L 9 B 35/07 SO

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SO 134/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 B 35/07 SO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Auch im sozialgerichtlichen Verfahren kann im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ein Rechtsanwalt nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigordnet werden.
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.6.2007 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die in H wohnhaften Kläger haben im erstinstanzlichen Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des in I ansässigen Bevollmächtigten beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 22.6.2007 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen dem Antrag entsprochen und den Klägern Prozesskostenhilfe ab Vorlage aller Unterlagen am 23.11.2006 unter Beiordnung des Rechtsanwalts E aus I zu den Kosten eines ortsansässigen Rechtsanwalts bewilligt.

Gegen den am 27.6.2007 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 29.6.2007 Beschwerde eingelegt, soweit die Beiordnung nur zu den Kosten eines ortsansässigen Rechtsanwaltes erfolgt ist. Sie tragen zur Begründung vor, sie hätten keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden. Diese hätten an ihrem Wohnort die Übernahme des Mandates nicht erwünscht. Außerdem hätten sie zu dem Bevollmächtigten auf Grund des vorher geführten Strafverfahrens ein besonderes Vertrauen gewonnen. Deshalb seien alle Kosten zu erstatten. Gegen die anfallenden Reisekosten des Bevollmächtigten aus I seien die Kosten eines unter Umständen erforderlich werdenden Korrespondenzanwalts gegenzurechnen.

II.

Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 16.7.2007), ist unbegründet.

Gemäß § 73 a Absatz 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Absatz 2 ZPO wird einem Beteiligten auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich erscheint. Da das Sozialgericht in diesem Sinn Prozesskostenhilfe dem Grunde nach unter Beiordnung des Rechtsanwaltes E aus I bewilligt hat, ist nur noch über die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Einschränkung "zu den Kosten eines ortsansässigen Rechtsanwaltes" zu befinden. Das Sozialgericht hat diese Beschränkung zu Recht ausgesprochen (vgl hierzu auch Beschluss des erkennenden Senats vom 26.10.2006 - L 9 B 83/06 AS).

Da in der Sozialgerichtsbarkeit eine Zulassung des Rechtsanwalts bei einem bestimmten ordentlichen Gericht nicht vorgesehen ist, kann im sozialgerichtlichen Verfahren zwar § 121 Absatz 3 ZPO keine Anwendung finden, nach dem ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Anwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Gleichwohl ist aber der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Gedanke, dass durch die Beiordnung eines Anwaltes keine unnötigen Kosten verursacht werden dürfen, auch im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachten. Es handelt sich nämlich bei der Prozesskostenhilfe um eine besondere Art der Sozialhilfe, so dass der Antragsteller im Hinblick auf ihren subsidiären Charakter gehalten ist, die dem Staat entstehenden Kosten so gering wie möglich zu halten. Demzufolge kann der Beteiligte im Verfahren vor dem Sozialgericht oder Landessozialgericht nicht frei in der Wahl des Rechtsanwalts mit allen kostenrechtlichen Folgen sein. Er stünde sich zudem anderenfalls auch besser als ein Prozesskostenhilfeantragsteller im Zivilprozess (vgl hierzu insgesamt: Knittel in Hennig, SGG, Stand Mai 2006, § 73a Rn 49; Zeihe, SGG, Stand Mai 2007, § 121 ZPO Rn 3 b; Meyer - Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 73 a Rn 9c; Keller, Das Mehrkostenverbot und die Beiordnung des auswärtigen Anwalts im sozialgerichtlichen Verfahren in NZS 2003,521 ff; Thüringer LSG, Beschluss vom 12.2.2003 - L 6 B 19/02 SF). Die entsprechende Anwendung des in § 121 Absatz 3 ZPO enthaltenen Kostenminimierungsgedankens bedeutet im sozialgerichtlichen Verfahren mithin, dass der Beteiligte einen Anwalt wählen muss, der im Bezirk des Gerichts seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei hat (vgl Zeihe, aaO; Keller, aaO). Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Kläger wohnen am Sitz des für sie zuständigen Sozialgerichts Gelsenkirchen, während ihr Bevollmächtigter eine Kanzlei in I, dem Sitz des Sozialgerichts Hamburg, führt und von dort aus die Interessen der Kläger wahrnehmen muss. Damit liegt es aber ohne weiteres auf der Hand, dass allein durch eine Anreise des Rechtsanwalts zur Wahrnehmung eines mündlichen Verhandlungstermins in Gelsenkirchen Mehrkosten gegenüber der Beauftragung eines ortsansässigen Rechtsanwalts zu Lasten der Staatskasse entstehen.

Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 121 Absatz 4 ZPO kann die Beiordnung eines Rechtsanwalts aus einem anderen Gerichtsbezirk nur dann erfolgen, wenn dies besondere Umstände erfordern (vgl Knittel in Hennig, aaO; Keller, aaO; BAG vom 18.7.2005 - 3 AZB 65/03 in NZA 2005,1078/1079; BGH - Beschluss vom 23.6.2004 - XII ZB 61/04). Solche sind im Fall der Kläger jedoch nicht gegeben. So ist ihr Vortrag, es sei ihnen wegen eines längeren gewachsenen Vertrauensverhältnisses nicht zuzumuten, einen Rechtsanwalt in H zu nehmen, nicht nachvollziehbar. Umfang und Art des Vertrauensverhältnisses sind nämlich nicht ausreichend dargelegt. Ein solcher Gesichtspunkt könnte nur in Erwägung zu ziehen sein, wenn die Mehrkosten durch ein besonderes mit der Streitsache zusammenhängendes Vertrauensverhältnis zum Bevollmächtigten gerechtfertigt wären (vgl Thüringer LSG, aaO). Dies ist aber nicht erkennbar, da die Kläger eine Wohnung in H besitzen. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchem sachlichen Grund sie sich nach Beauftragung von Anwälten in H zur Durchführung des Strafverfahrens im dortigen Gerichtsbezirk an den jetzigen Bevollmächtigten in I gewandt und diesen mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt haben. Offensichtlich hat bis dahin jedenfalls kein Kontakt zwischen ihnen bestanden, da die zunächst anderweitige Mandatierung anderenfalls völlig abwegig gewesen wäre. Wenn überhaupt können daher allenfalls sonstige persönliche Beziehungen Anlass dafür gewesen sein, dass sich die Kläger an den Bevollmächtigten mit dessen Kanzlei am Gerichtsort I statt an einen Rechtsanwalt beim zuständigen Sozialgericht Gelsenkirchen gewandt haben. Persönliche Beziehungen rechtfertigen jedoch nicht die Annahme "besonderer Umstände". Dass in dem Gerichtsbezirk des Sozialgerichts Gelsenkirchen keine zur Vertretung bereiten Anwälte erreichbar sein sollen, ist angesichts der regelmäßigen Vertretung betroffener Hilfebedürftiger vor dem örtlichen Sozialgericht und dem erkennenden Landessozialgericht nur als abwegig zu bezeichnen. Dies gilt umso mehr, als nicht nur Anwälte mit Sitz in Gelsenkirchen in Betracht kämen, sondern angesichts der erheblich größeren Nähe gegenüber der des derzeitig Bevollmächtigten in I auch Fachanwälte des Ruhrgebiets.

Es sind auch von der Sache her keine Umstände erkennbar, die die Verursachung der Mehrkosten durch Auswahl des benannten Bevollmächtigten rechtfertigen könnten. Ausweislich des Briefkopfes seiner Kanzlei besitzt er keine besonderen, sonst nicht ohne weiteres erreichbaren Fachkenntnisse vom Recht der Sozialhilfe (vgl Thüringer LSG, aaO; Keller, aaO), da insoweit keine Schwerpunktinteressen oder aber auch Fachausbildungen angegeben sind, sondern im Übrigen allein auf die Dolmetscher - und Übersetzerkenntnisse und -fähigkeiten hingewiesen wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass - wie oben bereits erwähnt - einschlägig fachkundige Rechtsanwälte mit Kanzleien am Sitz des zuständigen Sozialgerichts Gelsenkirchen sowie auch dessen Gerichtsbezirk und darüber hinaus auch im Ruhrgebiet ansprechbar zur Auswahl stehen, so dass sich die Kläger mithin ohne Verursachung von Mehrkosten zu Lasten der Staatskasse ohne weiteres fachkundigen Rat und Beistand vor Ort aussuchen können. Damit ergibt sich auch keine Notwendigkeit, einen Korrespondenzanwalt einschalten zu müssen, um die möglicher Weise entstehenden Reisekosten des Bevollmächtigten zu vermeiden. Eine wirtschaftliche Vergleichsüberlegung erübrigt sich insoweit.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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