L 9 SO 25/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 16 (2) SO 58/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 25/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.11.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1967 geborene, voll erwerbsgeminderte Kläger begehrt die Übernahme von Genossenschaftsanteilen als Zuschuss.

Er bezieht seit Januar 2005 Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Nach der Trennung von seiner Ehefrau im Januar 2006 mietete der Kläger zum 01.05.2006 mit Zustimmung der Beklagten eine 40,22 m² große Wohnung im Haus G 00, P. Am 07.04.2006 beantragte er die für die Anmietung der neuen Wohnung erforderliche Übernahme der Kosten zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen i. H. v. insgesamt 880,00 Euro (820,00 Euro Anteile zuzüglich 60,00 Euro Eintrittsgeld) als Darlehen, was ihm die Beklagte mit Bescheid vom 09.05.2006 bewilligte.

Den hiergegen per E-Mail eingelegten Widerspruch vom 12.05.2006, mit dem der Kläger die Übernahme der Kosten als Zuschuss begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2006, zugestellt am 12.06.2006, mit der Begründung als unbegründet zurück, dass nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII der Sozialhilfeträger über die Art der Hilfegewährung nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden habe. Als Hilfe werde die Übernahme von Aufwendung für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen begehrt. Im Gegensatz zu vielen anderen Bedarfslagen gehe hier die Hilfe wirtschaftlich nicht verloren; es handle sich somit nicht um einen "Verbrauch" wie bei den monatlichen Mietzinszahlungen. Vergleichbar der Mietkaution erhalte der Kläger die Aufwendungen bei Verlassen der Wohnung zurück. Da die Aufwendungen nicht verbraucht, sondern lediglich hinterlegt würden, sei die Hilfegewährung als Zuschuss nicht gerechtfertigt.

Die hiergegen am 14.06.2006 ohne Begründung erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 22.11.2006 abgewiesen. Es hat vor einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und ist der Begründung im Widerspruchsbescheid gefolgt. Ergänzend hat das SG darauf hingewiesen, dass der Kläger durch den Bescheid vom 09.05.2006 nicht beschwert sei. Denn er habe mit seinem Antrag vom 07.04.2006 die darlehensweise Übernahme der Genossenschaftsanteile beantragt und genau dies erhalten. Damit habe die Beklagte dem Antrag des Klägers vollumfänglich entsprochen.

Das Urteil ist dem Kläger am 27.11.2006 zugestellt worden. Mit nicht unterschriebener, an das SG Duisburg gerichteter E-Mail vom 05.12.2006 hat der Kläger hiergegen "Rechtsmittel/Berufung/Beschwerde" eingelegt. Nach Weiterleitung dieser E-Mail an das Landessozialgericht hat die Berichterstatterin den Kläger mit Schreiben vom 13.12.2006 darauf hingewiesen, dass die am 06.12.2006 bei dem Sozialgericht Duisburg eingegangenen Schriftsätze (Absender: "xxx@.net") die Frist zur Berufungseinlegung nach § 151 SGG nicht wahrten (vgl. §§ 65 a, 108 a Abs. 1 Satz 1 SGG). Auf die Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Urteile werde Bezug genommen.

Mit weiterer E-Mail vom 15.12.2006, in die er seine nach eigenen Angaben eigenhändige Unterschrift eingescannt hat, hat der Kläger diese Ausführungen für falsch gehalten. Er habe sich eindeutig an die Rechtsmittelbelehrung des Urteils gehalten. Der Kläger hat sich ferner mit E-Mails vom 14.12.2006 und 27.12.2006, die teilweise seine eingescannte Unterschrift enthalten, an das Landessozialgericht gewandt. Mit Fax vom 24.02.2007 teilt er mit, dass es bei seinen "Eingaben/Anträgen" verbleibe.

Dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.11.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2006 zu verurteilen, ihm die Genossenschaftsanteile für seine Wohnung im Haus G 00, P als Zuschuss zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unzulässig, weil der Kläger sie nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen oder beim Sozialgericht Duisburg eingelegt hat (§ 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz/SGG).

Zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle hat der Kläger die Berufung ersichtlich nicht eingelegt. Die innerhalb der bis zum 27.12.2006 dauernden Berufungsfrist (§§ 151 Abs. 1, Abs. 2 SGG, 64 SGG, 3 Verwaltungszustellungsgesetz/VwZG, 180 Zivilprozessordnung/ZPO) beim Sozialgericht Duisburg und beim Landessozialgericht eingegangenen Äußerungen des Klägers wahren auch die erforderliche Schriftform nicht.

Hierbei kann dahin stehen, ob die Berufungsschrift zu unterschreiben ist oder ob es sich gemäß §§ 153 Abs. 1, 92 Satz 2 SGG um eine bloße Sollvorschrift handelt (dazu Zeihe, Kommentar zum SGG, Rn. 5 b zu § 151 SGG). Denn insoweit reicht die vom Kläger innerhalb der Berufungsfrist eingescannte Unterschrift aus, weil die Übersendung des eigenhändig gezeichneten Originals nicht unbedingt erforderlich ist (Zeihe, a. a. O., Rn. 5 k zu § 151 SGG).

Die Berufung ist allerdings deshalb wegen fehlender Schriftform unzulässig, weil der Kläger innerhalb der aufgrund der richtigen Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG einmonatigen Berufungsfrist sämtliche Äußerungen lediglich per E-Mail übersandt hat.

Bei der E-Mail handelt es sich um ein elektronisches Dokument (Zeihe, a. a. O., Rn. 5 zu § 151 SGG und Rn. 11 a zu § 174 ZPO). Damit ist § 65 a SGG anwendbar, der auch für bestimmende Schrifsätze gilt (Zeihe, a. a. O., Rn. 1 c zu § 151 SGG). Dessen Abs. 1 Satz 1 bestimmt:

"Die Beteiligten können dem Gericht elektronische Dokumente übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierungen zugelassen worden ist."

Ohne eine solche Zulassung besteht die rechtliche Möglichkeit zur verfahrenserheblichen Kommunikation mit dem Gericht demnach nicht (so auch Zeihe, a. a. O., Rn. 15 zu § 65 SGG). Eine entsprechende Rechtsverordnung für den Zuständigkeitsbereich der Sozialgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen besteht jedoch nicht. Deshalb hat der Kläger durch die übersandten E-Mails die Berufung nicht formgerecht eingelegt.

Demgegenüber wahrt das an das Sozialgericht Duisburg gerichtete, die eingescannte Unterschrift des Klägers enthaltende Telefax vom 24.02.2007 zwar die Schriftform, ist aber außerhalb der Berufungsfrist eingegangen.

Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung gemäß § 67 SGG in die versäumte Berufungsfrist zu gewähren. Hierbei kann dahinstehen, ob Wiedereinsetzung bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil § 67 SGG nur die Wiedereinsetzung in versäumte Fristen, nicht aber die Heilung von Formverstößen ermöglicht (so Zeihe, a. a. O., Rn. 5 f zu § 151 SGG; a. A. Keller in Meyer-Ladewig u. a., 8. Auflage, 2005, Rn. 2 a zu § 67 SGG). Jedenfalls war der Kläger nicht ohne Verschulden gehindert, die Berufungsfrist durch rechtzeitige Vorlage eines formgerechten Schriftsatzes zu wahren. Die Berichterstatterin hat den Kläger nämlich mit Schreiben vom 13.12.2006 und damit innerhalb der Berufungsfrist darauf hingewiesen, dass die Berufungseinlegung per E-Mail die Frist eben nicht wahrt.

Die Berufung hat auch in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger ist bereits - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - nicht beschwert, weil die Beklagte seinem Antrag auf darlehensweise Gewährung der begehrten Leistung entsprochen hat. Da die Leistungen bei Erwerbsminderung gewährt wird (dem Kläger wurde rückwirkend ab 2002 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung vom Träger der Rentenversicherung zuerkannt), gilt das Antrags- und nicht das Kenntnisprinzip (vgl. § 18 Abs. 1 SGB XII und Grube/Warendorf, Kommentar zum SGB XII, Rn. 2 zu § 37 SGB II).

Überdies hat der Kläger ohnehin keinen Anspruch auf Gewährung der Genossenschaftsanteile als Zuschuss. Als Anspruchsgrundlage hierfür kommt allein § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII in Betracht, weil darunter auch Wohnungsbeschaffungskosten fallen (Grube, a. a. O., Rn. 56 zu § 29 SGB XII). Bereits zum insoweit gleichlautenden § 3 Abs. 1 Satz 5 der Regelsatzverordnung war aber anerkannt, dass die darlehensweise Übernahme von Genossenschaftsanteilen zur Bedarfsdeckung ausreicht, weil diese Anteile wirtschaftlich nicht verloren gehen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 25.07.2002, Az.: 4 LA 145/02, Rn. 14). Dieser Rechtsprechung folgt der Senat nach eigener Überprüfung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Gründe nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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