S 8 U 62/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 62/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Es wird festgestellt, dass es sich bei demVerkehrsunfallereignis vom 29. Juni 2003 für den D. um einen Arbeitsunfall handelt. Der Bescheid des Beklagten vom 22. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2013 wird entsprechend abgeändert.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 42.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein von dem D. (im weiteren Geschädigter) am 29. Juni 2003 erlittener Verkehrsunfall unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht. Der Geschädigte hatte sich am Unfalltag auf dem Rücksitz neben anderen Insassen in einem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug befunden als dieses um ca. 17.52 Uhr auf der Bundesautobahn 115 bei dem Dreieck Nuthetal in Richtung Berlin beim Überholvorgang an die mittlere Leitplanke geprallt war und sich mehrfach überschlagen hatte. Fahrer Fahrzeuges war der Zeuge E ... Der Geschädigte hatte hierdurch ein Schädel-Hirn-Trauma 1°, ein Thorax- und Bauchtrauma, einen Beckenbruch, eine Schultergürtelverletzung, multiple Weichteilverletzungen und Schürfwunden sowie eine Recurrensparese erlitten (Bericht der Chirurgischen Klinik des Klinikums Ernst von Bergmann vom 28. August 2003, 9). Am 2. April 2004 hatte der Geschädigte vor dem Landgericht Potsdam Klage wegen Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 29. Juni 2003 erhoben. Die Klage war gerichtet gewesen gegen den Halter des Fahrzeuges, die F. Autovermietung, und die Klägerin als Haftpflichtversicherer des Fahrzeuges. Durch Urteil vom 8. September 2006 – 1 O 219/04 - hatte das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hatte es ausgeführt, der Anspruch des Geschädigten sei auf Grund der gestörten Gesamtschuld wegen der Haftungsprivilegierung des Fahrers des Fahrzeuges § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei den Beklagten der Beweis gelungen, dass der Kläger bei der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit für den Fahrer des verunglückten Fahrzeuges unterwegs gewesen sei. Hierfür habe die Beweisaufnahme so viele Indizien ergeben, dass vernünftige Zweifel daran nicht verblieben seien. Es sei von sämtlichen Zeugen bestätigt worden, dass der Zeuge E. praktisch als Arbeitgeber bei solchen Aufträgen wie der Verteilung von Werbung agiert habe und der Kläger mit ihm mehrmals unterwegs gewesen sei um Werbung zu verteilen, wofür er von dem Zeugen E. ein Entgelt erhalten habe. Auch sei des dem Zeugen G. bekannt geworden, dass Herr E. die Prospektverteilungstouren sowohl in Berlin als auch im Vorderharz durchführte. Die Insassen im Unfallfahrzeug seien ein "Stecker"-Team gewesen. Auch sei eine Rechnung von Herrn E. an seinen Auftraggeber für die Verteilung von der Werbung für die Drogerie H. für den 28. Juni 2003, also einen Tag vor der Fahrt nach J-Stadt, gefunden worden. Der Zeuge K. K. habe ausgesagt, dass seine Schwester, die auch Insassin im Unfallwagen war und bei dem Unfall ums Leben gekommen ist, ihm vor der maßgeblichen Fahrt erzählt habe, sie fahre zum "Stecken" also zur Verteilung der Werbung. Auch er wisse, dass alle Insassen ein "Stecker"-Team waren. Diesen Aussagen und Indizien zu Folge sei der Geschädigte beim Kraftfahrzeugfahrer Herrn E. beschäftigt gewesen und habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls in einem sozialversicherungsbegründenden Verhältnis befunden. Für die Behauptung der Gegenseite spreche ferner, dass der Geschädigte nicht plausibel habe darlegen können, weshalb er bereits so früh am Morgen zu einem dann doch erst erheblich später stattfindenden Schützenfest den Weg angetreten habe. Soweit die Mitinsassen des Fahrzeugs L. und M. K. bekundet hätten, alle Insassen und mithin auch der Kläger seien ausschließlich privat unterwegs gewesen, führe das zu keiner anderen Beurteilung. Die Zeugen seien in diesem Zusammenhang nicht glaubwürdig, da sie zum einen mit dem Kläger befreundet seien und zum anderen als ebenfalls Geschädigte ein eigenes Interesse an dieser Sachverhaltsdarstellung hätten. Auf Nachfragen hätten die Zeugen ausweichende Antworten gegeben und hätten auch nicht den Widerspruch aufklären können, der sich aus der damaligen Presseberichterstattung zu den jetzigen Behauptungen ergebe, wobei die Berichterstattung allein auf Angaben der Zeugen beruht haben könne. Damit handele es sich um eine berufliche Tätigkeit, bei der der Kläger verletzt wurde. Gegen dieses Urteil war seitens des Geschädigten Berufung zum Oberlandesgericht Brandenburg erhoben worden. Dieses hatte den Berufungsrechtsstreit durch Beschluss vom 19. April 2007 bis zu einer Entscheidung nach § 108 Abs.1 SGB VII ausgesetzt. Daraufhin hatten die Bevollmächtigten des Geschädigten mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29. Mai 2007 bei der Unfallkasse Berlin beantragt, den Verkehrsunfall als Arbeitsunfall anzuerkennen (31). Der Geschädigte hatte geltend gemacht, er sei vor der Fahrt von Herrn E. angesprochen worden, ob er sich eine zukünftige Nebentätigkeit als Verteiler von Werbeprospekten vorstellen könne. Dieses habe er bejaht und es sei vereinbart worden, dass er sich die Tätigkeit eines solchen Nebenjobs am 29. Juni 2003 bei einem Auftrag in Westdeutschland zwecks eventueller späterer Vereinbarung einer Nebentätigkeit als Verteiler von Werbezetteln anschauen solle. Die Insassen des Fahrzeuges hätten sich am Morgen des 29. Juni 2003 in Berlin getroffen und seien dann gemeinsam nach Westdeutschland gefahren. Am Zielort in Westdeutschland habe der Geschädigte die Insassen des Fahrzeuges beim Verteilen der Werbezettel begleitet. Danach habe er sich für einige Stunden zu einem Schützenfest begeben. Bei Herrn E. habe es sich um einen Bekannten gehandelt, mit dem er häufiger Ausflüge am Wochenende unternommen habe. Für das Verteilen der Werbezettel habe er keinerlei Entgelt erhalten. Er sei aufgrund seiner Arbeitslosigkeit dankbar gewesen, dass er kostenlos mitfahren konnte, um einen Ausflug zu unternehmen. Der Charakter der Fahrt sei von ihm als rein privater Ausflug eingestuft worden. Die Unfallkasse Berlin hatte den Antrag mit Schreiben vom 15. Juni 2007 (28) an die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) weitergeleitet, die ihn an die Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft weitergeleitet hatte. Letztere hatte den Antrag mit Schreiben vom 5. Juli 2008 (26) an die VBG zurückgeschickt. Diese hatte eine Anerkennung des Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall durch Bescheid an den Geschädigten vom 17. September 2007 (43) abgelehnt. Das hiergegen durchgeführte Widerspruchsverfahren war ergebnislos verlaufen (Widerspruchsbescheid vom 28. November 2007, 51). Mit Schreiben vom 31. Juli 2008 (85) hatte die Klägerin bei der Beklagten beantragt, das Verwaltungsverfahren erneut durchzuführen und das betreffende Unfallereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen. Darin hatte sie die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung der VBG ihr gegenüber nicht bindend sei, weil sie an dem Verwaltungsverfahren nicht beteiligt worden sei. Die Beklagte hatte den Antrag mit Schreiben vom 14. November 2008 (93) an die Berufsgenossenschaft Druck und Papierverarbeitung weitergeleitet, weil es sich bei dem Unternehmen des Zeugen E. um ein Mitgliedsunternehmen dieser Berufsgenossenschaft handele. Mit Schreiben vom 20. Februar 2009 (95) hatte die Berufsgenossenschaft Druck und Papierverarbeitung den Vorgang wieder an die Beklagte zurückgeleitet, weil keine Identität zwischen ihrem Mitgliedsunternehmen und dem des Zeugen E. bestehe. Durch Bescheid vom 8. Juli 2009 (108) hatte die Beklagte die Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens abgelehnt. Zur Begründung hatte sie ausgeführt, die Klägerin gehöre nicht zum Kreis der in §§ 104ff. genannten Personen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch hatte die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 16. November 2009 (124) zurückgewiesen. Hiergegen hatte die Klägerin bei dem hiesigen Gericht Klage erhoben. Dieses hatte die Beklagte durch Urteil vom 6. Juli 2011 – S 23 U 257/09 – unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2009 verpflichtet, den Bescheid der VBG vom 28. November 2007 aufzuheben und das Verwaltungsverfahren im Hinblick auf den Unfall des Geschädigten vom 29. März 2003 erneut durchzuführen. Zur Begründung hatte es ausgeführt, der Klägerin könne sich zumindest analog auf § 109 SGB VII berufen, da sie als Haftpflichtversicherin des Unfallwagens mit dem möglichen Arbeitgeber des Geschädigten gesamtschuldnerisch hafte. Daher hätte sie im Verwaltungsverfahren von der Einleitung des Feststellungsverfahrens benachrichtigt und auf ihren Antrag hin zum Verfahren hinzugezogen werden müssen. Die unterlassene Beteiligung führe zur Rechtswidrigkeit des Bescheides der VBG. Daraufhin nahm die Beklagte den bindend gewordenen Bescheid der VBG durch Bescheid vom 22. Oktober 2012 (315) dahingehend zurück, dass festgestellt wird, dass die Beklagte der zuständige Unfallversicherungsträger ist. Ferner nahm sie ihren eigenen Bescheid vom 8. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2009 dahingehend zurück, dass die Klägerin Beteiligte im Sinne des § 12 SGB X ist und das Verwaltungsverfahren wieder aufzunehmen ist. Schließlich lehnte sie die Entschädigung des Ereignisses vom 29. Juni 2003 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie aus, die Kriterien eines Beschäftigungsverhältnisses gem. § 7 SGB IV hätten nicht festgestellt werden können. Es habe sowohl an der Weisungsgebundenheit des Geschädigten als auch an der organisatorischen Einbindung in das Unternehmen des Zeugen E. gefehlt. Der Zeuge E. sei wiederholt angeschrieben worden. Leider sei bislang keine Reaktion auf die Anfragen erfolgt. Es lägen somit keine neuen Erkenntnisse vor. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 1. März 2013 (329) zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, eine organisatorische Eingliederung in das Unternehmen des Zeugen E. sei ebensowenig nachweisbar wie eine unterstützende Tätigkeit für das genannte Unternehmen. Nach Auswertung sämtlicher Tatsachen sei nicht erwiesen, dass sich der Unfall des Geschädigten in Ausführung einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit ereignet habe. Die Ermittlungsmöglichkeiten der Beklagten seien daher erschöpft. anspruchsbegründende Tatsachen hätten nicht festgestellt werden können. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast habe derjenige Beteiligte, der aus Tatsachen ein Recht herleiten wolle, die Folgen zu tragen, dass ein den geltend gemachten Anspruch begründender Umstand nicht festgestellt werden könne. Selbst angenommen die Fahrt hätte tatsächlich dazu gedient ein eventuelles Beschäftigungsverhältnis anzubahnen, würde dies auf der Grundlage der Angaben des Geschädigten als Vorbereitungshandlung nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Hiergegen richtet sich die am 5. April 2013 erhobene Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, dass es sich bei dem Verkehrsunfall um einen Arbeitsunfall gehandelt hat und stützt sich auf die Aussagen der Zeugen in der Beweisaufnahme vor dem Landgericht Potsdam vom 7. Oktober 2005. Die Kammer hat die Akten des Zivilprozesses beigezogen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2013 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Verkehrsunfall vom 29. Juni 2003 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält an ihren Bescheiden fest. Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte sowie der beigezogenen Akte des Zivilrechtsstreits Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf die Feststellung, dass es sich bei dem Verkehrsunfall vom 29. Juni 2003 für den Geschädigten um einen Arbeitsunfall handelt, sowie der diesen Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2013. Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin hiergegen ergibt sich aus § 109 SGB VII, wonach statt des Berechtigten auch Personen, deren Haftung nach §§ 104 bis 107 SGB VII - auf vorsätzliches Handeln - beschränkt ist, Feststellungen nach § 108 SGG beantragen oder das entsprechende Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz betreiben können, wenn Versicherte, ihre Angehörigen oder Hinterbliebene Schadensersatzforderungen gegen sie erheben. Das Bundessozialgericht (BSG) hat seine Rechtsprechung nochmals bestätigt, wonach ein Kfz-Haftpflichtversicherer, wie die Klägerin, in analoger Anwendung des § 109 Satz 1 SGB VII die Rechte des Unfallopfers gegen den Unfallversicherungsträger, die jener nicht selbst verfolgt hat, im eigenen Namen geltend machen kann (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 27. März 2012 - B 2 U 5/11 R - juris). Obwohl die Klägerin als Kfz-Haftpflichtversicherungsgesellschaft kein Rechtssubjekt ist, dessen Haftung nach §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt sein kann, wie dies jedoch in § 109 Satz 1 SGB VII vorausgesetzt wird, und somit eine unmittelbare Anwendung des § 109 SGB VII nicht in Betracht kommt, ist aufgrund planwidriger Gesetzeslücke und vergleichbarer Interessenlage hier eine analoge Anwendung geboten (vgl. auch: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Mai 2014 – L 6 U 5225/13 –, Rn. 23, juris). Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem Urteil vom 6. Juli 2011 – S 23 U 257/09 – Bezug genommen. Die Klage ist auch begründet. Die Frage, ob der Geschädigte einen Arbeitsunfall erlitten hat, richtet sich nach den Vorschriften des SGB VII. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Dass der Geschädigte am 29. Juni 2003 einen Verkehrsunfall erlitten und sich dabei schwere Verletzungen zugezogen hat, steht fest. Insofern sind die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt. Fraglich ist allein, ob die Fahrt mit dem PKW unter dem Schutz der Unfallversicherung stand. Diese Frage war im Sinne der Klägerin zu beantworten. Zunächst einmal lag eine versicherte Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII vor. Ebenso wie das Landgericht Potsdam in seinem Urteil vom 8. September 2006 – 1 O 219/04 – ist die Kammer davon überzeugt, dass der Geschädigte als Prospektverteiler beschäftigt war. Die Kammer stützt ihre Überzeugung auf die Angaben der Zeugen in dem Zivilrechtsstreit, die allesamt bestätigt hatten, der Zeuge E. habe praktisch als Arbeitgeber bei der Verteilung von Werbeprospekten agiert. Der Geschädigte sei mehrmals mit ihm unterwegs gewesen um Werbung zu verteilen und habe hierfür ein Entgelt erhalten. Die Kammer hat die Zeugenaussagen aus dem Zivilprozess in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2016 durch Verlesen in den Prozess eingeführt, was nicht unzulässig ist (vgl. BSG, Beschluss vom 13. August 2015 – B 9 V 13/15 B –, Rn. 11, juris; vgl. auch BSG, Beschluss vom 05. September 1972 – 6 RKa 4/69 –, juris). Gründe, die eine persönliche Vernehmung der Zeugen gebieten könnten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Immerhin hat auch die Beklagte im vorhergehenden Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren von einer persönlichen Vernehmung der Zeugen abgesehen und nach Lage der Akten entschieden. Zur Beweiswürdigung verweist die Kammer zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts, die im Tatbestand des Urteils wiedergegeben wurden und die sich die Kammer vollinhaltlich zu Eigen macht. Dies zumal die Beklagte zu diesen Punkten im vorliegenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht substantiiert nichts vorgetragen hat. Als Prospektverteiler war der Kläger in der Sozialversicherung grundsätzlich als Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und nicht als selbständiger Unternehmer anzusehen (grundlegend: BSG, Urteil vom 19. Januar 1968 – 3 RK 101/64 –, juris; so auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Juli 2006 – L 17 U 64/05 –, juris; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 2003 – L 7 U 5158/99 –, Rn. 44, juris; vgl. auch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. April 2006 – L 1 KR 124/05 –, Rn. 16, juris m.w.N.; vgl. auch Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Juli 2003 – 5 K 2749/01 –, Rn. 45, juris). Handgreifliche Gesichtspunkte, die für eine selbständige Tätigkeit des Geschädigten sprechen könnten, sind weder ersichtlich noch sind diese von der Beklagten vorgetragen worden. Die Kammer ist damit davon überzeugt, dass der Geschädigte als Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII anzusehen ist. Des Weiteren ist die Kammer aufgrund der im Zivilprozess vernommenen Zeugen davon überzeugt, dass die zum Unfall führende Fahrt am 29. Juni 2003 der versicherten Tätigkeit des Klägers zuzurechnen war. Denn es handelte sich um einen sog. Betriebsweg, der gem. § 8 Abs. 1 SGB VII unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung stand, und nicht um einen Weg von dem Ort der Tätigkeit i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist, wie sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ergibt, erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (vgl. zum Ganzen: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. Februar 2015 – L 17 U 21/14 –, Rn. 20, juris m.w.N). Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Zur versicherten Tätigkeit gehört auch das Zurücklegen eines Betriebswegs. Ein Betriebsweg unterscheidet sich von anderen Wegen dadurch, dass er im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und nicht - wie Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII – der versicherten Tätigkeit lediglich vorausgeht oder sich ihr anschließt. Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, ob also der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggf. das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden. Gemessen hieran handelte es sich bei der zum Unfall führenden Fahrt um einen Betriebsweg. Denn der Kläger war wie die übrigen Insassen des verunfallten Fahrzeugs Mitglied eines Stecker-Teams, dessen Aufgabe es war Werbung zu verteilen. Im Unfallzeitpunkt befanden sie sich auf dem Rückweg von der Verteilung von Werbung nach Berlin. Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und das gewählte Verkehrsmittel waren durch den Zeugen E. als Arbeitgeber vorgegeben. Ebenso wie für das Landgericht war für die Kammer in diesem Zusammenhang entscheidend, dass der Arbeitgeber für das Team einen Sammeltransport organisiert und durchgeführt hat. Auch insoweit wird in Ermangelung substantiierten Vortrags des Beklagten zu diesen Punkten zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Im Ergebnis stand der Geschädigte damit bei der Fahrt am 29. Juni 2003 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Da weitere Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall nicht im Streit standen, war dieser anzuerkennen und der Klage stattzugeben. Da weder die Kläger noch die beklagte Berufsgenossenschaft zu dem Personenkreis des § 183 SGG gehören, liegt ein Anwendungsfall des § 197a SGG vor. Die auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beruhende Kostenentscheidung folgt aus dem Umstand, dass die Klage in vollem Umfang Erfolg hatte. Der Streitwert war mit rund 42.000,00 Euro festzusetzen. Die Klägerin wendet sich hier im Ergebnis gegen die im Zivilverfahren geltend gemachte Erstattungsforderung des Geschädigten in dieser Höhe. Voraussetzung zur Abwehr dieser Forderung ist die Feststellung, dass es sich bei dem Unfall des Geschädigten um einen Arbeitsunfall handelt mit der Folge des Haftungsprivilegs für den Arbeitgeber nach § 104 Abs. 1 SGB VII. Daher war hier der Streitwert in Höhe der im Raum stehenden Erstattungsforderung festzusetzen (vgl. so auch: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 04. August 2010 – L 2 U 2211/09 –, Rn. 37, juris)
Rechtskraft
Aus
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