L 11 B 12/07 KA ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KA 38/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 B 12/07 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 27.04.2007 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über eine weitere Zulassung des Antragstellers (Ast) als Vertragszahnarzt nach Vollendung seines 68. Lebensjahres.

Der am 00.00.1939 geborene Ast war seit Juli 1970 zunächst in E, seit dem 01.04.1974 in V zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit Beschluss vom 28.02.2007 stellte der Zulassungsausschuss für Zahnärzte für den Bezirk Westfalen-Lippe fest, dass die Zulassung des Ast gemäß § 97 Abs. 7 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i. V. m. § 28 Abs. 1 Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (ZV-Zahnärzte) mit Wirkung vom 01.04.2007 ende. Mit seinem Widerspruch machte der Ast geltend, der Antragsgegner (Ag) sei selbst verpflichtet, § 95 Abs. 7 SGB V nicht anzuwenden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe entschieden, dass das Diskriminierungsverbot wegen Alters Ausfluss des Gleichbehandlungsgebotes sei, das als fundamentales Grundrecht in der Vertragsstaaten enthalten sei und sich nicht nur aus der Richtlinie 2000/78/EG (Amtsblatt L 303/16 vom 02.12.2000) ergebe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) habe jede staatliche Gewalt den Unanwendbarkeitsanspruch des Europarechts zu beachten, das die Anwendung nationaler Normen ausschließe, die im Widerspruch zu europarechtlichen Regelungen stünden. Soweit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner bisherigen Rechtsprechung die Zulässigkeit von Altersgrenzen damit begründet habe, dass Ältere nach allgemeiner Lebenserfahrung mehr Fehler als Jüngere machten, sei diese Annahme falsch und widerspreche Erkenntnissen der modernen Alterswissenschaften. Dieser Aspekt sei somit kein sachlicher Grund für die Altersgrenze. Nachdem für die Vertragszahnärzte keine Zulassungsbeschränkungen mehr bestünden, könne die Altersgrenze nur unter dem Gesichtspunkte der Beschäftigungspolitik gerechtfertigt sein. Insoweit bestünden Bedenken gegen eine Bevorzugung jüngerer Zahnärzte, zumal durch die Altersgrenzenregelung die Vererbbarkeit des vom Zahnarzt erarbeiteten Wertes der Praxis verhindert werde. Angesichts der zunächst offenen Rechtslage sei er mindestens noch zwei Jahre zur vertragszahnärztlichen Versorgung zuzulassen.

Da der Ag eine Entscheidung über den Widerspruch erst für den 30.05.2007 vorgesehen hatte, hat der Ast am 26.04.2007 beantragt, den Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig für zwei Jahre zuzulassen. Zur Begründung hat er vorgetragen, nach der Rechtsprechung des EuGH habe jede Diskriminierung wegen Alters zu unterbleiben, es sei denn, dass sich im konkreten Fall eine Rechtfertigung im Rahmen von legitimen staatlichen Zielen ergebe. Insoweit habe sich die Rechtslage seit den früheren Entscheidungen des BVerfG und des Bundessozialgericht (BSG) geändert. Auf Grund der Rechtsentwicklung, insbesondere wegen des Wegfalls von Zulassungsbeschränkungen im vertragszahnärztlichen Bereich, sei eine Altersbegrenzung für die freiberufliche Tätigkeit nicht mehr zulässig. Unter Hinweis auf ein Schreiben des Berichterstatters in einem beim 6. Senat des BSG anhängigen Verfahren zur Altersgrenze von Vertrags(zahn)ärzten, wonach das BSG die Entscheidung des EuGH in einem dort anhängigen Verfahren zu tarifvertraglichen Altersgrenzen abwarten wolle, hat er gemeint, dass auch das BSG offenbar die Rechtslage als nicht eindeutig ansehe. Von daher sei der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten, um Schaden abzuwehren. Bereits jetzt verliere er laufend Patienten.

Mit Beschluss vom 27.04.2007 hat das Sozialgericht den Antrag zurückgewiesen. Da der Gesetzgeber trotz der vorgenommenen Änderung im Vertragsarztrecht an der Altersgrenze festgehalten habe, sei dieser aktualisierte gesetzgeberische Wille zu beachten. Es bestehe kein Anlass zur Durchbrechung der bisher zur Altersgrenze ergangenen Rechtsprechung.

Dagegen hat der Ast am 15.05.2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Er rügt, die Entscheidung des Sozialgerichts missachte europäisches Recht und verletze ihn in seinem Anspruch auf Nichtdiskriminierung wegen Alters. Die Richtlinie der EG 2000/78/EG sei inzwischen in nationales Recht umgesetzt worden. Auch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ((AGG) vom 14.08.2006, BGBl. I, 1897) sei eine Diskriminierung wegen des Alters nur zulässig, wenn Rechtfertigungsgründe vorlägen. Tragfähige Rechtfertigungsgründe ergäben sich nicht aus den bisher zur Altersgrenze ergangenen Entscheidungen, so dass heute keine Entscheidung auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung getroffen werden könne. Das Sozialgericht habe die Normenkonkurrenz zwischen dem AGG und dem SGB V bzw. der Richtlinie 2000/78/EG und dem Sozialversicherungsrecht verkannt. Diskriminierende Bestimmungen dürften nicht angewandt werden. Dabei wirke die Richtlinie über das AGG hinaus, wenn die Richtlinie nicht ausreichend in deutsches Recht umgesetzt worden sei. Die Altersgrenze für Vertrags(zahn)ärzte stehe in Konkurrenz zu dem vom EuGH postulierten Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung. Dabei habe der EuGH deutlich gemacht, dass auch dann, wenn ein Eingriff auf innerstaatlicher Grundlage dadurch erfolgte, dass eine Altersgrenze ohne Heranziehung weiterer Kriterien angewandt werde, ein Verstoß gegen europäisches Recht vorliege. Der Ast hat zur Untermauerung seiner Ansicht eine gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. F vorgelegt, der in dem Ausschluss von der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung ab Vollendung des 68. Lebensjahres eine von § 1 AGG im Einklang mit EG-Recht verbotene Altersdiskriminierung sieht. Angesichts der offenen Rechtslage sei eine Entscheidung über den Antrag auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu treffen. Die Versorgung der Patienten sei durch seine weitere Zulassung nicht gefährdet. Auf der anderen Seite verliere er seine Patienten, wenn er aus der vertragszahnärztlichen Versorgung ausscheiden müsse. Wenn er im Hauptsacheverfahren obsiege, sei auf Schadenersatzansprüche angewiesen, wenn er schon jetzt seine berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben dürfe.

Der Ast beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 27.04.2007 abzuändern und den Ag zu verpflichten, ihn über den 31.03.2007 hinaus an der vertragszahnärztlichen Versorgung vorläufig für die Dauer von zwei Jahren teilnehmen zu lassen.

Der Ag beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat während des Beschwerdeverfahrens mit Beschluss vom 30.05.2007 den Widerspruch des Ast gegen den Beschluss des Zulassungsausschuss vom 28.02.2007 zurückgewiesen.

Ein Anordnungsanspruch sei zu verneinen, weil gemäß § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V die Zulassung des Ast kraft Gesetzes geendet habe. Er - der Ag - sei nicht befugt, der Frage eines Verstoßes dieser Vorschrift gegen europäisches Recht nachzugehen. Das Gericht habe zu prüfen, ob erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht bestünden und eine Vorlage an den EuGH in Betracht komme.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) halten die Beschwerde für unbegründet, da die Altersgrenze durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht abgelehnt, die Ag zur weiteren Zulassung des Ast an der vertragszahnärztlichen Versorgung zu verpflichten.

A. 1.Zutreffend hat der Ast den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt, um den Ag zu verpflichten, ihn vorläufig weiter zur vertragszahnärztlichen Versorgung zuzulassen. Ein Fall des § 86 a Abs. 1 SGG liegt nämlich nicht vor. Der Ast kann die Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung ab dem 01.04.2007 nicht schon deshalb beanspruchen, weil gemäß § 86 a Abs. 1 SGG sein Widerspruch bzw. die (zu erwartende) Klage gegen den Beschluss vom 30.05.2007 aufschiebende Wirkung hat. Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage auch bei feststellenden Verwaltungsakten aufschiebende Wirkung (§ 86 a Abs. 1 Satz 2 SGG). Bei vordergründiger Betrachtung scheint daher die Entscheidung der Zulassungsgremien vorläufig keine Wirkung zu entfalten. Dabei bliebe aber unbeachtet, dass § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V die Zulassung des Vertrags(zahn)arztes kraft Gesetzes endet, also ohne dass es einer Entscheidung der Zulassungsgremien bedarf. Deren Feststellung, dass die Zulassung wegen Vollendung des 68. Lebensjahres geendet habe, hat nur deklaratorische Bedeutung. Von daher hat die aufschiebende Wirkung nur zur Folge, dass zwar der Ag (und Dritte) von der Wirkung des Verwaltungsakts keinen Gebrauch machen dürfen, berührt aber nicht den materiell-rechtlichen Eintritt der Beendigung der Zulassung kraft Gesetzes (vgl. LSG NRW, Breithaupt 2005, 972; im Ergebnis auch LSG Hessen, Beschluss vom 15.12.2004 - L 7 KA 412/03 ER juris: keine aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage).

2.Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Erforderlich ist, dass der Ast glaubhaft machen kann, dass ihm aus einem Rechtsverhältnis ein Recht gegenüber dem Ag zusteht (Anordnungsanspruch), für das wesentliche Gefahren drohen (Anordnungsgrund). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet, ist ein Recht, das geschützt werden muss, nicht vorhanden; der Antrag auf einstweilige Anordnung ist dann abzulehnen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86 b Randnr. 29). Nur bei offenem Ausgang ist eine Entscheidung auf Grund einer Interessenabwägung zu treffen; in diesem Fall ist eine einstweilige Anordnung zu erlassen, wenn dem Ast unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.

B. Nach diesen Maßstäben kommt der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht in Betracht, denn die Klage in der Hauptsache wird mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben, da der Ast nicht beanspruchen kann, über den 01.04.2007 hinaus an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilzunehmen.

1. Gemäß § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V endet die Zulassung eines Vertrags(zahn)arztes mit Ende des Quartals, in dem er das 68. Lebensjahr vollendet hat. Dass der am 00.00.1939 geborene Ast unter diese Bestimmung fällt und seine Zulassung demgemäß mit Ablauf des 31.03.2007 geendet hat, bestreitet er nicht.

2. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die Festlegung einer Altersgrenze Verfassungs- oder europäisches Recht verletzt und aus diesem Grund auf Grund einer Folgenabwägung die beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen wäre.

a) Die mit dem Gesundheitsstrukturgesetz im Jahr 1993 eingeführte Altersgrenze ist in der Folgezeit sowohl vom BVerfG (Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 31.03.1998, SozR 3-2500 § 95 Nr. 17) als auch vom BSG (Urteil vom 25.11.1998, SozR 3-2500 § 95 Nr. 18) als mit Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar beurteilt worden. Das BVerfG hat im Beschluss vom 04.10.2001 - 1 BvR 1435/01 juris an seiner Entscheidung festgehalten. Das BSG hat im Hinblick auf diese Rechtsprechung trotz einiger kritischer Stimmen in der Literatur eine erneute Klärungsbedürftigkeit der Frage der Vereinbarkeit der Altersgrenze mit dem Grundgesetz verneint (vgl. BSG, Beschluss vom 27.04.2004 - B 6 KA 106/03 B; 27.04.2005 - B 6 KA 38/04 B juris). Gegen die genannten Beschlüsse des BSG ist die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden, so dass offenkundig auch das BVerfG keinen Anlass zur einer Revision seiner früheren Entscheidung gesehen hat. Im Gegenteil hat die 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG in einem Nichtannahmebeschluss vom 26.01.2007 (2 BvR 2408/06) eine Altersgrenze für Verkehrspiloten von 65 Jahren gebilligt und dabei u. a. unter Hinweis auf die Entscheidungen zum Vertrags(zahn)arztrecht ausgeführt, dass gesetzliche Altersgrenzen zum Schutz von Gemeinwohlinteressen mit Art. 12 GG vereinbar seien, soweit sie erforderlich und verhältnismäßig seien. Auch in der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung der Sozialgerichte ist die Altersgrenze unverändert als verfassungsgemäß beurteilt worden (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 31.01.2006 - L 4 KA 3/04; LSG Hessen, Urteil vom 15.03.2006 - L 4 KA 32/05; LSG Bayern, Urteil vom 19.07.2006 - L 12 KA 9/06; zuletzt LSG-Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25.05.2007 - L 4 B 406/07 KA ER). Von daher liegt es neben der Sache, wenn der Ast meint, es sei "absurd", sich heute noch an den Entscheidungen des BVerfG bzw. des BSG zu orientieren (wobei ohnehin die Qualifizierung der Entscheidung des BVerfG als "satirereifes Unikat" verfehlt ist).

Der Senat hält ungeachtet der neueren Rechtsentwicklung die genannten Entscheidungen nicht für überholt.

Das BVerfG hat bei seiner Entscheidung maßgeblich darauf abgestellt, dass wie alle Altersgrenzen, die die Berufsausübung beschränken, die Regelung dazu diene, Gefährdungen, die von älteren, nicht mehr voll leistungsfähigen Berufstätigen ausgehen, einzudämmen. Dabei hat das BVerfG gemeint, es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit zunehmenden Alter größer werde. Ob für den Gesetzgeber dieser Aspekt des Gesundheitsschutzes für die Einführung der Altersgrenze maßgeblich war (verneinend etwa Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung - SGB V, § 95 Randnr. 45), hat das BVerfG für unerheblich erachtet. Von daher ist es irrelevant, ob sich aus der Einfügung der Sätze 8 und 9 in § 95 Abs. 7 SGB V durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz ((VÄndG) vom 22.12.2006, BGBl. I, 3429) ergeben soll, dass der Gesetzgeber im Rahmen des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V nicht auf den Gesundheitsschutz abstellt und daher unter diesem Aspekt die Altersgrenze nicht gerechtfertigt werden könne (so aber Arnold MedR 2007, 143, 146). Unabhängig davon kann auch aus einer Ausnahme von der allgemeinen Altersgrenze nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber sehe offenkundig doch keine Gefährdung für den Gesundheitsschutz durch eine Tätigkeit älterer Ärzte. Da den Patienten auch durch die mit einer Unterversorgung verbundenen Wartezeiten gesundheitliche Gefahren drohen, hat der Gesetzgeber diese beiden Risiken gegeneinander abzuwägen. Insoweit mag der Gesetzgeber zur Sicherstellung der Versorgung der Versicherten in unterversorgten Gebieten es hinnehmen, dass die erforderliche Versorgung auch von älteren Ärzten übernommen wird und für diese Einzelfälle es den Zulassungsgremien überlassen werden kann, ggfs. bei Bekanntwerden von altersbedingten Einschränkungen die Zulassung unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Eignung (§ 27 i. V. m. § 21 ZV-Ärzte/ZV-Zahnärzte) zu entziehen und so Gesundheitsgefahren abzuwehren. Wenn er insoweit für Ausnahmefälle dem Sicherstellungsgedanken den Vorrang einräumt, bedeutet dies nicht, dass damit auch die auf eine typische Gestaltung gestützte allgemeine Regelung obsolet würde (so auch LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25.05.2007 a.a.O.).

Das BSG hat die Altersgrenze (auch) unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Lastenverteilung zwischen den bereits zugelassenen Ärzten und der jungen, an einer Zulassung interessierten Ärztegeneration gebilligt, damit die vom Gesetzgeber zur Finanzierbarkeit der GKV für erforderlich gehaltene Beschränkung der Zahl der Vertrags(zahn)ärzte nicht nur zu Lasten der jüngeren Ärzte verwirklicht werde. Wenn in diesem Zusammenhang eingewandt wird, die Höchstaltersgrenze sei als arbeitsmarktpolitisches Instrument zur Verteilung der Vertragsarztsitze ungeeignet, weil bundesweit für jede Facharztgruppe offene Planungsbereiche vorhanden seien (so Boecken NZS 2005, 393, 397; ihm folgend Eichenhofer in der vom Ast vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme, S. 10) ist dem entgegenzuhalten, dass es fragwürdig erscheint, junge Ärzte auf Zulassungsmöglichkeit in unattraktiven Bereichen zu verweisen, um den bereits etablierten Ärzten in den für eine Niederlassung als besonders attraktiv angesehenen Gebieten, für die regelmäßig Zulassungsbeschränkungen bestehen, diese Vorteile zu erhalten. Allein die Streichung des § 102 SGB V durch das VÄndG zum 01.01.2007 ändert nichts an der Tragfähigkeit der Begründung des BSG, da die Streichung der - ohnehin nie umgesetzten - Bedarfszulassung nicht die weiterhin nach § 103 SGB V anzuordnenden Zulassungsbeschränkungen berührt.

Diese Zulassungsbeschränkungen gelten allerdings seit dem 01.04.2007 nicht mehr für den Bereich des Vertragszahnarztrechts. Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ((GKV-WSG) vom 26.03.2007, BGBl. I, 378) sind in § 101 SGB V ein Abs. 6, in § 103 SGB V ein Abs. 8 und in § 104 SGB V ein Abs. 3 eingefügt worden, wonach die Regeln über die Zulassungsbeschränkungen für Zahnärzte nicht gelten. Begründet hat der Gesetzgeber die Aufhebung der Zulassungsbeschränkung damit, dass für den Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung auf die Steuerung durch zwingende Zulassungsbeschränkungen verzichtet werden könne, weil in diesem Bereich sich zum Einen das Problem der Überversorgung nicht so stelle, zum Anderen auch die Gefahr von angebotsinduzierter Versorgung nicht so gegeben sei (BT-Drucksache 16/3100, S. 135).

Die Altersgrenze von 68 Jahren kann somit im zahnärztlichen Bereich nicht mehr im Zusammenhang mit der Beschränkung des Zugangs zum System der GKV als flankierende Maßnahme zur Entlastung jüngerer Ärzte gesehen werden. Allerdings hat der Gesetzgeber ungeachtet der genannten Gesetzesänderungen, in deren Zusammenhang auch noch der Wegfall der Altersgrenze von 55 Jahren für die Zulassung (§ 98 Abs. 2 Nr. 12 SGB V, § 25 ZV-Ärzte/Zahnärzte, jeweils in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung, gestrichen zum 01.01.2007 durch das VÄndG) zu nennen ist, an der Altersgrenze für die Beendigung der Vertrags(zahn)arzttätigkeit festgehalten. Zu Recht hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass dieser aktuelle gesetzgeberische Wille zu beachten ist. Trotz des Wegfalls der Zulassungsbeschränkung im zahnärztlichen Bereich lässt sich die Altersgrenze auch weiterhin als Mittel arbeitsmarktpolitischer Verteilungsgerechtigkeit zwischen jüngeren und älteren Ärzten rechtfertigen. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Zahnärzte mit der Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung an einem von Anderen finanzierten System partizipieren. Dieses bietet ihnen insoweit Vorteile, als es ihnen Honoraransprüche in dem für die Aufrechterhaltung der Existenz notwendigen Umfang als angemessene Vergütung garantiert. Von daher scheint es gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber dieser Teilnahme am System ein zeitliches Ende setzt und damit die Chancen der jüngeren Ärzte, ihrerseits ihr Einkommen in diesem Versorgungssystem zu finden, verbessert. Dies gilt vor allem für die für eine Niederlassung als attraktiv angesehenen Gebiete, wo zudem zu erwarten sein dürfte, dass hier Ärzte über das 68. Lebensjahr hinaus an der Teilnahme interessiert sind. In diesen Bereichen würden sich die wirtschaftlichen Bedingungen der "Newcomer" bei einer hohen Versorgungsdichte verschlechtern. Bereits oben ist darauf hingewiesen worden, dass es demgegenüber nicht überzeugt, mit dem Argument, die jüngeren Ärzte könnten sich in - unattraktiven - anderen Bereichen niederlassen, die Erforderlichkeit der Altersgrenze zu verneinen. Vielmehr erscheint die Altersgrenze als verteilungspolitisches Instrument zur Erhaltung der Berufschancen der nachrückenden Generationen gerechtfertigt. Insoweit dürfte es auch nicht unverhältnismäßig sein, wenn der Gesetzgeber Ärzten, die schon jahrzehntelang von den Vorteilen des Versorgungssystems profitiert haben, zu Gunsten der Berufschancen der erst ins System gelangenden Ärzte ab einer - im Vergleich zur noch geltenden Lebensarbeitszeitgrenze von 65 Jahren (vgl. § 35 6. Buch Sozialgesetzbuch) weit bemessenen - Altersgrenze von 68 Jahren von der weiteren Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung ausschließt.

b) Entgegen der Ansicht des Ast kann die Unanwendbarkeit der Bestimmung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V auch nicht aus einem Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung hergeleitet werden.

Mit dem AGG hat der Gesetzgeber (u. a.) die EG-Richtlinie 2000/78/EG umgesetzt. Unmittelbar aus dem AGG ergeben sich aber keine Rechtsfolgen bei unzulässigen Diskriminierungen in dem hier berührten Bereich. Das Benachteiligungsverbot des § 33c 1. Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) gilt nur für soziale Rechte und betrifft auch nicht das Diskriminierungsmerkmal Alter. § 19a 4. Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) betrifft die Inanspruchnahme von Leistungen. Die §§ 15 und 21 AGG, die bei einer unzulässigen Diskriminierung Schadensersatzansprüche bzw. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche einräumen, gelten unmittelbar nur für das Arbeits- bzw. Zivilrecht. Im Übrigen wäre dem Ast mit solchen Ansprüchen hier auch nicht gedient. Das AGG trifft auch keine Regelung, die die Unanwendbarkeit entgegenstehenden "diskriminierenden" nationalen Rechts anordnet. Ein evtl. Normwiderspruch zwischen § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V und § 1 AGG bzw. § 7 Abs. 1 AGG (sofern dieser überhaupt über § 6 Abs. 3 AGG anwendbar ist) lässt sich nach nationalem Recht nicht lösen. Angesichts der Tatsache, dass der Gesetzgeber auch nach Erlass des AGG trotz der o. g. Gesetzesänderungen durch das VÄndG und das GKV-WSG an der Altersgrenze festgehalten hat, kommt unter dem Gesichtspunkt der Zeitenfolge ein Anwendungsvorrang des AGG gegenüber dem SGB V nicht in Betracht; ebenso wenig kann das AGG gegenüber dem Vertragsarztrecht als speziellere Regelung angesehen werden (Husmann ZESAR 2007, 58, 62). Aus dem AGG lässt sich somit die Unanwendbarkeit des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V nicht ableiten.

Es kann dahinstehen, ob die Richtlinie 2000/78/EG nach Ablauf der Umsetzungsfrist unmittelbare Wirkung entfaltet (bejahend Husmann a.a.O. S. 62 f; allgemein zu den Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendung einer Richtlinie Nettesheim in Grabitz/Hilf, Art. 249 EGV (Aug. 2002), Rn. 155 ff) und daher wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V außer Acht zu lassen ist oder ob sich aus dem Verbot der Diskriminierung wegen Alters als einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts entsprechend der Ansicht des EuGH in dem Urteil vom 22.11.2005 ("Mangold" - C 144/04, Slg. 2005, I-9981, Randziffer 75; kritisch dazu der Generalanwalt Mazak in seinen Schlussanträgen vom 15.02.2007 in der Rechtssache C - 411/05, Randziffer 97) die Unanwendbarkeit des § 97 Abs. 7 Satz 3 SGB V herleiten ließe. Es spricht nämlich nichts für die Verletzung europäischen Rechts. Zum Einen erscheint schon zweifelhaft, ob der Richtlinie 2000/78/EG unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes (14) überhaupt die Festsetzung einer Altersgrenze für die Zwangsversetzung in den Ruhestand unterfällt (verneinend der Generalanwalt Mazak, a. a. O., Randziffer 67) und ob dementsprechend dies auch für die Festsetzung eines Endes der vertrags(zahn)ärztlichen Tätigkeit gelten würde. Zum Anderen - und dies ist entscheidend - erlaubt auch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG (ebenso wie § 10 Satz 1 AGG) unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters, wenn sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Dabei ist dem nationalen Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichen seiner Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik einzuräumen (EuGH, "Mangold", a. a. O., Randziffer 63). Der Generalanwalt Mazak (a. a. O., Randziffer 74) betont zu Recht, es könne nicht Sache des Gerichtshofs sein, die Beurteilung des nationalen Gesetzgebers in derart komplexen Fragestellungen durch eine eigene Beurteilung zu ersetzen. Eine solche Zensur komme höchstens bei einer offensichtlich unverhältnismäßigen nationalen Maßnahme in Betracht. Da unter dem o. g. Gesichtspunkt der Erhaltung der Berufschancen der jungen Arztgeneration innerhalb des Systems der GKV die Ungleichbehandlung wegen des Alters gerechtfertigt werden kann, ist diese Entscheidung des Gesetzgebers für die Altersgrenze als nicht offensichtlich fehlerhaft hinzunehmen.

Da das EG-Recht unterschiedliche Behandlungen aus sachlichen Gründen erlaubt, erscheint es auch ausgeschlossen, dass eine Altersgrenze, die mit Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, gegen das EG-rechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstoßen sollte. Wenn verfassungsrechtlich als gewichtige Gründe des Allgemeinwohls anzusehende Ziele eine Einschränkung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) rechtfertigen (womit zugleich auch ein sachlicher Grund i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG für die vorgenommene Ungleichbehandlung gegeben ist, vgl. BVerfG SozR 3-2500 § 95 Nr. 17 unter Hinweis auf BVerfGE 78, 155, 164), müssen diese Ziele im Licht des dem Gesetzgebers nach dem Gemeinschaftsrecht eingeräumten Gestaltungsspielraums auch im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG eine Ungleichbehandlung wegen Alters legitimieren können. Da, wie oben dargelegt, durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Altersgrenze für Vertrags(zahn)ärzte ungeachtet der Rechtsentwicklung nicht bestehen, kann auch kein Verstoß gegen EG-Recht angenommen werden.

3. Der Senat kann dem Ast nicht darin folgen, dass die Rechtslage als ungeklärt anzusehen sei. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass das BSG in dem zur Altersgrenze anhängigen Verfahren die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C - 411/05 abwarten will. Die Schlussfolgerung des Ast, für das BSG stehe offenbar die Vereinbarkeit der Altersgrenze mit dem europäischen Recht sogar für die Zeit bis zum Erlass des AGG in Frage, kann der Senat nicht nachvollziehen. Unabhängig davon, dass das BSG in dem Beschluss vom 27.04.2005 (a. a. O.) sich schon zur Frage der Altersdiskriminierung unter dem Gesichtspunkt des europäischen Rechts geäußert hat, hat der Berichterstatter in dem vom Ast vorgelegten Schreiben lediglich mitgeteilt, dass die Entscheidung des EuGH abgewartet werden solle. Diesem Schreiben lässt sich schon nicht entnehmen, dass der Berichterstatter selbst Zweifel hat und erst recht ergibt sich daraus nichts für die Ansicht des Senats. Zudem dürften von der Entscheidung des EuGH in der genannten Rechtssache für die hier streitige Frage kaum wesentliche Erkenntnisse zu erwarten sein, da es dort um die Zulässigkeit tarifvertraglicher Regelungen geht, die eine Zwangsversetzung in den Ruhestand gestatten. Ob eine solche § 10 Satz 2 Nr. 5 AGG entsprechende Bestimmung überhaupt entsprechend auf die Situation der Vertrags(zahn)ärzte anzuwenden wäre (was Eichenhofer a. a. O. S. 8 bezweifelt) ist fraglich. Überdies ist im Rahmen des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V die Besonderheit der Teilnahme an einem öffentlich-rechtlichen System der Gesundheitsversorgung zu berücksichtigen. Allein der Umstand, dass das BSG die Entscheidung des EuGH abwartet, offenbar um die aktuellste Rechtsprechung des EuGH zur Altersgrenze berücksichtigen zu können, folgt noch nicht, dass es selbst Zweifel an der Vereinbarkeit der Altersgrenze mit europäischem Recht hat.

Da somit gegen die Bestimmung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V keine durchgreifenden Bedenken aus verfassungsrechtlicher oder EG-rechtlicher Sicht bestehen, kommt eine weitere Teilnahme des Ast an der vertragszahnärztlichen Versorgung über den 31.03.2007 hinaus nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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