L 20 B 18/08 AY

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AY 35/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 18/08 AY
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 09.01.2008 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Zu Recht hat es das Sozialgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt, den Klägern Prozesskostenhilfe zu gewähren; der hiergegen eingelegten Beschwerde der Kläger hat das Gericht mit Beschluss vom 27.02.2008 zu Recht nicht abgeholfen. Denn der Rechtsverfolgung der Kläger fehlt die hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO).

Hinsichtlich der Kläger zu 1) und 2) gelten nach wie vor die im Beschluss des Senats vom 02.02.2007 im Beschwerdeverfahren L 20 B 41/06 AY (zu SG Gelsenkirchen S 2 AY 18/05, mittlerweile als Berufungsverfahren LSG NRW L 20 AY 19/07 anhängig) gemachten Ausführungen zur Einreisemotivation. Danach ist es überwiegend wahrscheinlich, dass die Kläger im Jahre 2004 erneut nach Deutschland einreisten, um eine optimale gesundheitliche Versorgung der schwer erkrankten Klägerin zu 2) sicherzustellen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 02.02.2007 Bezug genommen. Dies gilt auch dann, wenn - anders als zur Zeit der Entscheidung vom 02.02.2007 - mittlerweile Unterlagen vorgelegt wurden, die eine Tätigkeit des Klägers zu 1) im Heimatland als Computerfach- mann belegen und die Annahme rechtfertigen sollen, er sei deshalb im Heimatland wirtschaftlich gut gestellt gewesen. Denn die Bescheinigung einer G vom 15.02.2007 besagt einzig, dass der Kläger zu 1) dort als "technical specialist" von September 2000 bis Dezember 2003 tätig gewesen sei; näher spezifiziert wird dies nicht, und auch über den Verdienst des Klägers zu 1) sind Angaben nicht enthalten. Selbst ein hoher Verdienst könnte im Übrigen die näherliegende Annahme, die Wiedereinreise nach Deutschland 2004 sei in erster Linie auf eine mangelhafte gesundheitliche Versorgung der Klägerin zu 2) im Heimatland zurückzuführen, bei Möglichkeit nur summarischer Prüfung nicht entkräften.

Dann aber unterfallen die Kläger zu 1) und 2) von vornherein nicht dem (von ihnen gewünschten) Leistungsregelement des § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), sondern - nach wie vor - demjenigen des § 1a (Nr. 1) AsylbLG.

Hiergegen spricht auch nicht, dass für die Klägerin zu 2) in Ansehung ihres prekären gesundheitlichen Zustandes im Anschluss an ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28.03.2007 - 5 K 1973/06.A zwischenzeitlich mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 24.07.2007 ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) hinsichtlich Armenien festgestellt worden ist. Denn dadurch werden die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1a Nr. 1 AsylbLG keineswegs zunichte gemacht. Die Vorschrift stellt allein auf die Motivation bei Einreise nach Deutschland ab. Es liefe dem Zweck der Regelung zuwider, wenn die Einreisemotivation einer nicht hinreichenden medizinischen Versorgung im Heimatland einerseits eine Beschränkung der Leistungen auf das nach den Umständen unabweisbar Gebotene bewirken soll, ein auf diese nicht hinreichende Versorgung gestütztes Abschiebeverbot jedoch das Leistungsregime des § 1a AsylbLG außer Kraft setzen könnte.

Der Senat stimmt dem Sozialgericht im Übrigen zu, wenn es den Vorbezug von Leistungen nach § 1a AsylbLG nicht als zur Auffüllung der Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG tauglich ansieht. Zwar wäre Prozesskostenhilfe bereits dann zu gewähren, wenn die Kläger mit ihrer gegenläufigen Ansicht eine Rechtsfrage aufwürfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist (vgl. hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 73a Rn. 7b m.w.N.). Der Senat hält die von den Klägern aufgeworfene Frage allerdings nicht für klärungsbedürftig, sondern für vom Gesetz bereits eindeutig beantwortet. Hieran ändert es nichts, wenn zwischenzeitlich entsprechende Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht anhängig sind; an die Beurteilung der Notwendigkeit der Revisionszulassung durch andere Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ist der Senat insoweit nicht gebunden.

In der Sache beantwortet sich die von den Klägern aufgeworfene Frage unschwer aus dem klaren Gesetzeswortlaut in § 2 Abs. 1 AsylbLG, der von "Leistungen nach § 3" AsylbLG und nicht etwa von "Leistungen nach § 3 oder § 1a" AsylbLG spricht. Hätte der Gesetzgeber hiervon abweichen wollen, hätte er - letztmalig etwa bei dem Heraufsetzen der Vorbezugsfrist von 36 auf 48 Monate (mit Wirkung ab 28.08.2007) im Zuge der damit notwendigen Gesetzesänderung und in Kenntnis der teilweise von der hier vertretenen Lesart abweichenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen - den Leistungsvorbezug auf Leistungen nach § 1a AsylbLG erweitern können.

Wenn im Übrigen nach der Rechtsprechung des Senats (in Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes) über den Wortlaut des § 2 Abs. 1 AsylbLG hinaus auch andere Sozialleistungen als solche nach § 3 AsylbLG zur Fristauffüllung ausreichen, so lässt sich das jedenfalls nicht auf die Situation eines Leistungsbezuges nach § 1a AsylbLG übertragen. Denn diese Entscheidungen beziehen sich sämtlich auf Sozialleistungen oder Einkünfte, bei denen ein leistungsrechtlich missbilligtes Verhalten des Leistungsempfängers nicht zu berücksichtigen war, sondern bei denen es sich lediglich um eine mit derjenigen nach § 3 AsylbLG mindestens vergleichbare Sicherstellung des Lebensunterhaltes handelte (vgl. etwa für Leistungen nach dem BSHG oder SGB VIII die Beschlüsse des Senats vom 27.04.2006 - L 20 B 10/06 AY ER sowie vom 06.08.2007 - L 20 B 50/07 AY ER. Demgegenüber wirkt die leistungsrechtliche Missbilligung der Einreisemotivation der Kläger zu 1) und 2) i.S.d. § 1a Nr. 1 AsylbLG bei summarischer Prüfung aktuell weiter fort, was auch eine Besserstellung nach § 2 AsylbLG unter dem mit letzterer Vorschrift verfolgten Integrationszweck ausschließt.

Können die Kläger zu 1) und 2) deshalb weder Leistungen nach § 2 AsylbLG noch (hilfsweise) solche nach § 3 AsylbLG verlangen, so entfällt von vornherein ein Anspruch der Kläger zu 3) und 4), die beide die Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG in eigener Person nicht erfüllen. Ihrer auf § 2 Abs. 3 AsylbLG gestützten Beschwerde ist mit dem fehlenden Anspruch der Kläger zu 1) und 2) die Grundlage entzogen. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass er mit Urteil vom 10.03.2007 – L 20 AY 9/07 der von den Klägern zu § 2 Abs. 3 AsylbLG vertretenen Lesart unter Zulassung der Revision nicht gefolgt ist.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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