L 1 AL 66/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 3 (2) AL 3/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 66/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14.07.2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung der Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 01.01.1979 bis zum 31.12.1994.

Die Klägerin war aufgrund Arbeitsvertrages vom 30.12.1978 in der Zeit vom 01.01.1979 bis zum 07.01.1999 als so bezeichnete "kaufmännische Angestellte" bei der H GmbH mit Sitz in N tätig. Gegenstand dieses Unternehmens war die Montage, Reparatur und Wartung von haustechnischen Anlagen, insbesondere von Heizungs-, Ölfeuerungs- und Lüftungsanlagen. Das Unternehmen beschäftigte zunächst vier, später im Durchschnitt 30 bis 40, in Spitzenzeiten bis zu 79 Mitarbeiter. Zu Beginn der Gesellschaft hielt die Klägerin von deren Stammkapital in Höhe von zunächst 20.000 DM einen Geschäftsanteil von 30 %. Weiterer Gesellschafter war U H mit einem Geschäftsanteil von 70 %, alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ohne Geschäftsanteile der Heizungsbaumeister J H, der Ehemann der Klägerin. In der Folgezeit kam es zu einer Kapitalerhöhung auf 50.000 DM, von denen die Klägerin 24.000 DM hielt (Beschluss der Gesellschafterversammlung v. 15.11.1985). Im Zuge des Eintritts des weiteren Gesellschafters Matthias H aufgrund notariellen Vertrages vom 18.12.1986 übertrugen die Klägerin und U H diesem Geschäftsanteile im Umfang von 6.000 DM bzw. 10.000 DM. Am 30.12.1998 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der H GmbH aus Anlass des Insolvenzantrages über das Vermögen des Unternehmens zum 07.01.1999 gekündigt. Am 26.04.1999 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Beigeladene, deren Mitglied die Klägerin war, stellte ihr unter dem 10.01.1979 eine Mitgliedsbescheinigung wegen des "Stellenantritts" am 01.01.1979 aus. Bis zum 07.01.1999 zog sie als Einzugsstelle Sozialversicherungsbeiträge für die Klägerin ein. Mit Schreiben vom 24.06.1985 bescheinigte sie der Klägerin, diese sei in der Zeit vom 01.01.1978 bis zum 31.08.1978 wegen der Höhe ihres damaligen Verdienstes nicht versicherungspflichtig gewesen. Am 04.12.1986 teilte die Barmer Ersatzkasse (BEK) in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle für den gleichfalls als abhängig beschäftigt eingestuften U H dem Steuerberater der H GmbH, dem Zeugen S, mit, sie habe auf sein Schreiben hin die Sozialversicherungspflicht von U H geprüft und halte an dessen Einstufung als abhängig Beschäftigter fest. Zwar habe U H die Mehrheit der Geschäftsanteile inne, doch könne er im Hinblick auf die Stellung des J H, der auch als Einziger Konzessionsträger sei, nicht verantwortlich für die Gesellschaft handeln. In den Jahren 1991 bis 1999 fanden Betriebsprüfungen durch die Beigeladene, die BEK und die damalige Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen statt. Die Beurteilung der Gesellschafter als abhängig Beschäftigte wurde dabei nicht beanstandet.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Ende des Arbeitsverhältnisses lehnte die Beklagte die Gewährung sowohl von Insolvenz- als auch von Arbeitslosengeld ab, weil die Klägerin nicht abhängig beschäftigt gewesen sei. Die dagegen gerichteten Klagen hatten keinen Erfolg. Mit der auf die Versagung des Arbeitslosengeldes gerichteten Klage S 3 AL 116/99 SG Münster machte die Klägerin gleichzeitig hilfsweise einen Anspruch auf Rückerstattung aller seit 1978 gezahlter Beiträge geltend (Schriftsatz vom 11.08.1999). Einen entsprechenden Antrag stellte sie mit Schriftsatz vom 03.09.1999 im Verfahren S 2 AL 111/99 SG Münster. Die Beklagte erstattete die Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 01.01.1995 bis zum 07.01.1999, lehnte jedoch die Erstattung für die Zeit vom 01.01.1979 bis zum 31.12.2004 wegen Verjährung ab (Bescheid vom 24.10.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2001). Im Widerspruchsbescheid führte sie hierzu aus, sie sehe von der Erhebung der Einrede der Verjährung nur in Fällen einer besonderen Härte ab. Eine solche sei anzunehmen, wenn die Beitragszahlung deshalb zu Unrecht erfolgt sei, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln des Arbeitsamtes, der Einzugsstelle oder eines Rentenversicherungsträgers als Prüfinstanz beruht habe, also von einer dieser Stellen nachweislich verursacht worden sei. Die für die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zuständige Einzugsstelle, die Beigeladene, habe auf Nachfrage mitgeteilt, dass eine Prüfung der Versicherungspflicht nicht vorgenommen worden sei.

Mit der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie habe sämtliche Mitteilungspflichten mit ihrer Anmeldung bei der Beigeladenen erfüllt. Indem diese gleichwohl Beiträge zur Sozialversicherung eingezogen habe, habe sie ihre Pflichten verletzt. Die Beigeladene habe zudem jährlich die Meldungen der H GmbH mit den Beitragsnachweisen abgestimmt. Damit habe sie eine positive Feststellung hinsichtlich ihres, der Klägerin, Versichertenstatus getroffen, auf den sie sich habe verlassen dürfen. Auch die Beklagte habe ihren Gesellschafterstatus von Anfang an gekannt und gleichwohl die Beiträge zur Sozialversicherung entgegengenommen. Im Rahmen der Betriebsprüfungen sei auch der Versichertenstatus der Gesellschafter überprüft worden. U H, dessen Gesellschafterstatus zu keinem Zeitpunkt anders zu bewerten gewesen sei als der ihrige, habe seine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zwischenzeitlich erstattet erhalten. Insoweit sei es unerheblich, dass in seinem Fall die BEK entschieden habe und nicht die Beigeladene.

Das Sozialgericht (SG) Münster hat den Zeugen S vernommen und sodann die Klage abgewiesen (Urteil v. 14.07.2004). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Beitragserstattung sei verjährt und es sei der Beklagten nicht verwehrt, sich hierauf zu berufen, weil ein eigenes oder ihr zuzurechnendes Fehlverhalten eines anderen Sozialversicherungsträgers nicht feststellbar sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie eine Betriebsbescheinigung vom 14.08.1979 überreicht, aufgrund derer die Beigeladene die Verhältnisse im Unternehmen habe kennen müssen. Zudem trägt sie vor, die Deutsche Rentenversicherung Westfalen habe in einem Rechtsstreit ihres Ehemannes gegen die Beklagte mitgeteilt, Gegenstand der jeweils stattgefundenen Betriebsprüfungen sei grundsätzlich auch die Versicherteneigenschaft der Beschäftigten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14.07.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2001 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Arbeitnehmeranteile für die in der Zeit vom 01.01.1979 bis zum 31.12.1994 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung an sie zu erstatten.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das Urteil des SG für zutreffend.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Verfahrensakten S 2 AL 111/99, S 3 AL 116/99, S 3 AL 130/99, S 5 AL 101/01, S 8 (11) KR 115/01, S 9 KR 62/04 und S 11 KR 72/99 SG Münster sowie die die H GmbH betreffenden Betriebsprüfungsakten der Deutschen Rentenversicherung Westfalen aus dem Jahr 1998 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladene im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, weil sie mit der ordnungsgemäßen Terminsbenachrichtigung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin daher nicht (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Entscheidung der Beklagten, hinsichtlich der in den Jahren 1979 bis 1994 entrichteten Beiträge die Einrede der Verjährung zu erheben, ist rechtlich für den gesamten Zeitraum nicht zu beanstanden.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) verjährt der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB IV, wonach die Verjährung erst mit Ablauf des Kalenderjahres einer Beitragsbeanstandung beginnt, findet in der Arbeitslosenversicherung keine Anwendung (§ 351 Abs. 1 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). Der Erstattungsanspruch der bis 1994 entrichteten Beiträge war daher Ende 1998 und somit verjährt, bevor die Klägerin ihn im Laufe des Jahres 1999 erstmalig geltend gemacht hat.

Die Erhebung der Einrede der Verjährung ist auch gegenüber dem Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zulässig. Sie rechtfertigt sich aus den grundlegenden Prinzipien der Rechtssicherheit, des Rechtsfriedens und des Schuldnerschutzes. Dabei hat der Umstand, dass der Gläubiger seinen Anspruch auf Beitragserstattung nicht kannte und dementsprechend auch nicht gelten konnte, keine Bedeutung. Ebenso wenig können die betroffenen Versicherten verlangen, entweder die vollen Beiträge erstattet zu bekommen oder leistungsrechtlich so gestellt zu werden, als seien sie zu Recht gezahlt worden. Diese grundsätzlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zwischenzeitlich geklärt (BSG, Urteil v. 29.07.2003, B 12 AL 1/02 R, SozR 4-2400 § 27 Nr. 1). Der Senat schließt sich den dortigen Erwägungen an.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung im konkreten Fall ohne Rechtsfehler erhoben.

Die den Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) genügende Begründung des Widerspruchsbescheides lässt in genügendem Umfang erkennen, welche Ermessenserwägungen die Beklagte ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Ihre Überlegung, auf die Einrede der Verjährung sei nur dann zu verzichten, wenn die Beitragszahlung deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln ihrerseits, der Einzugsstelle oder einer Prüfinstitution beruht hat, ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht zudem den Durchführungsanweisungen der Beklagten zu § 27 SGB IV und begegnet daher auch mit Blick auf den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung in Verbindung mit Art 3 Abs. 1 Grundgesetz keinen Bedenken (BSG a.a.O.).

Die Beklagte hat die Voraussetzungen einer besonderen Härte, die den Verzicht auf die Einrede der Verjährung erfordert, im Falle der Klägerin mit Recht verneint.

Ein Ermessensfehler ergibt sich im vorliegenden Fall zunächst nicht daraus, dass die Beklagte ihrer Entscheidung einen unzutreffenden oder unvollständigen Sachverhalt zu Grunde gelegt hätte (vgl. hierzu LSG Berlin, Urteil v. 27.05.2003, L 14 AL 49/01). Zwar hat sie es jedenfalls nach dem Inhalt der Akten unterlassen, Nachfrage hinsichtlich der im Rahmen der Betriebsprüfung für das Jahr 1994 getroffenen Feststellungen bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen zu halten. Indessen wird der Umfang der erforderlichen Tatsachenfeststellungen immer auch durch den konkreten Anlass bestimmt. Aus den Akten und aus dem Vortrag der Klägerin haben sich jedoch im Verwaltungsverfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass gerade zwischen der letzten Betriebsprüfung durch die Beigeladene und der ersten Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Westfalen Umstände eingetreten sind, die ein besonderes Augenmerk der Deutschen Rentenversicherung Westfalen auf die Versicherteneigenschaft der Klägerin hätten lenken müssen.

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen hat die Beklagte ohne Rechtsfehler angenommen, dass ein Fehlverhalten ihrerseits oder eines ihr zuzurechnenden Verwaltungsträgers, nämlich der Beigeladenen als der für die Klägerin zuständige Einzugsstelle bzw. der Beigeladenen oder der LVA Westfalen als Prüfbehörden, nicht vorliegt. Ein eigenes Fehlverhalten der Beklagten ist nicht erkennbar. Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle – im Falle der Klägerin die Beigeladene – und nicht die Beklagte über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe auch in der Arbeitslosenversicherung. Sie leitet die von ihr eingezogenen Beiträge an die Beklagte weiter (§ 28k Abs. 1 Satz 1 SGB IV), ohne dass diese eine Prüfungspflicht hätte. Diese seit dem 01.01.1989 bestehende Rechtslage entspricht der vom 01.01.1979 bis zum 31.12.1988 maßgebenden. Danach bestimmte § 176 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), dass die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung an die Einzugsstelle zu entrichten waren und die Einzugsstelle über Beitragspflicht und Beitragshöhe zu entscheiden hatte (§ 182 Abs. 1 AFG). Ein eigenes Prüfungsrecht der Beklagten bestand auch damals nicht.

Im Rahmen ihrer Funktion als Einzugsstelle ist ein fehlerhaftes Verhalten der Beigeladenen, das die Beklagte sich zurechnen lassen müsste, gleichfalls nicht festzustellen.

Die Beigeladene hat hinsichtlich des Versichertenstatus der Klägerin keine unzutreffenden Feststellungen getroffen. Sie hat als Einzugsstelle keine positive Feststellung dahingehend getroffen, die Klägerin sei bei der H GmbH abhängig beschäftigt. Eine solche Feststellung liegt zunächst nicht in der Mitgliedsbescheinigung vom 10.01.1979, denn diese bestätigt lediglich die Anmeldung der Klägerin als versicherungspflichtig Beschäftigte, nicht jedoch ihren Versichertenstatus. Sie ist auch nicht in der von der Klägerin überreichten Summenabstimmung für das Jahr 1994 zu sehen. Hierbei geht es, wie schon der Wortlaut belegt, um eine Abstimmung zwischen Meldungen und Beitragsnachweisen, nicht jedoch um die inhaltliche Überprüfung der Meldungen. Schließlich kann die Klägerin zu ihren Gunsten nichts aus dem Schreiben der Beigeladenen vom 24.06.1985 herleiten. Dieses Schreiben betrifft eindeutig den Zeitraum vom 01.01. bis 31.07.1978 und damit nicht die Beschäftigung der Klägerin bei der H GmbH.

Ohne Erfolg beruft die Klägerin sich demgegenüber darauf, die Beigeladene sei aufgrund der Betriebsbescheinigung vom 14.08.1979 über die Verhältnisse bei der H GmbH informiert worden und habe in der Folge pflichtwidrig eine Prüfung des Versichertenstatus versäumt. Es ist schon zweifelhaft, ob diese Betriebsbescheinigung tatsächlich für die Beigeladene bestimmt gewesen und dieser zugegangen ist. Den in dieser Bescheinigung zitierten Vorschriften wie auch dem Sachzusammenhang nach handelt es sich nämlich um eine Mitteilung an die Berufsgenossenschaft. Letztlich kommt es darauf aber nicht an. Selbst wenn nämlich im vorliegenden Fall eine entsprechende Erklärung oder z.B. ein Handelsregisterauszug überreicht worden sein sollten, ergibt sich daraus nur, dass die Klägerin Minderheitsgesellschafterin war. Minderheitsgesellschafter einer GmbH sind jedoch regelmäßig abhängig beschäftigt, wenn sie neben ihrer Gesellschafterstellung in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft stehen. Die zur weiteren Beurteilung erforderlichen Umstände hätten sich erst aufgrund weiterer Ermittlungen der Beigeladenen ergeben können, zu denen diese allein aufgrund der Anmeldung jedoch nicht verpflichtet gewesen ist (vgl. hierzu HessLSG, Urteil v. 14.02.2001, L 6 AL 790/00, E-LSG AL-222).

Ebenso wenig haben die Beigeladene bzw. die LVA Westfalen als Prüfinstitutionen im Rahmen der bei der H GmbH vorgenommenen Arbeitgeberprüfungen fehlerhaft gehandelt.

Aus Anlass der Betriebsprüfungen haben die Beigeladene bzw. die LVA Westfalen hinsichtlich des Versichertenstatus der Klägerin keine unzutreffenden Feststellungen getroffen. Die dahingehende Behauptung der Klägerin hat sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Die Durchsicht der entsprechenden noch verfügbaren Unterlagen durch die Beigeladene und die Deutsche Rentenversicherung Westfalen hat nichts Entsprechendes ergeben. Dem noch verfügbaren Prüfbericht der Deutschen Rentenversicherung Westfalen aus dem Jahr 1998 lässt sich gleichfalls nicht entnehmen, dass der Versichertenstatus der Klägerin im Prüfzeitraum 1994 bis 1996 geprüft worden ist. Vor allem hat der erstinstanzlich vernommene Zeuge S jedoch glaubhaft bekundet, die Frage der Versicherteneigenschaft der Klägerin sei bei den Betriebsprüfungen nicht thematisiert worden. Die Klägerin ist dieser Aussage in der Berufungsinstanz auch nicht mehr entgegengetreten.

Über die positiv getroffenen Feststellungen hinaus können Arbeitnehmer wie Arbeitgeber aus den Ergebnissen von Betriebsprüfungen keine Rechte herleiten. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu (BSG a.a.O. m.w.N.).

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV und der sich auf diese Vorschrift beziehenden Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Westfalen im Verfahren ihres Ehemannes gegen die Beklagte. Nach § 28p Abs 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bzw. bis zum 31.12.1995 die Einzugsstellen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre. Die Prüfstellen erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV). Gemäß § 6 Abs. 1 der für sämtliche Betriebsprüfungen maßgeblichen Beitragsüberwachungsverordnung kann die Prüfung der Aufzeichnungen des Arbeitgebers einschließlich der Beitragsnachweise jedoch auf Stichproben beschränkt werden. Daher sind die Prüfbehörden bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet. Dies gilt sogar in Kleinbetrieben von nur 10 bis 15 Mitarbeitern (BSG a.a.O.), erst recht daher in einem Betrieb wie demjenigen der H GmbH, der zu Zeiten der Betriebsprüfungen in den Jahren 1991 bis 1998 stets mindestens rund 30 Mitarbeiter gehabt hat. Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob eine Ausnahme für eine GmbH gilt, für die lediglich ein Angestellter und ein Gesellschafter-Geschäftsführer arbeiten (vgl. dazu LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 25.08.2005, L 1 AL 5/05).

Ob demgegenüber die BEK in ihrem Bescheid vom 04.12.1986 an den Zeugen S den Versichertenstatus von U H unzutreffend beurteilt hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Einen etwaigen Verwaltungsfehler braucht die Beklagte sich im Verhältnis zur Klägerin nicht zurechnen zu lassen. Das gilt auch dann, wenn die Klägerin seinerzeit Kenntnis von dem an den Zeugen S gerichteten Schreiben erhalten haben sollte. Anders als die Beklagte, die Beigeladene oder die LVA Westfalen besaß die BEK nämlich keinerlei rechtliche Befugnis, verbindliche Entscheidungen über den Versichertenstatus der Klägerin zu treffen. Ihre Auskünfte betreffend einen anderen Gesellschafter konnten daher weder bei der H GmbH noch bei der Klägerin insoweit einen Vertrauenstatbestand in dem Maße schaffen, wie es Auskünfte oder Entscheidungen der genannten Stellen vermocht hätten. Zudem ist zumindest bei der Beurteilung des Versichertenstatus von Gesellschaftern jeweils eine individuelle Prüfung aller Umstände vorzunehmen, sodass sich die einen von mehreren Gesellschafter betreffenden Prüfergebnisse nicht ohne weiteres auf einen anderen übertragen lassen. Das zeigt gerade auch der Fall der Klägerin. Zwar war diese anders als U H nur Minderheitsgesellschafterin. Andererseits hatte sie ausweislich ihrer Angaben in der Sitzungsniederschrift vom 01.03.2001 in der beigezogenen Streitsache S 2 AL 111/99 SG Münster jedoch das Gründungskapital maßgeblich aufgebracht, der Gesellschaft im weiteren Verlauf ein Darlehn über 192.000 DM gegeben und als einzige Mitarbeiterin die erforderlichen kaufmännischen Kenntnisse.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich. Alle entscheidungserheblichen Fragen sind höchstrichterlich bereits geklärt.
Rechtskraft
Aus
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