Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KA 251/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KA 33/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.08.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Berichtigung für die Quartale III und IV/03. Gegenstand des Rechtsstreits ist noch die Frage, ob die Klägerin, deren Inhaber als Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe in I zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, berechtigt war, die Sachkosten für Endobag-Bergebeutel abzurechnen.
Mit den Bescheiden vom 06.11.2003 (Quartal III/03) und 04.02.2004 (Quartal IV/03) lehnte es die Beklagte u.a. ab, die in Ansatz gebrachten Sachkosten für Ballonkatheter, Urinbeutel und Endobag-Bergebeutel abzurechnen und zu vergüten. Ballonkatheter und Urinbeutel seien Hilfsmittel und im Bedarfsfall patientenbezogen zu verordnen. Die Sachkosten für Endobag-Bergebeutel zählten zu den Kosten, die in den Allgemeinen Bestimmungen A I.2. des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) aufgeführt und mit der Gebühr für dir ärztliche Leistung abgegolten seien.
Mit ihren Widersprüchen machte die Klägerin geltend, der Prüfungsausschuss habe im Rahmen des Sprechstundenbedarfs festgestellt, dass die Artikel als Sachkosten abzurechnen seien. Die Kosten eines Endobag-Bergebeutels in Höhe von 34,92 Euro könnten schwerlich mit der Gebührennummer (GNR) 1150 EBM in Höhe von 1700 Punkten - ca. 75 Euro abzüglich Fachgruppenquote - für eine einstündige endoskopische Operation abgegolten sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit ihrer am 17.09.2004 erhobenen Klage hat die Klägerin ergänzend zu ihrem Vorbringen im Widerspruchsverfahren u.a. hinsichtlich der von ihr verwendeten Endobag-Bergebeutel vorgetragen, diese seien entwickelt worden, um bei einer laparoskopischen abdominalen Operation beispielsweise Adnextumore kontaminationsfrei zu bergen. In dem von ihren ebenfalls vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf geführten Rechtsstreit S 33 KA 222/01, in dem es um die Verordnung von Endobag-Bergebeutel als Sprechstundenbedarf gegangen sei, habe das Gericht deutlich zu erkennen gegeben, dass es sich dabei nicht um Sprechstundenbedarf handele. Danach habe sie die Endobag-Bergebeutel als Sachkosten auf dem Behandlungsschein abgerechnet.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Abänderung der Bescheide vom 06.11.2003 und 04.02.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2004 zu verurteilen, die Sachkosten für Endobags-Bergebeutel und Ballonkatheter mit Urinbeutel abzurechnen und zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat u.a. vorgetragen, bei den Endobag-Bergebeuteln handele es sich zwar nicht um verordnungsfähigen Sprechstundenbedarf. Allerdings seien die Kosten für die Bergebeutel auch nicht über den Behandlungsausweis abrechnungsfähig. Die Bergebeutel zählten vielmehr zu den Kosten, die in den Allgemeinen Bestimmungen A I, Teil A 2 EBM aufgeführt und somit mit der Gebühr für die ärztliche Leistung abgegolten seien. Es handele sich um Kosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten entstünden.
Das SG hat mit Urteil vom 17.08.2005 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Sachkosten für Endobag-Bergebeutel abzurechnen und zu vergüten, weil es sich dabei nicht um Kosten handele, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten und Apparaturen entstanden seien. Die Endobag-Bergebeutel würden zwar jeweils mit dem Endoskop in den Körper eingeführt. Jedoch handele es sich dabei um zusätzliche Gegenstände, die nicht zwangsläufig mit dem Einsatz des Endoskops verbunden seien. Es handele sich vielmehr um Kosten, die unter die Allgemeinen Bestimmungen A I Teil A 2 EBM fielen. Denn die Bergebeutel seien nach Anwendung verbraucht und könnten nicht mehrmals verwendet werden. Im übrigen, d.h. soweit um die Streichung der Sachkosten für Ballonkatheter und Urinbeutel gestritten worden ist, hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen das am 02.09.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.09.2005 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen der Auffassung des SG entstünden die Kosten für die Endobag-Bergebeutel gerade durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten. Denn ohne Endoskop könnten die Bergebeutel nicht verwendet werden. Sie seien ein zusätzlicher Bestandteil des Endoskops. Somit handele es sich um Kosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten - in diesem Falle eines Endoskops - entstanden und entsprechend den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil A 2 EBM in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.08.2005 insoweit abzuändern, als sie zur Abrechnung und Vergütung der Sachkosten für Endobag-Bergebeutel verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.08.2005 zurückzuweisen.
Sie hat ergänzend zur Verwendung der Endobag-Bergebeutel vorgetragen, der aus Kunststoff bestehende nur einmal verwendbare Bergebeutel werde über ein Trokar, eine Hohlnadel, in den Bauchraum eingeführt und öffne sich dort zu einer Schüssel, in der die Operation durchgeführt und ausfließende Flüssigkeit oder Material gesammelt werde. Dadurch werde verhindert, das bösartiges oder chemisch belastendes Material in den Bauchraum gelange. Der Beutel werde anschließend aus der Nabelwunde gezogen. Bei Operationen an gutartigen Geschwülsten im Bauchraum (z.B. Myome), bei denen auch die GNR 1150 EBM zur Abrechnung kommen könne, würden Endobag-Bergebeutel nicht eingesetzt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das SG hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet ist, die Sachkosten für Endobag-Bergebeutel abzurechnen und zu vergüten. Insoweit sind die Bescheide vom 06.11.2003 und 04.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2004 rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beklagte ist zur sachlich-rechnerischen Berichtigung von Honorarabrechnungen befugt, wenn Leistungen in Ansatz gebracht werden, deren Normsetzungen nicht erfüllt sind oder die aus anderen Gründen nicht in Ansatz gebracht werden dürfen. Dieses Recht der Beklagten ist in § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) bzw. 34 Abs. 2 Ersatzkassenvertrag Ärzte (EKV-Ä) geregelt. Danach obliegt der Beklagten die Prüfung der von Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Die Beklagte berichtigt ggf. die fehlerhafte Honorarforderung des Vertragsarztes.
Die Voraussetzungen einer sachlich-rechnerischen Berichtigung sind vorliegend nicht gegeben. Die Klägerin hat die Kosten für Endobag-Bergebeutel zu Recht auf den Behandlungsscheinen der Patientinnen abgerechnet. Denn bei den Endobag-Bergebeuteln handelt es sich weder um Mittel, die unter die ab dem 01.07.2002 geltenden zwischen der Beklagten und den gesetzlichen Krankenkassen geschlossene Sprechstundenbedarfsvereinbarung fallen, noch sind ihre Kosten bereits in den Leistungssätzen der vertragsärztlichen Gebührentarife enthalten.
Nach Abschnitt III Ziffer 1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung sind nur die unter Abschnitt IV der Vereinbarung aufgeführten Mittel verordnungsfähig. Die Endobag-Bergebeutel sind in der Vereinbarung nicht aufgeführt. Insbesondere handelt es sich bei den unter Abschnitt IV Ziffer 5 aufgeführten Auffangbeutel ("Einmal-Punktionsbestecke für Pleura-, Leber- u. Ascitespunktionen incl. Auffangbeutel") nicht um die in Rede stehenden Endobag-Bergebeutel.
Ebenso wenig ist den Leistungslegenden der im Falle der Klägerin in Betracht kommenden GNRn zu entnehmen, dass die Kosten für Endobag-Bergebeutel von den entsprechenden Leistungssätzen mitumfasst sind. Auf gynäkologischem Fachgebiet werden Endobag-Bergebeutel bei Adnex- bzw. Gebärmutteroperationen verwendet, die nach der GNR 1150 (Operation an den Adnexen einer Seite und/oder an der Gebärmutter durch vaginale oder abdominale Eröffnung der Bauchhöhle oder durch Laparoskopie/Pelviskopie), ggf. nach den Zuschlagsnummern 1151 (Zuschlag zu den Leistungen nach den Nrn.1128,1138 oder 1150 bei zusätzlichen Operationen an den Adnexen der anderen Seite und/oder ei Appendektomie und/oder für zusätzlich durchgeführte Sterilisation mittels Eingriffs an den Eileitern) und 1160 EBM (Zuschlag zu den Leistungen nach den Nrn.1110,1111,1150 und1187 bei Durchführung mittels Laser) abgerechnet werden.
Eine ausdehnende Auslegung der Leistungsbeschreibungen oder -bewertungen im EBM ist unzulässig. Den Gerichten ist bei der Auslegung von Vorschriften über die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen Zurückhaltung auferlegt. Sie haben sich an den Wortlaut des Bewertungsmaßstabs zu halten. Eine systematische Interpretation dürfen sie nur im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen GNRn vornehmen (BSG, Urteil vom 01.08.1999 - 6 RKa 15/90 -, BSGE 69, 166 ff.; LSG NRW, Urteil vom 05.04.2006 - L 11 KA 45/04 -).
Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt auch nicht aus den unter der Ziffer 2 der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil A I des EBM enthaltenen Regelungen, dass die Kosten für die Endobag-Bergebeutel in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten sind. Insbesondere ergibt sich dies nicht für die unter dem 2. Spiegelstrich genannten Kosten, nämlich "Kosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten und Apparaturen entstanden sind". Weder ist der Endobag-Bergebeutel ein zusätzlicher Bestandteil des Endoskops bzw. des Trokars noch können diese ohne Bergebeutel nicht verwendet werden. Der Endobag-Bergebeutel dient vorrangig dazu, zu verhindern, dass bei Operationen bösartiges oder chemisch belastendes Material in den Körperhohlraum gelangt und diesen Bereich kontaminiert. Er ist kein Material, das nötig ist, damit das Instrument "Endoskop" bzw. "Trokar" erst seine Funktion erfüllen kann, wie z. B. die Papierstreifen für EKG oder das Gel bei Sonographiegeräten (Wezel/Liebold, EBM, Allg. Bestimmungen A I, S. 8-8). Denn Endoskop bzw. Trokar finden auch ohne Endobag-Bergebeutel Verwendung: Das Endoskop - ohne Endobag-Bergebeutel - wird benutzt, um in eine Körperhöhle oder ein Hohlorgan "hineinzuschauen", oder - ebenso wie der Trokar -, um mittels Einführen von Instrumenten (z. B. eine Zange zum Entnehmen von Gewebeproben) operative Eingriffe durchzuführen.
Das wird auch durch die - unwidersprochene - Erklärung der Klägerin belegt, dass Endobag-Bergebeutel bei Operationen an gutartigen Geschwülsten im Bauchraum (z.B. Myome) nicht vwerendet werden, bei denen also die Gefahr einer Kontamination mit bösartigem Material nicht gegeben ist und auch die GNR 1150 EBM zur Abrechnung kommen kann.
Endobag-Bergebeutel zählen auch nicht zu den unter dem 3. Spiegelstrich der Ziffer 2 der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil A I des EBM aufgeführten Instrumenten, deren Kosten ebenfalls in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten sind (Kosten für Einmalspritzen, Einmalkanülen, Einmaltrachealtuben, Einmalabsaugkatheter, Einmalhandschuhe, Einmalrasierer, Einmalharnblasenkatheter, Einmalskalpelle, Einmalproktoskope, Einmaldarmrohre, Einmalspekula und Einmalküretten). Zwar sind die Endobag-Bergebeutel nur einmal verwendbar. Indes gehören hierzu die Kosten nur für die Einmalartikel, die als Einmalinstrumente an die Stelle von mehrfach gebrauchten Instrumenten getreten sind, wie Küvetten, Skalpelle, Specula, Proktoskope, Rasierapparate. Darüber hinaus sind lediglich noch die Kosten für die expressis verbis genannten Einmalartikel, wie Harnblasenkatheter, Handschuhe, Darmrohre, mit den entsprechenden Gebühren für die ärztlichen Leistungen mit abgegolten (Wezel/Liebold, a.a.O., S. 8-9).
Die Kosten für Endobag-Bergebeutel fallen vielmehr unter die in den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil A I Nr. 4, erster Spiegelstrich EBM gesondert berechenbaren Kosten. Denn nach dieser Vorschrift sind in den berechnungsfähigen Leistungen die Kosten für Arzneimittel, Verbandmittel, Materialien, Instrumente, Gegenstände und Stoffe, die nach der Anwendung verbraucht sind oder die der Kranke zur weiteren Verwendung behält, enthalten, soweit dies nicht an anderer Stelle ausgeschlossen ist. Dazu zählen die nach einmaligem Gebrauch nicht wieder verwendbaren Endobag-Bergebeutel. Eine Regelung, auf Grund derer die gesonderte Berechnung ausgeschlossen ist, besteht nicht. Insbesondere ist - wie oben erörtert - ein Fall der Allgemeinen Bestimmungen A I. 2. Spiegelstrich 3 hier nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Berichtigung für die Quartale III und IV/03. Gegenstand des Rechtsstreits ist noch die Frage, ob die Klägerin, deren Inhaber als Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe in I zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, berechtigt war, die Sachkosten für Endobag-Bergebeutel abzurechnen.
Mit den Bescheiden vom 06.11.2003 (Quartal III/03) und 04.02.2004 (Quartal IV/03) lehnte es die Beklagte u.a. ab, die in Ansatz gebrachten Sachkosten für Ballonkatheter, Urinbeutel und Endobag-Bergebeutel abzurechnen und zu vergüten. Ballonkatheter und Urinbeutel seien Hilfsmittel und im Bedarfsfall patientenbezogen zu verordnen. Die Sachkosten für Endobag-Bergebeutel zählten zu den Kosten, die in den Allgemeinen Bestimmungen A I.2. des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) aufgeführt und mit der Gebühr für dir ärztliche Leistung abgegolten seien.
Mit ihren Widersprüchen machte die Klägerin geltend, der Prüfungsausschuss habe im Rahmen des Sprechstundenbedarfs festgestellt, dass die Artikel als Sachkosten abzurechnen seien. Die Kosten eines Endobag-Bergebeutels in Höhe von 34,92 Euro könnten schwerlich mit der Gebührennummer (GNR) 1150 EBM in Höhe von 1700 Punkten - ca. 75 Euro abzüglich Fachgruppenquote - für eine einstündige endoskopische Operation abgegolten sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit ihrer am 17.09.2004 erhobenen Klage hat die Klägerin ergänzend zu ihrem Vorbringen im Widerspruchsverfahren u.a. hinsichtlich der von ihr verwendeten Endobag-Bergebeutel vorgetragen, diese seien entwickelt worden, um bei einer laparoskopischen abdominalen Operation beispielsweise Adnextumore kontaminationsfrei zu bergen. In dem von ihren ebenfalls vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf geführten Rechtsstreit S 33 KA 222/01, in dem es um die Verordnung von Endobag-Bergebeutel als Sprechstundenbedarf gegangen sei, habe das Gericht deutlich zu erkennen gegeben, dass es sich dabei nicht um Sprechstundenbedarf handele. Danach habe sie die Endobag-Bergebeutel als Sachkosten auf dem Behandlungsschein abgerechnet.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Abänderung der Bescheide vom 06.11.2003 und 04.02.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2004 zu verurteilen, die Sachkosten für Endobags-Bergebeutel und Ballonkatheter mit Urinbeutel abzurechnen und zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat u.a. vorgetragen, bei den Endobag-Bergebeuteln handele es sich zwar nicht um verordnungsfähigen Sprechstundenbedarf. Allerdings seien die Kosten für die Bergebeutel auch nicht über den Behandlungsausweis abrechnungsfähig. Die Bergebeutel zählten vielmehr zu den Kosten, die in den Allgemeinen Bestimmungen A I, Teil A 2 EBM aufgeführt und somit mit der Gebühr für die ärztliche Leistung abgegolten seien. Es handele sich um Kosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten entstünden.
Das SG hat mit Urteil vom 17.08.2005 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Sachkosten für Endobag-Bergebeutel abzurechnen und zu vergüten, weil es sich dabei nicht um Kosten handele, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten und Apparaturen entstanden seien. Die Endobag-Bergebeutel würden zwar jeweils mit dem Endoskop in den Körper eingeführt. Jedoch handele es sich dabei um zusätzliche Gegenstände, die nicht zwangsläufig mit dem Einsatz des Endoskops verbunden seien. Es handele sich vielmehr um Kosten, die unter die Allgemeinen Bestimmungen A I Teil A 2 EBM fielen. Denn die Bergebeutel seien nach Anwendung verbraucht und könnten nicht mehrmals verwendet werden. Im übrigen, d.h. soweit um die Streichung der Sachkosten für Ballonkatheter und Urinbeutel gestritten worden ist, hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen das am 02.09.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.09.2005 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen der Auffassung des SG entstünden die Kosten für die Endobag-Bergebeutel gerade durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten. Denn ohne Endoskop könnten die Bergebeutel nicht verwendet werden. Sie seien ein zusätzlicher Bestandteil des Endoskops. Somit handele es sich um Kosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten - in diesem Falle eines Endoskops - entstanden und entsprechend den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil A 2 EBM in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.08.2005 insoweit abzuändern, als sie zur Abrechnung und Vergütung der Sachkosten für Endobag-Bergebeutel verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.08.2005 zurückzuweisen.
Sie hat ergänzend zur Verwendung der Endobag-Bergebeutel vorgetragen, der aus Kunststoff bestehende nur einmal verwendbare Bergebeutel werde über ein Trokar, eine Hohlnadel, in den Bauchraum eingeführt und öffne sich dort zu einer Schüssel, in der die Operation durchgeführt und ausfließende Flüssigkeit oder Material gesammelt werde. Dadurch werde verhindert, das bösartiges oder chemisch belastendes Material in den Bauchraum gelange. Der Beutel werde anschließend aus der Nabelwunde gezogen. Bei Operationen an gutartigen Geschwülsten im Bauchraum (z.B. Myome), bei denen auch die GNR 1150 EBM zur Abrechnung kommen könne, würden Endobag-Bergebeutel nicht eingesetzt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das SG hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet ist, die Sachkosten für Endobag-Bergebeutel abzurechnen und zu vergüten. Insoweit sind die Bescheide vom 06.11.2003 und 04.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2004 rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beklagte ist zur sachlich-rechnerischen Berichtigung von Honorarabrechnungen befugt, wenn Leistungen in Ansatz gebracht werden, deren Normsetzungen nicht erfüllt sind oder die aus anderen Gründen nicht in Ansatz gebracht werden dürfen. Dieses Recht der Beklagten ist in § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) bzw. 34 Abs. 2 Ersatzkassenvertrag Ärzte (EKV-Ä) geregelt. Danach obliegt der Beklagten die Prüfung der von Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Die Beklagte berichtigt ggf. die fehlerhafte Honorarforderung des Vertragsarztes.
Die Voraussetzungen einer sachlich-rechnerischen Berichtigung sind vorliegend nicht gegeben. Die Klägerin hat die Kosten für Endobag-Bergebeutel zu Recht auf den Behandlungsscheinen der Patientinnen abgerechnet. Denn bei den Endobag-Bergebeuteln handelt es sich weder um Mittel, die unter die ab dem 01.07.2002 geltenden zwischen der Beklagten und den gesetzlichen Krankenkassen geschlossene Sprechstundenbedarfsvereinbarung fallen, noch sind ihre Kosten bereits in den Leistungssätzen der vertragsärztlichen Gebührentarife enthalten.
Nach Abschnitt III Ziffer 1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung sind nur die unter Abschnitt IV der Vereinbarung aufgeführten Mittel verordnungsfähig. Die Endobag-Bergebeutel sind in der Vereinbarung nicht aufgeführt. Insbesondere handelt es sich bei den unter Abschnitt IV Ziffer 5 aufgeführten Auffangbeutel ("Einmal-Punktionsbestecke für Pleura-, Leber- u. Ascitespunktionen incl. Auffangbeutel") nicht um die in Rede stehenden Endobag-Bergebeutel.
Ebenso wenig ist den Leistungslegenden der im Falle der Klägerin in Betracht kommenden GNRn zu entnehmen, dass die Kosten für Endobag-Bergebeutel von den entsprechenden Leistungssätzen mitumfasst sind. Auf gynäkologischem Fachgebiet werden Endobag-Bergebeutel bei Adnex- bzw. Gebärmutteroperationen verwendet, die nach der GNR 1150 (Operation an den Adnexen einer Seite und/oder an der Gebärmutter durch vaginale oder abdominale Eröffnung der Bauchhöhle oder durch Laparoskopie/Pelviskopie), ggf. nach den Zuschlagsnummern 1151 (Zuschlag zu den Leistungen nach den Nrn.1128,1138 oder 1150 bei zusätzlichen Operationen an den Adnexen der anderen Seite und/oder ei Appendektomie und/oder für zusätzlich durchgeführte Sterilisation mittels Eingriffs an den Eileitern) und 1160 EBM (Zuschlag zu den Leistungen nach den Nrn.1110,1111,1150 und1187 bei Durchführung mittels Laser) abgerechnet werden.
Eine ausdehnende Auslegung der Leistungsbeschreibungen oder -bewertungen im EBM ist unzulässig. Den Gerichten ist bei der Auslegung von Vorschriften über die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen Zurückhaltung auferlegt. Sie haben sich an den Wortlaut des Bewertungsmaßstabs zu halten. Eine systematische Interpretation dürfen sie nur im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen GNRn vornehmen (BSG, Urteil vom 01.08.1999 - 6 RKa 15/90 -, BSGE 69, 166 ff.; LSG NRW, Urteil vom 05.04.2006 - L 11 KA 45/04 -).
Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt auch nicht aus den unter der Ziffer 2 der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil A I des EBM enthaltenen Regelungen, dass die Kosten für die Endobag-Bergebeutel in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten sind. Insbesondere ergibt sich dies nicht für die unter dem 2. Spiegelstrich genannten Kosten, nämlich "Kosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten und Apparaturen entstanden sind". Weder ist der Endobag-Bergebeutel ein zusätzlicher Bestandteil des Endoskops bzw. des Trokars noch können diese ohne Bergebeutel nicht verwendet werden. Der Endobag-Bergebeutel dient vorrangig dazu, zu verhindern, dass bei Operationen bösartiges oder chemisch belastendes Material in den Körperhohlraum gelangt und diesen Bereich kontaminiert. Er ist kein Material, das nötig ist, damit das Instrument "Endoskop" bzw. "Trokar" erst seine Funktion erfüllen kann, wie z. B. die Papierstreifen für EKG oder das Gel bei Sonographiegeräten (Wezel/Liebold, EBM, Allg. Bestimmungen A I, S. 8-8). Denn Endoskop bzw. Trokar finden auch ohne Endobag-Bergebeutel Verwendung: Das Endoskop - ohne Endobag-Bergebeutel - wird benutzt, um in eine Körperhöhle oder ein Hohlorgan "hineinzuschauen", oder - ebenso wie der Trokar -, um mittels Einführen von Instrumenten (z. B. eine Zange zum Entnehmen von Gewebeproben) operative Eingriffe durchzuführen.
Das wird auch durch die - unwidersprochene - Erklärung der Klägerin belegt, dass Endobag-Bergebeutel bei Operationen an gutartigen Geschwülsten im Bauchraum (z.B. Myome) nicht vwerendet werden, bei denen also die Gefahr einer Kontamination mit bösartigem Material nicht gegeben ist und auch die GNR 1150 EBM zur Abrechnung kommen kann.
Endobag-Bergebeutel zählen auch nicht zu den unter dem 3. Spiegelstrich der Ziffer 2 der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil A I des EBM aufgeführten Instrumenten, deren Kosten ebenfalls in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten sind (Kosten für Einmalspritzen, Einmalkanülen, Einmaltrachealtuben, Einmalabsaugkatheter, Einmalhandschuhe, Einmalrasierer, Einmalharnblasenkatheter, Einmalskalpelle, Einmalproktoskope, Einmaldarmrohre, Einmalspekula und Einmalküretten). Zwar sind die Endobag-Bergebeutel nur einmal verwendbar. Indes gehören hierzu die Kosten nur für die Einmalartikel, die als Einmalinstrumente an die Stelle von mehrfach gebrauchten Instrumenten getreten sind, wie Küvetten, Skalpelle, Specula, Proktoskope, Rasierapparate. Darüber hinaus sind lediglich noch die Kosten für die expressis verbis genannten Einmalartikel, wie Harnblasenkatheter, Handschuhe, Darmrohre, mit den entsprechenden Gebühren für die ärztlichen Leistungen mit abgegolten (Wezel/Liebold, a.a.O., S. 8-9).
Die Kosten für Endobag-Bergebeutel fallen vielmehr unter die in den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil A I Nr. 4, erster Spiegelstrich EBM gesondert berechenbaren Kosten. Denn nach dieser Vorschrift sind in den berechnungsfähigen Leistungen die Kosten für Arzneimittel, Verbandmittel, Materialien, Instrumente, Gegenstände und Stoffe, die nach der Anwendung verbraucht sind oder die der Kranke zur weiteren Verwendung behält, enthalten, soweit dies nicht an anderer Stelle ausgeschlossen ist. Dazu zählen die nach einmaligem Gebrauch nicht wieder verwendbaren Endobag-Bergebeutel. Eine Regelung, auf Grund derer die gesonderte Berechnung ausgeschlossen ist, besteht nicht. Insbesondere ist - wie oben erörtert - ein Fall der Allgemeinen Bestimmungen A I. 2. Spiegelstrich 3 hier nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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