L 16 B 4/07 R

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 4 (10) RJ 78/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 B 4/07 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 05.07.2007 geändert. Die Antragstellerin wird zum Verfahren S 4 (10) RJ 78/02 vor dem Sozialgericht Münster gemäß § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (notwendig) beigeladen. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Kostenentscheidung zur Hauptsache vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die bislang am Gerichts- und Verwaltungsverfahren nicht förmlich beteiligte, 1949 geborene (jetzt 58 Jahre alte) Antragstellerin (d. AStn.) zu dem zwischen den Hauptbeteiligten schwebenden Rechtsstreit über die Versicherungspflicht von mehr als 300 Mitarbeiter-inne-n der Klägerin (d. Kl.) beigeladen werden muss, nachdem das Sozialgericht alle Interessierten zuvor aufgefordert hatte, sich binnen einer (Ausschluss-)Frist bis zum 31.05.2006 als Beizuladende zu melden, die AStn. ihren Beiladungsantrag jedoch erst nach fast einem Jahr seit Fristablauf gestellt hat.

D. Kl. betreibt - unter mehrfach wechselnder Firmenbezeichnung - ein bundesweit handelndes Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie stellt in erster Linie Strumpfwaren, aber auch Unterwäsche, sonstige Wäscheartikel und Strickwaren, her (im Wesentlichen unter dem bundesweit bekannten Markennamen "O"); sie vertreibt diese u.a. auch im hier speziell interessierenden Bereich der Super-, Lebensmittel- und Verbrauchermärkte. Dazu unterhält sie ein Netz von Mitarbeiter-inne-n, die unter der Führung von Gebietsleiter-inne-n im Wesentlichen den Auftrag haben,

- die Strumpf- und Wäschewaren attraktiv in - vielfach von d. Kl. gelieferte - Ständer, Regale und besondere Werbeträger einzuräumen und auszuzeichnen,
- von d. Kl. vorgegebene Werbeaktionen durchzuführen,
-verkaufte Artikel zu notieren und diese für Rechnung des jeweiligen Supermarktes und (in Absprache mit dem/r jeweiligen Leiter/-in) täglich (nach-) zu bestellen,
- außerdem zurückgehende Ware an d. Kl. weiterzuleiten.

Die von den Märkten mithilfe der genannten Mitarbeiter/-innen bestellte Ware wird von d. Kl. zeitnah und unmittelbar an die Märkte geliefert und dort durch die Mitarbeiter/-innen d. Kl. bei nächster Gelegenheit ausgepackt und sachgerecht eingeräumt. Die einzelnen Umstände der Mitarbeit sind von Fall zu Fall verschieden und zum Teil vehement umstritten.

Ein/e Mitarbeiter/-in betreut einen oder mehrere Supermärkte, je nach Absprache und zeitlicher Verfügbarkeit. Vielfach erzielten die Mitarbeiter/-innen - abhängig von ihrem Einsatz und Geschick - eine Jahresvergütung von bis zu ca. 30.000 DM/15.000 Euro.

Zu den aufgezeigten Zwecken hat d. Kl. mit dem beschriebenen Personenkreis Verträge über eine "freie Mitarbeit" geschlossen, wonach die skizzierten Aufgaben nach einem "gemeinsam erstellten Plan" in freier Zeitbestimmung, allerdings unter Wahrung der Interessen d. Kl., ausgeführt werden sollen. Die Vergütung/Honorierung erfolgt nach der Zahl der verkauften Stücke bzw. nach einem Umsatzanteil. Bei Verhinderung (durch Krankheit oder andere Umstände) ist d. Mitarbeiter/-in verpflichtet, dies d. Kl. anzuzeigen; eine Vergütung erfolgt dann nicht. Die (ordentliche) Kündigung des Vertragsverhältnisses sei gemäß § 89 des Handelsgesetzbuchs (HGB) innerhalb von einem Monat zum Monatsende möglich.

Die bisher Beigeladenen und d. AStn. gehören zu dem beschriebenen Personenkreis, der von d. Kl. unter den Schlagworten "Kundensystembetreuer/-innen" und von der Beklagten (d. Bekl.) unter "Regalauffüller/-innen" geführt wird.

Bereits 1993 war die Frage, ob die genannten Mitarbeiter selbständig tätig oder abhängig beschäftigt waren, Gegenstand von Betriebsprüfungen der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund - DRV Bund) und der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Steinfurt (heute aufgegangen in die AOK Westfalen-Lippe). Gegenüber d. Kl. äußerten diese Versicherungsträger, bei den fraglichen Mitarbeitern dürfte es sich am Ehesten um freiberuflich Selbständige handeln. Beiträge wurden ersichtlich nicht von d. Kl. (nach-) gefordert.

Bei den Versicherungsträgern war seit etwa 1992 der Status von sog. Regalauffüller-inne-n offenbar umstritten. Für solche Personen, die mit einer Stundenpauschale vergütet wurden, hat beispielsweise der AOK-Landesverband Rheinland am 13.12.1992 Versicherungspflicht angenommen.

Aufgrund eines anonymen Schreibens an das Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen (LAA NRW) setzt d. Bekl. 1996 ein Betriebsprüfungsverfahren in Gang, ermittelte bei einzelnen Mitarbeitern d. Kl. die Umstände der Mitarbeit und entschied mit Bescheid vom 30.04.1997 gegenüber d. Kl. u.a., die Rechtsauffassung zur Beitragspflicht von "Regalauffüllern" habe sich 1995 geändert. Für die Zukunft, ggf. ab Juli 1997, seien die betroffenen Personen versicherungspflichtig. D. Bekl. beteiligte mehrere Einzugsstellen durch Übersendung des Bescheides.

Auf den Widerspruch d. Kl. einigten sich diese und d. Bekl. auf eine gemeinsame Befragung der betroffenen Mitarbeiter; d. Bekl. hob sodann ihren Bescheid vom 30.04.1997 auf, soweit darin zum Status der Mitarbeiter entschieden worden war, und behielt sich eine erneute Prüfung vor. Sie beabsichtigte die Befragung von ausgeschiedenen Mitarbeitern d. Kl., da sie sich davon eine größere Neutralität der Angaben versprach, und entschied nach deren Durchführung durch den streitbefangenen Bescheid vom 23.12.1998 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 21.06.1999, die Mitarbeiter seien keine freien Handelsvertreter im Sinne von § 84 HGB, sondern abhängig Beschäftigte; sie unterlägen ab 01.07.1999 der Sozialversicherungspflicht. Im Widerspruchsverfahren versuchten d. Kl. und d. Bekl., neue Beschäftigungsmodelle für die "Betreuungskräfte" zu erarbeiten, sahen sich Anfragen der BfA und verschiedener Einzugsstellen zum Status der Mitarbeiter und diversen Verwaltungsverfahren ausgesetzt. D. Bekl. äußerte, nach Klärung der Grundsatzfrage sei es anschließend erforderlich, die betroffenen Mitarbeiter noch in das Prüfungsverfahren einzubinden; dazu zog sie Mitte 2002 eine Mitarbeiterliste d. Kl. mit insgesamt 324 Namen bei, ganz überwiegend von Frauen, schrieb "alle gemeldeten" Mitarbeiter an und wies schließlich mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2002 den Widerspruch d. Kl. zurück. Sie bejahte ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, weil die betroffenen Mitarbeiter insbesondere kein Unternehmerrisiko trügen, keine Waren selbst erwerben müssten, keine eigene Betriebsstätte unterhielten, in den Betrieb d. Kl. (faktisch) eingegliedert seien und den Weisungen d. Kl. unterlägen. Mit der am 22.11.2002 fristgerecht erhobenen Klage hat sich d. Kl. gegen diese Entscheidung gewandt und u.a. vorgebracht, dem Bescheid fehle es schon an der nötigen Bestimmtheit, weil die betroffenen Mitarbeiter nicht benannt worden seien. Im Übrigen handele es sich nicht um (schlichte) "Regalauffüller/-innen", sondern um geschulte Handelsvertreter(-innen), die

- in ihrer Arbeitszeit völlig frei seien,
- die Art der Arbeitsausführung frei bestimmen könnten, insbesondere eigenständige Verhandlungen mit den Marktleitern führten,
- nicht zeitlohnbezogen, sondern stückbezogen (verkaufsabhängig) vergütet würden,
- nicht in den Betrieb d. Kl. eingebunden seien.

Zum Teil hätten die Mitarbeiter/-innen auch mehrere Auftraggeber. Bei einigen hätten auch andere Stellen (BfA, Einzugsstellen) über deren Status entschieden. Erforderlich sei die Prüfung eines jeden Einzelfalles. Eine generelle Entscheidung, wie sie d. Bekl. getroffen habe, werde den Gegebenheiten nicht gerecht.

Die Bekl. hat an ihrer Auffassung festgehalten und sich u.a. auf ihre Feststellungen hinsichtlich der Beigeladenen zu 2) und der AStn. bezogen.

Das SG hat nach umfangreichem, über mehrere Jahre verteilten eingehenden Schriftverkehr der Hauptbeteiligten schließlich durch Beschluss vom 15.12.2005 (in der Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 12.01.2006) die betroffenen Mitarbeiter aufgefordert, bis zum 31.05.2006 ihre Beiladung zu beantragen. Unterbleibe der Antrag, finde eine Beiladung nicht statt. Der Beschluss ist im Bundesanzeiger und in der Tageszeitung "Die Welt" veröffentlicht worden. Über die beabsichtigte Veröffentlichung in der Tageszeitung "Frankfurter Allgemeine Zeitung" finden sich hingegen keine Nachweise in den Akten. Anschließend hat das SG das Verfahren zum Ruhen gebracht (Beschluss vom 30.01.2006).

Die Beiladung haben nur die bisherigen Beigeladenen beantragt, die Beigeladene zu 3) allerdings erst nach Ablauf der Ausschlussfrist, und zwar am 11.07.2006. Das SG hat das ruhende Verfahren stillschweigend wieder aufgenommen und drei Beiladungen ausgesprochen (Beschluss vom 13.07.2006).

Am 14.05./13.06.2007 hat schließlich d. AStn. ihre Beiladung beantragt, weil das Verfahren für sie von besonderer Bedeutung sei. Dazu hat sie sich auf das während des Widerspruchsverfahrens verfasste Anhörungsschreiben d. Bekl. vom 17.06.2002 bezogen; sie sei vom 18.11.1996 bis zum 31.01.2002 bei d. Kl. tätig gewesen. Dem vorgelegten Schriftverkehr ist zu entnehmen, dass sich die AStn. allenfalls für "scheinselbständig" gehalten und d. Kl. schon im Oktober 1999 gebeten hat, ihren Versichertenstatus unter Berücksichtigung der damaligen Gesetzesinitiativen zu beurteilen.

Das SG hat den Antrag durch weiteren Beschluss vom 05.07.2007 zurückgewiesen, da kein Fall einer notwendigen Beiladung vorliege. Es handele sich nämlich bei dem Klageverfahren um ein Streitverfahren über eine Statusentscheidung, die ein noch bestehendes Beschäftigungsverhältnis voraussetze. Erst ein nach Klärung des Statusverhältnisses möglicherweise sich anschließendes Beitragsnachforderungsverfahren würde d. AStn. unmittelbar betreffen und auch erst dann eine notwendige Beiladung erfordern. Dann könne d. AStn. ihre Rechte geltend machen, ohne durch die fehlende Beteiligung im jetzt anhängigen Verfahren beeinträchtigt zu sein (Zustellung an d. AStn. am 17.07.2007).

Der am 06.08.2007 eingelegten Beschwerde d. AStn. hat das SG nicht abgeholfen (Beschluss vom 08.08.2007).

D. AStn. beantragt dem Sinne nach,

den Beschluss des SG Münster vom 05.07.2007 zu ändern und sie zum Verfahren beizuladen.

D. Kl. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

D. Bekl. beantragt,

der Beschwerde stattzugeben.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 2) und 3) haben sich nicht geäußert.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der vierbändigen Gerichtsakten, auf die beiden Haupt-Verwaltungsakten d. Bekl. und die von ihr geführten zwanzig weiteren umfangreichen Beiordner über das Ergebnis der Anhörungsaktionen verwiesen.

II.

Die von der AStn. eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet.

D. AStn. hat einen Anspruch auf Beteiligung an dem eingeleiteten Klageverfahren. Denn ihre Beteiligung ist angesichts der Auswirkungen des Verfahrens auf ihre persönliche Rechtsstellung zwingend notwendig im Sinne von § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sind an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. D. AStn. ist unmittelbar Drittbetroffene i.S. dieser Norm.

Dabei mag dahinstehen, ob es sich bei dem Streit zwischen den Hauptbeteiligten (Kl. und Bekl.) "nur" um ein Statusverfahren über bestehende Vertragsverhältnisse (vgl. heute § 7a des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV)) oder um den vorgezogenen Abschnitt eines noch folgenden weiteren Betriebsprüfungsverfahrens handelt. In jedem Falle ist d. AStn. von dem Verfahren in ihrer Rechtsstellung als mögliche Versicherte betroffen. Denn die Feststellung der Versicherteneigenschaft erfasst nach dem Inhalt der streitigen Bescheide jedenfalls die Zeit ab dem 01.07.1999, also ab einem Zeitpunkt, als sich d. AStn. noch in einem ungekündigten Vertragsverhältnis zur Kl. befand.

Seit 1996 war d. Bekl. mit der Einleitung eines Betriebsprüfungsverfahrens für die Prüfung auch der Versicherungspflicht zuständig, denn mit Neufassung des § 28p SGB IV zum 01.01.1996 war die entsprechende Betriebsprüfungskompetenz von den Einzugsstellen (Krankenkassen, vgl. § 28h Abs. 1 SGB IV) auf die Träger der Rentenversicherung übergegangen. Damit oblag d. Bekl. als sachlich und örtlich zuständigem Versicherungsträger im Rahmen gesonderter Prüfung die Beurteilung, für wen, ob und in welcher Höhe Sozialversicherungsbeiträge von d. Kl. zu entrichten waren. Dabei steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Prüfbehörde, Sachverhalte in der Vergangenheit abschließend zu beurteilen oder aber Verhaltensweisen für die Zukunft einzufordern, die den sozialversicherungsrechtlichen Pflichten eines Arbeitgebers entsprechen. Nicht zu beanstanden ist auch ein Vorgehen des prüfenden Versicherungsträgers, wonach zunächst einmal ein Grundtatbestand zu prüfen ist (hier die Versicherungspflicht eines bestimmten Personenkreises), um nach der grundsätzlichen Klärung diese Tatbestandmerkmals zu einem späteren Zeitpunkt Feststellungen zur Höhe der Beitragsschuld bei jedem einzelnen ermittelten Versicherungspflichtigen zu treffen.

Entgegen der Auffassung des SG betrifft mithin das eingeleitete Prüfungsverfahren nicht nur "derzeit" bestehende Vertragsverhältnisse von Mitarbeitern d. Kl., sondern auch solche aus der Zeit ab, ggf. auch vor 1999. Davon wird auch das Versicherungsverhältnis d. AStn. erfasst, denn sie ist erst im Januar 2002 bei d. Kl. ausgeschieden.

Schließlich entfällt eine unmittelbare Drittbetroffenheit der AStn. nicht deshalb, weil d. Bekl. sie nicht ausdrücklich in den angefochtenen Bescheiden als abhängig Beschäftigte bzw. Versicherte aufgeführt hat. Denn spätestens mit der Übersendung der Mitarbeiterliste an d. Bekl. durch d. Kl. Mitte des Jahres 2002 (vgl. Bl. 599 ff. Band II der Haupt-VerwAkte), also kurz vor Erlass des Widerspruchsbescheides, war zwischen den Hauptbeteiligten ausreichend klar, welche Personen von der Grundentscheidung d. Bekl. erfasst werden sollten. Dabei ist d. AStn. ausdrücklich (mit einem Eintrittsdatum bei der Klägerin zum 18.11.1996) aufgeführt.

Die Feststellung der Versicherungspflicht durch die Betriebsprüfung bewirkt im Sinne von §§ 2, 7, 14, 28d, 28h und 28p SGB IV i.V.m. den jeweiligen Sondervorschriften der Rentenversicherung (§ 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)), der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)), der Pflegeversicherung (§ 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)) sowie der Arbeitslosenversicherung (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)) nicht nur die dem Arbeitgeber obliegenden Zahlungsverpflichtungen (§ 28e SGB IV); vielmehr werden für die ermittelten Versicherungspflichtigen subjektiv öffentliche Rechte festgestellt, so etwa Anwartschaften auf Versichertenrenten oder etwa Wartezeiten für Leistungen der Sozialversicherung (z.B. für Arbeitslosengeld) oder auch die Berechtigung für das weitere Verbleiben in einer Versicherung (vgl. z.B. § 10 SGB V, freiwillige (Weiter-)Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung); auch ist die Feststellung der Pflichtmitgliedschaft ggf. von Bedeutung für den Zugang zur Krankenversicherung der Rentner oder für den Anspruch auf Pflegeleistungen (vgl. § 33 SGB XI). Die genannten Personen sind mithin in ihrer eigenen Rechtsstellung unmittelbar berührt.

Liegen derartige Fallgestaltungen vor, räumt § 75 Abs. 2 SGG den Betroffenen, also den freien Mitarbeitern oder potentiellen Beschäftigten, ein Recht zur (notwendigen) Teilnahme am Gerichtsverfahren ein. Damit ist grundsätzlich eine prozessökonomische Verfahrensweise garantiert. Divergierende Entscheidungen verschiedener Spruchkörper werden im Übrigen vermieden.

Der Anspruch d. AStn. ist auch nicht durch § 75 Abs. 2a Sätze 1-8 SGG ausgeschlossen. Aus dem systematischen Aufbau der Norm folgt, auch wenn dies nicht ausdrücklich dem Wortlaut zu entnehmen ist, dass diejenigen notwendig Beizuladenden mit ihren Beteiligungsrechten ausgeschlossen sind, die die vom Gericht gesetzte Antragsfrist versäumt haben. Darüber hinaus bewirkt die Anordnung eine Bindung der späteren Entscheidung für alle am Verfahren beteiligten Personen (§ 141 Abs. 1 SGG), so dass sie in einem späteren Verfahren mit ihren Einwendungen nicht mehr gehört werden könnten. Insofern geht das SG fälschlicherweise und entgegen den Voraussetzungen für eine (auf notwendige Beiladungen beschränkte) Massenbeiladung davon aus, die unterbliebene Beiladung der AStn. könnte in ihren Auswirkungen später noch in anschließenden Verfahren geheilt werden.

Überzeugend ist indes die Annahme des SG, d. AStn. habe die vom SG festgesetzte Frist versäumt. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumnis sind weder dargetan noch ersichtlich.

Allerdings vermag sich d. AStn. auf § 75 Abs. 2a S. 9 SGG zu stützen. Danach sollen (unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen des § 75 Abs. 2a S. 1 bis 8 SGG) diejenigen Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beigeladen werden. Daraus wird zu Recht gefolgert (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl., 2005, § 75 RNr. 11k), dass dies auch eine Beiladung nach verspätetem Antrag zulässt. Dies erscheint auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt, denn ansonsten könnte einem Versicherten aufgrund eines relativ geringen Verfahrensversäumnisses u. U. ein nachhaltiger, unverhältnismäßiger, materieller Schaden bei einem nicht nur mittelbaren Eingriff in subjektive Rechte entstehen (vgl. dazu i.E. zur Parallelvorschrift des § 65 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Bier in Schoch, Komm. zur VwGO, Stand 2007, § 65 RNr. 36; Redeker-v. Oertzen, VwGO, Komm., § 65 RNr. 32). Auch aus Gründen der praktischen Verfahrensdurchführung rechtfertigt sich in vielen Fällen die - trotz Fristversäumnis - dennoch nötige Beiladung i.S.v. § 75 Abs. 2a S.9 SGG: Denn ohne zusätzliche Befragung oder Anhörung der Mitarbeiter, die eine besondere Betroffenheit geltend machen, wird sich eine ausreichende Sachverhaltsklärung durch das Tatsachengericht ohnehin nicht erreichen lassen. Seinen guten Sinn indes behält der Beiladungsausschluss bei den Personen, die sich ohnehin am Verfahren uninteressiert zeigen; sie müssen nicht mehr an allen Verfahrensschritten beteiligt werden, obgleich sie die Bindungswirkung des § 141 SGG trifft.

D. AStn. wird durch den Rechtsstreit erkennbar in ihren Rechten betroffen. Zumindest würde sie bei Feststellung ihrer Versicherungspflicht weitere Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben. Nach ihren Angaben vom 14.07.2002 hat sie zuletzt im Februar 1997 Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten entrichtet, so dass davon auszugehen ist, dass sie zuvor Rentenanwartschaften angesammelt hat, die sie nunmehr (zumindest) um weitere 4 1/4 Jahre erweitern könnte. Darüber hinaus ist d. AStn. nicht an die Entscheidung gebunden, eine Versicherungspflicht erst zum Juli 1999 einsetzen zu lassen. Denn über die Voraussetzungen der Versicherungspflicht können die Versicherungsträger und d. Kl. nicht frei zu Lasten der betroffenen Mitarbeiter/Versicherten disponieren. Soweit die Verwaltungsakte d. Bekl. damit auch d. AStn. belastende Aussprüche enthalten und ihre Versicherteneigenschaft für die Zeit vor 1999 verneinen, bedingen sie einen weiteren unmittelbar wirkenden Eingriff in die Rechtsstellung d. AStn., der ihre besondere Betroffenheit i. S. v. § 75 Abs. 2a S. 9 SGG dokumentiert.

Schließlich wäre es für d. AStn. und Aussenstehende auch wenig verständlich, wenn das SG die AStn. von der Teilnahme am Verfahren ausschließen wollte, jedoch die Beigeladene zu 3.) ohne Weiteres am Verfahren beteiligt hat, obgleich auch diese die Ausschlussfrist des § 75 Abs. 2a SGG versäumt hat - wenn auch nur um sechs Wochen statt um fast ein Jahr wie die AStn ...

Der vorliegende, seit 1997 schwelende und seit 2002 bei Gericht anhängige Rechtsstreit gibt dem Senat Anlass, über die zur Entscheidung anstehende Einzelfrage hinausgehende Erwägungen zu treffen, ohne damit dem SG vorgreifen oder es bevormunden zu wollen. Der Fall zeigt deutlich, wie schwer es sich die Beteiligten und die Gerichte mit Massenverfahren im Sozialversicherungsrecht tun, einschließlich des erkennenden Senats, der auch fast sechs Monate gebraucht hat, um angesichts von umfangreichen Akten die anstehende Rechtsproblematik zu erkennen und zu gewichten (zur Grundsatzproblematik vgl. nur Littmann in Binder u.a., Handkommentar-SGG, 2006, § 75 RNr. 9; Meyer-Ladewig, NVwZ 1982, 349 ff.; vgl. insbesondere auch die in der Praxis vielfach weiterführenden Hinweise bei Zeihe, SGG, Kommentar, Stand Mai 2007, § 75 RNr. 30b).

Sinnvoll erscheint daher der Ansatz des SG, das Verfahren durch Anwendung von § 75 Abs. 2a SGG eingrenzen zu wollen. Indes dürfte ein derart komplexer Sachverhalt mit über 300 betroffenen Einzelpersonen, die als Versicherte in Betracht kommen, nicht wesentlich durch die Beteiligtenbegrenzung des § 75 Abs. 2 SGG erleichtert werden können. Denn Streitgegenstand ist nicht die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage, etwa ob "Regalauffüller" versicherungspflichtig sind; wie d. Kl. wiederholt zutreffend herausgestellt hat, geht es darum, in über dreihundert (im Rahmen einer Klagehäufung zusammengefassten) Einzelfällen zu klären, ob die Voraussetzungen für eine abhängige Beschäftigung nachzuweisen sind.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen dem Grunde nach in der Rentenversicherung (§ 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI), der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), der Pflegeversicherung (§ 2 Abs. 1 SGB XI) sowie der Arbeitslosenversicherung (§ 24 Abs. 1 SGB III) der Versicherungspflicht. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 a Abs. 1 S. 1 SGB IV. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl. zuletzt Sozialrecht (SozR) 3-2400 § 7 Nr. 19 und SozR 4-2400 § 7 Nr. 5) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführungen umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dem gegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, der Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgeblich ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, so geben letztere den Ausschlag. Insofern können die Umstände der Mitarbeit in der Tat trotz gleich bleibender Bezeichnung "Regalauffüller" oder "Kundensystembetreuer" variieren. Dies mag nach den bisherigen Erfahrungen des Senats auch abhängen von der Intensität des individuellen Einwirkens d. Kl. auf ihre Mitarbeiter; dies kann vielleicht sogar von Region zu Region, von Bezirksleiter zu Bezirksleiter verschieden sein. Unterschiedlich gewichtet werden könnten die Vorbildung und das Auftreten des/r Mitarbeiter-s/-in am Markt, oder die Frage, für wie viele Auftraggeber der/die Mitarbeiter/-in tätig ist oder war. Eine solche Individualisierung des Rechtsstreits für mehr als 300 Personen erscheint in nur einem einzigen umfassenden Verfahrens kaum realisierbar. Dies würde sicherlich nicht nur die Justiz, sondern auch die Verfahrensbeteiligten überfordern. Sinnvoll könnte daher nach den gemeinsamen Überlegungen in den Senaten des erkennenden Gerichts sein, den Rechtsstreit zunächst auf nur einige wenige Mitarbeiter d. Kl. zu begrenzen, etwa durch Ruhensabreden mit den Beteiligten und/oder die Abtrennung von Verfahren (ggf. unter Ruhen des älteren Verfahrensteiles). Weiterführend könnte vielleicht sein, in einer Art Musterverfahren einige wenige, sehr interessierte, örtlich leicht greifbare Mitarbeiter/-innen am Verfahren zu beteiligen. Dabei könnte es sinnvoll sein, sowohl Mitarbeiter zu beteiligen, die sich erkennbar für selbständig halten, als auch solche, die sich selbst als Beschäftigte verstanden haben. Bei einer späteren Wiederaufnahme der Verfahren weiterer Beteiligter könnten dann wohl auf die gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse zurück gegriffen werden. Sicherlich könnte auch zu erwägen sein, vorab besonders die Verhältnisse älterer Versicherter einzubeziehen, die kurz vor dem Rentenalter stehen oder aus anderen Gründen ihr gesteigertes Interesse am Verfahren kenntlich gemacht haben, wie dies den Akten hier verschiedentlich zu entnehmen ist (generell zu Vorschlägen aus der Praxis vgl. Zeihe und Meyer-Ladewig, jeweils a.a.O).

Bei alldem erscheint - jedenfalls bei einer Verfahrenstrennung - auch das Kosteninteresse aller Verfahrenbeteiligter gewahrt: Wird nur ein Verfahren über die Rechtsverhältnisse von 300 möglichen Versicherten mit ca. 15.000 Euro Jahreseinkommen geführt, so summiert sich die wirtschaftliche Bedeutung für d. Kl. bei einer angenommen Beitragsbelastung von ca. 40 % auf ca. 1,8 Mio Euro (Streitsumme) pro Prüfungsjahr. Wird der Rechtsstreit auf wenige Fälle beschränkt, sinkt das Kostenrisiko (vorliegend) auf eine Streitsumme von ca. 6.000 Euro pro Mitarbeiter, immer mit der Möglichkeit, im (seit dem Jahre 2002) gerichtskostenpflichtigen Verfahren die gesetzlich vorgesehenen Kostenmilderungen (bei nicht streitigem Verfahrensabschluss) in Anspruch nehmen zu können. In ähnlicher Weise erleichtert eine mögliche Verfahrenstrennung nach der Person der Mitarbeiter die Kostenzuordnung für die Vernehmung von Zeugen, beispielsweise der jeweils zugeordneten Bezirksleiter und der jeweiligen Vertragspartner d. Kl., d.h. der diversen Leiter von Super- und anderen Märkten.

Darüber hinaus besteht Anlass darauf hinzuweisen, dass an den Betriebsprüfungsverfahren, so sie nicht mit dem sog. "Summenbescheid" des § 28f Abs. 2 SGB IV abgeschlossen werden, nicht nur die jeweils betroffenen Mitarbeiter zu beteiligen sind, sondern auch alle diejenigen Versicherungsträger, deren Beitragsinteresse berührt wird. Das sind neben den für den jeweiligen Versicherten zuständigen Rentenversicherungsträgern und neben der Bundesagentur für Arbeit nicht nur die Einzugsstellen, sondern die jeweiligen Träger der Kranken- und der Pflegeversicherung. Unter Umständen kann es sogar bei einer entsprechenden Fallgestaltung - etwa bei nur geringfügigen Vergütungen - nötig sein, die DRV-Knappschaft-Bahn-See mit ihrer "Minijobzentrale" beizuladen.

Die notwendige Beiladung von weiteren Versicherungsträgern erscheint im vorliegenden Fall um so mehr erforderlich, als das SG mit seinem Beschlussverfahren nach § 75 Abs. 2a SGG nur die möglichen Versicherten hat erfassen wollen, jedoch keinen Ausschluss von Versicherungsträgern verfügt hat.

Abschließend sei noch die Frage aufgeworfen, ob nicht auch die DRV-Bund sinnvollerweise (einfach, § 75 Abs. 1 SGG) beigeladen werden sollte. Dafür könnte jedenfalls ein Bedürfnis bestehen, wenn die DRV-Bund bereits ihrerseits bei dem einen oder anderen Mitarbeiter d. Kl. ein Verfahren eingeleitet hat oder Anlass besteht, über eine (von der DRV-Bund zu beurteilende) Versicherungspflicht allein in der Rentenversicherung nachzudenken (§ 2 S. 1 Nr. 9 bzw. § 6 Abs. 1a SGB VI). Dies zu entscheiden, ist indes nicht Sache des Beschwerdegerichts, sondern bleibt - wie die gesamte Gestaltung des weiteren erstinstanzlichen Verfahrens - der unabhängigen und freien richterlichen Entscheidung des SG vorbehalten.

Die Kostenentscheidung berücksichtigt, dass das Beschwerdeverfahren nur ein unselbständiges Zwischenverfahren darstellt, das keiner eigenen Kostenentscheidung zugänglich ist.

Rechtsmittelbelehrung:
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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