Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 8 (2) KR 5/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 (5,2) KR 74/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 131/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 11. März 2002 wird zurückgewiesen. Die Klage bezüglich der Kostenerstattung für die Behandlung von September / Oktober 2002 (nebst Reisekosten) wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten dreier Elektrostimulationstherapie-Einheiten einschließlich Reisekosten. Der Kläger hat sich in der Zeit vom 05.06.2001 bis zum 03.07.2001, vom 14.01.2002 bis zum 14.02.2002 sowie vom 19.09.2002 bis zum 09.10.2002 im staatlichen Rehabilitationszentrum in N / Russland durch Prof. B W behandeln lassen. Bei der Elektrostimulationstherapie wird bei Querschnittgelähmten und anderen Gehbehinderten mit Hilfe eines kurzen Stromimpulses eine Muskelzuckung ausgelöst, die bei einer hohen Wiederholungsrate zu einer Dauerkontraktion des Muskels führt. Dadurch sollen die verloren gegangenen Funktionen des Stehens, Gehens und Laufens wiederhergestellt bzw. verbessert werden.
Der Kläger ist am 00.00.1948 geboren. Er leidet an einer schweren motorisch-spinalen Querschnittssymptomatik mit schwerer Kyphoskoliose bei Zustand nach Aufrichtungsoperation im Jahre 1983. Seit Oktober 1981 ist bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen der Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung), "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung), "H" (hilflos) und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) festgestellt. Am 11.01.2001 beantragte er bei der Beklagten zunächst die Übernahme der Kosten für eine Beratung und Untersuchung durch Prof. W in N sowie der Reisekosten für ihn selbst sowie für eine Begleitperson. Zur Begründung bezog er sich auf ein Attest seines behandelnden Hausarztes Dr. T, Arzt für Allgemeinmedizin aus N, vom 22.12.2000, der die Behandlung des Klägers mittels modifizierter Elektrostromtherapie in N befürwortete.
Nach Einholung einer Stellungnahme des N1 X lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2001 die Kostenübernahme ab. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) lägen nicht vor. Einer Behandlung im Ausland bedürfe es nicht. Vielmehr sei die Erkrankung des Klägers einer dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Behandlung in Deutschland zugänglich, beispielsweise in der neurologischen Universitäts-Klinik in N. Zudem stelle die Elektrostimulationstherapie nach W eine alternative Behandlungsmethode dar, deren therapeutische Wirksamkeit nicht nachgewiesen sei. Auch habe sich die Methode in der medizinischen Praxis nicht durchgesetzt.
Am 25.05.2001 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Münster erhoben. Er hat geltend gemacht, mit Behandlungen in der Universitätsklinik in N habe er in der Vergangenheit sehr schlechte Erfahrungen gemacht; sein Gesundheitszustand habe sich jeweils verschlimmert. Auch Behandlungen in N, L, I, Bad X1, in M und O seien ohne nennenswerten Erfolg verlaufen. Unter Bezugnahme auf eine beigefügte Videoaufzeichnung des Fernseh-Wissenschaftsmagazins "Galileo" vom 21.11.2000 und ein weiteres befürwortendes Attest von Dr. T vom 23.05.2001 hat er weiter vorgetragen, von der angestrebten Behandlung in N sei eine komplette Erholung der beschädigten Motorik im Bereich der Wirbelsäule zu erwarten. In Deutschland gebe es ein entsprechendes Therapieangebot nicht.
Nach Durchführung der ersten beiden Therapieeinheiten in N hat er an Stelle der Sachleistung Erstattung der durch entsprechende Belege nachgewiesenen Kosten erstrebt. Unter Bezugnahme auf medizinische Unterlagen des Föderalen Wissenschaftlichen Zentrums für sozialmedizinische Gutachten und Rehabilitation hat er den individuellen Erfolg der Behandlung als weiteres Argument für die Verpflichtung der Beklagten zur Kostentragung herangezogen. Er sei zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung am 05.06.2001 mühsam an zwei Gehhilfen gelaufen. Nach täglich 19 Elektrostimulationen verschiedenster Muskeln hätten sich eine Verbesserung der Stabilität und Gehgeschwindigkeit von 0,86 km/h auf 2,02 km/h, der Schrittlänge von 0,67 m auf 1,22 m, des Schritttempos von 43 Schritten/min auf 55 Schritte/min, eine Normalisierung der kinematischen Charakteristik des Ganges in Form von Reduzierung des ausgeprägten Einknickens der Beine in den Kniegelenken, Verbesserung des Hüftwinkels sowie eine Verstärkung der Muskelfunktionen ergeben. Die Behandlung nach W entlaste die Beklagte in der Zukunft von erheblichen weiteren Behandlungskosten.
Der Kläger, der die Beklagte jeweils vorab über die bevorstehenden Behandlungsabschnitte unterrichtet hatte, hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Kosten für eine zweimalige Behandlung in 2001 und 2002 im Ausland in Form der Elektrostromtherapie in N/ Russland in Höhe von insgesamt 4.100 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid als rechtmäßig erachtet und sich auf das bisherige Vorbringen bezogen. Auf die Erzielung guter Behandlungsergebnisse im Einzelfall lasse sich ein Anspruch auf Sachleistung bzw. Kostenerstattung nicht stützen.
Ergänzend hat das Sozialgericht per Internet Auskünfte über Prof. Dr. W sowie Berichte über die Behandlung von Querschnittslähmungen bei Elektrostimulation der gelähmten Muskeln u. a. im Rahmen des Projektes der Orthopädischen Universitätskliniken in I1 eingeholt.
Mit Urteil vom 11.03.2002 hat das Sozialgericht sodann die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V bestehe nicht; denn bereits die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 SGB V seien nicht erfüllt. Die fachwissenschaftlich nicht als anerkannt anzusehende Behandlungsmethode von Prof. Dr. W lasse sich in ihrer Wirksamkeit und in ihren Risiken nicht abschließend bewerten. Es reiche nicht aus, dass im Einzelfall Behandlungserfolge erzielt worden seien, die sich jedoch wissenschaftlich nicht verifizieren ließen und statistisch nicht sicher belegt seien. Der Kläger könne im Übrigen mit anerkannten Behandlungsmethoden auch im Inland zumutbar therapiert werden. Experimentell werde an der Orthopädischen Universitätsklinik I1 im Rahmen eines Forschungsvorhabens die funktionelle Elektrostimulation als neuartige Behandlungsmethode seit 1998 u. a. zur Unterstützung eingeschränkter Gehfunktionen der unteren Extremitäten von querschnittsgelähmten Patienten angeboten. Eine Behandlung der Krankheiten des Klägers könne mit herkömmlichen Methoden aber auch u. a. an der Neurologischen Klinik der X2 X3-Universität in N, an der Klinik für manuelle Therapie in I2 oder auch an anerkannten Fachkliniken, wie den berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken in E und G erfolgen. Im Übrigen bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass keine andere Behandlungsmöglichkeit in Betracht komme. Da eine Kostenübernahme für die Hauptleistung – Elektrostimulationstherapie – nicht in Betracht komme, gelte dasselbe für die geltend gemachten Reisekosten.
Gegen das seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 20.03.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.04.2002 Berufung eingelegt.
Zur Begründung trägt er ergänzend vor, auf die an der Orthopädischen Universitätsklinik I1 im Rahmen eines Forschungsvorhabens angewendete Elektrostimulation bei Querschnittsgelähmten könne er nicht verwiesen werden. Zum einen sei die dort praktizierte Methode nicht ausgereift; zum anderen bestünden sehr lange Wartelisten. In Deutschland habe er, wie die Vergangenheit zeige, nicht die Möglichkeit, gesund zu werden. Dagegen könne die Elektrostimulationstherapie nach W auf eine ca. 30-jährige Tradition und entsprechende Heilungserfolge zurückblicken. Ergänzend bezieht er sich auf ein ärztliches Gutachten von Dr. M1, Facharzt für Innere Medizin aus N, vom 25.05.2003. Dieser sieht im Falle des Klägers keine andere adäquate Behandlung als die Elektrostimulationstherapie nach W, die ihm aus seiner früheren Tätigkeit in Russland bekannt sei. Bezüglich der dritten Therapieeinheit, der sich der Kläger in der Zeit vom 16.09.2002 bis zum 12.10.2002 unterzogen hat, hat dieser vorgetragen, es sei erneut zu einer entscheidenden Verbesserung seiner Mobilität gekommen. Wie die entsprechenden medizinischen Unterlagen belegten, sei es durch die Therapie zu einer Steigerung der elektrischen Muskelaktivität in den unteren Extremitäten gekommen. Dies habe eine Erhöhung der Stützfertigkeit und der Stabilität beim Gehen zur Folge gehabt. Nach täglichen Elektrostimulationen hätten sich folgende Veränderungen ergeben: Verbesserung der Stabilität und Gehgeschwindigkeit von 1,08 km/h auf 1,33 km/h (1. Behandlung im Juni/Juli 2001: von 0,86 km/h auf 2,02 km/h), der Schrittlänge von 0,70 m auf 0,73 m (0,67 m auf 1,22 m), des Schritttempos von 52,3 Schritten/min auf 59,8 Schritte/min (43 Schritten/min auf 55 Schritte/min), Normalisierung der kinematischen Charakteristik des Ganges und Reduzierung des ausgeprägten Einknickens der Beine in den Kniegelenken, Verbesserung des Hüftwinkels sowie Verstärkung der Muskelfunktionen.
Der Kläger, der zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen worden, aber nicht erschienen ist, beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 11.03.2002 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 14.03.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2001 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, an ihn insgesamt 6.150,00 EUR für die Kosten dreier sog. Elektrostimulationstherapien nach W am staatlichen Rehabilitationszentrum in N/Russland in den Jahren 2001 und 2002 einschließlich Reisekosten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts N vom 11.03.2002 zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.
Mit Beschlüssen vom 07.06.2002, 11.06.2003 und 10.01.2005 haben der zunächst zuständige 5. bzw. der 2. Senat des LSG NRW die Anträge des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts mit Hinweis auf fehlende Erfolgsaussichten abgelehnt.
Ergänzend hat der Senat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. In seinem Befundbericht vom 28.11.2003 hat Dr. M1 mitgeteilt, die Behandlung im Rehabilitationszentrum in N habe zu einer Verbesserung der Sensibilität und Feinmotorik geführt. Seit dem Behandlungsabbruch sei wieder eine Verschlechterung eingetreten. Dr. N2 I3, Arzt für Neurologie und Psychiatrie aus N, hat unter dem 11.12.2003 als zusätzliche Erkrankung u. a. ein hirnorganisches Psychosyndrom diagnostiziert. Durch das subjektive Gefühl der Besserung nach erfolgter Behandlungen in N habe sich im Sinne eines Placeboeffektes die psychische Situation des Klägers verbessert. Schließlich hat Dr. L1, Arzt für Orthopädie aus N, unter dem 14.01.2004 ein mühsames, deutlich verschlechtertes Gangbild bei dem Kläger beschrieben, der an zwei Unterarmgehstützen eine maximale Strecke von 100 bis 200 m zurücklegen könne.
Nachdem der Kläger eine körperliche Untersuchung verweigert hatte, hat der Senat ein neurologisches Gutachten von Prof. Dr. U, Arzt für Neurologie und Nervenheilkunde, Leitender Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik C-Kliniken C1 in C2 eingeholt. In seinem Gutachten vom 23.01.2006 hat der Sachverständige unter Auswertung aller vorliegenden medizinischen Berichte folgende Diagnose gestellt: Sensomotorisches Querschnittssyndrom Sub-Th 7 – 9 mit inkompletter spastischer Paraparese und Blasenmastdarmstörungen. Primär sei die Querschnittslähmung mit einer konsequenten, regelmäßigen Krankengymnastik zu behandeln; gegebenenfalls könnten zusätzlich neuartige, zum Teil computergestützte Therapieverfahren auf experimenteller Basis zum Einsatz kommen, die auch in Deutschland, z. B. in den Zentren für Rückenmarksverletzte, zur Verfügung stünden. Die von Prof. Dr. W in N angebotene Behandlungsmethode entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft. Die Therapie werde in Deutschland nicht in gleicher Weise angeboten, sondern nur von ihm selbst in N. In Deutschland würden andere Geräte für die funktionelle Rehabilitation von Querschnittsgelähmten angeboten. Ein hirnorganisches Psychosyndrom schränke die Durchführung einer häuslichen Elektrostimulationstherapie ohnehin massiv ein. Welche Behandlung im Einzelnen für den Kläger in Betracht komme, könne nur nach einer körperlicher Untersuchung entschieden werden.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 16.05.2006 hat der Sachverständige Folgendes ergänzt: Der Umstand, dass Prof. Dr. W die Elektrostimulationstherapie seit ca. 30 Jahren anwende und darüber, wenn auch in eingeschränktem Maße, publiziere, sich diese aber dennoch noch nicht als Standardtherapie etabliert habe, zeige deutlich, dass es sich weiterhin um ein experimentelles Verfahren handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
Obgleich für den Kläger zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, hat der Senat verhandeln und entscheiden können; denn der Kläger ist - mit Hinweis auf diese Möglichkeit - ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 31.08.2006 geladen worden (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 SGG, § 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Es hat kein Anlass bestanden, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Der Kläger hat um Terminsverlegung nicht ersucht und er hatte hinreichend Gelegenheit, sich schriftsätzlich rechtliches Gehör zu verschaffen.
Soweit der Kläger erneut Richter wegen der Besorgnis von Befangenheit ablehnt, hat dies den Senat ebenfalls nicht hindern können, in der Sache zu verhandeln und zu entscheiden. Das Gesuch ist ersichtlich rechtsmissbräuchlich. Es ist allein der Erzwingung einer dem Kläger günstigen Entscheidung zu dienen bestimmt. Gründe, die auch nur entfernt für die Möglichkeit sprechen könnten, der Kläger könne Anlass haben, eine Voreingenommenheit der Richter anzunehmen (vgl. zuletzt den Beschluss des 5. Senats vom 07.09.2004 in der Sache L 5 KR 81/04 LSG NRW), trägt er nicht vor.
Die Berufung ist zulässig; insbesondere bestehen keine Bedenken, dass der Kläger erst im Berufungsverfahren die Kosten für die nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens durchgeführte dritte Therapieeinheit geltend gemacht hat. Darin liegt eine zulässige Klageerweiterung im Sinne von § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht mit Urteil vom 11.03.2002 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2001 ist rechtmäßig. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten seiner in Russland durchgeführten Elektrostimulationstherapie-Einheiten sowie der geltend gemachten Nebenkosten - dies gilt auch für den in der Berufungsinstanz geltend gemachten dritten Therapieabschnitt - steht dem Kläger nicht zu.
Die in dem staatlichen Rehabilitationszentrum von Prof. Dr. W in N / Russland in den Jahren 2001 und 2002 durchgeführten Behandlungseinheiten der Elektrostimulationstherapie erfüllen nicht die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der hier noch maßgeblichen, bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 - BGBl I 2266).
Nach § 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 i. V. m. § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V kann eine Krankenkasse die Kosten einer notwendigen Behandlung einer Krankheit sowie weitere Kosten für den Versicherten und Kosten für eine erforderliche Begleitperson ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur im Ausland möglich ist. Die Regelung ermöglicht als Rechtsfolge nicht nur eine Kostenübernahme, sondern auch - nach entsprechender vorheriger Antragstellung und Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse - die hier begehrte Kostenerstattung (vgl. Bundessozialgericht -BSG-, Urt. vom 13.12.2005, Az.: B 1 KR 21/04 R, Sozialrecht -SozR- 4-2500 § 18 Nr. 5; Urt. vom 17.02.2004, Az.: B 1 KR 5/02 R, SozR 4-2500 § 18 Nr. 2; ferner Urt. vom 03.09.2003, Az.: B 1 KR 34/01 R, SozR 4-2500 § 18 Nr. 1).
Dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers nach § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V steht zwar nicht entgegen, dass ein Versicherter vor Durchführung einer Auslandsbehandlung bei seiner Krankenkasse die Kostenübernahme beantragen, ihr Gelegenheit zur Prüfung geben und deren Entscheidung abwarten muss (vgl. BSG, Urt. vom 13.12.2005 und Urt. vom 03.09.2003, a. a. O.); denn der Kläger hat die Behandlung in N erst nach dem abschlägigen Bescheid der Beklagten aufgenommen.
Auch kann der Senat offen lassen, ob ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V voraussetzt, dass der Betroffene der Krankenkasse eine vertragsärztliche Verordnung für die Auslandsbehandlung vorlegt (dieses Erfordernis wohl verneinend: BSG, Urt. vom 13.12.2005, a. a. O.; offen lassend BSG, Urt. vom 17.02.2004, a. a. O) und ob das Empfehlungsschreiben des Hausarztes eine solche ordnungsgemäße Verordnung darstellt.
Der Kostenerstattungsanspruch des Klägers scheitert jedenfalls aus anderen Gründen. Neben dem hier außer Streit befindlichen Vorliegen einer behandlungsbedürftigen und in Bezug auf die gesetzlichen Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V allgemein behandlungsfähigen Krankheit des Klägers müssen zwei weitere Voraussetzungen für die nach § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V zu treffende Ermessensentscheidung der beklagten Krankenkasse gegeben sein, an denen es fehlt: Die in Russland durchgeführten Behandlungen müssten dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und darüber hinaus - kumulativ (vgl. schon BSG, Urt. vom 16.06.1999, Az.: B 1 KR 4/98 R, SozR 3-2500 § 18 Nr. 4) - nur im Ausland möglich gewesen sein.
Bezüglich der ersten Tatbestandsvoraussetzung ist entscheidend, dass die Leistung im Ausland den Kriterien des in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V geregelten Wissenschaftlichkeitsgebots zu entsprechen hat. Das wiederum ist der Fall, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Auch muss die Therapie in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG, Urt. vom 16.06.1999, a. a. O.; Urt. vom 14.02.2001, Az.: B 1 KR 29/00 R, SozR 3-2500 § 18 Nr. 6). Eine Methode entspricht jedoch dann nicht dem gesetzlich geforderten Standard, wenn sie eng an die Person des Behandlers gebunden ist. Insoweit fehlt es nämlich an der wesentlichen Voraussetzung für eine wissenschaftliche Anerkennung: der Überprüfbar- und Wiederholbarkeit durch andere Fachleute (BSG, Urt. vom 16.06.1999, a. a. O). Dadurch soll gesichert werden, dass dem Versicherten die an hohen aktuellen Maßstäben gemessenen und verfahrensmäßig gesicherten, das heißt diagnostisch und therapeutisch auf der Höhe der Zeit stehenden, insoweit also bestmöglichen, medizinischen Maßnahmen zugute kommen (Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Loseblattsammlung, Stand: Mai 2006, K § 18 Rn. 7).
An die wissenschaftliche Akzeptanz der angewandten Behandlungsmethode sind keine geringeren, aber auch keine höheren Anforderungen zu stellen als bei einer Behandlung im Inland (BSG, Urt. vom 16.06.1999, a. a. O). Ohne Bedeutung ist bei Auslandsbehandlungen entgegen der Auffassung der Beklagten jedoch, ob sich der Gemeinsame Bundesausschuss zu der Behandlungsmethode bereits geäußert hat; denn das in § 135 SGB V beschriebene Anerkennungsverfahren bezieht sich nur auf Leistungen, die im Inland angeboten werden (BSG, Urt. vom 16.06.1999, a. a. O).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Kostenerstattungsanspruchs ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Behandlung (BSG Urt. vom 14.02.2001, Az.: B 1 KR 29/00 R, SozR 3-2500 § 18 Nr. 6).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die im Ausland vom Kläger in Anspruch genommene Behandlung nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse genügt. Dies ergibt sich aus der gutachterlichen Stellungnahme von Frau Dr. I3, N1 X, sowie aus Gutachten und ergänzender Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen Prof. U. Diese haben nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass sich die Methode weder in anderen Rehabilitationseinrichtungen in Russland noch weltweit durchgesetzt hat. Bei den Veröffentlichungen handele es sich im Übrigen nicht um kontrollierte, im Einzelnen überprüfbare Studien, sondern lediglich um Berichte und Erfahrungswerte, die sich einer wissenschaftlich fundierten Beurteilung entziehen. Dabei stellt der Sachverständige keineswegs in Abrede, dass es im Einzelfall Erfolge im Sinne einer Besserung der Mobilität Rückenmarkverletzter geben mag. Dies reicht jedoch nicht aus. Der Senat vermag den vom Kläger vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen, dass sich die Methode allgemeiner Anerkennung berühmen könnte. Es handelt sich bei den vom Kläger genannten Quellen ausschließlich um Veröffentlichungen der vom Sachverständigen beschriebenen, nicht aussagekräftigen Art. Studien aussagekräftiger Evidenz, insbesondere Langzeitstudien über die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Methode hat der Kläger bzw. zuvor seine Prozessbevollmächtigte ebenfalls nicht benennen können. Schließlich ergibt sich auch aus dem vom Kläger eingereichten Beitrag des Wissenschaftsmagazins "Galileo" nichts anderes. Zwar wird von etwa 5.000 erfolgreich behandelten Patienten in N gesprochen, zugleich aber darauf hingewiesen, dass die Wirkungsmechanismen der Behandlungsweise noch nicht hinreichend erforscht seien. Deshalb entziehe sich die Methode einer abschließenden wissenschaftlichen Bewertung.
Der tragenden Argumentation des Klägers, die Methode habe bei ihm zu Behandlungsfortschritten geführt, ist bereits entgegenzuhalten, dass offensichtlich keine dauerhaften Erfolge eingetreten sind. Die mitgeteilten Messergebnisse der dritten Behandlungseinheit liegen deutlich unterhalb derjenigen, die bei Abschluss der ersten Einheit notiert wurden. Auch geht aus den Befundberichten der behandelnden Ärzte keineswegs hervor, dass seit 2002 eine deutliche Besserung eingetreten ist. Dr. N2 I3 spricht gar von einem bloßen Placeboeffekt der Therapie nach W.
Dem Anspruch auf Kostenerstattung steht schließlich auch die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V entgegen. Danach darf die Krankenkasse Kosten einer Auslandsbehandlung nicht übernehmen, wenn eine andere, gleich oder ähnlich Erfolg versprechende Behandlung der Krankheit im Inland möglich ist (BSG, Urt. vom 16.6.1999, a. a. O., Urt. vom 13.12.2005, a. a. O.). Eine medizinische Versorgungslücke ist nur dann anzunehmen, wenn eine im Inland nicht behandelbare Krankheit im Ausland mit der erforderlichen Erfolgsaussicht behandelt werden kann, und nicht schon dann, wenn das außerhalb angebotene Leistungsangebot lediglich andere medizinische Maßnahmen umfasst, ohne im Ergebnis die Behandlungsmöglichkeiten für die beim Versicherten bestehende Krankheit entscheidend zu verbessern. Gibt es hingegen mehrere gleichwertige Behandlungsalternativen, können allein die im EU / EWR-Inland bestehenden Therapieangebote in Anspruch genommen werden (BSG, Urt. vom 13.12.2005, a. a. O.). Der Inlandsbehandlung kommt nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen des auch für § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V geltenden Wirtschaftlichkeitsgebotes gemäß § 12 Abs. 1 SGB V ebenfalls Vorrang zu, wenn das Leistungsangebot im Ausland wegen einer besonders modernen technischen Ausrüstung oder wegen des auch international herausragenden fachlichen Rufs eines bestimmten Arztes eine überdurchschnittliche Qualität aufweist; denn Spitzenmedizin ist nicht der Maßstab für die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenkassen schulden ihren Versicherten eine bedarfsgerechte und gleichmäßige Versorgung unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik. Leistungen sind dann zu gewähren, wenn sie zur Heilung und Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend sind (BSG, Urt. vom 16.6.1999, a. a. O). Auf eine optimale, das heißt über den gesetzlichen Standard hinausgehende Versorgung, besteht hingegen grundsätzlich kein Anspruch (BSG Urt. vom 23.05.1984, Az.: 6 RKa 2/83, SozR 5520 § 29 Nr. 3).
Gemäß den nachvollziehbaren Ausführungen des N1 sind bei der neurologischen Erkrankung des Klägers eine Diagnostik und Behandlung in Deutschland, beispielsweise in der Neurologischen Universitätsklinik in N, möglich. Auch aus dem insoweit nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen, dem der Senat folgt, ergibt sich, dass das Ansprechen der jeweils relevanten Muskelgruppe grundsätzlich auch auf andere Weise, z. B. über physiotherapeutische Maßnahmen oder mechanische Reize, möglich ist. Weitergehende Feststellungen hat der Kläger durch seine Weigerung, sich einer körperlichen Untersuchung zu unterziehen, unmöglich gemacht. Im Übrigen werden entsprechende computergestützte Trainingsverfahren zur Verbesserung des Gangbildes bei Querschnittsverletzungen, wie beispielsweise das System "Lokomat", sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz angewandt. Dass es sich bei der von Prof. W angebotenen Behandlungsmethode um eine gegenüber den alternativen Therapien eindeutig überlegene Methode handelt, ist ebenfalls nicht feststellbar. Selbst wenn sich bestätigen sollte, dass eine Therapiemöglichkeit für den Kläger wegen der großen Nachfrage an der Neurologischen Klinik I1 nicht unmittelbar zu verwirklichen wäre und längere Wartezeiten bestünden – unterstellt, die Therapie wäre aufgrund des Krankheitsbildes des Klägers überhaupt indiziert – , ergäbe sich daraus schließlich ebenfalls kein Anspruch des Klägers. In einem solchen Fall, wenn die Behandlung im Inland zwar an sich möglich ist, aber wegen fehlender Kapazitäten oder aus anderen Gründen nicht rechtzeitig erfolgen kann, würde der Ausnahmetatbestand des § 18 SGB V zwar greifen (BSG, Urt. vom 16.06.1999, a. a. O.). Allerdings hat der Senat nicht feststellen können, dass eine derartige Dringlichkeit der Behandlung besteht, zumal auch andere Therapien, wie intensive Krankengymnastik, denkbar sind. Eine derartige Erforderlichkeit hat das BSG beispielsweise in dem Fall einer notwendigen Nierentransplantation verneint: Die Wartezeit in Deutschland könne durch eine dem allgemeinen Versorgungsstand entsprechende Dialysebehandlung überbrückt werden (BSG, Urt. vom 17.02.2004, a. a. O.; Noftz, a. a.O., K § 18 Rn. 15). Weder der Kläger noch die befragten behandelnden Ärzte haben Gründe für eine medizinisch indizierte Dringlichkeit zu benennen vermocht noch sind diese sonst ersichtlich.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage schließlich auch insoweit abgewiesen, als es um die Erstattung der angefallenen Reisekosten geht. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 SGB V liegen nicht vor. Danach kann die Krankenkasse in den Fällen des Abs. 1 auch weitere Kosten für den Versicherten und für eine erforderliche Begleitperson ganz oder teilweise übernehmen. Wie sich aus der Formulierung des Abs. 2 "in den Fällen des Absatzes 1" jedoch ergibt, dürfen Folgekosten einer Behandlung als akzessorische Leistungen nur übernommen werden, wenn die Krankenkasse auch die Behandlungskosten selber zu übernehmen verpflichtet ist. Da hier bereits die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung über die Hauptleistung nicht vorliegen, schließt dies die Übernahme der Folgekosten ebenfalls aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG besteht nicht. Die Frage nach den Therapiemöglichkeiten für ein einzelnes Leiden und nach dem darauf bezogenen krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsanspruch ist regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BSG, Beschl. vom 07.10.2005, Az.: B 1 KR 107/04 B, SozR 4-1500 § 160a Nr. 9).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten dreier Elektrostimulationstherapie-Einheiten einschließlich Reisekosten. Der Kläger hat sich in der Zeit vom 05.06.2001 bis zum 03.07.2001, vom 14.01.2002 bis zum 14.02.2002 sowie vom 19.09.2002 bis zum 09.10.2002 im staatlichen Rehabilitationszentrum in N / Russland durch Prof. B W behandeln lassen. Bei der Elektrostimulationstherapie wird bei Querschnittgelähmten und anderen Gehbehinderten mit Hilfe eines kurzen Stromimpulses eine Muskelzuckung ausgelöst, die bei einer hohen Wiederholungsrate zu einer Dauerkontraktion des Muskels führt. Dadurch sollen die verloren gegangenen Funktionen des Stehens, Gehens und Laufens wiederhergestellt bzw. verbessert werden.
Der Kläger ist am 00.00.1948 geboren. Er leidet an einer schweren motorisch-spinalen Querschnittssymptomatik mit schwerer Kyphoskoliose bei Zustand nach Aufrichtungsoperation im Jahre 1983. Seit Oktober 1981 ist bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen der Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung), "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung), "H" (hilflos) und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) festgestellt. Am 11.01.2001 beantragte er bei der Beklagten zunächst die Übernahme der Kosten für eine Beratung und Untersuchung durch Prof. W in N sowie der Reisekosten für ihn selbst sowie für eine Begleitperson. Zur Begründung bezog er sich auf ein Attest seines behandelnden Hausarztes Dr. T, Arzt für Allgemeinmedizin aus N, vom 22.12.2000, der die Behandlung des Klägers mittels modifizierter Elektrostromtherapie in N befürwortete.
Nach Einholung einer Stellungnahme des N1 X lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2001 die Kostenübernahme ab. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) lägen nicht vor. Einer Behandlung im Ausland bedürfe es nicht. Vielmehr sei die Erkrankung des Klägers einer dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Behandlung in Deutschland zugänglich, beispielsweise in der neurologischen Universitäts-Klinik in N. Zudem stelle die Elektrostimulationstherapie nach W eine alternative Behandlungsmethode dar, deren therapeutische Wirksamkeit nicht nachgewiesen sei. Auch habe sich die Methode in der medizinischen Praxis nicht durchgesetzt.
Am 25.05.2001 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Münster erhoben. Er hat geltend gemacht, mit Behandlungen in der Universitätsklinik in N habe er in der Vergangenheit sehr schlechte Erfahrungen gemacht; sein Gesundheitszustand habe sich jeweils verschlimmert. Auch Behandlungen in N, L, I, Bad X1, in M und O seien ohne nennenswerten Erfolg verlaufen. Unter Bezugnahme auf eine beigefügte Videoaufzeichnung des Fernseh-Wissenschaftsmagazins "Galileo" vom 21.11.2000 und ein weiteres befürwortendes Attest von Dr. T vom 23.05.2001 hat er weiter vorgetragen, von der angestrebten Behandlung in N sei eine komplette Erholung der beschädigten Motorik im Bereich der Wirbelsäule zu erwarten. In Deutschland gebe es ein entsprechendes Therapieangebot nicht.
Nach Durchführung der ersten beiden Therapieeinheiten in N hat er an Stelle der Sachleistung Erstattung der durch entsprechende Belege nachgewiesenen Kosten erstrebt. Unter Bezugnahme auf medizinische Unterlagen des Föderalen Wissenschaftlichen Zentrums für sozialmedizinische Gutachten und Rehabilitation hat er den individuellen Erfolg der Behandlung als weiteres Argument für die Verpflichtung der Beklagten zur Kostentragung herangezogen. Er sei zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung am 05.06.2001 mühsam an zwei Gehhilfen gelaufen. Nach täglich 19 Elektrostimulationen verschiedenster Muskeln hätten sich eine Verbesserung der Stabilität und Gehgeschwindigkeit von 0,86 km/h auf 2,02 km/h, der Schrittlänge von 0,67 m auf 1,22 m, des Schritttempos von 43 Schritten/min auf 55 Schritte/min, eine Normalisierung der kinematischen Charakteristik des Ganges in Form von Reduzierung des ausgeprägten Einknickens der Beine in den Kniegelenken, Verbesserung des Hüftwinkels sowie eine Verstärkung der Muskelfunktionen ergeben. Die Behandlung nach W entlaste die Beklagte in der Zukunft von erheblichen weiteren Behandlungskosten.
Der Kläger, der die Beklagte jeweils vorab über die bevorstehenden Behandlungsabschnitte unterrichtet hatte, hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Kosten für eine zweimalige Behandlung in 2001 und 2002 im Ausland in Form der Elektrostromtherapie in N/ Russland in Höhe von insgesamt 4.100 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid als rechtmäßig erachtet und sich auf das bisherige Vorbringen bezogen. Auf die Erzielung guter Behandlungsergebnisse im Einzelfall lasse sich ein Anspruch auf Sachleistung bzw. Kostenerstattung nicht stützen.
Ergänzend hat das Sozialgericht per Internet Auskünfte über Prof. Dr. W sowie Berichte über die Behandlung von Querschnittslähmungen bei Elektrostimulation der gelähmten Muskeln u. a. im Rahmen des Projektes der Orthopädischen Universitätskliniken in I1 eingeholt.
Mit Urteil vom 11.03.2002 hat das Sozialgericht sodann die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V bestehe nicht; denn bereits die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 SGB V seien nicht erfüllt. Die fachwissenschaftlich nicht als anerkannt anzusehende Behandlungsmethode von Prof. Dr. W lasse sich in ihrer Wirksamkeit und in ihren Risiken nicht abschließend bewerten. Es reiche nicht aus, dass im Einzelfall Behandlungserfolge erzielt worden seien, die sich jedoch wissenschaftlich nicht verifizieren ließen und statistisch nicht sicher belegt seien. Der Kläger könne im Übrigen mit anerkannten Behandlungsmethoden auch im Inland zumutbar therapiert werden. Experimentell werde an der Orthopädischen Universitätsklinik I1 im Rahmen eines Forschungsvorhabens die funktionelle Elektrostimulation als neuartige Behandlungsmethode seit 1998 u. a. zur Unterstützung eingeschränkter Gehfunktionen der unteren Extremitäten von querschnittsgelähmten Patienten angeboten. Eine Behandlung der Krankheiten des Klägers könne mit herkömmlichen Methoden aber auch u. a. an der Neurologischen Klinik der X2 X3-Universität in N, an der Klinik für manuelle Therapie in I2 oder auch an anerkannten Fachkliniken, wie den berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken in E und G erfolgen. Im Übrigen bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass keine andere Behandlungsmöglichkeit in Betracht komme. Da eine Kostenübernahme für die Hauptleistung – Elektrostimulationstherapie – nicht in Betracht komme, gelte dasselbe für die geltend gemachten Reisekosten.
Gegen das seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 20.03.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.04.2002 Berufung eingelegt.
Zur Begründung trägt er ergänzend vor, auf die an der Orthopädischen Universitätsklinik I1 im Rahmen eines Forschungsvorhabens angewendete Elektrostimulation bei Querschnittsgelähmten könne er nicht verwiesen werden. Zum einen sei die dort praktizierte Methode nicht ausgereift; zum anderen bestünden sehr lange Wartelisten. In Deutschland habe er, wie die Vergangenheit zeige, nicht die Möglichkeit, gesund zu werden. Dagegen könne die Elektrostimulationstherapie nach W auf eine ca. 30-jährige Tradition und entsprechende Heilungserfolge zurückblicken. Ergänzend bezieht er sich auf ein ärztliches Gutachten von Dr. M1, Facharzt für Innere Medizin aus N, vom 25.05.2003. Dieser sieht im Falle des Klägers keine andere adäquate Behandlung als die Elektrostimulationstherapie nach W, die ihm aus seiner früheren Tätigkeit in Russland bekannt sei. Bezüglich der dritten Therapieeinheit, der sich der Kläger in der Zeit vom 16.09.2002 bis zum 12.10.2002 unterzogen hat, hat dieser vorgetragen, es sei erneut zu einer entscheidenden Verbesserung seiner Mobilität gekommen. Wie die entsprechenden medizinischen Unterlagen belegten, sei es durch die Therapie zu einer Steigerung der elektrischen Muskelaktivität in den unteren Extremitäten gekommen. Dies habe eine Erhöhung der Stützfertigkeit und der Stabilität beim Gehen zur Folge gehabt. Nach täglichen Elektrostimulationen hätten sich folgende Veränderungen ergeben: Verbesserung der Stabilität und Gehgeschwindigkeit von 1,08 km/h auf 1,33 km/h (1. Behandlung im Juni/Juli 2001: von 0,86 km/h auf 2,02 km/h), der Schrittlänge von 0,70 m auf 0,73 m (0,67 m auf 1,22 m), des Schritttempos von 52,3 Schritten/min auf 59,8 Schritte/min (43 Schritten/min auf 55 Schritte/min), Normalisierung der kinematischen Charakteristik des Ganges und Reduzierung des ausgeprägten Einknickens der Beine in den Kniegelenken, Verbesserung des Hüftwinkels sowie Verstärkung der Muskelfunktionen.
Der Kläger, der zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen worden, aber nicht erschienen ist, beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 11.03.2002 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 14.03.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2001 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, an ihn insgesamt 6.150,00 EUR für die Kosten dreier sog. Elektrostimulationstherapien nach W am staatlichen Rehabilitationszentrum in N/Russland in den Jahren 2001 und 2002 einschließlich Reisekosten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts N vom 11.03.2002 zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.
Mit Beschlüssen vom 07.06.2002, 11.06.2003 und 10.01.2005 haben der zunächst zuständige 5. bzw. der 2. Senat des LSG NRW die Anträge des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts mit Hinweis auf fehlende Erfolgsaussichten abgelehnt.
Ergänzend hat der Senat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. In seinem Befundbericht vom 28.11.2003 hat Dr. M1 mitgeteilt, die Behandlung im Rehabilitationszentrum in N habe zu einer Verbesserung der Sensibilität und Feinmotorik geführt. Seit dem Behandlungsabbruch sei wieder eine Verschlechterung eingetreten. Dr. N2 I3, Arzt für Neurologie und Psychiatrie aus N, hat unter dem 11.12.2003 als zusätzliche Erkrankung u. a. ein hirnorganisches Psychosyndrom diagnostiziert. Durch das subjektive Gefühl der Besserung nach erfolgter Behandlungen in N habe sich im Sinne eines Placeboeffektes die psychische Situation des Klägers verbessert. Schließlich hat Dr. L1, Arzt für Orthopädie aus N, unter dem 14.01.2004 ein mühsames, deutlich verschlechtertes Gangbild bei dem Kläger beschrieben, der an zwei Unterarmgehstützen eine maximale Strecke von 100 bis 200 m zurücklegen könne.
Nachdem der Kläger eine körperliche Untersuchung verweigert hatte, hat der Senat ein neurologisches Gutachten von Prof. Dr. U, Arzt für Neurologie und Nervenheilkunde, Leitender Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik C-Kliniken C1 in C2 eingeholt. In seinem Gutachten vom 23.01.2006 hat der Sachverständige unter Auswertung aller vorliegenden medizinischen Berichte folgende Diagnose gestellt: Sensomotorisches Querschnittssyndrom Sub-Th 7 – 9 mit inkompletter spastischer Paraparese und Blasenmastdarmstörungen. Primär sei die Querschnittslähmung mit einer konsequenten, regelmäßigen Krankengymnastik zu behandeln; gegebenenfalls könnten zusätzlich neuartige, zum Teil computergestützte Therapieverfahren auf experimenteller Basis zum Einsatz kommen, die auch in Deutschland, z. B. in den Zentren für Rückenmarksverletzte, zur Verfügung stünden. Die von Prof. Dr. W in N angebotene Behandlungsmethode entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft. Die Therapie werde in Deutschland nicht in gleicher Weise angeboten, sondern nur von ihm selbst in N. In Deutschland würden andere Geräte für die funktionelle Rehabilitation von Querschnittsgelähmten angeboten. Ein hirnorganisches Psychosyndrom schränke die Durchführung einer häuslichen Elektrostimulationstherapie ohnehin massiv ein. Welche Behandlung im Einzelnen für den Kläger in Betracht komme, könne nur nach einer körperlicher Untersuchung entschieden werden.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 16.05.2006 hat der Sachverständige Folgendes ergänzt: Der Umstand, dass Prof. Dr. W die Elektrostimulationstherapie seit ca. 30 Jahren anwende und darüber, wenn auch in eingeschränktem Maße, publiziere, sich diese aber dennoch noch nicht als Standardtherapie etabliert habe, zeige deutlich, dass es sich weiterhin um ein experimentelles Verfahren handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
Obgleich für den Kläger zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, hat der Senat verhandeln und entscheiden können; denn der Kläger ist - mit Hinweis auf diese Möglichkeit - ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 31.08.2006 geladen worden (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 SGG, § 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Es hat kein Anlass bestanden, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Der Kläger hat um Terminsverlegung nicht ersucht und er hatte hinreichend Gelegenheit, sich schriftsätzlich rechtliches Gehör zu verschaffen.
Soweit der Kläger erneut Richter wegen der Besorgnis von Befangenheit ablehnt, hat dies den Senat ebenfalls nicht hindern können, in der Sache zu verhandeln und zu entscheiden. Das Gesuch ist ersichtlich rechtsmissbräuchlich. Es ist allein der Erzwingung einer dem Kläger günstigen Entscheidung zu dienen bestimmt. Gründe, die auch nur entfernt für die Möglichkeit sprechen könnten, der Kläger könne Anlass haben, eine Voreingenommenheit der Richter anzunehmen (vgl. zuletzt den Beschluss des 5. Senats vom 07.09.2004 in der Sache L 5 KR 81/04 LSG NRW), trägt er nicht vor.
Die Berufung ist zulässig; insbesondere bestehen keine Bedenken, dass der Kläger erst im Berufungsverfahren die Kosten für die nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens durchgeführte dritte Therapieeinheit geltend gemacht hat. Darin liegt eine zulässige Klageerweiterung im Sinne von § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht mit Urteil vom 11.03.2002 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2001 ist rechtmäßig. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten seiner in Russland durchgeführten Elektrostimulationstherapie-Einheiten sowie der geltend gemachten Nebenkosten - dies gilt auch für den in der Berufungsinstanz geltend gemachten dritten Therapieabschnitt - steht dem Kläger nicht zu.
Die in dem staatlichen Rehabilitationszentrum von Prof. Dr. W in N / Russland in den Jahren 2001 und 2002 durchgeführten Behandlungseinheiten der Elektrostimulationstherapie erfüllen nicht die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der hier noch maßgeblichen, bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 - BGBl I 2266).
Nach § 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 i. V. m. § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V kann eine Krankenkasse die Kosten einer notwendigen Behandlung einer Krankheit sowie weitere Kosten für den Versicherten und Kosten für eine erforderliche Begleitperson ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur im Ausland möglich ist. Die Regelung ermöglicht als Rechtsfolge nicht nur eine Kostenübernahme, sondern auch - nach entsprechender vorheriger Antragstellung und Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse - die hier begehrte Kostenerstattung (vgl. Bundessozialgericht -BSG-, Urt. vom 13.12.2005, Az.: B 1 KR 21/04 R, Sozialrecht -SozR- 4-2500 § 18 Nr. 5; Urt. vom 17.02.2004, Az.: B 1 KR 5/02 R, SozR 4-2500 § 18 Nr. 2; ferner Urt. vom 03.09.2003, Az.: B 1 KR 34/01 R, SozR 4-2500 § 18 Nr. 1).
Dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers nach § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V steht zwar nicht entgegen, dass ein Versicherter vor Durchführung einer Auslandsbehandlung bei seiner Krankenkasse die Kostenübernahme beantragen, ihr Gelegenheit zur Prüfung geben und deren Entscheidung abwarten muss (vgl. BSG, Urt. vom 13.12.2005 und Urt. vom 03.09.2003, a. a. O.); denn der Kläger hat die Behandlung in N erst nach dem abschlägigen Bescheid der Beklagten aufgenommen.
Auch kann der Senat offen lassen, ob ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V voraussetzt, dass der Betroffene der Krankenkasse eine vertragsärztliche Verordnung für die Auslandsbehandlung vorlegt (dieses Erfordernis wohl verneinend: BSG, Urt. vom 13.12.2005, a. a. O.; offen lassend BSG, Urt. vom 17.02.2004, a. a. O) und ob das Empfehlungsschreiben des Hausarztes eine solche ordnungsgemäße Verordnung darstellt.
Der Kostenerstattungsanspruch des Klägers scheitert jedenfalls aus anderen Gründen. Neben dem hier außer Streit befindlichen Vorliegen einer behandlungsbedürftigen und in Bezug auf die gesetzlichen Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V allgemein behandlungsfähigen Krankheit des Klägers müssen zwei weitere Voraussetzungen für die nach § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V zu treffende Ermessensentscheidung der beklagten Krankenkasse gegeben sein, an denen es fehlt: Die in Russland durchgeführten Behandlungen müssten dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und darüber hinaus - kumulativ (vgl. schon BSG, Urt. vom 16.06.1999, Az.: B 1 KR 4/98 R, SozR 3-2500 § 18 Nr. 4) - nur im Ausland möglich gewesen sein.
Bezüglich der ersten Tatbestandsvoraussetzung ist entscheidend, dass die Leistung im Ausland den Kriterien des in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V geregelten Wissenschaftlichkeitsgebots zu entsprechen hat. Das wiederum ist der Fall, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Auch muss die Therapie in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG, Urt. vom 16.06.1999, a. a. O.; Urt. vom 14.02.2001, Az.: B 1 KR 29/00 R, SozR 3-2500 § 18 Nr. 6). Eine Methode entspricht jedoch dann nicht dem gesetzlich geforderten Standard, wenn sie eng an die Person des Behandlers gebunden ist. Insoweit fehlt es nämlich an der wesentlichen Voraussetzung für eine wissenschaftliche Anerkennung: der Überprüfbar- und Wiederholbarkeit durch andere Fachleute (BSG, Urt. vom 16.06.1999, a. a. O). Dadurch soll gesichert werden, dass dem Versicherten die an hohen aktuellen Maßstäben gemessenen und verfahrensmäßig gesicherten, das heißt diagnostisch und therapeutisch auf der Höhe der Zeit stehenden, insoweit also bestmöglichen, medizinischen Maßnahmen zugute kommen (Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Loseblattsammlung, Stand: Mai 2006, K § 18 Rn. 7).
An die wissenschaftliche Akzeptanz der angewandten Behandlungsmethode sind keine geringeren, aber auch keine höheren Anforderungen zu stellen als bei einer Behandlung im Inland (BSG, Urt. vom 16.06.1999, a. a. O). Ohne Bedeutung ist bei Auslandsbehandlungen entgegen der Auffassung der Beklagten jedoch, ob sich der Gemeinsame Bundesausschuss zu der Behandlungsmethode bereits geäußert hat; denn das in § 135 SGB V beschriebene Anerkennungsverfahren bezieht sich nur auf Leistungen, die im Inland angeboten werden (BSG, Urt. vom 16.06.1999, a. a. O).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Kostenerstattungsanspruchs ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Behandlung (BSG Urt. vom 14.02.2001, Az.: B 1 KR 29/00 R, SozR 3-2500 § 18 Nr. 6).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die im Ausland vom Kläger in Anspruch genommene Behandlung nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse genügt. Dies ergibt sich aus der gutachterlichen Stellungnahme von Frau Dr. I3, N1 X, sowie aus Gutachten und ergänzender Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen Prof. U. Diese haben nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass sich die Methode weder in anderen Rehabilitationseinrichtungen in Russland noch weltweit durchgesetzt hat. Bei den Veröffentlichungen handele es sich im Übrigen nicht um kontrollierte, im Einzelnen überprüfbare Studien, sondern lediglich um Berichte und Erfahrungswerte, die sich einer wissenschaftlich fundierten Beurteilung entziehen. Dabei stellt der Sachverständige keineswegs in Abrede, dass es im Einzelfall Erfolge im Sinne einer Besserung der Mobilität Rückenmarkverletzter geben mag. Dies reicht jedoch nicht aus. Der Senat vermag den vom Kläger vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen, dass sich die Methode allgemeiner Anerkennung berühmen könnte. Es handelt sich bei den vom Kläger genannten Quellen ausschließlich um Veröffentlichungen der vom Sachverständigen beschriebenen, nicht aussagekräftigen Art. Studien aussagekräftiger Evidenz, insbesondere Langzeitstudien über die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Methode hat der Kläger bzw. zuvor seine Prozessbevollmächtigte ebenfalls nicht benennen können. Schließlich ergibt sich auch aus dem vom Kläger eingereichten Beitrag des Wissenschaftsmagazins "Galileo" nichts anderes. Zwar wird von etwa 5.000 erfolgreich behandelten Patienten in N gesprochen, zugleich aber darauf hingewiesen, dass die Wirkungsmechanismen der Behandlungsweise noch nicht hinreichend erforscht seien. Deshalb entziehe sich die Methode einer abschließenden wissenschaftlichen Bewertung.
Der tragenden Argumentation des Klägers, die Methode habe bei ihm zu Behandlungsfortschritten geführt, ist bereits entgegenzuhalten, dass offensichtlich keine dauerhaften Erfolge eingetreten sind. Die mitgeteilten Messergebnisse der dritten Behandlungseinheit liegen deutlich unterhalb derjenigen, die bei Abschluss der ersten Einheit notiert wurden. Auch geht aus den Befundberichten der behandelnden Ärzte keineswegs hervor, dass seit 2002 eine deutliche Besserung eingetreten ist. Dr. N2 I3 spricht gar von einem bloßen Placeboeffekt der Therapie nach W.
Dem Anspruch auf Kostenerstattung steht schließlich auch die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V entgegen. Danach darf die Krankenkasse Kosten einer Auslandsbehandlung nicht übernehmen, wenn eine andere, gleich oder ähnlich Erfolg versprechende Behandlung der Krankheit im Inland möglich ist (BSG, Urt. vom 16.6.1999, a. a. O., Urt. vom 13.12.2005, a. a. O.). Eine medizinische Versorgungslücke ist nur dann anzunehmen, wenn eine im Inland nicht behandelbare Krankheit im Ausland mit der erforderlichen Erfolgsaussicht behandelt werden kann, und nicht schon dann, wenn das außerhalb angebotene Leistungsangebot lediglich andere medizinische Maßnahmen umfasst, ohne im Ergebnis die Behandlungsmöglichkeiten für die beim Versicherten bestehende Krankheit entscheidend zu verbessern. Gibt es hingegen mehrere gleichwertige Behandlungsalternativen, können allein die im EU / EWR-Inland bestehenden Therapieangebote in Anspruch genommen werden (BSG, Urt. vom 13.12.2005, a. a. O.). Der Inlandsbehandlung kommt nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen des auch für § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V geltenden Wirtschaftlichkeitsgebotes gemäß § 12 Abs. 1 SGB V ebenfalls Vorrang zu, wenn das Leistungsangebot im Ausland wegen einer besonders modernen technischen Ausrüstung oder wegen des auch international herausragenden fachlichen Rufs eines bestimmten Arztes eine überdurchschnittliche Qualität aufweist; denn Spitzenmedizin ist nicht der Maßstab für die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenkassen schulden ihren Versicherten eine bedarfsgerechte und gleichmäßige Versorgung unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik. Leistungen sind dann zu gewähren, wenn sie zur Heilung und Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend sind (BSG, Urt. vom 16.6.1999, a. a. O). Auf eine optimale, das heißt über den gesetzlichen Standard hinausgehende Versorgung, besteht hingegen grundsätzlich kein Anspruch (BSG Urt. vom 23.05.1984, Az.: 6 RKa 2/83, SozR 5520 § 29 Nr. 3).
Gemäß den nachvollziehbaren Ausführungen des N1 sind bei der neurologischen Erkrankung des Klägers eine Diagnostik und Behandlung in Deutschland, beispielsweise in der Neurologischen Universitätsklinik in N, möglich. Auch aus dem insoweit nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen, dem der Senat folgt, ergibt sich, dass das Ansprechen der jeweils relevanten Muskelgruppe grundsätzlich auch auf andere Weise, z. B. über physiotherapeutische Maßnahmen oder mechanische Reize, möglich ist. Weitergehende Feststellungen hat der Kläger durch seine Weigerung, sich einer körperlichen Untersuchung zu unterziehen, unmöglich gemacht. Im Übrigen werden entsprechende computergestützte Trainingsverfahren zur Verbesserung des Gangbildes bei Querschnittsverletzungen, wie beispielsweise das System "Lokomat", sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz angewandt. Dass es sich bei der von Prof. W angebotenen Behandlungsmethode um eine gegenüber den alternativen Therapien eindeutig überlegene Methode handelt, ist ebenfalls nicht feststellbar. Selbst wenn sich bestätigen sollte, dass eine Therapiemöglichkeit für den Kläger wegen der großen Nachfrage an der Neurologischen Klinik I1 nicht unmittelbar zu verwirklichen wäre und längere Wartezeiten bestünden – unterstellt, die Therapie wäre aufgrund des Krankheitsbildes des Klägers überhaupt indiziert – , ergäbe sich daraus schließlich ebenfalls kein Anspruch des Klägers. In einem solchen Fall, wenn die Behandlung im Inland zwar an sich möglich ist, aber wegen fehlender Kapazitäten oder aus anderen Gründen nicht rechtzeitig erfolgen kann, würde der Ausnahmetatbestand des § 18 SGB V zwar greifen (BSG, Urt. vom 16.06.1999, a. a. O.). Allerdings hat der Senat nicht feststellen können, dass eine derartige Dringlichkeit der Behandlung besteht, zumal auch andere Therapien, wie intensive Krankengymnastik, denkbar sind. Eine derartige Erforderlichkeit hat das BSG beispielsweise in dem Fall einer notwendigen Nierentransplantation verneint: Die Wartezeit in Deutschland könne durch eine dem allgemeinen Versorgungsstand entsprechende Dialysebehandlung überbrückt werden (BSG, Urt. vom 17.02.2004, a. a. O.; Noftz, a. a.O., K § 18 Rn. 15). Weder der Kläger noch die befragten behandelnden Ärzte haben Gründe für eine medizinisch indizierte Dringlichkeit zu benennen vermocht noch sind diese sonst ersichtlich.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage schließlich auch insoweit abgewiesen, als es um die Erstattung der angefallenen Reisekosten geht. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 SGB V liegen nicht vor. Danach kann die Krankenkasse in den Fällen des Abs. 1 auch weitere Kosten für den Versicherten und für eine erforderliche Begleitperson ganz oder teilweise übernehmen. Wie sich aus der Formulierung des Abs. 2 "in den Fällen des Absatzes 1" jedoch ergibt, dürfen Folgekosten einer Behandlung als akzessorische Leistungen nur übernommen werden, wenn die Krankenkasse auch die Behandlungskosten selber zu übernehmen verpflichtet ist. Da hier bereits die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung über die Hauptleistung nicht vorliegen, schließt dies die Übernahme der Folgekosten ebenfalls aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG besteht nicht. Die Frage nach den Therapiemöglichkeiten für ein einzelnes Leiden und nach dem darauf bezogenen krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsanspruch ist regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BSG, Beschl. vom 07.10.2005, Az.: B 1 KR 107/04 B, SozR 4-1500 § 160a Nr. 9).
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