbeitseinsätze nichts bezahlt worden. Solche stünden aber der Anwendung des ZRBG nicht entgegen. Zwar falle es Antragstellern schwer, sich nach 60 Jahren noch an Einzelheiten der Entlohnung zu erinnern, er sei sich aber sicher, wie allen anderen jüdischen Arbeiter entlohnt worden zu sein. Zu Tätigkeiten im Ghetto Lodz habe der Gutachter Bodek bereits festgestellt, dass Angaben im Entschädigungsverfahren zur Zwangsarbeit nicht den historischen Erkenntnissen entsprächen. Vielmehr sei erwiesen, dass alle, die in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hätten, damit auch ihren Lebensunterhalt hätten sichern können. Hierzu sei ein Gutachten über das Ghetto Demblin einzuholen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.05.2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.03.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2003 zu verurteilen, dem Kläger eine Versicherungsunterlage über die Tätigkeit von März 1940 bis Mai 1942 nach dem ZRBG herzustellen und Regelaltersrente ab 01.07.1997 mit der Verfolgungszeit als Ersatzzeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren eine weitere Erklärung vom 08.09.2005 eingereicht in der er ausführt, von März 1940 bis Mai 1942 habe er sich im Ghetto Demblin befunden. Da er fast kein Essen bekommen habe, habe er sich an den Judenrat mit der Bitte um Arbeit gewandt. Im Frühling und Sommer habe er landwirtschaftliche Arbeiten erfüllt, im Winter in der Schuhwerkstatt in der T Straße gearbeitet. Für alle diese Arbeiten habe er von der Ghettoverwaltung Mittagessen jeden Tag, zusätzliche Lebensmittel für zu Hause wöchentlich: Brot, Kartoffeln, Gemüse, Kaffeeersatz, Margarine, Marmelade, Salz usw. erhalten. Das sei eine sehr große Hilfe für ihn gewesen. Im Mai 1942 sei das Ghetto in ein KZ überführt worden. Dort habe er ebenfalls in der Landwirtschaft und in der Schuhwerkstatt gearbeitet. Aber im KZ habe man nicht gezahlt. In den Angaben für das BEG und Claims Conference habe er nichts über seine Arbeit im Ghetto gesagt, weil man nur nach Zwangsarbeit gefragt habe und Zwangsarbeiten habe er im Ghetto nicht erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der Entschädigungsakte des Amtes für Wiedergutmachung aus Saarburg, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten verletzt den Kläger nicht im Sinne des § 54 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rentenzahlungen gegen die Beklagte.
Nach § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat ein Versicherter Anspruch auf Altersrente, wenn er u.a. die Wartezeit von 5 Jahren erfüllt hat. Auf die allgemeine Wartezeit werden Kalendermonate mit Beitragszeiten und gegebenenfalls Ersatzzeiten angerechnet (§ 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI). Nach § 55 Abs. 1 SGB VI sind Beitragszeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (Satz 1). Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (Satz 2). Ersatzzeiten finden allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn sie bei Versicherten vorliegen, also bei Personen, für die vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt (§ 250 SGB VI). Allein durch die Zurücklegung einer Ersatzzeit wird eine Person noch nicht zum Versicherten. Nur mit Ersatzzeiten besteht daher kein Rentenanspruch (Bundessozialgericht Urteil vom 07.10.2004, Az.: B 13 RJ 59/03 R m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger hat keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zurückgelegt. Insbesondere ist keine "Ghettobeitragszeit" im Sinne des § 2 ZRBG zu berücksichtigen, wonach für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt gelten. Bei der vom Kläger vorgetragenen Arbeit im Ghetto Demblin handelt es sich nicht um eine "Ghetto-Beitragszeit", weil die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Gesetzes gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG nicht erfüllt sind. Danach gilt dieses Gesetz für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist (Abs.1 Nr. 1 Lit. a), gegen Entgelt ausgeübt wurde (Abs. 1 Nr. 1 Lit. b) und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, dass vom deutschen Reich besetzt oder diesem angegliedert war (Abs. 1 Nr. 2).
Die für die Anwendung des ZRBG erforderlichen Voraussetzungen einer aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen und entgeltlichen Beschäftigung liegen nicht vor.
Es kann dahin stehen, welche Tätigkeiten der Kläger im Einzelnen im Ghetto Demblin vor dessen Umwandlung in ein Konzentrationslager verrichtet hat ... Es ist nach Auffassung des Senats zwar nicht ausgeschlossen, sondern möglich, dass der in der streitigen Zeit von März 1940 bis Mai 1942 zwischen 13 und 15 Jahre alte Kläger zur Verbesserung seiner Situation zumindest zeitweise im Sommer landwirtschaftliche Arbeiten und im Winter Tätigkeiten in einer Schuhwerkstatt innerhalb des Ghettos verrichtet hat. Dies auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass durch die von der Beklagten in Bezug genommene Verordnung des Generalgouverneurs vom 26.10.1939 und den hierzu ergangenen Durchführungsverordnungen alle jüdischen Bewohner im Generalgouvernement vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr dem Arbeitszwang unterlagen und sie zur Auswertung ihrer Arbeitskraft bei lagermäßiger Unterbringung zur Arbeit einzusetzen waren, wobei Barlohn erst ab dem 01.11.1942 ausgeschlossen war. Es kann jedoch dahin stehen, inwieweit und in welchem Umfang der Kläger für den streitigen Zeitraum eine Arbeitstätigkeit glaubhaft gemacht hat, denn die Annahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung scheitert bereits daran, dass nicht hinreichend glaubhaft ist, dass der Kläger für seine Arbeit ein Entgelt erhalten hat, das über die Gewährung freien Unterhaltes hinausging.
Die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfordert, dass ein Austauschverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und gezahltem Entgelt vorliegt. Zwar ist die Höhe des Entgelts allein kein wesentliches Merkmal für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und kann auch in Form von Sachbezügen gewährt werden. Aus der Art und dem Umfang der gewährten Leistung lassen sich jedoch regelmäßig Rückschlüsse darauf ziehen, ob das Entgelt als Bezahlung im Sinne einer Entlohnung der geleisteten Arbeit oder zu einem anderen Zweck, wie z. B. nur als "Mittel zur Erhaltung der Arbeitskraft" des zur Arbeit herangezogenen Beschäftigten gewährt wurde. Dabei haben allzu geringfügige Leistungen außerhalb eines jeden Verhältnisses zur erbrachten Arbeitsleistung keinen Entgeltcharakter mehr (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R). Nach der genannten Entscheidung des BSG reicht selbst der Erhalt einer "guten Verpflegung" für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Kläger für die von ihm vorgetragenen Arbeiten ein Entgelt erhalten hat, dass über die bloße Gewährung von Verpflegung zum eigenen Gebrauch hinausging. Den Bezug von Barlohn hat der Kläger nicht vorgetragen und bereits im Rentenverfahren erklärt, dass ihm eine Entlohnung nicht erinnerlich sei. Insoweit kann offen bleiben, ob - wie vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen - in dem streitgegenständlichen Zeitraum nach der Verordnungslage eine Entlohnung jüdischer Arbeitskräfte im Generalgouvernement in Höhe von 80 % des Tarifes polnischer Arbeitnehmer beabsichtigt war und ob, wann oder in wieweit diese Absicht praktisch umgesetzt worden ist. Denn selbst der sich anschließende nicht näher konkretisierte Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren, er sei sich sicher, wie alle anderen jüdischen Arbeitnehmer entlohnt worden zu sein, enthält nicht den Vortrag, selbst Barlohn erzielt zu haben.
Die vom Kläger als Entlohnung vorgetragene Verpflegung von täglichem Essen und der erstmals im Berufungsverfahren vorgetragene Erhalt wöchentlich zusätzlicher Lebensmittel für zu Hause in Form von Brot, Kartoffeln, Gemüse, Kaffeeersatz, Margarine, Marmelade, Salz usw. stellt kein Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG dar. Schon die eigene Schilderung von Art und Umfang der gewährten Lebensmittel lässt nicht auf eine angemessene Gegenleistung für eine vollschichtige Arbeitstätigkeit schließen. Dass die Verpflegung durch ein tägliches Mittagessen und zusätzlich weitere, aber nur wöchentliche Rationen von Brot, Kartoffeln, Gemüse, Kaffeeersatz, Margarine, Marmelade, Salz usw. zu mehr ausgereicht habe, als den notwendigsten täglichen bzw. wöchentlichen eigenen Verpflegungsbedarf zu decken, lässt sich dem Vortrag nicht entnehmen. Denn ein tägliches Mittagessen allein wäre nicht einmal ausreichend gewesen, bei insbesondere in der Landwirtschaft zu verrichtenden schwereren körperlichen Arbeiten, über den genannten Zeitraum von gut zwei Jahren das bloße Überleben zu sichern. Selbst mit den zusätzlichen wöchentlichen Verpflegungsrationen wurde deshalb keine angemessene Gegenleistung im Sinne von "einer mehr als guten Verpflegung", sondern nur eine notdürftige Versorgung erzielt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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