Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AL 112/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 61/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19.09.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Insolvenzgeld. Der Kläger ist 1969 geboren und war vom 02.06.2003 bis zum 13.05.2004 als Fahrer bei der F GmbH in X, die im gewerblichen Güterkraftverkehr tätig war, beschäftigt.
Die Angaben, ob der Kläger oder seine Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, gehen auseinander.
Im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 13.05.2004 war der Lohn für den Monat April sowie anteilig für den Monat Mai 2004 in Höhe von 2.150,32 Euro noch nicht gezahlt. Außerdem stand eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.538,31 Euro aus. Nachdem eine Zahlungsaufforderung von April erfolglos geblieben war, erhob der Kläger am 13.07.2004 beim Arbeitsgericht Wuppertal Zahlungsklage.
Nach einem Gütetermin am 09.09.2004 erging im Termin zur Verkündung einer Entscheidung am 13.09.2004 ein Versäumnisurteil, das rechtskräftig wurde.
Die am 21.10.2004 vom Kläger eingeleitete Zwangsvollstreckung verlief erfolglos, weil der Gerichtsvollzieher die Arbeitgeberin unter der Anschrift X, F1str. 00, nicht ermitteln konnte. In einem Handelsregisterauszug vom 22.11.2004 war die GmbH unter der o. g. Adresse verzeichnet.
Der Bevollmächtigte des Klägers unternahm am 14.03.2005 eine Internetrecherche unter "www.insolvenzbekanntmachungen.de". Dabei schränkte er die Suche nach einem Insolvenzverfahren der Arbeitgeberin des Klägers auf einen Zeitraum erst ab dem 28.02.2005 ein. Die Recherche blieb ebenso wie eine am 18.05.2005 durchgeführte Recherche erfolglos. Der Bevollmächtigte vermerkte unter dem 30.05.2005 in seinen Akten, dass in den Insolvenzbekanntmachungen eine evtl. Insolvenz der Arbeitgeberin nicht bekannt sei. Eine Postanfrage habe ergeben, dass die Firma nicht zu ermitteln sei und aus dem Handelsregister keine neue Anschrift entnommen werden könne. Er vermerkte darüber hinaus, dass er mit der Zwangsvollstreckung "am Ende" sei, sofern der Mandant keine weiteren Informationen selbst erwerben könne.
Nach einer Auskunft aus dem Gewerberegister vom 16.06.2005 teilte der Oberbürgermeister der Stadt X mit, dass die GmbH ihren Betrieb am 15.08.2004 aufgegeben habe. Eine daraufhin am 21.06.2005 durchgeführte Internetrecherche ergab, dass das Amtsgericht X am 24.01.2005 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen hatte, nachdem die Anzeige am 21.01.2005 beim Gericht eingegangen war. Bei dieser Recherche hatte der Bevollmächtigte des Klägers keine zeitliche Einschränkung wie bei den vorherigen beiden Recherchen vorgenommen.
Mit Schreiben vom 22.06.2005 - eingegangen bei der Beklagten am 23.06.2005 - beantragte der Kläger Insolvenzgeld.
Die Beklagte forderte ihn daraufhin auf, darzulegen, wann und wie er von dem Insolvenzereignis Kenntnis erlangt habe und welche Schritte er seit der Säumigkeit des Arbeitgebers unternommen habe, um die Ansprüche gegen diesen durchzusetzen.
Der Kläger teilte mit, er habe erst im Juni 2005 von dem Insolvenzereignis erfahren.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers am 20.07.2005 ab und führte aus, der Kläger habe nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 24.01.2005 bis zum 24.03.2005 den Antrag einreichen müssen. Diese Frist sei eine gesetzliche Ausschlussfrist, die der Kläger nicht eingehalten habe.
Mit seinem Widerspruch vom 26.06.2005 wies der Kläger darauf hin, dass er die Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 SGB III nicht schuldhaft verletzt habe. Er habe im Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung keinen persönlichen Kontakt mehr zu seiner früheren Arbeitgeberin gehabt. Anhaltspunkte für eine Insolvenz habe es nicht gegeben. Dies zeigten schon die Internetrecherchen.
Der Kläger verwies auf den Aktenvermerk seines Bevollmächtigten vom 30.05.2005. Er vertrat die Auffassung, er habe alles getan, seine arbeitsrechtlichen Ansprüche durchzusetzen. Schließlich habe er einen Anwalt beauftragt. Der Rechtsstreit sei zügig und konsequent durchgeführt worden. Nachdem man von dem Insolvenztatbestand Kenntnis erlangt habe, sei unmittelbar der Antrag auf Insolvenzgeld gestellt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Beklagte wiederholte ihre Auffassung, der Antrag sei außerhalb der Ausschlussfrist gestellt worden. Der Kläger habe die Versäumung der Frist auch zu vertreten. Er habe nämlich mindestens fahrlässig gehandelt. Er müsse sich die Pflichtversäumnis des Bevollmächtigten zurechnen lassen. Eine Nachfrist sei ihm nicht einzuräumen. Es habe zu den Pflichten des Bevollmächtigten gehört, ihn auch über die gesetzliche Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Insolvenzgeld zu informieren. Zwar habe der Bevollmächtigte versucht, Feststellungen zu treffen, ob die GmbH insolvent geworden sei. Dies sei aber lediglich aus Gründen, die sich der Bevollmächtigte zurechnen lassen müsse, gescheitert. Der Bevollmächtigte hätte eine zeitliche Einschränkung bei der Suche nicht einfügen dürfen. Deshalb habe er den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht feststellen können. Dieser habe vor dem gesetzten Beginn des Suchzeitraums gelegen. Hätte der Bevollmächtigte sorgfältiger gearbeitet, hätte er von dem Insolvenzereignis früher Kenntnis erlangt.
Hiergegen hat der Kläger am 28.03.2006 Klage beim Sozialgericht Dortmund erhoben. Er hat sich im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren bezogen und beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2006 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich im Wesentlichen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides bezogen.
Das Sozialgericht Dortmund hat die Klage am 19.09.2007 abgewiesen. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen das ihm am 05.10.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.11.2007 Berufung eingelegt. Der Bevollmächtigte weist darauf hin, dass er nur für ein Verfahren gegen die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers beauftragt gewesen sei. Vor dem Arbeitsgericht Wuppertal sei es um die Vergütungsansprüche des Klägers für April und Mai 2004 sowie die Urlaubsabgeltungsansprüche gegangen. Lediglich im Zusammenhang mit der Beauftragung hinsichtlich der Zwangsvollstreckung sei durch sein Büro versucht worden, die Frage zu klären, ob ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Er sei nicht beauftragt worden, Insolvenzgeldansprüche durchzusetzen. Dies sei erst am 22.06.2005 erfolgt. Dementsprechend dürfe dem Kläger ein evtl. Verschulden des Bevollmächtigten nicht zugerechnet werden. Im Übrigen würden durch das Gericht zu hohe Anforderungen an die Ermittlungen des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten gestellt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19.09.2007 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2006 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld für die Monate April und Mai 2004 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19.09.2007 zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils, weist ergänzend aber darauf hin, dass der Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung erst im März 2005 nachgegangen worden sei. Die Beklagte meint, der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter hätten den Hinweisen auf eine Insolvenz nachgehen müssen, die sich schon dadurch ergeben hätten, dass die beklagte Arbeitgeberin an dem arbeitsgerichtlichen Verhandlungstermin vom 23.09.2004 nicht teilgenommen und sich auch nicht gegen das Versäumnisurteil gewehrt habe und schließlich auch die Zwangsvollstreckung nicht habe durchgeführt werden können. Schließlich habe der Bevollmächtigte die Internetrecherche fehlerhafterweise im März 2005 nur auf den Zeitraum vom 28.02. bis 14.03.2005 beschränkt. Diesen Fehler müsse sich der Kläger zurechnen lassen.
Dem Gericht haben die Verwaltungsunterlagen der Beklagten über den Antrag auf Insolvenzgeld des Klägers vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt der Unterlagen wird verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch den Bescheid vom 20.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2006 nicht beschwert. Der Bescheid ist rechtmäßig.
Die Beklagte hat die Bewilligung von Insolvenzgeld zu Recht abgelehnt. Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und im Zeitpunkt des Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger.
Allerdings muss das Insolvenzgeld gemäß § 324 Abs. 3 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Monaten nach dem Insolvenzereignis beantragt werden. Dies hat der Kläger versäumt. Es ist nicht zwingend, von dem Insolvenzereignis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Januar 2005 auszugehen, da der Oberbürgermeister der Stadt X am 16.06.2005 als Tag der Betriebsaufgabe den 15.08.2004 genannt hat. Für die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit zu diesem Zeitpunkt spricht auch, dass der Gerichtsvollzieher im Oktober/November 2004 die GmbH (frühere Arbeitgeberin des Klägers) unter der angegebenen Anschrift nicht (mehr) ermitteln konnte.
Diese Überlegungen können aber dahinstehen, weil eine Verfristung des Antrags auch anzunehmen ist, wenn man auf den Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 24.01.2004 abstellt, weil der Tag der Beantragung des Insolvenzgeldes am 23.06.2005 außerhalb der Zwei-Monats-Frist liegt.
Dem Kläger kann auch keine Nachfrist gemäß § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III gewährt werden. Ihm ist nämlich das Verhalten seines Bevollmächtigten zuzurechnen. Einer juristisch nicht vorgebildeten Person, die einen Anwalt beauftragt, der ihre Lohnansprüche geltend machen soll, kann nicht entgegengehalten werden, dies betreffe nur die arbeitsgerichtliche Geltendmachung.
Der Umfang des Mandats ist im Falle einer Beauftragung zur Durchführung arbeitsvertraglicher Ansprüche dahin zu verstehen, dass auch das Insolvenzgeld beantragt werden soll (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 08.12.2005 - L 28 AL 167/04 m. w. N.). Der Auftrag, einen arbeitsrechtlichen Anspruch im Insolvenzverfahren durchzusetzen, umfasst regelmäßig auch die Verpflichtung, den Arbeitnehmer über die Voraussetzungen eines Insolvenzgeldanspruchs zu informieren (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt vom 23.02.2005 - L 2 AL 55/03).
Der Bevollmächtigte des Klägers hätte jedenfalls in dem Zeitpunkt, in dem die Zwangsvollstreckung wegen Nichtermittelbarkeit der früheren Arbeitgeberin des Klägers erfolglos blieb, Anlass gehabt, zu zweifeln, ob die GmbH noch auf dem Markt tätig war. In diesem Zusammenhang hätte auf jeden Fall die Frage der Insolvenz geprüft werden müssen. Dies umso mehr als das Unternehmen in der Logistikbranche tätig war, in der eine langjährige Tätigkeit der dort agierenden Unternehmen nicht in jedem Fall festgestellt werden kann. Dazu kam, dass das Unternehmen - jedenfalls im Falle des Klägers - den Lohn nicht regelmäßig gezahlt hat und sich weder gegen das Versäumnisurteil noch gegen die Vollstreckung gewehrt hat.
Der Bevollmächtigte kann auch mit seinem Vorbringen, er habe die Insolvenz nicht im Hinblick auf das Insolvenzgeld prüfen wollen, nicht durchdringen. Der Bevollmächtigte hätte von dem Insolvenzereignis der Insolvenzeröffnung erfahren, wenn er nicht den "handwerklichen Fehler" begangen hätte, den Zeitraum seiner Internetrecherche aus nicht dargelegten Gründen erst mit dem 28.02.2005 beginnen zu lassen. Dieses Fehlverhalten seines Bevollmächtigten muss sich der Kläger zurechnen lassen. Der Kläger trägt nicht nur die Folgen eigenen fahrlässigen oder vorsätzlichen Handelns, sondern auch die Folgen fahrlässigen oder vorsätzlichen Handelns seines Bevollmächtigten. Dabei genügt bereits leichte Fahrlässigkeit, um die Einräumung einer Nachfrist auszuschließen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 24.10.2007 - L 12 AL 62/06; s. a. Hessisches Landessozialgericht vom 24.04.2006 - L 9 AL 118/04).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt, § 160 Abs. 2 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Insolvenzgeld. Der Kläger ist 1969 geboren und war vom 02.06.2003 bis zum 13.05.2004 als Fahrer bei der F GmbH in X, die im gewerblichen Güterkraftverkehr tätig war, beschäftigt.
Die Angaben, ob der Kläger oder seine Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, gehen auseinander.
Im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 13.05.2004 war der Lohn für den Monat April sowie anteilig für den Monat Mai 2004 in Höhe von 2.150,32 Euro noch nicht gezahlt. Außerdem stand eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.538,31 Euro aus. Nachdem eine Zahlungsaufforderung von April erfolglos geblieben war, erhob der Kläger am 13.07.2004 beim Arbeitsgericht Wuppertal Zahlungsklage.
Nach einem Gütetermin am 09.09.2004 erging im Termin zur Verkündung einer Entscheidung am 13.09.2004 ein Versäumnisurteil, das rechtskräftig wurde.
Die am 21.10.2004 vom Kläger eingeleitete Zwangsvollstreckung verlief erfolglos, weil der Gerichtsvollzieher die Arbeitgeberin unter der Anschrift X, F1str. 00, nicht ermitteln konnte. In einem Handelsregisterauszug vom 22.11.2004 war die GmbH unter der o. g. Adresse verzeichnet.
Der Bevollmächtigte des Klägers unternahm am 14.03.2005 eine Internetrecherche unter "www.insolvenzbekanntmachungen.de". Dabei schränkte er die Suche nach einem Insolvenzverfahren der Arbeitgeberin des Klägers auf einen Zeitraum erst ab dem 28.02.2005 ein. Die Recherche blieb ebenso wie eine am 18.05.2005 durchgeführte Recherche erfolglos. Der Bevollmächtigte vermerkte unter dem 30.05.2005 in seinen Akten, dass in den Insolvenzbekanntmachungen eine evtl. Insolvenz der Arbeitgeberin nicht bekannt sei. Eine Postanfrage habe ergeben, dass die Firma nicht zu ermitteln sei und aus dem Handelsregister keine neue Anschrift entnommen werden könne. Er vermerkte darüber hinaus, dass er mit der Zwangsvollstreckung "am Ende" sei, sofern der Mandant keine weiteren Informationen selbst erwerben könne.
Nach einer Auskunft aus dem Gewerberegister vom 16.06.2005 teilte der Oberbürgermeister der Stadt X mit, dass die GmbH ihren Betrieb am 15.08.2004 aufgegeben habe. Eine daraufhin am 21.06.2005 durchgeführte Internetrecherche ergab, dass das Amtsgericht X am 24.01.2005 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen hatte, nachdem die Anzeige am 21.01.2005 beim Gericht eingegangen war. Bei dieser Recherche hatte der Bevollmächtigte des Klägers keine zeitliche Einschränkung wie bei den vorherigen beiden Recherchen vorgenommen.
Mit Schreiben vom 22.06.2005 - eingegangen bei der Beklagten am 23.06.2005 - beantragte der Kläger Insolvenzgeld.
Die Beklagte forderte ihn daraufhin auf, darzulegen, wann und wie er von dem Insolvenzereignis Kenntnis erlangt habe und welche Schritte er seit der Säumigkeit des Arbeitgebers unternommen habe, um die Ansprüche gegen diesen durchzusetzen.
Der Kläger teilte mit, er habe erst im Juni 2005 von dem Insolvenzereignis erfahren.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers am 20.07.2005 ab und führte aus, der Kläger habe nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 24.01.2005 bis zum 24.03.2005 den Antrag einreichen müssen. Diese Frist sei eine gesetzliche Ausschlussfrist, die der Kläger nicht eingehalten habe.
Mit seinem Widerspruch vom 26.06.2005 wies der Kläger darauf hin, dass er die Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 SGB III nicht schuldhaft verletzt habe. Er habe im Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung keinen persönlichen Kontakt mehr zu seiner früheren Arbeitgeberin gehabt. Anhaltspunkte für eine Insolvenz habe es nicht gegeben. Dies zeigten schon die Internetrecherchen.
Der Kläger verwies auf den Aktenvermerk seines Bevollmächtigten vom 30.05.2005. Er vertrat die Auffassung, er habe alles getan, seine arbeitsrechtlichen Ansprüche durchzusetzen. Schließlich habe er einen Anwalt beauftragt. Der Rechtsstreit sei zügig und konsequent durchgeführt worden. Nachdem man von dem Insolvenztatbestand Kenntnis erlangt habe, sei unmittelbar der Antrag auf Insolvenzgeld gestellt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Beklagte wiederholte ihre Auffassung, der Antrag sei außerhalb der Ausschlussfrist gestellt worden. Der Kläger habe die Versäumung der Frist auch zu vertreten. Er habe nämlich mindestens fahrlässig gehandelt. Er müsse sich die Pflichtversäumnis des Bevollmächtigten zurechnen lassen. Eine Nachfrist sei ihm nicht einzuräumen. Es habe zu den Pflichten des Bevollmächtigten gehört, ihn auch über die gesetzliche Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Insolvenzgeld zu informieren. Zwar habe der Bevollmächtigte versucht, Feststellungen zu treffen, ob die GmbH insolvent geworden sei. Dies sei aber lediglich aus Gründen, die sich der Bevollmächtigte zurechnen lassen müsse, gescheitert. Der Bevollmächtigte hätte eine zeitliche Einschränkung bei der Suche nicht einfügen dürfen. Deshalb habe er den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht feststellen können. Dieser habe vor dem gesetzten Beginn des Suchzeitraums gelegen. Hätte der Bevollmächtigte sorgfältiger gearbeitet, hätte er von dem Insolvenzereignis früher Kenntnis erlangt.
Hiergegen hat der Kläger am 28.03.2006 Klage beim Sozialgericht Dortmund erhoben. Er hat sich im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren bezogen und beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2006 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich im Wesentlichen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides bezogen.
Das Sozialgericht Dortmund hat die Klage am 19.09.2007 abgewiesen. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen das ihm am 05.10.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.11.2007 Berufung eingelegt. Der Bevollmächtigte weist darauf hin, dass er nur für ein Verfahren gegen die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers beauftragt gewesen sei. Vor dem Arbeitsgericht Wuppertal sei es um die Vergütungsansprüche des Klägers für April und Mai 2004 sowie die Urlaubsabgeltungsansprüche gegangen. Lediglich im Zusammenhang mit der Beauftragung hinsichtlich der Zwangsvollstreckung sei durch sein Büro versucht worden, die Frage zu klären, ob ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Er sei nicht beauftragt worden, Insolvenzgeldansprüche durchzusetzen. Dies sei erst am 22.06.2005 erfolgt. Dementsprechend dürfe dem Kläger ein evtl. Verschulden des Bevollmächtigten nicht zugerechnet werden. Im Übrigen würden durch das Gericht zu hohe Anforderungen an die Ermittlungen des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten gestellt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19.09.2007 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2006 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld für die Monate April und Mai 2004 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19.09.2007 zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils, weist ergänzend aber darauf hin, dass der Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung erst im März 2005 nachgegangen worden sei. Die Beklagte meint, der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter hätten den Hinweisen auf eine Insolvenz nachgehen müssen, die sich schon dadurch ergeben hätten, dass die beklagte Arbeitgeberin an dem arbeitsgerichtlichen Verhandlungstermin vom 23.09.2004 nicht teilgenommen und sich auch nicht gegen das Versäumnisurteil gewehrt habe und schließlich auch die Zwangsvollstreckung nicht habe durchgeführt werden können. Schließlich habe der Bevollmächtigte die Internetrecherche fehlerhafterweise im März 2005 nur auf den Zeitraum vom 28.02. bis 14.03.2005 beschränkt. Diesen Fehler müsse sich der Kläger zurechnen lassen.
Dem Gericht haben die Verwaltungsunterlagen der Beklagten über den Antrag auf Insolvenzgeld des Klägers vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt der Unterlagen wird verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch den Bescheid vom 20.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2006 nicht beschwert. Der Bescheid ist rechtmäßig.
Die Beklagte hat die Bewilligung von Insolvenzgeld zu Recht abgelehnt. Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und im Zeitpunkt des Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger.
Allerdings muss das Insolvenzgeld gemäß § 324 Abs. 3 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Monaten nach dem Insolvenzereignis beantragt werden. Dies hat der Kläger versäumt. Es ist nicht zwingend, von dem Insolvenzereignis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Januar 2005 auszugehen, da der Oberbürgermeister der Stadt X am 16.06.2005 als Tag der Betriebsaufgabe den 15.08.2004 genannt hat. Für die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit zu diesem Zeitpunkt spricht auch, dass der Gerichtsvollzieher im Oktober/November 2004 die GmbH (frühere Arbeitgeberin des Klägers) unter der angegebenen Anschrift nicht (mehr) ermitteln konnte.
Diese Überlegungen können aber dahinstehen, weil eine Verfristung des Antrags auch anzunehmen ist, wenn man auf den Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 24.01.2004 abstellt, weil der Tag der Beantragung des Insolvenzgeldes am 23.06.2005 außerhalb der Zwei-Monats-Frist liegt.
Dem Kläger kann auch keine Nachfrist gemäß § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III gewährt werden. Ihm ist nämlich das Verhalten seines Bevollmächtigten zuzurechnen. Einer juristisch nicht vorgebildeten Person, die einen Anwalt beauftragt, der ihre Lohnansprüche geltend machen soll, kann nicht entgegengehalten werden, dies betreffe nur die arbeitsgerichtliche Geltendmachung.
Der Umfang des Mandats ist im Falle einer Beauftragung zur Durchführung arbeitsvertraglicher Ansprüche dahin zu verstehen, dass auch das Insolvenzgeld beantragt werden soll (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 08.12.2005 - L 28 AL 167/04 m. w. N.). Der Auftrag, einen arbeitsrechtlichen Anspruch im Insolvenzverfahren durchzusetzen, umfasst regelmäßig auch die Verpflichtung, den Arbeitnehmer über die Voraussetzungen eines Insolvenzgeldanspruchs zu informieren (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt vom 23.02.2005 - L 2 AL 55/03).
Der Bevollmächtigte des Klägers hätte jedenfalls in dem Zeitpunkt, in dem die Zwangsvollstreckung wegen Nichtermittelbarkeit der früheren Arbeitgeberin des Klägers erfolglos blieb, Anlass gehabt, zu zweifeln, ob die GmbH noch auf dem Markt tätig war. In diesem Zusammenhang hätte auf jeden Fall die Frage der Insolvenz geprüft werden müssen. Dies umso mehr als das Unternehmen in der Logistikbranche tätig war, in der eine langjährige Tätigkeit der dort agierenden Unternehmen nicht in jedem Fall festgestellt werden kann. Dazu kam, dass das Unternehmen - jedenfalls im Falle des Klägers - den Lohn nicht regelmäßig gezahlt hat und sich weder gegen das Versäumnisurteil noch gegen die Vollstreckung gewehrt hat.
Der Bevollmächtigte kann auch mit seinem Vorbringen, er habe die Insolvenz nicht im Hinblick auf das Insolvenzgeld prüfen wollen, nicht durchdringen. Der Bevollmächtigte hätte von dem Insolvenzereignis der Insolvenzeröffnung erfahren, wenn er nicht den "handwerklichen Fehler" begangen hätte, den Zeitraum seiner Internetrecherche aus nicht dargelegten Gründen erst mit dem 28.02.2005 beginnen zu lassen. Dieses Fehlverhalten seines Bevollmächtigten muss sich der Kläger zurechnen lassen. Der Kläger trägt nicht nur die Folgen eigenen fahrlässigen oder vorsätzlichen Handelns, sondern auch die Folgen fahrlässigen oder vorsätzlichen Handelns seines Bevollmächtigten. Dabei genügt bereits leichte Fahrlässigkeit, um die Einräumung einer Nachfrist auszuschließen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 24.10.2007 - L 12 AL 62/06; s. a. Hessisches Landessozialgericht vom 24.04.2006 - L 9 AL 118/04).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved