Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AY 6/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 61/06 AY
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 27.02.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Kläger zu 1) und 2) vom 15.08.2006, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 18.10.2006), ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragstellern für das sozialgerichtliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen. Die angefochtenen Bescheide vom 26.01.2006 und 02.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2006, mit denen die Beklagte höhere als nach § 1a Ziffer 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewährende Leistungen abgelehnt hat, beschweren die Kläger zu 1) und 2) nach der gebotenen summarischen Prüfung nicht im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), so dass ihre Klage auch zur Überzeugung des Senats derzeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§§ 73a SGG, 114ff. Zivilprozessordnung [ZPO]),
Der Senat verweist zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerdebegründung rechtfertigt eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses und damit die Gewährung von Prozeskostenhilfe nicht.
Nach § 1a Nr. 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte, die, wie die Antragsteller, leistungsberechtigt im Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG sind, Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist, wenn sie sich in den Geltungsbereich des Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen.
Da die Regelung des § 1a Nr. 1 AsylbLG im Wesentlichen der Vorschrift des § 23 Abs. 3 Sozialgesetzbuch 12. Buch (SGB XII) und deren Vorgängernorm § 120 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entspricht, kann zur Konkretisierung der tatbestandlichen Voraussetzungen die hierzu ergangene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und einschlägige Literatur herangezogen werden (vgl. etwa Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 1a AsylbLG RdNr. 5; Fasselt in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage 2005, § 1a AsylbLG RdNr. 6).
Von einer Einreise zum Zweck des Leistungsbezuges kann danach ausgegangen werden, wenn ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialleistungen besteht. Sind mehrere Motive denkbar oder gegeben, muss das prägende Motiv des Hilfesuchenden im Zeitpunkt der Einreise die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem AsylbLG gewesen sein. Das bedeutet, dass die Möglichkeit, auf Leistungen nach dem AsylbLG angewiesen zu sein, für den Einreiseentschluss, sei es allein, sei es neben anderen Gründen, in besonderer Weise bedeutsam gewesen sein muss. Es genügt demgegenüber nicht, dass der Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG beiläufig erfolgt oder anderen Einreisezwecken untergeordnet und in diesem Sinne nur billigend in Kauf genommen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.06.1992 - 5 C 22.87 - BVerwGE 90, 212 zur inhaltlich gleichen Regelung des § 120 BSHG). Die nur in das Wissen des Ausländers gestellten Gründe für seine Ausreise muss dieser substantiiert und widerspruchsfrei darlegen, um der Behörde und auch dem Gericht die Möglichkeit zu geben, zu prüfen, ob der genannte Tatbestand erfüllt ist (zum Sphärengedanken etwa Wahrendorf, a.a.O., § 1a AsylbLG RdNr. 5). Erst sodann kann unter Berücksichtigung der die Behörde treffenden (objektiven) Beweislast die Beweislosigkeit ggf. die Anwendung des § 1a Nr. 1 AsylbLG verwehrt sein.
Unter Berücksichtigung sämtlicher (bekannter) Umstände der Einreise erscheint die Annahme einer Einreise zur Erlangung von Leistungen nach dem AsylbLG gerechtfertigt. Hierfür spricht die (bei erstmaliger Stellung des Asylantrags verschwiegene) Einreise über den sicheren Drittstaat Österreich, nachdem ein dortiger Asylantrag aussichtslos erschien sowie die Ablehnung des ersten Asylantrages mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 19.11.2003 als offensichtlich unbegründet.
Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass diese Umstände für sich betrachtet nicht zwingend die Annahme einer Einreise zur Erlangung von Leistungen rechtfertigen (vgl. etwa auch Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 1a AsylbLG RdNr. 5).
Unter Berücksichtigung der geschilderten Fluchtgründe, des Umstandes, dass die Klägerin zu 2) bei (erstmaliger) Einreise bereits im 8. Monat schwanger war, der nicht zweifelsfrei geklärten Identität der Kläger, der Tatsache, dass die Kläger die Bundesrepublik Deutschland nach Ablehnung ihres Asylantrages und erfolglosem Klageverfahren (Verwaltungsgericht Arnsberg, Urteil vom 14.10.2004, 6 K 4711/03.A) zwischenzeitlich wieder verließen, um erneut in Österreich unter anderem Namen ein Asylverfahren durchzuführen, sodann aber wieder einkommenslos in die Bundesrepublik Deutschland einreisten, liegen weitere Indizien vor, die die Gewährung lediglich gekürzter Leistungen rechtfertigen dürften.
Ob darüber auch die Vorschrift des § 1a Nr. 2 AsylbLG einschlägig ist, kann der Senat dahinstehen lassen.
Hinsichtlich der Kläger zu 3) und 4) hat das Sozialgericht PKH bewilligt.
Kosten sind nicht zu erstatten, § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Kläger zu 1) und 2) vom 15.08.2006, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 18.10.2006), ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragstellern für das sozialgerichtliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen. Die angefochtenen Bescheide vom 26.01.2006 und 02.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2006, mit denen die Beklagte höhere als nach § 1a Ziffer 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewährende Leistungen abgelehnt hat, beschweren die Kläger zu 1) und 2) nach der gebotenen summarischen Prüfung nicht im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), so dass ihre Klage auch zur Überzeugung des Senats derzeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§§ 73a SGG, 114ff. Zivilprozessordnung [ZPO]),
Der Senat verweist zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerdebegründung rechtfertigt eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses und damit die Gewährung von Prozeskostenhilfe nicht.
Nach § 1a Nr. 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte, die, wie die Antragsteller, leistungsberechtigt im Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG sind, Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist, wenn sie sich in den Geltungsbereich des Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen.
Da die Regelung des § 1a Nr. 1 AsylbLG im Wesentlichen der Vorschrift des § 23 Abs. 3 Sozialgesetzbuch 12. Buch (SGB XII) und deren Vorgängernorm § 120 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entspricht, kann zur Konkretisierung der tatbestandlichen Voraussetzungen die hierzu ergangene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und einschlägige Literatur herangezogen werden (vgl. etwa Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 1a AsylbLG RdNr. 5; Fasselt in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage 2005, § 1a AsylbLG RdNr. 6).
Von einer Einreise zum Zweck des Leistungsbezuges kann danach ausgegangen werden, wenn ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialleistungen besteht. Sind mehrere Motive denkbar oder gegeben, muss das prägende Motiv des Hilfesuchenden im Zeitpunkt der Einreise die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem AsylbLG gewesen sein. Das bedeutet, dass die Möglichkeit, auf Leistungen nach dem AsylbLG angewiesen zu sein, für den Einreiseentschluss, sei es allein, sei es neben anderen Gründen, in besonderer Weise bedeutsam gewesen sein muss. Es genügt demgegenüber nicht, dass der Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG beiläufig erfolgt oder anderen Einreisezwecken untergeordnet und in diesem Sinne nur billigend in Kauf genommen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.06.1992 - 5 C 22.87 - BVerwGE 90, 212 zur inhaltlich gleichen Regelung des § 120 BSHG). Die nur in das Wissen des Ausländers gestellten Gründe für seine Ausreise muss dieser substantiiert und widerspruchsfrei darlegen, um der Behörde und auch dem Gericht die Möglichkeit zu geben, zu prüfen, ob der genannte Tatbestand erfüllt ist (zum Sphärengedanken etwa Wahrendorf, a.a.O., § 1a AsylbLG RdNr. 5). Erst sodann kann unter Berücksichtigung der die Behörde treffenden (objektiven) Beweislast die Beweislosigkeit ggf. die Anwendung des § 1a Nr. 1 AsylbLG verwehrt sein.
Unter Berücksichtigung sämtlicher (bekannter) Umstände der Einreise erscheint die Annahme einer Einreise zur Erlangung von Leistungen nach dem AsylbLG gerechtfertigt. Hierfür spricht die (bei erstmaliger Stellung des Asylantrags verschwiegene) Einreise über den sicheren Drittstaat Österreich, nachdem ein dortiger Asylantrag aussichtslos erschien sowie die Ablehnung des ersten Asylantrages mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 19.11.2003 als offensichtlich unbegründet.
Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass diese Umstände für sich betrachtet nicht zwingend die Annahme einer Einreise zur Erlangung von Leistungen rechtfertigen (vgl. etwa auch Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 1a AsylbLG RdNr. 5).
Unter Berücksichtigung der geschilderten Fluchtgründe, des Umstandes, dass die Klägerin zu 2) bei (erstmaliger) Einreise bereits im 8. Monat schwanger war, der nicht zweifelsfrei geklärten Identität der Kläger, der Tatsache, dass die Kläger die Bundesrepublik Deutschland nach Ablehnung ihres Asylantrages und erfolglosem Klageverfahren (Verwaltungsgericht Arnsberg, Urteil vom 14.10.2004, 6 K 4711/03.A) zwischenzeitlich wieder verließen, um erneut in Österreich unter anderem Namen ein Asylverfahren durchzuführen, sodann aber wieder einkommenslos in die Bundesrepublik Deutschland einreisten, liegen weitere Indizien vor, die die Gewährung lediglich gekürzter Leistungen rechtfertigen dürften.
Ob darüber auch die Vorschrift des § 1a Nr. 2 AsylbLG einschlägig ist, kann der Senat dahinstehen lassen.
Hinsichtlich der Kläger zu 3) und 4) hat das Sozialgericht PKH bewilligt.
Kosten sind nicht zu erstatten, § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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