Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 20 (43) SB 298/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 SB 101/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.08.2003 abgeändert und die Klage abgewiesen. Kosten für beide Rechtszüge sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs G (erhebliche Gehbehinderung).
Die 1950 geborene Klägerin beantragte am 17.04.2001 zunächst nur die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) wegen Bluthochdrucks und Bandscheibenvorfalles.
Der Beklagte holte von dem Arzt für Orthopädie V B und dem Facharzt für Innere Medizin L Befundberichte (20.04.2001, 10.06.2001) ein, denen zahlreiche ärztliche Berichte über ambulante und stationäre Behandlungen der Klägerin beigefügt waren, und ließ diese durch seinen beratenden Arzt Dr. U auswerten. Dieser beurteilte die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsstörungen wie folgt:
1.Wirbelsäulen-Syndrom, Bandscheibenvorfall, Wirbelkörperbruch-Folgen Osteoporose, Schulter-Arm-Syndrom GdB 30
2.Sehminderung GdB 30
3.Funktionelle Herz-Kreislaufstörungen, Bluthochdruck, rezidivierende Synkopen GdB 20
4.Chronische Bronchitis GdB10
Den Gesamt-GdB bewertete er mit 50.
Dieser Beurteilung folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 06.07.2001 den GdB mit 50 fest.
Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie den Nachteilsausgleich "G" geltend machte, weil sie durch die mit den Krankheiten verbundenen Schmerzen in ihrer körperlichen Aktivität stark eingeschränkt sei, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2001 zurück; den vorliegenden ärztlichen Unterlagen sei zu entnehmen, dass sie in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt sei.
Mit ihrer am 11.09.2001 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" weiter verfolgt und unter Übersendung von Bescheinigungen des Arztes für Chirurgie Dr. L1, Katholisches Krankenhaus E-West, und des Dr. B insbesondere auf rezidivierende Kollapszustände und die daraus resultierenden Verletzungen hingewiesen. Sie stürze ein- bis zweimal die Woche und zum Teil verletze sie sich dabei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2001 zu verurteilen, bei ihr das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" ab April 2001 festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat den angefochtenen Bescheid weiterhin für zutreffend gehalten. Es lägen nur eine leichte Sehbehinderung und eine leicht ausgeprägte Intelligenzminderung vor, so dass keineswegs von einer erheblichen Störung der Ausgleichsfunktion gesprochen werden könne. Sich auf die Herz-/Kreislaufsituation beziehende Veränderungen seien nicht nachgewiesen.
Das Sozialgericht Dortmund hat Beweis erhoben durch Einholung des Berichtes des Katholischen Krankenhauses E über den stationären Aufenthalt der Klägerin im Dezember 2000 (24.04.2002) wegen Lumboischialgie mit Wurzelreizung L 5 rechts sowie des chirurgischen Gutachtens der Ärztin Dr. E (03.09.2002), deren abschließender Stellungnahme (07.01.2003) und des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Arztes Dr. C (10.12.2002).
Der Sachverständige C hat den Auswirkungen der chronifizierten Lumbago bei Bandscheibenvorfall L4/5, verbunden mit glaubhaften erheblichen Schmerzen, einen GdB von 20 beigemessen. Ferner hat er eine intellektuelle Minderbegabung (leichte Intelligenzminderung) mit einem GdB von 30 festgestellt. Die Funktionsstörungen der Lendenwirbelsäule verursachten erhebliche Schmerzen beim Gehen einer Strecke auch nur von einem Kilometer. Die funktionelle Einäugigkeit der Klägerin führe dazu, dass sie Entfernungen nicht richtig abschätzen könne, unsicher bei Straßenübergängen oder in gefährlichen Situationen sei. Diese Unsicherheit werde noch durch die leichte intellektuelle Minderbegabung verstärkt, da die Klägerin nicht in der Lage sei, sich plötzlichen Änderungen der Verkehrslage besonders schnell anzupassen. Außerdem kämen noch dokumentierte häufige Kollapszustände hinzu, so dass die Klägerin häufig aufgrund eines Kreislaufversagens stürze. Die genannten Gesundheitsstörungen verstärkten sich gegenseitig so sehr, dass eine relevante Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr bestehe.
Die Sachverständige E hat mäßige, die Altersnorm nicht wesentlich überschreitende funktionelle Defizite der gesamten Wirbelsäule ohne Nervenwurzelreizerscheinungen oder neurologische Auffälligkeiten beschrieben. Der gesamte Bewegungsablauf sei flüssig und sicher und in keiner Form durch eine sogenannte Wirbelsäulenschonhaltung gekennzeichnet. Das Gangbild zu ebener Erde sei nicht beeinträchtigt. Anzeichen für eine myostatische Insuffizienz oder höherwertige Gleichgewichtsstörung hat die Sachverständige verneint. Den wiederkehrenden Wirbelsäulensyndromen auf dem Boden von degenerativen Veränderungen und von Deckplatteneinbrüchen bei Kalksalzminderung hat sie einen GdB von 30 beigemessen und aus ihrer Sicht eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr verneint.
Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 13.08.2003 antragsgemäß verurteilt; wegen der besonders ungünstigen Kombination der bei ihr vorliegenden sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Erkrankungen sei die Klägerin außerstande, ortsübliche Wegstrecken in angemessener Zeit zurück zu legen.
Gegen das am 15.09.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 02.10.2003 Berufung eingelegt und unter Übersendung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. N (23.09.2003 und 29.11.2004), sowie des Dr. T (20.06.2006 und 27.09.2006) vorgetragen, die Sachverständige E habe verdeutlicht, dass aus rein chirurgisch-orthopädischer Sicht die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht zu rechtfertigen sei. Hinsichtlich der funktionellen Einäugigkeit, der leichten intellektuellen Minderbegabung sowie der Kollapszustände werde auf die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz bzw. Schwerbehindertenrecht" (AHP) Nr. 30 Abs. 4 und 5 hingewiesen, deren Vorgaben die Klägerin nicht erfülle. Hirnorganische Anfälle rechtfertigten die Zuerkennung des Nachteilausgleichs "G" erst dann, wenn eine mittlere Anfallshäufigkeit überwiegend am Tage bejaht werden könnte. Ein derartiges Krankheitsbild sei bei der Klägerin nicht gegeben. Wolle man die Zuerkennung des Merkzeichens "G" mit einer Störung der Orientierungsfähigkeit rechtfertigen, müsse eine hochgradige Sehbehinderung oder eine hochgradige geistige Behinderung vorliegen, was nicht der Fall sei.
Der Beklagte hat beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.08.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.08.2003 zurückzuweisen.
Sie hat sich auf die Bescheinigung des Arztes L (12.12.2003) gestützt, der Befunde über Langzeitblutdruckmessungen und Langzeit-EKGs beigefügt waren. Der Arzt L hat die hohen und niedrigen Blutdruckwerte sowie den niedrigen und hohen Puls als Ursache für die Bewusstseinsverluste angesehen. Trotz Anpassung der Medikation könnten erneut auftretende Bewusstseinsverluste mit Stürzen nicht ausgeschlossen werden. Außerdem hat die Klägerin ein Schreiben der Dipl. Sozialarbeiterin G1 (23.08.2005) vorgelegt, die sie seit Mai 2002 bei unterschiedlichen Angelegenheiten, in erster Linie in Überforderungssituationen, unterstütze. Zu den behaupteten Stürzen hat die Klägerin in dem Erörterungstermin am 02.02.2005 erklärt, sie stürze nur außerhalb der Wohnung. Vor einem Sturz werde ihr schwindelig. Da sie sich immer ohne Begleitung außerhalb der Wohnung bewege, hätten sie auch nur fremde Menschen stürzen sehen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten von Dr. B (04.05.2004), dem Neurologen und Psychiater Dr. B1 (05.05.2004, 06.12.2005), den Fachärzten für Chirurgie und Unfallchirurgie Dres. T1/C1 (15.05.2004) sowie von Dr. T2 (26.05.2004), der die Klägerin auch wegen der Folgen von Stürzen behandelt hat. Kollapsähnliche Zustände/Synkopen haben die genannten Ärzte weder beobachtet noch sind ihnen solche von der Klägerin berichtet worden. Der behandelnde Arzt L hat in dem von ihm erstatteten Befundbericht (21.05.2004), dem weitere Untersuchungsergebnisse, auch Fremdbefunde, beigefügt waren, berichtet, er selbst habe keine kollapsähnlichen Zustände beobachtet, jedoch sei die Klägerin nach solchen Ereignissen zu ihm zur Behandlung gekommen. Ferner hat er die Daten genannt, an denen ihm die Klägerin von Kollapszuständen berichtet habe.
Vom Katholischen Krankenhaus und der Westfälischen Klinik für Psychiatrie sind Arztbriefe sowie vom Hüttenhospital, vom Knappschaftskrankenhaus und vom Klinikum E gGmbH, alle E, die Krankengeschichten über stationäre und ambulante Behandlungen der Klägerin übersandt worden.
Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines internistischen Gutachtens von Dr. N1, C (27.10.2004), und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. T3, Neurologische Klinik des Ev. Krankenhauses V (07.02.2006), sowie der ergänzenden Stellungnahme von Dr. G, Chefarzt der genannten Klinik (07.02.2006). Der Sachverständige N1 hat bezüglich des Herzen-/Kreislaufsystems regelrechte Befunde erhoben und auf eine epileptische Äquivalente als mögliche Ursache für die Stürze hingewiesen. Der Sachverständige T3 hat das Vorliegen epileptischer Anfälle mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verneint. Die Anfälle träten selten, in Abständen von Wochen ohne Bewusstseinsstörungen, in Abständen von Monaten mit Bewusstseinsstörungen auf. Analog der Situation atonischer epileptischer Anfälle liege ein Verlust der Haltungskontrolle und Schutzreflexe zumindest in einem solchen Ausmaß vor, dass sich die Klägerin immer wieder Verletzungen zugezogen habe. Die Kollapszustände bedingten wegen Häufigkeit und nachgewiesener Gefährdung einen GdB von 50. Bei der angegebenen Anfallshäufigkeit sei eine erhebliche Gehbehinderung zu bejahen. Dr. G hat auch die Sehschwäche und die Minderbegabung in die Beurteilung der Frage nach einer erheblichen Gehbehinderung mit einbezogen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 06.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2001 ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts rechtmäßig.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G".
Gemäß § 146 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (ob durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Eine übliche Wegstrecke ist eine solche von 2 km, die bei normalem Gehtempo (ca. 4 km/h) in etwa 30 Minuten zurückgelegt wird (BSG, Urteile vom 13.08.1997 - 9 Rvs 1/96 - und vom 27.08.1998 - B 9 SB 13/97 R -).
Nach der Nr. 30 Abs. 3 bis 5 der AHP, denen im Interesse einer objektiven und objektivierbaren Bewertung und einer am Gleichheitsgebot orientierten Gleichbehandlung normähnliche Wirkung beizumessen ist (BSG, Urteil vom 11.10.1994 - 9 RVs 1/39 -, SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 5), sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, des Knie- und Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen bei dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Bei hirnorganischen Anfällen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70, bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei geistig Behinderten sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr, auf Wegen, die sie nicht alltäglich benutzen, nur schwer zurecht finden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB um 100 immer und mit einem GdB um 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (zu diesen Regelfällen vgl. BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVs 1/96 -).
1. Gesundheitsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat, die ihr Gehvermögen derart einschränken, dass sie nicht in der Lage ist, ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, d.h. Wegstrecken von 2 km bei normalem Gehtempo (ca. 4 km/h) in etwa 30 Minuten, bestehen bei der Klägerin nicht. Denn es liegen weder sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich einen GdB von 50 bedingen und die deshalb dazu führen, dass die Voraussetzungen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr als erfüllt angesehen werden, noch bestehen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirkende Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von 40.
Einen messbaren GdB bedingende Funktionsstörungen an den unteren Extremitäten liegen nach dem Ergebnis der von der Sachverständigen E durchgeführten Begutachtung nicht vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den eingeholten Befundberichten. Es sind lediglich eine diskrete oberflächliche Varicosis an beiden Beinen, eine Fußfehlform, nämlich Senk-/Spreizfußbildung bds. mit deutlicher Hallux valgus- und Krallenzehenausbildung beiderseits, sowie eine beginnende Coxarthrose festgestellt worden. Hinweise für ein kompliziertes Krampfaderleiden - z.B. belastungsabhängige Ödeme oder Hautveränderungen -, das nach den Vorgaben der AHP Nr. 29.9 erst einen messbaren GdB bedingt, sind nicht nachgewiesen. Ebenso wenig verursacht die Fußfehlform einen messbaren GdB, denn von dieser ausgehende statische Auswirkungen bestehen nicht (vgl. AHP Nr. 26.18). An den Hüftgelenken liegt, wie sich aus den von der Sachverständigen E dokumentierten Bewegungsausmaßen ergibt, noch nicht einmal eine Einschränkung geringen Grades vor, die nach den AHP Nr. 26.18 erst einen messbaren GdB bedingt.
Funktionsstörungen an der Lendenwirbelsäule, die das nach in der Nr. 30 Abs. 3 der AHP vorgegebene Ausmaß erreichen, bestehen bei der Klägerin ebenfalls nicht. Zwar treten - bedingt durch den dokumentierten Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5 - wiederkehrend Schmerzsyndrome an der Lendenwirbelsäule auf, die auch ärztliche Behandlungen erforderlich machen. Die Begutachtungen haben jedoch weder eine wesentliche Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule noch radikuläre Ausfallserscheinungen (wie Lähmungen, Gefühlsstörungen, Reflexabschwächungen) im Bereich der unteren Extremitäten ergeben. Angesichts dieser Untersuchungsergebnisse ist lediglich von mittelgradigen Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule auszugehen, die unter Beachtung der Vorgaben der AHP Nr. 26.18 einen GdB von 20 rechtfertigen. Dem steht die Einschätzung der Funktionsstörungen an der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 durch die Sachverständige E nicht entgegen. Denn diese hat in ihre Beurteilung auch die im Bereich der Halswirbelsäule auftretenden Schmerzsyndrome mit einbezogen.
2. Ebenso wenig liegen internistische Leiden vor, die die körperliche Leistungsfähigkeit in dem in den AHP Nr. 30 Abs. 3 vorgegebenen Ausmaß dauernd schwer beeinträchtigen. Weder dem internistischen Gutachten des Sachverständigen N1 noch den vorliegenden ärztlichen Berichten und Krankengeschichten lassen sich dafür Anhaltspunkte entnehmen.
3. Die Vorgaben der AHP Nr. 30 Abs. 4 erfüllt die Klägerin ebenfalls nicht. Denn es liegt schon ein hirnorganisches, insbesondere epileptisches Anfallsleiden nicht vor. Sowohl in dem EEG-Gutachten des Sachverständigen C als auch in dem von dem behandelnden Neurologen Dr. B1 übersandten Bericht über ein am 06.12.2004 erstelltes EEG sowie in dem vom Sachverständigen T3 erstellten EEG werden Hinweise auf eine erhöhte cerebrale Krampfbereitschaft bzw. epilepsietypische Potentiale verneint.
Unabhängig davon, welche Ursache die behaupteten "Anfälle" haben, für deren Auftreten und Ablauf die Klägerin keine Zeugen hat nennen können, kommt auch eine analoge Anwendung der Nr. 30 Abs. 4 der AHP wie bei dem dort ausdrücklich aufgeführten Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks nicht in Betracht. Denn auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Eine mittlere Anfallshäufigkeit ist nach den AHP Nr. 30 Abs. 4 i.V.m. der Nr. 26.3 bei generalisierten (großen) und komplex-fokalen Anfällen mit Pausen von Wochen, bei kleinen und einfach-fokalen Anfällen mit Pausen von Tagen gegeben.
"Anfälle" in dieser Häufigkeit sind nicht nachgewiesen. Die im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben der Klägerin, sie stürze wöchentlich ein- bis zweimal, hat der Senat angesichts der davon abweichenden Angaben der Klägerin gegenüber dem behandelnden Arzt L und gegenüber dem Sachverständigen T3 sowie der Anzahl der dokumentierten ärztlichen Behandlungen wegen der Folgen der "Anfälle" nicht für glaubhaft gehalten.
Wegen Verletzungen, als deren Ursache sie Stürze angegeben hat, ist die Klägerin von Dr. T2 in den Jahren 1999 1 x, 2001 1 x und 2002 2 x) und im Klinikum E gGmbH in den Jahren 2000, 2001 und 2002 jeweils 1 x sowie im Jahr 2003 2 x behandelt worden. Auch den Arzt L hat die Klägerin wegen der Folgen der Stürze bzw. Kollapszustände aufgesucht. Sie hat ihm berichtet, in den Jahren 1999 11 x, 2000 5 x, 2001 5 x, 2002 5 x, 2003 4 x und 2004 (bis zum Berichtszeitpunkt im Mai) 3 x derartige Zustände erlitten zu haben. Gegenüber dem Sachverständigen T3 hat die Klägerin 12 Ereignisse im Jahr 2004, 2 - 3 im Jahr 2005 und ein Ereignis im Jahr 2006 bis zum Begutachtungstermin (24.01.2006) angegeben. Selbst wenn die gegenüber dem Arzt L genannten Ereignisse die im Bericht des Dr. T2 und in der Krankengeschichte des Klinikums E gGmbH aufgeführten nicht mitumfassten sondern diesen noch hinzuzählen wären und ab dem Jahre 2004 die Angaben der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen T3 zugrundgelegt würden, wird eine mittlere Anfallshäufigkeit seit Antragstellung im April 2001 nicht erreicht. Dabei hat der Senat unberücksichtigt gelassen, dass in der Krankengeschichte des Klinikums E gGmbH die Klägerin bei einer der beiden für das Jahr 2003 dokumentierten Aufnahmen als alkoholisiert beschrieben worden und somit ein "Anfall" als Ursache des Sturzes nicht nachgewiesen ist.
Ausgehend von der vorstehend wiedergegebenen Anfallsfrequenz liegen weder - wie bei kleinen und einfach-fokalen Anfällen erforderlich - Pausen von Tagen noch - wie bei generalisierten (großen) und komplex-fokalen Anfällen erforderlich - Pausen von Wochen zwischen den Anfällen, sondern mindestens ein Monat und das auch nur im Jahr 2004. Im Übrigen sind nicht alle "Anfälle" der Klägerin sogenannten großen Anfällen vergleichbar. Dazu können nach den Ausführungen des Sachverständigen T3 nur die zählen, die mit Bewusstlosigkeit einhergehen. Das ist indes - wie dem Bericht des Arztes L zu entnehmen ist - nicht immer der Fall.
4. Desgleichen liegen keine Störungen der Orientierungsfähigkeit vor, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen. Nach den in den AHP Nr. 30 Abs. 5 aufgeführten Regelbeispiele ist eine solche Störung der Orientierungsfähigkeit anzunehmen nicht nur bei einer Sehbehinderung mit einem GdB von wenigstens 70 sondern auch bei einer Sehbehinderung mit einem GdB von 50-60 in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion, wie z.B. eine geistige Behinderung. Diese Voraussetzungen sind schon deshalb nicht erfüllt, weil die Sehminderung der Klägerin lediglich einen GdB von 30 bedingt. Gegen diese Einschätzung hat die Klägerin weder im Verwaltungs- noch Gerichtsverfahren Einwände erhoben.
Ebenso wenig bedingt die mit einem GdB von 30 bewertete leichte Minderbegabung eine Störung der Orientierungsfähigkeit. Diese setzt voraus, dass sich der Behinderte im Straßenverkehr, auf Wegen, die er nicht alltäglich benutzt, nur schwer zurecht finden kann. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall. Zwar wird sie gelegentlich von einer Sozialarbeiterin begleitet, was in der Regel der Fall ist, wenn sie Behördenangelegenheiten zu erledigen oder z. B. Formulare auszufüllen hat. Immerhin war sie in der Lage, den ihr unbekannten Weg von E zum Sachverständigen N1 nach C mit öffentlichen Verkehrsmitteln allein zu bewältigen.
5. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts führen die bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen auch zusammen betrachtet nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Zwar handelt es sich bei den in der Nr. 30 Abs. 3 bis 5 der AHP aufgeführten Fällen um Regelbeispiele, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" als erfüllt anzusehen sind, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können. Die AHP gehen damit für den Nachteilsausgleich "G" ähnlich vor, wie die in die AHP übernommenen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften bei der außergewöhnlichen Gehbehinderung (BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVs 1/96 -, SozR 3-3870 § 60 Nr. 2). Die Klägerin ist nicht wie die in der Nr. 30 Abs. 3 - 5 der AHP beispielhaft aufgeführten Personengruppen in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Wie oben dargelegt, führen bei der Klägerin die Minderung der Sehfähigkeit in Kombination mit der Minderbegabung nicht zur Bejahung der erheblichen Beeinträchtigung im Straßenverkehr. Eine für die Klägerin positive Beurteilung ergibt sich auch nicht unter weiterer Berücksichtigung der Funktionsstörungen an der Lendenwirbelsäule und der "Anfälle". Denn an der Lendenwirbelsäule bestehen lediglich mit einem GdB von 20 zu bewertende wiederkehrende Schmerzzustände bei ansonsten nicht eingeschränkter Beweglichkeit. Ebenso wenig führen die in der oben dargelegten Häufigkeit auftretenden "Anfälle" zu einer gegenseitigen Verstärkung und somit dazu, dass die Klägerin mit erheblichen Schwierigkeiten oder Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs G (erhebliche Gehbehinderung).
Die 1950 geborene Klägerin beantragte am 17.04.2001 zunächst nur die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) wegen Bluthochdrucks und Bandscheibenvorfalles.
Der Beklagte holte von dem Arzt für Orthopädie V B und dem Facharzt für Innere Medizin L Befundberichte (20.04.2001, 10.06.2001) ein, denen zahlreiche ärztliche Berichte über ambulante und stationäre Behandlungen der Klägerin beigefügt waren, und ließ diese durch seinen beratenden Arzt Dr. U auswerten. Dieser beurteilte die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsstörungen wie folgt:
1.Wirbelsäulen-Syndrom, Bandscheibenvorfall, Wirbelkörperbruch-Folgen Osteoporose, Schulter-Arm-Syndrom GdB 30
2.Sehminderung GdB 30
3.Funktionelle Herz-Kreislaufstörungen, Bluthochdruck, rezidivierende Synkopen GdB 20
4.Chronische Bronchitis GdB10
Den Gesamt-GdB bewertete er mit 50.
Dieser Beurteilung folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 06.07.2001 den GdB mit 50 fest.
Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie den Nachteilsausgleich "G" geltend machte, weil sie durch die mit den Krankheiten verbundenen Schmerzen in ihrer körperlichen Aktivität stark eingeschränkt sei, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2001 zurück; den vorliegenden ärztlichen Unterlagen sei zu entnehmen, dass sie in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt sei.
Mit ihrer am 11.09.2001 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" weiter verfolgt und unter Übersendung von Bescheinigungen des Arztes für Chirurgie Dr. L1, Katholisches Krankenhaus E-West, und des Dr. B insbesondere auf rezidivierende Kollapszustände und die daraus resultierenden Verletzungen hingewiesen. Sie stürze ein- bis zweimal die Woche und zum Teil verletze sie sich dabei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2001 zu verurteilen, bei ihr das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" ab April 2001 festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat den angefochtenen Bescheid weiterhin für zutreffend gehalten. Es lägen nur eine leichte Sehbehinderung und eine leicht ausgeprägte Intelligenzminderung vor, so dass keineswegs von einer erheblichen Störung der Ausgleichsfunktion gesprochen werden könne. Sich auf die Herz-/Kreislaufsituation beziehende Veränderungen seien nicht nachgewiesen.
Das Sozialgericht Dortmund hat Beweis erhoben durch Einholung des Berichtes des Katholischen Krankenhauses E über den stationären Aufenthalt der Klägerin im Dezember 2000 (24.04.2002) wegen Lumboischialgie mit Wurzelreizung L 5 rechts sowie des chirurgischen Gutachtens der Ärztin Dr. E (03.09.2002), deren abschließender Stellungnahme (07.01.2003) und des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Arztes Dr. C (10.12.2002).
Der Sachverständige C hat den Auswirkungen der chronifizierten Lumbago bei Bandscheibenvorfall L4/5, verbunden mit glaubhaften erheblichen Schmerzen, einen GdB von 20 beigemessen. Ferner hat er eine intellektuelle Minderbegabung (leichte Intelligenzminderung) mit einem GdB von 30 festgestellt. Die Funktionsstörungen der Lendenwirbelsäule verursachten erhebliche Schmerzen beim Gehen einer Strecke auch nur von einem Kilometer. Die funktionelle Einäugigkeit der Klägerin führe dazu, dass sie Entfernungen nicht richtig abschätzen könne, unsicher bei Straßenübergängen oder in gefährlichen Situationen sei. Diese Unsicherheit werde noch durch die leichte intellektuelle Minderbegabung verstärkt, da die Klägerin nicht in der Lage sei, sich plötzlichen Änderungen der Verkehrslage besonders schnell anzupassen. Außerdem kämen noch dokumentierte häufige Kollapszustände hinzu, so dass die Klägerin häufig aufgrund eines Kreislaufversagens stürze. Die genannten Gesundheitsstörungen verstärkten sich gegenseitig so sehr, dass eine relevante Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr bestehe.
Die Sachverständige E hat mäßige, die Altersnorm nicht wesentlich überschreitende funktionelle Defizite der gesamten Wirbelsäule ohne Nervenwurzelreizerscheinungen oder neurologische Auffälligkeiten beschrieben. Der gesamte Bewegungsablauf sei flüssig und sicher und in keiner Form durch eine sogenannte Wirbelsäulenschonhaltung gekennzeichnet. Das Gangbild zu ebener Erde sei nicht beeinträchtigt. Anzeichen für eine myostatische Insuffizienz oder höherwertige Gleichgewichtsstörung hat die Sachverständige verneint. Den wiederkehrenden Wirbelsäulensyndromen auf dem Boden von degenerativen Veränderungen und von Deckplatteneinbrüchen bei Kalksalzminderung hat sie einen GdB von 30 beigemessen und aus ihrer Sicht eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr verneint.
Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 13.08.2003 antragsgemäß verurteilt; wegen der besonders ungünstigen Kombination der bei ihr vorliegenden sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Erkrankungen sei die Klägerin außerstande, ortsübliche Wegstrecken in angemessener Zeit zurück zu legen.
Gegen das am 15.09.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 02.10.2003 Berufung eingelegt und unter Übersendung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. N (23.09.2003 und 29.11.2004), sowie des Dr. T (20.06.2006 und 27.09.2006) vorgetragen, die Sachverständige E habe verdeutlicht, dass aus rein chirurgisch-orthopädischer Sicht die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht zu rechtfertigen sei. Hinsichtlich der funktionellen Einäugigkeit, der leichten intellektuellen Minderbegabung sowie der Kollapszustände werde auf die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz bzw. Schwerbehindertenrecht" (AHP) Nr. 30 Abs. 4 und 5 hingewiesen, deren Vorgaben die Klägerin nicht erfülle. Hirnorganische Anfälle rechtfertigten die Zuerkennung des Nachteilausgleichs "G" erst dann, wenn eine mittlere Anfallshäufigkeit überwiegend am Tage bejaht werden könnte. Ein derartiges Krankheitsbild sei bei der Klägerin nicht gegeben. Wolle man die Zuerkennung des Merkzeichens "G" mit einer Störung der Orientierungsfähigkeit rechtfertigen, müsse eine hochgradige Sehbehinderung oder eine hochgradige geistige Behinderung vorliegen, was nicht der Fall sei.
Der Beklagte hat beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.08.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.08.2003 zurückzuweisen.
Sie hat sich auf die Bescheinigung des Arztes L (12.12.2003) gestützt, der Befunde über Langzeitblutdruckmessungen und Langzeit-EKGs beigefügt waren. Der Arzt L hat die hohen und niedrigen Blutdruckwerte sowie den niedrigen und hohen Puls als Ursache für die Bewusstseinsverluste angesehen. Trotz Anpassung der Medikation könnten erneut auftretende Bewusstseinsverluste mit Stürzen nicht ausgeschlossen werden. Außerdem hat die Klägerin ein Schreiben der Dipl. Sozialarbeiterin G1 (23.08.2005) vorgelegt, die sie seit Mai 2002 bei unterschiedlichen Angelegenheiten, in erster Linie in Überforderungssituationen, unterstütze. Zu den behaupteten Stürzen hat die Klägerin in dem Erörterungstermin am 02.02.2005 erklärt, sie stürze nur außerhalb der Wohnung. Vor einem Sturz werde ihr schwindelig. Da sie sich immer ohne Begleitung außerhalb der Wohnung bewege, hätten sie auch nur fremde Menschen stürzen sehen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten von Dr. B (04.05.2004), dem Neurologen und Psychiater Dr. B1 (05.05.2004, 06.12.2005), den Fachärzten für Chirurgie und Unfallchirurgie Dres. T1/C1 (15.05.2004) sowie von Dr. T2 (26.05.2004), der die Klägerin auch wegen der Folgen von Stürzen behandelt hat. Kollapsähnliche Zustände/Synkopen haben die genannten Ärzte weder beobachtet noch sind ihnen solche von der Klägerin berichtet worden. Der behandelnde Arzt L hat in dem von ihm erstatteten Befundbericht (21.05.2004), dem weitere Untersuchungsergebnisse, auch Fremdbefunde, beigefügt waren, berichtet, er selbst habe keine kollapsähnlichen Zustände beobachtet, jedoch sei die Klägerin nach solchen Ereignissen zu ihm zur Behandlung gekommen. Ferner hat er die Daten genannt, an denen ihm die Klägerin von Kollapszuständen berichtet habe.
Vom Katholischen Krankenhaus und der Westfälischen Klinik für Psychiatrie sind Arztbriefe sowie vom Hüttenhospital, vom Knappschaftskrankenhaus und vom Klinikum E gGmbH, alle E, die Krankengeschichten über stationäre und ambulante Behandlungen der Klägerin übersandt worden.
Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines internistischen Gutachtens von Dr. N1, C (27.10.2004), und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. T3, Neurologische Klinik des Ev. Krankenhauses V (07.02.2006), sowie der ergänzenden Stellungnahme von Dr. G, Chefarzt der genannten Klinik (07.02.2006). Der Sachverständige N1 hat bezüglich des Herzen-/Kreislaufsystems regelrechte Befunde erhoben und auf eine epileptische Äquivalente als mögliche Ursache für die Stürze hingewiesen. Der Sachverständige T3 hat das Vorliegen epileptischer Anfälle mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verneint. Die Anfälle träten selten, in Abständen von Wochen ohne Bewusstseinsstörungen, in Abständen von Monaten mit Bewusstseinsstörungen auf. Analog der Situation atonischer epileptischer Anfälle liege ein Verlust der Haltungskontrolle und Schutzreflexe zumindest in einem solchen Ausmaß vor, dass sich die Klägerin immer wieder Verletzungen zugezogen habe. Die Kollapszustände bedingten wegen Häufigkeit und nachgewiesener Gefährdung einen GdB von 50. Bei der angegebenen Anfallshäufigkeit sei eine erhebliche Gehbehinderung zu bejahen. Dr. G hat auch die Sehschwäche und die Minderbegabung in die Beurteilung der Frage nach einer erheblichen Gehbehinderung mit einbezogen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 06.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2001 ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts rechtmäßig.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G".
Gemäß § 146 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (ob durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Eine übliche Wegstrecke ist eine solche von 2 km, die bei normalem Gehtempo (ca. 4 km/h) in etwa 30 Minuten zurückgelegt wird (BSG, Urteile vom 13.08.1997 - 9 Rvs 1/96 - und vom 27.08.1998 - B 9 SB 13/97 R -).
Nach der Nr. 30 Abs. 3 bis 5 der AHP, denen im Interesse einer objektiven und objektivierbaren Bewertung und einer am Gleichheitsgebot orientierten Gleichbehandlung normähnliche Wirkung beizumessen ist (BSG, Urteil vom 11.10.1994 - 9 RVs 1/39 -, SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 5), sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, des Knie- und Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen bei dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Bei hirnorganischen Anfällen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70, bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei geistig Behinderten sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr, auf Wegen, die sie nicht alltäglich benutzen, nur schwer zurecht finden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB um 100 immer und mit einem GdB um 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (zu diesen Regelfällen vgl. BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVs 1/96 -).
1. Gesundheitsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat, die ihr Gehvermögen derart einschränken, dass sie nicht in der Lage ist, ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, d.h. Wegstrecken von 2 km bei normalem Gehtempo (ca. 4 km/h) in etwa 30 Minuten, bestehen bei der Klägerin nicht. Denn es liegen weder sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich einen GdB von 50 bedingen und die deshalb dazu führen, dass die Voraussetzungen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr als erfüllt angesehen werden, noch bestehen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirkende Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von 40.
Einen messbaren GdB bedingende Funktionsstörungen an den unteren Extremitäten liegen nach dem Ergebnis der von der Sachverständigen E durchgeführten Begutachtung nicht vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den eingeholten Befundberichten. Es sind lediglich eine diskrete oberflächliche Varicosis an beiden Beinen, eine Fußfehlform, nämlich Senk-/Spreizfußbildung bds. mit deutlicher Hallux valgus- und Krallenzehenausbildung beiderseits, sowie eine beginnende Coxarthrose festgestellt worden. Hinweise für ein kompliziertes Krampfaderleiden - z.B. belastungsabhängige Ödeme oder Hautveränderungen -, das nach den Vorgaben der AHP Nr. 29.9 erst einen messbaren GdB bedingt, sind nicht nachgewiesen. Ebenso wenig verursacht die Fußfehlform einen messbaren GdB, denn von dieser ausgehende statische Auswirkungen bestehen nicht (vgl. AHP Nr. 26.18). An den Hüftgelenken liegt, wie sich aus den von der Sachverständigen E dokumentierten Bewegungsausmaßen ergibt, noch nicht einmal eine Einschränkung geringen Grades vor, die nach den AHP Nr. 26.18 erst einen messbaren GdB bedingt.
Funktionsstörungen an der Lendenwirbelsäule, die das nach in der Nr. 30 Abs. 3 der AHP vorgegebene Ausmaß erreichen, bestehen bei der Klägerin ebenfalls nicht. Zwar treten - bedingt durch den dokumentierten Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5 - wiederkehrend Schmerzsyndrome an der Lendenwirbelsäule auf, die auch ärztliche Behandlungen erforderlich machen. Die Begutachtungen haben jedoch weder eine wesentliche Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule noch radikuläre Ausfallserscheinungen (wie Lähmungen, Gefühlsstörungen, Reflexabschwächungen) im Bereich der unteren Extremitäten ergeben. Angesichts dieser Untersuchungsergebnisse ist lediglich von mittelgradigen Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule auszugehen, die unter Beachtung der Vorgaben der AHP Nr. 26.18 einen GdB von 20 rechtfertigen. Dem steht die Einschätzung der Funktionsstörungen an der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 durch die Sachverständige E nicht entgegen. Denn diese hat in ihre Beurteilung auch die im Bereich der Halswirbelsäule auftretenden Schmerzsyndrome mit einbezogen.
2. Ebenso wenig liegen internistische Leiden vor, die die körperliche Leistungsfähigkeit in dem in den AHP Nr. 30 Abs. 3 vorgegebenen Ausmaß dauernd schwer beeinträchtigen. Weder dem internistischen Gutachten des Sachverständigen N1 noch den vorliegenden ärztlichen Berichten und Krankengeschichten lassen sich dafür Anhaltspunkte entnehmen.
3. Die Vorgaben der AHP Nr. 30 Abs. 4 erfüllt die Klägerin ebenfalls nicht. Denn es liegt schon ein hirnorganisches, insbesondere epileptisches Anfallsleiden nicht vor. Sowohl in dem EEG-Gutachten des Sachverständigen C als auch in dem von dem behandelnden Neurologen Dr. B1 übersandten Bericht über ein am 06.12.2004 erstelltes EEG sowie in dem vom Sachverständigen T3 erstellten EEG werden Hinweise auf eine erhöhte cerebrale Krampfbereitschaft bzw. epilepsietypische Potentiale verneint.
Unabhängig davon, welche Ursache die behaupteten "Anfälle" haben, für deren Auftreten und Ablauf die Klägerin keine Zeugen hat nennen können, kommt auch eine analoge Anwendung der Nr. 30 Abs. 4 der AHP wie bei dem dort ausdrücklich aufgeführten Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks nicht in Betracht. Denn auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Eine mittlere Anfallshäufigkeit ist nach den AHP Nr. 30 Abs. 4 i.V.m. der Nr. 26.3 bei generalisierten (großen) und komplex-fokalen Anfällen mit Pausen von Wochen, bei kleinen und einfach-fokalen Anfällen mit Pausen von Tagen gegeben.
"Anfälle" in dieser Häufigkeit sind nicht nachgewiesen. Die im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben der Klägerin, sie stürze wöchentlich ein- bis zweimal, hat der Senat angesichts der davon abweichenden Angaben der Klägerin gegenüber dem behandelnden Arzt L und gegenüber dem Sachverständigen T3 sowie der Anzahl der dokumentierten ärztlichen Behandlungen wegen der Folgen der "Anfälle" nicht für glaubhaft gehalten.
Wegen Verletzungen, als deren Ursache sie Stürze angegeben hat, ist die Klägerin von Dr. T2 in den Jahren 1999 1 x, 2001 1 x und 2002 2 x) und im Klinikum E gGmbH in den Jahren 2000, 2001 und 2002 jeweils 1 x sowie im Jahr 2003 2 x behandelt worden. Auch den Arzt L hat die Klägerin wegen der Folgen der Stürze bzw. Kollapszustände aufgesucht. Sie hat ihm berichtet, in den Jahren 1999 11 x, 2000 5 x, 2001 5 x, 2002 5 x, 2003 4 x und 2004 (bis zum Berichtszeitpunkt im Mai) 3 x derartige Zustände erlitten zu haben. Gegenüber dem Sachverständigen T3 hat die Klägerin 12 Ereignisse im Jahr 2004, 2 - 3 im Jahr 2005 und ein Ereignis im Jahr 2006 bis zum Begutachtungstermin (24.01.2006) angegeben. Selbst wenn die gegenüber dem Arzt L genannten Ereignisse die im Bericht des Dr. T2 und in der Krankengeschichte des Klinikums E gGmbH aufgeführten nicht mitumfassten sondern diesen noch hinzuzählen wären und ab dem Jahre 2004 die Angaben der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen T3 zugrundgelegt würden, wird eine mittlere Anfallshäufigkeit seit Antragstellung im April 2001 nicht erreicht. Dabei hat der Senat unberücksichtigt gelassen, dass in der Krankengeschichte des Klinikums E gGmbH die Klägerin bei einer der beiden für das Jahr 2003 dokumentierten Aufnahmen als alkoholisiert beschrieben worden und somit ein "Anfall" als Ursache des Sturzes nicht nachgewiesen ist.
Ausgehend von der vorstehend wiedergegebenen Anfallsfrequenz liegen weder - wie bei kleinen und einfach-fokalen Anfällen erforderlich - Pausen von Tagen noch - wie bei generalisierten (großen) und komplex-fokalen Anfällen erforderlich - Pausen von Wochen zwischen den Anfällen, sondern mindestens ein Monat und das auch nur im Jahr 2004. Im Übrigen sind nicht alle "Anfälle" der Klägerin sogenannten großen Anfällen vergleichbar. Dazu können nach den Ausführungen des Sachverständigen T3 nur die zählen, die mit Bewusstlosigkeit einhergehen. Das ist indes - wie dem Bericht des Arztes L zu entnehmen ist - nicht immer der Fall.
4. Desgleichen liegen keine Störungen der Orientierungsfähigkeit vor, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen. Nach den in den AHP Nr. 30 Abs. 5 aufgeführten Regelbeispiele ist eine solche Störung der Orientierungsfähigkeit anzunehmen nicht nur bei einer Sehbehinderung mit einem GdB von wenigstens 70 sondern auch bei einer Sehbehinderung mit einem GdB von 50-60 in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion, wie z.B. eine geistige Behinderung. Diese Voraussetzungen sind schon deshalb nicht erfüllt, weil die Sehminderung der Klägerin lediglich einen GdB von 30 bedingt. Gegen diese Einschätzung hat die Klägerin weder im Verwaltungs- noch Gerichtsverfahren Einwände erhoben.
Ebenso wenig bedingt die mit einem GdB von 30 bewertete leichte Minderbegabung eine Störung der Orientierungsfähigkeit. Diese setzt voraus, dass sich der Behinderte im Straßenverkehr, auf Wegen, die er nicht alltäglich benutzt, nur schwer zurecht finden kann. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall. Zwar wird sie gelegentlich von einer Sozialarbeiterin begleitet, was in der Regel der Fall ist, wenn sie Behördenangelegenheiten zu erledigen oder z. B. Formulare auszufüllen hat. Immerhin war sie in der Lage, den ihr unbekannten Weg von E zum Sachverständigen N1 nach C mit öffentlichen Verkehrsmitteln allein zu bewältigen.
5. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts führen die bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen auch zusammen betrachtet nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Zwar handelt es sich bei den in der Nr. 30 Abs. 3 bis 5 der AHP aufgeführten Fällen um Regelbeispiele, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" als erfüllt anzusehen sind, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können. Die AHP gehen damit für den Nachteilsausgleich "G" ähnlich vor, wie die in die AHP übernommenen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften bei der außergewöhnlichen Gehbehinderung (BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVs 1/96 -, SozR 3-3870 § 60 Nr. 2). Die Klägerin ist nicht wie die in der Nr. 30 Abs. 3 - 5 der AHP beispielhaft aufgeführten Personengruppen in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Wie oben dargelegt, führen bei der Klägerin die Minderung der Sehfähigkeit in Kombination mit der Minderbegabung nicht zur Bejahung der erheblichen Beeinträchtigung im Straßenverkehr. Eine für die Klägerin positive Beurteilung ergibt sich auch nicht unter weiterer Berücksichtigung der Funktionsstörungen an der Lendenwirbelsäule und der "Anfälle". Denn an der Lendenwirbelsäule bestehen lediglich mit einem GdB von 20 zu bewertende wiederkehrende Schmerzzustände bei ansonsten nicht eingeschränkter Beweglichkeit. Ebenso wenig führen die in der oben dargelegten Häufigkeit auftretenden "Anfälle" zu einer gegenseitigen Verstärkung und somit dazu, dass die Klägerin mit erheblichen Schwierigkeiten oder Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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