S 31 R 301/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 31 R 301/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 193/18
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.03.2014 streitig.

Der Antrag des Klägers auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht vom 23.04.2010 wurde mit Bescheid vom 03.08.2010 und Widerspruchsbescheid vom 12.01.2011 abgelehnt. Gegen den im darauf folgenden Klageverfahren S 31 R 92/11 ergangenen Gerichtsbescheid vom 25.06.2013 wurde Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren wurde ruhend gestellt.

Nachdem das Gesetz der Neuordnung des Rechtes der Syndikus-Anwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung zum 01.01.2016 in Kraft getreten war, anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 16.09.2016 eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab 01.04.2014. Mit Bescheid vom 09.01.2017 lehnte es eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für den hier streitigen Zeitraum 01.03.2010 bis 31.03.2014 ab. Zur Begründung wurde dargelegt, dass der Kläger keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an ein Berufsständiges Versorgungswerk gezahlt habe, die Voraussetzungen für eine rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4 b SGB VI (Sozialgesetzbuch, 6. Buch) daher nicht vorliegen würden. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 01.02.2017 mit dem Hinweis, dass er während des gesamten streitigen Zeitraums Mitglied im Niedersächsischen Versorgungswerk der Rechtsanwälte gewesen sei und einkommensbezogene Pflichtbeiträge auf Basis der Satzung des Versorgungswerkes geleistet habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu einkommensbezogenen Beiträgen handele es sich auch bei den Mindestbeiträgen auf Prozentbasis von Pflichtbeiträgen um einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne von § 231 Abs. 4 b Satz 4 SGB VI. Der Kläger legte ein Schreiben der Niedersächsischen Versorgungswerke der Rechtsanwälte vom 10.11.2010 über die Beitragsberechnung ab 01.03.2010 sowie weitere Schreiben dieser Körperschaft vom 05.01.2011, 05.01.2012, 07.01.2013, 07.01.2014 über die Zahlung von monatlichen Mindestbeitrages unter anderem vor. Letztlich legt er auch ein Schreiben vom 30.05.2017 dieser Körperschaft vor, laut dem für den Kläger für die zu befreiende Beschäftigung bei der X-Bank vom 01.03.2010 bis 31.03.2014 keine einkommensbezogene Pflichtbeiträge aus dieser Angestelltentätigkeit entrichtet worden seien, für diesen Zeitraum für die selbstständige anwaltliche Tätigkeit Beiträge gezahlt worden. Dieses Schreiben ging nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2017 ein. Im Widerspruchsbescheid vom 12.05.2017 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen unter Hinweis auf das Schreiben des Versorgungswerks Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen vom 31.03.2016, in dem nicht bestätigt worden sei, dass für den Zeitraum vom 01.03.2010 bis 31.03.2014 einkommensbezogene Pflichtbeiträge auf Grund der Beschäftigung bei der X-Bank gezahlt worden seien. Der Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes führe zu keiner anderen Einschätzung, da dieses in seinen Beschlüssen vom 19. bzw. 22.07.2016 keine materiell-rechtliche Entscheidung getroffen habe, die eine Bindungswirkung entfalten könne. Darüber hinaus knüpfe § 231 Abs. 4 b Satz 4 SGB VI an den Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an, welcher als eine Voraussetzung der Befreiung zu Gunsten einer Berufsständigen Versorgungseinrichtung die Zahlung einkommensbezogener Pflichtbeiträge erfordere. Das hierzu Nichtbeiträge aus einer neben der zu befreienden Beschäftigung ausgeübten selbstständigen Tätigkeit und Mindestbeiträge zählen würden, die keinen unmittelbaren Bezug zum Einkommen hätten, sondern sich pauschal als prozentualen Anteil des auf der Grundlage des Höchstbeitrages der gesetzlichen Rentenversicherung ermittelten Regelbeitrages ergeben würden, sei bislang unbestritten. Auf solche Beiträge habe auch das Bundesverfassungsgericht in den oben genannten Beschlüssen erkennbar nicht abgestellt. Eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht für die Beschäftigung bei der X-Bank für die streitige Zeit komme daher nicht in Betracht.

Am 08.06.2017 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben, mit der er weiter die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für den Zeitraum vom 01.03.2010 bis 31.03.2014 begehrt. Zur Begründung ist er der Ansicht der Beklagten, dass das Bundesverfassungsgericht lediglich ein orbita diktum kund getan habe, entgegentreten. Das Bundesverfassungsgericht hätte sich insbesondere nicht die Mühe gemacht, unter Angabe von Literaturhinweisen seine Aussage zu unterlegen. Es würde mit den beiden Beschlüssen eine Auslegungsanweisung für den Gesetzestext vorliegen. Im Übrigen widerspreche sich die Beklagte, wie solle ein Syndikus neben den zwangsweise mangels Befreiung an die Beklagte abgeführte Rentenversicherungsbeiträge gleichzeitig ein weiteres Mal in gleicher Höhe an das Versorgungswerk Rentenversicherungsbeiträge für eine unselbstständige Tätigkeit abführen. Ein Angestellter könne nur einmal seine Rentenversicherung aus der unselbstständigen Beschäftigung heraus abführen. Wäre er bereits 2010 wie beantragt befreit gewesen, hätte er die vollen einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an das Versorgungswerk anstatt an die Beklagte geleistet, sowie er es zwischenzeitlich monatlich mit Wirkung ab 01.04.2014 mache. In dem streitigen Zeitraum habe er Beiträge an das Versorgungswerk gemäß deren Satzung geleistet. In dem er Pflichtbeiträge an das Versorgungswerk geleistet habe, seien sämtliche Voraussetzungen erfüllt, um ihn für den streitigen Zeitraum zu befreien.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2017 zu verpflichten, ihn von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI mit Wirkung ab 01.03.2010 für den Zeitraum ab 01.03.2010 bis 31.03.2014 zu befreien.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) mit der Beschäftigung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, für die der Betroffene von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden könne, stets nur diejenige Erwerbstätigkeit zu verstehen sei, die zu einer doppelten Pflichtmitgliedschaft sowohl in der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in der Berufsständigen Versorgung führe. Daraus folge, dass Streitgegenstand dieses Verfahrens nicht die Bescheide vom 03.08.2010 und 12.01.2011 seien. Erst ein neuer Sachverhalt, die erfolgte Zulassung als Syndikus-Rechtsanwalt habe die mit Bescheid vom 16.09.2016 ausgesprochene laufende Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die Zeit ab 19.08.2016 ermöglicht. Bei den Vorgaben nach § 231 Abs. 4 b und c SGB VI handele es sich um ein neues Verwaltungsverfahren mit neuen Rechtsgrundlagen. Insoweit hätte der angefochtene Bescheid vom 09.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2017 nicht nach § 96 SGG zum Gegenstand des vorhergehenden Verfahrens Az. L 8 KR 244/13 gemacht werden müssen.

Des Weiteren hat es seine Auffassung, wie im Widerspruchsbescheid vom 12.05.2017 dargelegt, wiederholt, dass die Aussage des Bundesverfassungsgerichtes in seinen Beschlüssen vom 19. bzw. 22.07.2016 keine materiell-rechtliche Entscheidung hinsichtlich der einkommensbezogenen Pflichtbeiträge entfalte. Die Rechtfertigung für das Recht der Pflichtmitglieder berufsständiger Versorgungswerke, sich als Ausnahme von der grundsätzlichen Versicherungspflicht abhängig Beschäftigter von dieser befreien zu lassen, sei die Vermeidung doppelter Beitragspflichten. Dieses Ausnahmerecht setze jedoch voraus, dass die an die Stelle der gesetzlichen Rentenversicherung tretende anderweitige Absicherung der Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung gleichwertig sei, was bei einer Zahlung von Mindestbeiträgen nicht gewährleistet wäre. Zudem erschließe sich der Sinn der Aussage: "Ein Mindestbeitrag sei als einkommensbezogener Beitrag im Sinne des § 231 Abs. 4 b SGB VI anzusehen" nicht. Die Gleichsetzung sei schon sprachlich problematisch, weil ein Mindestbeitrag und ein einkommensbezogener Beitrag zwei völlig unterschiedliche Tatbestände bezeichneten, die Gleichstellung passe auch nicht in das gesamte System des SGB, wo beide Möglichkeiten als alternativen Beitragszahlungen noch an anderer Stelle eine Rolle spielten, z. B. bei der Beitragszahlung versicherungspflichtiger Selbstständiger. Auch habe das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass die Anwendung und Auslegung des § 231 Abs. 4 b SGB VI zunächst den Fachgerichten obliege, da es sich eine Norm einfachen Rechts handele.

Die Verwaltungsakte wurde dem Verfahren beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachverhaltsaufklärung und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte vorliegend durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil der Rechtsstreit keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist und das Gericht den Sachverhalt als geklärt ansieht.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Das Gericht folgt der von der Beklagten im Widerspruchsbescheid gegeben Begründung und sieht deshalb von einer ausführlichen Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ergehen folgende Hinweise:

Mit dem Kläger und der Beklagten geht die erkennende Kammer davon aus, dass der Bescheid vom 09.01.2017 und der Widerspruchsbescheid vom 12.05.2017 nicht Gegenstand des vorgehenden Verfahrens L 8 KR 244/13 geworden sind. Bei den gesetzlichen Vorgaben des § 231 Abs. 4 b und c SGB VI handelt es sich zur Überzeugung der erkennenden Kammer um ein neues Verwaltungsverfahren mit neuen Rechtsgrundlagen (siehe auch Urteil des Sächsischen Landessozialgericht vom 06.09.2016 (Az.: L 4 R 391/15). In dem hier streitigen Zeitraum ist der Kläger als Syndikus-Rechtsanwalt gemäß § 46 ff BRAO auf Grund seiner für die bei der X-Bank (X Bank) ausgeübten Beschäftigung dort als Syndikus-Rechtsanwalt tätig. Entsprechend greift die Übergangsvorschrift des § 231 Abs. 4 b SGB VI für den hier streitigen Zeitraum. Dieser verlangt neben anderen Voraussetzungen, dass in der streitigen Zeit einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständiges Versorgungswerk gezahlt wurde. Ausweislich des Schreibens des Rechtsanwaltsversorgungswerkes Niedersachsen vom 30.05.2017 wurden vom Kläger für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.03.2014 ausschließlich für seine selbstständige anwaltliche Tätigkeit einkommensbezogene Pflichtbeiträge gezahlt. Für die zu befreiende Beschäftigung bei der X-Bank im streitigen Zeitraum seien keine einkommensbezogene Pflichtbeiträge aus dieser Angestelltentätigkeit an das RVN entrichtet worden. Es kann hier dahinstehen, ob die Zahlung von Mindestbeiträgen an das Versorgungswerk einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne von § 231 Abs. 4 b Satz 4 SGB VI darstellen. Für die hier in Rede stehende Tätigkeit Syndikus-Rechtsanwalt bei der X-Bank wurden ausweislich des vorzitierten Schreibens des Versorgungswerkes auch keine Mindestbeiträge gezahlt. Der Einkommensbezug ist jedoch Voraussetzung des § 231 Abs. 4 b Satz 4 SGB VI. Dies ergibt sich mit Blick auf § 286 f Satz 1 SGB VI, wonach Pflichtbeiträge, die auf Grund einer Befreiung nach § 231 Abs. 4 b und d SGB VI zu Unrecht entrichtet wurden, unmittelbar an die zuständige Berufsständige Versorgungseinrichtung zu erstatten sind. Damit soll vermieden werden, dass dem Betroffenen durch die an das Versorgungswerk geleisteten Zusatzbeiträge ein Nachteil erwachsen kann. Unberührt davon bleiben Beiträge, die der Kläger auf Grund einer anderen Tätigkeit, nämlich als Rechtsanwalt an das Versorgungswerk geleistet hat. Solche wurden nicht zu Unrecht gezahlt, entsprechend vom § 286 f SGB VI nicht erfasst.

Zur Überzeugung der Kammer ist auch bei Zahlung eines Mindestbeitrages ein Einkommensbezug entsprechend dem gesetzlichen Wortlaut unabdingbar. Dieser liegt jedoch vorliegend gerade und ausweislich des Schreibens Rechtsanwalt Versorgungswerkes Niedersachsen vom 30.05.2017 hinsichtlich der gezahlten Mindestbeiträge für die hier streitige Zeit nicht vor.

Entsprechend war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG (Sozialgerichtsgesetz).
Rechtskraft
Aus
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