Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AL 99/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 48/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 22.06.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung.
Der in N wohnhafte Kläger war vom 01.04.1987 bis zum 30.09.1996 als Verwaltungsangestellter bei der L Westfalen-Lippe beschäftigt. Vom 01.11.1996 bis zum 30.10.1997 bezog er Arbeitslosengeld, anschließend Arbeitslosenhilfe (Alhi), im August 2002 in Höhe von 152,32 EUR wöchentlich. Mit Schreiben vom 19.08.2002, das mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehen war, bot die Beklagte dem Kläger eine Tätigkeit als Personalsachbearbeiter beim E N e.V. an. Dem schriftlichen Angebot nach war die Stelle im Rahmen einer Krankheitsvertretung vom 01.09.2002 bis 30.11.2002 befristet. Am 20.08.2002 nahm der Kläger telefonischen Kontakt mit dem E auf und lehnte die Beschäftigung ab. Ausweislich eines Schreibens des E an die Beklagte vom 21.08.2002 gab er zur Begründung u.a. an, das Stellenangebot sei ihm zu kurzfristig und die lediglich kurzfristige Anstellung werde seine Biografie bzw. Karriere zerstören. Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin zum Eintritt einer Sperrzeit an. Der Kläger teilte mit, er habe die befristete Arbeitsaufnahme abgelehnt, weil sie nicht zu einer Einstellung führen werde. Die Beklagte hob wegen des Eintritts einer Sperrzeit die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 21.08. bis 21.11.2002 auf und verlangte die Erstattung der für diesen Zeitraum bereits gezahlten Leistungen in Höhe von 239,36 EUR (Bescheid vom 03.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2002).
Mit der Klage zum Sozialgericht (SG) Münster hat der Kläger vorgetragen, die Annahme eines befristeten Stellenangebots verwehre ihm den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt. Die Beklagte habe ihm gegenüber die zur Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt bestehenden Vermittlungspflichten verletzt. Die ihm angebotene Stelle sei entgegen dem schriftlichen Angebot nicht auf drei, sondern auf zwei Monate befristet gewesen. Deshalb dürfe die Sperrzeit höchstens vier Wochen betragen. Im Übrigen sei er in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkt und habe deshalb einen Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente gestellt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 03.09.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2002 aufzuheben und ihm für den Zeitraum ab 01.11.1997 den Differenzbetrag zwischen seiner Arbeitslosenhilfe und der Eingangsvergütung des gehobenen Dienstes nach BAT Vb einschließlich rentenanwartschaftlicher Nachzahlungen zu leisten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid das dem Kläger unterbreitete Beschäftigungsangebot für zumutbar gehalten.
Das SG hat die Unterlagen der Rentenstreitsache des Klägers gegen die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte S 4 (16) RA 94/03 SG Münster beigezogen und die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.06.2005). Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Mit der Berufung trägt der Kläger insbesondere vor, der Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen sei unverhältnismäßig. Eine erstmalige Sperrzeit dürfe bei einer zweimonatigen Befristung der angebotenen Beschäftigung vier Wochen und bei einer dreimonatigen Befristung sechs Wochen nicht überschreiten. Das SG habe auch sein Leistungsvermögen zu Unrecht falsch eingeschätzt. Da er einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und einen Sonderkündigungsschutz nach einer Beschäftigung von sechs Monaten habe, habe er mit dem Nichtantritt der Arbeitsstelle deutlich machen wollen, dass zukünftig unter sechs Monate befristete Arbeitsangebote nicht zur Regel würden. Schließlich müsse die passive Haltung des Arbeitsamtes N während seiner Langzeitarbeitslosigkeit berücksichtigt werden.
Der Kläger, der zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts vom 22.06.2005 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat eine Auskunft des E N einzuholen versucht. Wegen der Antwort wird auf das Schreiben der Q-Verwaltungsgesellschaft für Altenhilfeeinrichtungen GmbH vom 20.04.2006 Bezug genommen. Die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten sowie die Verfahrensakte S 4 (16) RA 94/03 SG Münster sind beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung weder erschienen noch vertreten war, weil er mit der ordnungsgemäßen Terminsbenachrichtigung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, ist der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig, der Kläger daher nicht durch ihn im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert und die Klage auch im Übrigen unbegründet.
Der angegriffene Bescheid beruht hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung von Alhi auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den bei seinem Erlass bestehenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt dieser Änderung aufzuheben, wenn der Betroffene wusste oder wegen Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonderem Maße nicht wusste, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen bzw. ganz oder teilweise weggefallen ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
In den Verhältnissen, die bei der Bewilligung der Alhi vorgelegen haben, hat sich ab dem 21.08.2002 insofern eine wesentliche Änderung ergeben, als eine Sperrzeit von zwölf Wochen eingetreten ist. Das ergibt sich aus § 198 Nr. 6 i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), letztgenannte Vorschrift in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10.12.2001 (BGBl. I, S. 3443).
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III trat eine Sperrzeit von zwölf Wochen ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung der Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annahm oder nicht antrat oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere durch das Zustandekommen eines Vorstellungsgesprächs, durch sein Verhalten verhinderte (sog. Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.
Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger ein wirksames Beschäftigungsangebot abgegeben und der Kläger zumindest die Anbahnung des angebotenen Beschäftigungsverhältnisses verhindert hat, indem er die Annahme der Tätigkeit bereits bei der ersten telefonischen Kontaktaufnahme mit dem E am 20.08.2002 abgelehnt hat. Streitig ist allein, ob der Kläger für sein Verhalten einen wichtigen Grund hatte. Das ist indessen nicht der Fall.
Die angebotene Beschäftigung war dem Kläger zunächst im Sinne von § 121 SGB III in der maßgebenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (2. SGB III-ÄndG) vom 21.07.1999 (BGBl I, S. 1648) zumutbar.
Personenbezogene Gründe haben der Zumutbarkeit nicht entgegengestanden. Im Hinblick auf die Dauer der Arbeitslosigkeit des Klägers reicht es, dass das aus der Beschäftigung erzielbare Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen den Zahlbetrag der Alhi erreichte (§ 121 Abs. 3 SGB III). Das ist hier unbedenklich anzunehmen. Aus der Auskunft der Q-Verwaltungsgesellschaft für Altenhilfeeinrichtungen GmbH ergibt sich, dass eine Vergütung voraussichtlich nach Vc/Vb BAT-KF erfolgt wäre. In jedem Fall bestehen danach keine Bedenken anzunehmen, dass der Kläger ein Nettogehalt erzielt hätte, dass mindestens so hoch wie seine Alhi gewesen wäre, die zum Zeitpunkt des Beschäftigungsangebots lediglich 152,32 EUR wöchentlich betrug. Da der Kläger in N wohnte und sich die angebotene Stelle ebenfalls dort befand, waren auch keine unzumutbaren Pendelzeiten im Sinne von § 121 Abs. 4 SGB III gegeben.
Ohne Erfolg beruft der Kläger sich demgegenüber darauf, dass die Beschäftigung im Hinblick auf ihre Befristung unzumutbar gewesen sei. Der Gesetzgeber hat in § 121 Abs. 5 Satz 1 SGB III ausdrücklich geregelt, dass eine Beschäftigung nicht schon wegen ihrer Befristung unzumutbar ist. Eine von diesem eindeutigen Gesetzeswortlaut abweichende Beurteilung ist weder wegen der anerkannten Schwerbehinderung des Klägers noch im Hinblick auf die Dauer der Befristung gerechtfertigt. § 121 Abs. 5 SGB III lässt sich eine Differenzierung zwischen schwerbehinderten und nicht schwerbehinderten Leistungsbeziehern nicht entnehmen. Im Übrigen soll die Arbeitsverwaltung zwar nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SGB III in der Fassung des Job-AQTIV-Gesetzes den besonderen Bedürfnissen schwerbehinderter Menschen angemessen Rechnung tragen. Dass schwerbehinderte Arbeitslose ein gegenüber anderen Arbeitslosen höher zu bewertendes Interesse am Erhalt einer möglichst unbefristeten Stelle haben und ihnen aus diesem Grund die Aufnahme einer befristeten Tätigkeit unzumutbar ist, ist jedoch nicht zu erkennen. Auch die kurze Dauer der Befristung steht der Zumutbarkeit des Beschäftigungsangebots nicht entgegen. Aus § 144 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB III ergibt sich vielmehr, dass auch bei Ablehnung einer auf bis zu sechs Wochen befristeten Arbeit eine - allerdings verkürzte - Sperrzeit eintreten kann.
Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel, dass der Kläger die ihm angebotene Stelle - soweit zum Zeitpunkt der Ablehnung des Angebots erkennbar - mit seinem damaligen Leistungsvermögen ausfüllen konnte. Dagegen spricht zunächst nicht, dass der Kläger als schwerbehindert mit einem GdB von 50 anerkannt ist. Die Schwerbehinderung besteht nämlich in diesem Umfang bereits seit dem 01.01.1992 (Bescheid des Versorgungsamtes Münster vom 13.05.2004, im beigezogenen Rentenstreitverfahren vom Kläger überreicht) und hat den Kläger nicht daran gehindert, bis zum 30.09.1996 einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit als Verwaltungsangestellter nachzugehen. Aus dem im Rentenverfahren eingeholten Befundbericht des den Kläger behandelnden Arztes Dr. C ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten in den Jahren 1995 und 1996 sowie ab Anfang 2003, nicht jedoch für den hier maßgebenden Zeitraum. Die vom SG in diesem Verfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten bescheinigen dem Kläger überdies ein körperliches und geistiges Leistungsvermögen für mittelschwierige Leistungen im Umfang von täglich mindestens sechs Stunden. Der erkennende Senat hat keine Bedenken, sich jedenfalls für den Zeitpunkt der Beschäftigungsablehnung dieser Beurteilung anzuschließen.
Die Beklagte hat schließlich auch die Dauer der eingetretenen Sperrzeit zutreffend mit 12 Wochen festgestellt. Nach § 144 Abs. 1 SGB III idFd Job-AQTIV-Gesetzes betrug die Sperrzeit bei Arbeitsablehnung grundsätzlich zwölf Wochen. Nur bei Ablehnung einer bis zu sechs Wochen befristeten Arbeit verkürzte sie sich auf drei Wochen (§ 144 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB III). Auch nach Angaben des Klägers war die ihm angebotene Arbeitsstelle jedoch auf zumindest zwei Monate befristet. Ein Verkürzungstatbestand greift daher nicht ein, zumal Gründe für eine Verkürzung der Sperrzeit nach § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht ersichtlich und auch nicht dargelegt worden sind.
Die Berufung ist auch hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung des Differenzbetrags zwischen der Alhi und der Eingangsvergütung des gehobenen Dienstes nach BAT b einschließlich rentenanwartschaftlicher Nachzahlungen ab dem 01.11.1997 unbegründet. Der Senat, der über diesen Anspruch in der Sache entscheidet, ohne zu prüfen, ob der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist (§ 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz), schließt sich insoweit den Gründen der angefochtenen Entscheidung an und nimmt auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Tatbestand:
Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung.
Der in N wohnhafte Kläger war vom 01.04.1987 bis zum 30.09.1996 als Verwaltungsangestellter bei der L Westfalen-Lippe beschäftigt. Vom 01.11.1996 bis zum 30.10.1997 bezog er Arbeitslosengeld, anschließend Arbeitslosenhilfe (Alhi), im August 2002 in Höhe von 152,32 EUR wöchentlich. Mit Schreiben vom 19.08.2002, das mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehen war, bot die Beklagte dem Kläger eine Tätigkeit als Personalsachbearbeiter beim E N e.V. an. Dem schriftlichen Angebot nach war die Stelle im Rahmen einer Krankheitsvertretung vom 01.09.2002 bis 30.11.2002 befristet. Am 20.08.2002 nahm der Kläger telefonischen Kontakt mit dem E auf und lehnte die Beschäftigung ab. Ausweislich eines Schreibens des E an die Beklagte vom 21.08.2002 gab er zur Begründung u.a. an, das Stellenangebot sei ihm zu kurzfristig und die lediglich kurzfristige Anstellung werde seine Biografie bzw. Karriere zerstören. Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin zum Eintritt einer Sperrzeit an. Der Kläger teilte mit, er habe die befristete Arbeitsaufnahme abgelehnt, weil sie nicht zu einer Einstellung führen werde. Die Beklagte hob wegen des Eintritts einer Sperrzeit die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 21.08. bis 21.11.2002 auf und verlangte die Erstattung der für diesen Zeitraum bereits gezahlten Leistungen in Höhe von 239,36 EUR (Bescheid vom 03.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2002).
Mit der Klage zum Sozialgericht (SG) Münster hat der Kläger vorgetragen, die Annahme eines befristeten Stellenangebots verwehre ihm den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt. Die Beklagte habe ihm gegenüber die zur Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt bestehenden Vermittlungspflichten verletzt. Die ihm angebotene Stelle sei entgegen dem schriftlichen Angebot nicht auf drei, sondern auf zwei Monate befristet gewesen. Deshalb dürfe die Sperrzeit höchstens vier Wochen betragen. Im Übrigen sei er in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkt und habe deshalb einen Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente gestellt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 03.09.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2002 aufzuheben und ihm für den Zeitraum ab 01.11.1997 den Differenzbetrag zwischen seiner Arbeitslosenhilfe und der Eingangsvergütung des gehobenen Dienstes nach BAT Vb einschließlich rentenanwartschaftlicher Nachzahlungen zu leisten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid das dem Kläger unterbreitete Beschäftigungsangebot für zumutbar gehalten.
Das SG hat die Unterlagen der Rentenstreitsache des Klägers gegen die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte S 4 (16) RA 94/03 SG Münster beigezogen und die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.06.2005). Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Mit der Berufung trägt der Kläger insbesondere vor, der Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen sei unverhältnismäßig. Eine erstmalige Sperrzeit dürfe bei einer zweimonatigen Befristung der angebotenen Beschäftigung vier Wochen und bei einer dreimonatigen Befristung sechs Wochen nicht überschreiten. Das SG habe auch sein Leistungsvermögen zu Unrecht falsch eingeschätzt. Da er einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und einen Sonderkündigungsschutz nach einer Beschäftigung von sechs Monaten habe, habe er mit dem Nichtantritt der Arbeitsstelle deutlich machen wollen, dass zukünftig unter sechs Monate befristete Arbeitsangebote nicht zur Regel würden. Schließlich müsse die passive Haltung des Arbeitsamtes N während seiner Langzeitarbeitslosigkeit berücksichtigt werden.
Der Kläger, der zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts vom 22.06.2005 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat eine Auskunft des E N einzuholen versucht. Wegen der Antwort wird auf das Schreiben der Q-Verwaltungsgesellschaft für Altenhilfeeinrichtungen GmbH vom 20.04.2006 Bezug genommen. Die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten sowie die Verfahrensakte S 4 (16) RA 94/03 SG Münster sind beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung weder erschienen noch vertreten war, weil er mit der ordnungsgemäßen Terminsbenachrichtigung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, ist der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig, der Kläger daher nicht durch ihn im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert und die Klage auch im Übrigen unbegründet.
Der angegriffene Bescheid beruht hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung von Alhi auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den bei seinem Erlass bestehenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt dieser Änderung aufzuheben, wenn der Betroffene wusste oder wegen Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonderem Maße nicht wusste, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen bzw. ganz oder teilweise weggefallen ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
In den Verhältnissen, die bei der Bewilligung der Alhi vorgelegen haben, hat sich ab dem 21.08.2002 insofern eine wesentliche Änderung ergeben, als eine Sperrzeit von zwölf Wochen eingetreten ist. Das ergibt sich aus § 198 Nr. 6 i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), letztgenannte Vorschrift in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10.12.2001 (BGBl. I, S. 3443).
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III trat eine Sperrzeit von zwölf Wochen ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung der Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annahm oder nicht antrat oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere durch das Zustandekommen eines Vorstellungsgesprächs, durch sein Verhalten verhinderte (sog. Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.
Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger ein wirksames Beschäftigungsangebot abgegeben und der Kläger zumindest die Anbahnung des angebotenen Beschäftigungsverhältnisses verhindert hat, indem er die Annahme der Tätigkeit bereits bei der ersten telefonischen Kontaktaufnahme mit dem E am 20.08.2002 abgelehnt hat. Streitig ist allein, ob der Kläger für sein Verhalten einen wichtigen Grund hatte. Das ist indessen nicht der Fall.
Die angebotene Beschäftigung war dem Kläger zunächst im Sinne von § 121 SGB III in der maßgebenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (2. SGB III-ÄndG) vom 21.07.1999 (BGBl I, S. 1648) zumutbar.
Personenbezogene Gründe haben der Zumutbarkeit nicht entgegengestanden. Im Hinblick auf die Dauer der Arbeitslosigkeit des Klägers reicht es, dass das aus der Beschäftigung erzielbare Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen den Zahlbetrag der Alhi erreichte (§ 121 Abs. 3 SGB III). Das ist hier unbedenklich anzunehmen. Aus der Auskunft der Q-Verwaltungsgesellschaft für Altenhilfeeinrichtungen GmbH ergibt sich, dass eine Vergütung voraussichtlich nach Vc/Vb BAT-KF erfolgt wäre. In jedem Fall bestehen danach keine Bedenken anzunehmen, dass der Kläger ein Nettogehalt erzielt hätte, dass mindestens so hoch wie seine Alhi gewesen wäre, die zum Zeitpunkt des Beschäftigungsangebots lediglich 152,32 EUR wöchentlich betrug. Da der Kläger in N wohnte und sich die angebotene Stelle ebenfalls dort befand, waren auch keine unzumutbaren Pendelzeiten im Sinne von § 121 Abs. 4 SGB III gegeben.
Ohne Erfolg beruft der Kläger sich demgegenüber darauf, dass die Beschäftigung im Hinblick auf ihre Befristung unzumutbar gewesen sei. Der Gesetzgeber hat in § 121 Abs. 5 Satz 1 SGB III ausdrücklich geregelt, dass eine Beschäftigung nicht schon wegen ihrer Befristung unzumutbar ist. Eine von diesem eindeutigen Gesetzeswortlaut abweichende Beurteilung ist weder wegen der anerkannten Schwerbehinderung des Klägers noch im Hinblick auf die Dauer der Befristung gerechtfertigt. § 121 Abs. 5 SGB III lässt sich eine Differenzierung zwischen schwerbehinderten und nicht schwerbehinderten Leistungsbeziehern nicht entnehmen. Im Übrigen soll die Arbeitsverwaltung zwar nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SGB III in der Fassung des Job-AQTIV-Gesetzes den besonderen Bedürfnissen schwerbehinderter Menschen angemessen Rechnung tragen. Dass schwerbehinderte Arbeitslose ein gegenüber anderen Arbeitslosen höher zu bewertendes Interesse am Erhalt einer möglichst unbefristeten Stelle haben und ihnen aus diesem Grund die Aufnahme einer befristeten Tätigkeit unzumutbar ist, ist jedoch nicht zu erkennen. Auch die kurze Dauer der Befristung steht der Zumutbarkeit des Beschäftigungsangebots nicht entgegen. Aus § 144 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB III ergibt sich vielmehr, dass auch bei Ablehnung einer auf bis zu sechs Wochen befristeten Arbeit eine - allerdings verkürzte - Sperrzeit eintreten kann.
Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel, dass der Kläger die ihm angebotene Stelle - soweit zum Zeitpunkt der Ablehnung des Angebots erkennbar - mit seinem damaligen Leistungsvermögen ausfüllen konnte. Dagegen spricht zunächst nicht, dass der Kläger als schwerbehindert mit einem GdB von 50 anerkannt ist. Die Schwerbehinderung besteht nämlich in diesem Umfang bereits seit dem 01.01.1992 (Bescheid des Versorgungsamtes Münster vom 13.05.2004, im beigezogenen Rentenstreitverfahren vom Kläger überreicht) und hat den Kläger nicht daran gehindert, bis zum 30.09.1996 einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit als Verwaltungsangestellter nachzugehen. Aus dem im Rentenverfahren eingeholten Befundbericht des den Kläger behandelnden Arztes Dr. C ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten in den Jahren 1995 und 1996 sowie ab Anfang 2003, nicht jedoch für den hier maßgebenden Zeitraum. Die vom SG in diesem Verfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten bescheinigen dem Kläger überdies ein körperliches und geistiges Leistungsvermögen für mittelschwierige Leistungen im Umfang von täglich mindestens sechs Stunden. Der erkennende Senat hat keine Bedenken, sich jedenfalls für den Zeitpunkt der Beschäftigungsablehnung dieser Beurteilung anzuschließen.
Die Beklagte hat schließlich auch die Dauer der eingetretenen Sperrzeit zutreffend mit 12 Wochen festgestellt. Nach § 144 Abs. 1 SGB III idFd Job-AQTIV-Gesetzes betrug die Sperrzeit bei Arbeitsablehnung grundsätzlich zwölf Wochen. Nur bei Ablehnung einer bis zu sechs Wochen befristeten Arbeit verkürzte sie sich auf drei Wochen (§ 144 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB III). Auch nach Angaben des Klägers war die ihm angebotene Arbeitsstelle jedoch auf zumindest zwei Monate befristet. Ein Verkürzungstatbestand greift daher nicht ein, zumal Gründe für eine Verkürzung der Sperrzeit nach § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht ersichtlich und auch nicht dargelegt worden sind.
Die Berufung ist auch hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung des Differenzbetrags zwischen der Alhi und der Eingangsvergütung des gehobenen Dienstes nach BAT b einschließlich rentenanwartschaftlicher Nachzahlungen ab dem 01.11.1997 unbegründet. Der Senat, der über diesen Anspruch in der Sache entscheidet, ohne zu prüfen, ob der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist (§ 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz), schließt sich insoweit den Gründen der angefochtenen Entscheidung an und nimmt auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
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