L 1 B 9/07 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 52/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 B 9/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 21.02.2007 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 26.01.2007 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.01.2007 wird angeordnet. Die Aufhebung der Vollziehung des Bescheides vom 12.01.2007 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 30.11.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich Kosten der Unterkunft nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen dem Grunde nach zur Hälfte.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Aufhebung eines Arbeitslosengeld-II-Bewilligungsbescheides und nimmt die Antragsgegnerin auf Kostenübernahme für eine Ausbildung zur Physiotherapeutin in Anspruch. Sie begehrt ferner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit über den 31.03.2007 hinaus.

Die 1983 geborene Antragstellerin studierte von Oktober 2003 bis September 2005 an der S-Universität C die Fächer Anglistik und Philosophie. Während des Studiums erhielt sie Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in Höhe von zuletzt monatlich 530,00 Euro. Nach Abbruch ihres Studiums meldete sie sich bei der Antragsgegnerin arbeitsuchend und erhielt durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Die Antragstellerin bewohnt gemeinsam mit einem Bekannten (B.) eine Wohnung in C. Ihre Eltern wohnen ebenfalls in C.

Die Antragsgegnerin bewilligte zuletzt für die Zeit vom 01.10.2006 bis 31.03.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 453,39 Euro, wobei sie das von den Eltern der Antragstellerin weitergeleitete Kindergeld anrechnete (Bescheid vom 05.09.2006).

Aufgrund eines Vorschlages der Bundesagentur für Arbeit (BA) - Betreuung Akademiker - nahm die Antragstellerin am 01.12.2006 eine Ausbildung zur Physiotherapeutin, die zum 30.11.2009 endet und mit einer staatlichen Prüfung abschließt, bei dem Institut "amt Dr. T" in S auf. Die monatlichen Kosten hierfür belaufen sich auf 396,00 Euro. Einen Förderungsantrag nach dem BAföG lehnte die Stadt C - Schulverwaltungsamt - ab, weil die Antragstellerin ihr vorangegangenes Studium nach vier Fachsemestern abgebrochen habe, ohne dass hierfür ein unabweisbarer Grund im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 2 BAföG zu erkennen sei (Bescheid vom 04.01.2007).

Die Antragstellerin hob den Bewilligungsbescheid vom 05.09.2006 für die Zeit ab 01.01.2007 auf und führte aus, dass die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin wegen der Aufnahme der schulischen Ausbildung weggefallen sei (Bescheid vom 12.01.2007). Mit dem Widerspruch machte die Antragstellerin geltend, dass ihr die Ausbildung, deren Finanzierung vor Beginn völlig ungeklärt gewesen sei, von der Mitarbeiterin O (O.) vermittelt worden sei. Eine Aufklärung über Förderungsmöglichkeiten (Bildungsgutschein) habe O. nicht vorgenommen. Ihr sei ein Fall bekannt, in dem einem Auszubildenden ein Bildungsgutschein für eine Ausbildung zum Ergotherapeuten ausgehändigt worden sei. Vor diesem Hintergrund ergebe sich eine Ungleichbehandlung. Die Antragsgegnerin hat hierzu mitgeteilt, dass die Antragstellerin von ihr ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass eine Förderung nicht erfolgen könne.

Die Antragstellerin hat mit dem am 13.02.2007 bei dem Sozialgericht erhobenen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes daran festgehalten, dass sie von der Antragsgegnerin nicht auf die Möglichkeit hingewiesen worden sei, einen Bildungsgutschein zu erhalten. Sie sei vollkommen mittellos und befinde sich zwischenzeitlich mit ihren Mietzahlungen im Rückstand. Auch im Hinblick auf die an die Berufsfachschule zu entrichtenden Gebühren seien Rückstände aufgetreten.

Die Antragsgegnerin hat im Wesentlichen vorgetragen, dass die weitere Gewährung von Leistungen nach dem SGB II daran scheitere, dass die Antragstellerin eine Ausbildung, die dem Grunde nach nach den Regelungen des BAföG förderungsfähig sei, absolviere. Anhaltspunkte für einen Härtefall seien nicht zu erkennen. Eine Kostenübernahme für die Ausbildung komme nicht in Betracht, weil eine Ausbildung zur Physiotherapeutin nicht in den Bildungszielplan aufgenommen worden sei. Abgesehen davon habe sie - die Antragsgegnerin - die Ausbildung nicht vermittelt, sondern vielmehr ausdrücklich davon abgeraten.

Mit Beschluss vom 21.02.2007 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12.01.2007 hinsichtlich der Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit vor dem 16.01.2007 angeordnet und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Soweit der Antrag dahin ausgelegt werde, dass die Antragstellerin auch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit über den 31.03.2007 hinaus begehre, sei er unzulässig. Denn sie müsse sich mit Blick auf die Zeit nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts zunächst an die Antragsgegnerin wenden und dort einen Leistungsantrag stellen. Für die Zeit ab 16.01.2007 sei der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs unbegründet, weil mit Aufnahme der Ausbildung die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung weggefallen seien. Nach § 7 Abs. 5 SGB II seien Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei, von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Die Ausbildung der Antragstellerin sei dem Grunde nach im Rahmen des BAföG förderungsfähig; entsprechende Leistungen seien allein wegen des Studienabbruchs versagt worden. Vor dem Hintergrund, dass die Ausbildung gerade begonnen habe, könne auch kein Härtefall angenommen werden. Demgegenüber sei die Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit rechtswidrig. Der Antrag auf Kostenübernahme für die Ausbildung sei nicht zulässig, weil ein Leistungsantrag bei der Antragsgegnerin nicht gestellt worden sei. In der Sache sei es nicht als ermessensfehlerhaft zu bewerten, wenn die Antragsgegnerin Ausbildungen zur Physiotherapeutin (grundsätzlich) nicht fördere.

Gegen den ihr am 23.02.2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 05.03.2007 Beschwerde erhoben. Sie macht geltend, dass der Vermittlungsvorschlag der BA, den sie allerdings nicht mehr auffinden könne, mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehen gewesen sei. Insofern stelle es sich als widersprüchliches Verhalten dar, wenn sie - die Antragstellerin - zunächst unter Androhung von Sanktionen aufgefordert werde, eine Ausbildung anzutreten und die Antragsgegnerin den Arbeitslosengeld-II-Bewilligungsbescheid nach Antritt der Ausbildung aufhebe.

Die Antragstellerin beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen entsprechend,

den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 21.02.2007 zu ändern und

1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 26.01.2007 gegen den Bescheid vom 12.01.2007 auch für die Zeit vom 16.01.2007 bis 31.03.2007 anzuordnen.

2. die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihr auch über den 31.03.2007 hinaus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu zahlen sowie

3. die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Kosten der Ausbildung zur Physiotherapeutin bei dem Institut "amt Dr. T" (monatlich 396,00 Euro) vorläufig zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

In einer vom Gericht veranlassten Stellungnahme hat die BA mitgeteilt, dass der Vorschlag zur Aufnahme der Ausbildung am 25.10.2006 durch ihre Mitarbeiter erfolgt sei. Aus dem übersandten Datensatz ergebe sich jedoch, dass eine Rechtsfolgenbelehrung nicht erteilt worden sei.

Die Antragstellerin hat mitgeteilt, dass sie seit Mai 2007 einen Nebenverdienst in Höhe von 280,00 Euro monatlich erziele und dass die Kosten der Ausbildung von ihrem Vater getragen würden (Schriftsatz vom 23.08.2007).

Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und der die Antragstellerin betreffenden Leistungsakte der Antragsgegnerin.

II.

Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 09.05.2007), hat in der Sache teilweise Erfolg. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.01.2007 und die Aufhebung der Vollziehung dieses Bescheides waren anzuordnen. Darüber hinaus hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.04.2007 bis 30.11.2007 glaubhaft gemacht. Keinen Erfolg hat die Beschwerde jedoch im Hinblick auf die geltend gemachte (vorläufige) Übernahme der Ausbildungskosten.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen - wie hier (vgl. § 39 Nr. 1 SGB II) - Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage ist anzuordnen, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass dem privaten Aussetzungsinteresse gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist. Im Vordergrund steht hierbei eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, ist davon auszugehen, dass die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und/oder Anfechtungsklage in den Fällen anzuordnen ist, in denen sich nach vorläufiger Prüfung der Rechtslage bei summarischer Prüfung der Tatsachenlage die Aufhebung eines Bescheides voraussichtlich als nicht rechtmäßig erweist.

Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB X), die es der Antragsgegnerin auferlegt hätte, den Bewilligungsbescheid vom 05.09.2006 aufzuheben, ist durch die Aufnahme der Ausbildung zur Physiotherapeutin nicht eingetreten. Denn § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ist vorliegend nicht anzuwenden, da die Antragstellerin nach § 2 Abs. 1a) BAföG bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Förderleistungen geltend machen kann (§ 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II).

Bei der Prüfung, ob eine Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist, ist auf die abstrakte Förderungsfähigkeit abzustellen, und nicht darauf, ob die betreffenden Voraussetzungen für eine Förderung in der Person der Antragstellerin erfüllt sind (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 06.09.2007 - Az.: B 14/7b 36/06 R, Terminbericht unter bundessozialgericht.de; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 28.12.2006 - Az.: L 19 B 88/06 AS ER m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat bereits zu § 26 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden (Beschluss vom 13.05.1993 - Az.: 5 B 82/92, FEVS 44, 138 - 140), dass die Gewährung von Sozialhilfe ausscheidet, wenn das BAföG eine Ausbildung überhaupt - unter welchen Voraussetzungen auch immer - als förderungsfähig anerkennt.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der oben skizzierte Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nach § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II bei dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden ist. Denn die Antragstellerin kann gemäß § 2 Abs. 1a) BAföG einen Anspruch auf Ausbildungsförderung bereits dem Grunde nach nicht geltend machen. Ausbildungsförderung wird für den Besuch der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG genannten Ausbildungsstätten nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist. Unter die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG genannten Ausbildungsstätten fallen auch Berufsfachschulen. Als Wohnung der Eltern im Sinne des Ausbildungsförderungsrechts sind diejenigen Räumlichkeiten zu verstehen, in denen die Eltern des Auszubildenden ihre nicht nur vorübergehende, sondern auf eine gewisse Dauer abzielende Unterkunft nehmen, unabhängig davon, ob sie willens sowie tatsächlich in der Lage sind, den Auszubildenden bei sich aufzunehmen, oder ob zwischen ihnen und dem Auszubildenden noch ein "Eltern-Kind-Verhältnis" besteht. Sind die Eltern geschieden, gilt dies für jeden Elternteil entsprechend, wenn es auf die Möglichkeit der Unterkunftsgewährung für volljährige Kinder ankommt. In derartigen Konstellationen ist mithin Ausbildungsförderung bereits dann zu versagen, wenn von der Wohnung eines Elternteils aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.1992 - Az.: 5 C 68/88 sowie VG Göttingen, Beschluss vom 20.12.2006 - Az.: 2 B 412/06, beide bei Juris).

Bei dem Institut "amt Dr. T" in S handelt es sich um eine Berufsfachschule im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG, die in das Verzeichnis der Ausbildungsstätten NRW aufgenommen worden ist. Die vorgeschriebene Ausbildungsdauer beläuft sich auf drei Jahre; die Ausbildung schließt mit einer staatlichen Prüfung ab. Ihre Ausbildungsstätte kann die Antragstellerin von der elterlichen Wohnung aus erreichen. Die gegenwärtig ersichtlichen Tatsachen lassen mithin eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides als gerechtfertigt erscheinen, zumal es sich bei den hier streitigen Leistungen um solche zur Sicherung des Lebensunterhaltes handelt. Nachdem der angefochtene Bescheid durch die Nichtzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bereits vollzogen worden ist, hat der Senat zudem die Aufhebung der Vollziehung angeordnet (vgl. § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin nach summarischer Prüfung auch einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld II für die Zeit über den 31.03.2007 hinaus glaubhaft gemacht. Statthaftes Rechtsmittel ist hier der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller das Bestehen eines Rechtsverhältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene Ansprüche ableitet. Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist (vgl. Berlit, info also 2005, 3 [7]). Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht.

Zwar findet sich in den Akten kein weiterer ausdrücklicher Zahlungsantrag der Antragstellerin. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin stets und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes begehre. Nach ihrem - unwidersprochenen - Vorbringen hat sie sich ferner auch nach Erlass des angefochtenen Bescheides vom 12.01.2007 mehrmals mit der Antragsgegnerin in Verbindung gesetzt, um Leistungen zu erhalten. In der Sache kann im Hinblick auf den Anordnungsanspruch auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, weil der Antragstellerin gegenwärtig lediglich (weitergeleitetes) Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro und monatliches Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung von 280,00 Euro zu Verfügung steht.

Im Hinblick auf die von der Antragstellerin im Verwaltungsverfahren thematisierte eheähnliche Gemeinschaft mit B. bleibt es der Antragsgegnerin unbenommen, weitere Ermittlungen durchzuführen. Einstweilen liegen dem Gericht hierfür jedoch keine durchgreifenden Anhaltspunkte vor, so dass ein Anspruch auf Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Anrechnung des der Antragstellerin zufließenden Einkommens für die Zeit bis zum 30.11.2007 vorläufig zuzusprechen war.

Demgegenüber hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Kostenübernahme im Hinblick auf die durchgeführte Ausbildung. Selbst wenn man davon ausginge, dass mit der Vorsprache der Antragstellerin bei O. eine (konkludente) Antragstellung verbunden gewesen wäre, wäre zu berücksichtigen, dass Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit §§ 77 ff. SGB III im Ermessen des Leistungsträgers stehen. Demnach bestünde ein Anspruch nur dann, wenn dieses Ermessen ausschließlich in dem Sinne ausgeübt werden könnte, dass jede andere Entscheidung als die Förderung der von der Antragstellerin durchgeführten Maßnahme rechtswidrig wäre (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.03.2007 - Az.: L 28 B 298/07 AS ER; LSG NRW, Beschluss vom 29.05.2007 - Az.: L 20 B 147/06 AS ER). Durchgreifende Anhaltspunkte für eine solche "Ermessensreduzierung auf Null" sind jedoch einstweilen nicht ersichtlich.

Ungeachtet dessen ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der Senat deutet die Angaben der Antragstellerin in dem Schriftsatz vom 23.08.2007, wonach ihr Vater gegenwärtig die Kosten der Ausbildung trage, dahin, dass Rückstände im Hinblick auf die von der Ausbildungsstätte erhobenen Gebühren bislang nicht entstanden sind. Hat die Antragstellerin eine Kündigung des Ausbildungsverhältnisses wegen Zahlungsrückstandes nicht zu befürchten, ist eine gegenwärtige Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht, nicht gegeben. Insofern besteht in Konstellationen der vorliegenden Art eine vergleichbare Interessenlage wie bei Sachverhalten, bei denen im Wege einstweiliger Anordnung die vorläufige Übernahme von tatsächlichen, jedoch ggf. der Höhe nach nicht angemessenen Kosten der Unterkunft begehrt wird. Ein Anordnungsgrund wird dort nur dann angenommen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er nach Ablauf des nächstfolgenden Fälligkeitszeitpunktes für die Zahlung des Mietzinses mit der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges oder mit einer Räumungsklage zu rechnen hat (vgl. nur Senat, Beschluss vom 15.02.2007 - L 1 B 4/07 AS ER, m.w.N., sozialgerichtsbarkeit.de).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem gegenseitigen Obsiegen und Unterliegen Rechnung.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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