Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 8 RJ 82/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 (8) R 57/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.01.2006 wird als unzulässig verworfen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird 434,58 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung für den Beigeladenen.
Nach einer Betriebsprüfung im Januar 2004 erhob die Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2004 für verschiedene Arbeitnehmer der Klägerin Nachforderungen in Höhe von insgesamt 10.937,24 Euro. Für den Beigeladenen forderte sie für eine Beschäftigung vom 13.03. bis 08.04.2000 Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 434,58 Euro (849,96 DM), sowie Säumniszuschläge für die Zeit bis 31.12.2003 in Höhe von 179,85 Euro. Im Widerspruchsverfahren half sie mit Bescheid vom 14.07.2004 dem Widerspruch hinsichtlich eines anderen Arbeitnehmers ab, wies aber im Übrigen den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2004 zurück.
Mit der am 22.10.2004 erhobenen Klage hat die Klägerin den Bescheid beschränkt auf die Forderung bezüglich des Beigeladenen angefochten. Mit Urteil vom 27.01.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat den Streitwert auf 500,00 Euro festgesetzt, wobei es neben der Forderung einen "angemessen frei geschätzten Betrag" für Säumniszuschläge berücksichtigt hat. Weder der Tenor noch die Entscheidungsgründe enthalten eine Aussage zur Zulassung der Berufung. In der beigefügten (formularmäßigen) Rechtsmittelbelehrung wird auf die Möglichkeit der Berufung hingewiesen.
Die Klägerin hat fristgerecht Berufung eingelegt. Mit Gerichtsschreiben vom 07.08.2006 sind die Beteiligten auf die Bedenken gegen die Statthaftigkeit der Berufung hingewiesen worden.
II.
Der Senat kann gemäß § 158 Satz 1, 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerin durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung verwerfen, da sie nicht statthaft ist.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 Euro nicht übersteigen. Leistungen in diesem Sinne sind auch gegen den Einzelnen gerichtete Forderungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften (vgl. BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 16), mithin auch eine Beitragsforderung.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin mit der Klage den Bescheid vom 10.03.2004 nur insoweit angefochten, als Beiträge für den Beigeladenen festgesetzt worden sind. Diese belaufen sich nur auf 434,58 Euro. Die daneben festgesetzten Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 4. Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bleiben bei der Berechnung des Beschwerdewertes unberücksichtigt. Bei Zahlungsansprüchen ist nur auf den Geldbetrag abzustellen, um den unmittelbar gestritten wird. Zinsen wirken sich als Nebenforderung nach § 4 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht aus (vgl. Meyer-Ladewig, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 144 Randnr. 15). Zinsen sind immer dann Nebenforderungen, wenn sie von dem noch im Streit befindlichen Hauptanspruch abhängen, selbst wenn sie kapitalisiert und mit der Hauptforderung in einem einheitlichen Forderungsbetrag zusammengefasst sind (BGH, Beschluss vom 26.02.2002 - XI ZR 326/01; Beschluss vom 25.11.2004 - III ZR 325/03). Bei den Säumniszuschlägen handelt es sich zwar nicht um die in § 4 ZPO aufgeführten Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten. Neben ihrer Funktion als Druckmittel, den Beitragsschuldner zur rechtzeitigen Zahlung der Beiträge anzuhalten, haben sie aber auch den Zweck, die durch den Zahlungsverzug entstehenden Nachteile (Zinsverlust, Verwaltungsaufwand) auszugleichen (vgl. Krauskopf/Baier, Soziale Krankenversicherung, § 24 SGB IV Randnr. 3 f.). Der letztgenannte Zweck rechtfertigt es, § 4 ZPO entsprechend auf Säumniszuschläge anzurechnen. Säumniszuschläge bewirken ebenso wie Zinsen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung. Für die analoge Anwendung spricht auch der Zweck des § 4 ZPO, die Wertberechnung zu vereinfachen (ebenso zu § 22 Abs. 1 Gerichtskostengesetz ( GKG ) in der bis zum 30.06.2004 geltenden Fassung, FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.02.2000 - 9 K 47/98; zu § 43 Abs. 1 GKG LSG NRW, Beschluss vom 19.09.2006 - L 5 B 1/06 R ER). Soweit das LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 02.12.2005 - L 2 B 129/05 R) Säumniszuschläge bei der Berechnung des Streitwertes berücksichtigt hat, beruhte dies darauf, dass dort die Säumniszuschläge im Rahmen einer einheitlichen Forderung bei der Inanspruchnahme eines Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft geltend gemacht worden waren. Im vorliegenden Fall sind die Säumniszuschläge aber in Abhängigkeit von den als Hauptforderung festgestellten Rentenversicherungsbeiträgen festgesetzt worden. Sie sind somit als Nebenforderungen i.S.d. § 4 ZPO anzusehen.
Der Beschwerdewert liegt somit unter 500,00 Euro. Unberücksichtigt bleiben rechtliche oder wirtschaftliche Folgewirkungen der Entscheidung (Meyer-Ladewig, a. a. O.), so dass unerheblich ist, ob das vorliegende Verfahren als "Musterverfahren" für weitere streitige Ansprüche geführt wird. Da die Beitragsforderung auch nur einen Monat betrifft, hätte die Berufung der Zulassung bedurft.
Weder der Tenor noch die Gründe der Entscheidung enthalten eine Aussage zur Zulassung der Berufung. In der Beifügung der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung kann keine Zulassung gesehen werden (BSG SozR 4-1500 § 158 Nr. 1). Etwas anderes kann hier auch nicht deshalb angenommen werden, weil das Sozialgericht den Streitwert auf 500,00 Euro festgesetzt hat und hiervon ausgehend Anlass gehabt hätte, über die Zulassung der Berufung zu entscheiden, da der Beschwerdewert über 500,00 Euro liegen muss ("übersteigt"). Ebenso wie bei der Bestimmung des Streitwertes, bei der das Sozialgericht "in freier Schätzung" willkürlich einen Betrag für die Säumniszuschläge angesetzt hat, obwohl sich bereits aus dem Bescheid ein höherer Betrag ergibt, dürfte das Sozialgericht schlicht übersehen haben, dass ein streitiger Betrag von 500,00 Euro noch nicht zur Statthaftigkeit der Berufung führt, so dass in der Beifügung einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung nicht die bewusste Entscheidung für die Zulassung einer sonst ausgeschlossenen Berufung gesehen werden kann.
Da es auch nicht möglich ist, eine nicht statthafte Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) umzudeuten (BSG, a. a. O.), musste die nicht statthafte Berufung verworfen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung für den Beigeladenen.
Nach einer Betriebsprüfung im Januar 2004 erhob die Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2004 für verschiedene Arbeitnehmer der Klägerin Nachforderungen in Höhe von insgesamt 10.937,24 Euro. Für den Beigeladenen forderte sie für eine Beschäftigung vom 13.03. bis 08.04.2000 Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 434,58 Euro (849,96 DM), sowie Säumniszuschläge für die Zeit bis 31.12.2003 in Höhe von 179,85 Euro. Im Widerspruchsverfahren half sie mit Bescheid vom 14.07.2004 dem Widerspruch hinsichtlich eines anderen Arbeitnehmers ab, wies aber im Übrigen den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2004 zurück.
Mit der am 22.10.2004 erhobenen Klage hat die Klägerin den Bescheid beschränkt auf die Forderung bezüglich des Beigeladenen angefochten. Mit Urteil vom 27.01.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat den Streitwert auf 500,00 Euro festgesetzt, wobei es neben der Forderung einen "angemessen frei geschätzten Betrag" für Säumniszuschläge berücksichtigt hat. Weder der Tenor noch die Entscheidungsgründe enthalten eine Aussage zur Zulassung der Berufung. In der beigefügten (formularmäßigen) Rechtsmittelbelehrung wird auf die Möglichkeit der Berufung hingewiesen.
Die Klägerin hat fristgerecht Berufung eingelegt. Mit Gerichtsschreiben vom 07.08.2006 sind die Beteiligten auf die Bedenken gegen die Statthaftigkeit der Berufung hingewiesen worden.
II.
Der Senat kann gemäß § 158 Satz 1, 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerin durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung verwerfen, da sie nicht statthaft ist.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 Euro nicht übersteigen. Leistungen in diesem Sinne sind auch gegen den Einzelnen gerichtete Forderungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften (vgl. BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 16), mithin auch eine Beitragsforderung.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin mit der Klage den Bescheid vom 10.03.2004 nur insoweit angefochten, als Beiträge für den Beigeladenen festgesetzt worden sind. Diese belaufen sich nur auf 434,58 Euro. Die daneben festgesetzten Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 4. Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bleiben bei der Berechnung des Beschwerdewertes unberücksichtigt. Bei Zahlungsansprüchen ist nur auf den Geldbetrag abzustellen, um den unmittelbar gestritten wird. Zinsen wirken sich als Nebenforderung nach § 4 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht aus (vgl. Meyer-Ladewig, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 144 Randnr. 15). Zinsen sind immer dann Nebenforderungen, wenn sie von dem noch im Streit befindlichen Hauptanspruch abhängen, selbst wenn sie kapitalisiert und mit der Hauptforderung in einem einheitlichen Forderungsbetrag zusammengefasst sind (BGH, Beschluss vom 26.02.2002 - XI ZR 326/01; Beschluss vom 25.11.2004 - III ZR 325/03). Bei den Säumniszuschlägen handelt es sich zwar nicht um die in § 4 ZPO aufgeführten Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten. Neben ihrer Funktion als Druckmittel, den Beitragsschuldner zur rechtzeitigen Zahlung der Beiträge anzuhalten, haben sie aber auch den Zweck, die durch den Zahlungsverzug entstehenden Nachteile (Zinsverlust, Verwaltungsaufwand) auszugleichen (vgl. Krauskopf/Baier, Soziale Krankenversicherung, § 24 SGB IV Randnr. 3 f.). Der letztgenannte Zweck rechtfertigt es, § 4 ZPO entsprechend auf Säumniszuschläge anzurechnen. Säumniszuschläge bewirken ebenso wie Zinsen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung. Für die analoge Anwendung spricht auch der Zweck des § 4 ZPO, die Wertberechnung zu vereinfachen (ebenso zu § 22 Abs. 1 Gerichtskostengesetz ( GKG ) in der bis zum 30.06.2004 geltenden Fassung, FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.02.2000 - 9 K 47/98; zu § 43 Abs. 1 GKG LSG NRW, Beschluss vom 19.09.2006 - L 5 B 1/06 R ER). Soweit das LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 02.12.2005 - L 2 B 129/05 R) Säumniszuschläge bei der Berechnung des Streitwertes berücksichtigt hat, beruhte dies darauf, dass dort die Säumniszuschläge im Rahmen einer einheitlichen Forderung bei der Inanspruchnahme eines Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft geltend gemacht worden waren. Im vorliegenden Fall sind die Säumniszuschläge aber in Abhängigkeit von den als Hauptforderung festgestellten Rentenversicherungsbeiträgen festgesetzt worden. Sie sind somit als Nebenforderungen i.S.d. § 4 ZPO anzusehen.
Der Beschwerdewert liegt somit unter 500,00 Euro. Unberücksichtigt bleiben rechtliche oder wirtschaftliche Folgewirkungen der Entscheidung (Meyer-Ladewig, a. a. O.), so dass unerheblich ist, ob das vorliegende Verfahren als "Musterverfahren" für weitere streitige Ansprüche geführt wird. Da die Beitragsforderung auch nur einen Monat betrifft, hätte die Berufung der Zulassung bedurft.
Weder der Tenor noch die Gründe der Entscheidung enthalten eine Aussage zur Zulassung der Berufung. In der Beifügung der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung kann keine Zulassung gesehen werden (BSG SozR 4-1500 § 158 Nr. 1). Etwas anderes kann hier auch nicht deshalb angenommen werden, weil das Sozialgericht den Streitwert auf 500,00 Euro festgesetzt hat und hiervon ausgehend Anlass gehabt hätte, über die Zulassung der Berufung zu entscheiden, da der Beschwerdewert über 500,00 Euro liegen muss ("übersteigt"). Ebenso wie bei der Bestimmung des Streitwertes, bei der das Sozialgericht "in freier Schätzung" willkürlich einen Betrag für die Säumniszuschläge angesetzt hat, obwohl sich bereits aus dem Bescheid ein höherer Betrag ergibt, dürfte das Sozialgericht schlicht übersehen haben, dass ein streitiger Betrag von 500,00 Euro noch nicht zur Statthaftigkeit der Berufung führt, so dass in der Beifügung einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung nicht die bewusste Entscheidung für die Zulassung einer sonst ausgeschlossenen Berufung gesehen werden kann.
Da es auch nicht möglich ist, eine nicht statthafte Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) umzudeuten (BSG, a. a. O.), musste die nicht statthafte Berufung verworfen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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