L 20 B 85/07 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 25/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 85/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 30.03.2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Gründe:

Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht einstweilig zur darlehensweisen Leistungserbringung im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) verpflichtet, obwohl die Antragstellerin derzeit mit ihrem Studium eine Ausbildung absolviert, die dem Grunde nach nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) förderungsfähig ist (vgl. § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II).

Der Senat schließt sich der Ansicht des Sozialgerichts an, die für die ausnahmsweise, darlehensweise Leistungsgewährung erforderliche besondere Härte im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II werde dadurch begründet, dass die Antragsgegnerin trotz Kenntnis vom Studium der Antragstellerin dieser bereits seit dem 01.01.2005 Grundsicherungsleistungen bewilligt hat. Würde die Antragsgegnerin darlehensweise Leistungen nicht erbringen, wäre der Abschluss des Studiums der Antragstellerin, die sich bereits in einem fortgeschrittenen Fachsemester befindet, gefährdet. Dabei erscheinen die Angaben der Antragstellerin im Schriftsatz vom 24.08.2007, sie rechne noch mit einer Fortdauer des Studiums einschließlich Examensphase von ca. drei bis vier Semestern, ausweislich der mit diesem Schriftsatz vorgelegten Unterlagen und Angaben bei summarischer Prüfung plausibel. Ebenso wie das Sozialgericht sieht der Senat im Übrigen den Umstand, dass die Antragstellerin ihr im Jahre 2005 geborenes Kind allein erzieht, bei summarischer Prüfung als ausreichenden Grund dafür an, dass die Antragstellerin ihr Studium nicht in der Regelstudienzeit hat abschließen können. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der Antragstellerin die Aufnahme einer Arbeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II nicht zumutbar wäre (ebenso Brühl/Schoch, in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 7 Rn. 102). Ob daneben auch die Ausbildung als sonstiger wichtiger Grund im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB II der Zumutbarkeit einer Arbeitsaufnahme entgegen stünde, weil das SGB II Entsprechendes wegen des Grundsatzes des Förderns geradezu fordere (so Brühl/Schoch, aaO), kann demgegenüber dahin stehen.

Ebenso wie das Sozialgericht hält der Senat den Vortrag der Antragsgegnerin, es gebe keinen aus Unrecht abzuleitenden Anspruch, nicht für geeignet, die Annahme einer besonderen Härte zu entkräften. Die Antragsgegnerin hat es vielmehr wegen der versehentlichen, § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II zuwider laufenden Leistungsbewilligung seit dem 01.01.2005 zu verantworten, dass die Antragstellerin einen erheblichen Teil ihrer Lebenszeit auf eine - für ihre spätere Eingliederung in den Arbeitsmarkt sinnvolle - Ausbildung verwandt hat. Den Abschluss dieser Ausbildung nunmehr gegen ihr Ende hin deshalb zu gefährden, weil die ursprüngliche Leistungsbewilligung unrechtmäßig erfolgt sei, verkennt, dass sich dann die bisherigen Ausbildung seit dem 01.01.2005 als durch Verschulden der Antragsgegnerin verschwendete Lebenszeit darstellen würde. Bei summarischer Prüfung ist es dann jedoch zumindest gerechtfertigt, darlehensweise Leistungen aufgrund eines besonderen Härtefalles zu gewähren; das Rückzahlbarkeitsrisiko, das die Antragsgegnerin insoweit allein läuft, erscheint mit Rücksicht auf ihr eigenes Verschulden bei der bisherigen Leistungsgewährung zumutbar.

Wenn die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren einwendet, es liege bei der Antragstellerin keine atypische Lebenssituation vor, welche die Aufnahme einer Leistung gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II rechtfertige, so verkennt sie, dass die Atypik der Lebenssituation gerade darin besteht, dass die Antragsgegnerin selbst durch die vorangegangene rechtswidrige Leistungsgewährung über eine erhebliche Zeit die Fortführung des Studiums der Antragstellerin mitveranlasst hat und dass eine jetzt einsetzende gänzliche Leistungsversagung diese auf das eigene Verschulden der Antragsgegnerin zurückführbare Studienzeit nachträglich entwerten würde. Mit der normtypischen Situation des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II, der eine Umwegfinanzierung einer nach dem BAföG grundsätzlich förderfähigen Ausbildung über Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II unterbinden will, hat dies nichts mehr gemein.

Dass im Übrigen eine nur darlehensweise Leistungsgewährung nicht (jedenfalls nicht ausdrücklich) von der Antragstellerin beantragt worden ist, stand der Entscheidung des Sozialgerichts nicht entgegen. Denn da es der Antragstellerin erkennbar um die weitere Sicherstellung ihres Lebensunterhalts auf Grundsicherungsniveau geht, um ihr Studium fortsetzen zu können, stehen darlehensweise und nicht-rückzahlbare (zuschussweise) Leistungsgewährung bei verständiger Würdigung von vornherein in einem Verhältnis des Weniger zum Mehr; mit ihrem auf zuschussweise Leistungsgewährung gerichteten Begehren hat die Antragstellerin deswegen stillschweigend eine hilfsweise darlehensweise Leistungsgewährung begehrt. Der Senat folgt insoweit der Entscheidung des LSG NRW (v. 28.03.2007 - L 7 B 55/07 AS ER) nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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