L 19 B 285/09 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 37 AS 257/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 285/09 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 27.08.2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die am 00.00.1989 geborene Antragstellerin zog zum 01.04.2009 aus der mit ihrer Mutter gemeinsam genutzten Wohnung aus. Bis zum 26.06.2009 war sie Schülerin. Zum 01.08.2009 nahm die Antragstellerin eine Ausbildung als Fachinformatikerin auf. Die Ausbildungsvergütung betrug laut Entgeltabrechnung vom 17.08.2009 500,00 EUR brutto (398,87 EUR).

Durch Bescheid vom 08.04.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 517,61 EUR für die Zeit vom 01.04. bis zum 31.07.2009. Die Bundesagentur für Arbeit lehnte durch Bescheid vom 23.07.2009 den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Berufsausbildungsförderung nach § 59 ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ab, da der Antragstellerin die für ihren Lebensunterhalt und für ihre Berufsausbildung erforderlichen Mitteln anderweitig zur Verfügung ständen. Ausgehend von einem Gesamtbedarf von 579,56 EUR rechnete die Bundesagentur für Arbeit ein Nettoeinkommen der Antragstellerin von 412,13 EUR und ein Einkommen des Vaters von 299,25 EUR an. Durch Schreiben vom 21.07.2009 kündigte die Antragsgegnerin an, den Fortzahlungsantrag der Antragstellerin ab dem 01.08.2009 im Hinblick auf § 7 Abs. 5 SGB II abzulehnen.

Am 04.08.2009 hat die Antragstellerin die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von 600,00 EUR im Wege des einstweiligen Rechtschutzes beantragt.

Sie hat vorgetragen, dass sie ihren Lebensunterhalt im Monat August 2009 nicht bestreiten könnte. Sie beziehe zur Zeit kein Kindergeld und keine Berufsausbildungsbeihilfe. Über die gestellten Anträge sei noch keine abschließende Entscheidung getroffen worden. Ihr erstes Gehalt werde erst Mitte September 2009 fällig.

Durch Beschluss vom 27.08.2009 hat das Sozialgericht Dortmund den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen. Durch weiteren Beschluss vom 27.08.2009 hat es die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend eine hinreichende Erfolgsaussicht des im erstinstanzlichen Verfahren verfolgten Begehrens abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Vorliegend ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht geworden. Der Antragstellerin steht gegenüber der Antragsgegnerin kein Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu. Sie ist nach § 7 Abs. 5 1 SGB II von der Leistungsberechtigung ausgeschlossen.

Nach § 77 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Ausschlussregelung ist auf die Erwägung zurückzuführen, dass die Ausbildungsförderung nach §§ 60 bis 62 SGB III auch die Kosten des Lebensunterhalts mitumfasst und deshalb im Grundsatz die Grundsicherung nicht dazu dient, durch die Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung soll die nachrangige Grundsicherung davon befreien, eine -versteckte - Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen (BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 67/08 R).

Die von der Antragstellerin zum 01.08.2009 aufgenommene Ausbildung zur Fachinfor-matikerin ist nach § 60 SGB III (dem Grunde nach) förderbar. Denn sie absolvierte nach Aktenlage eine betriebliche Ausbildung in einem nach dem Berufsbildungsgesetz anerkannten Ausbildungsberuf. Unerheblich ist, dass die Ausbildung der Antragstellerin nach Aktenlage aus individuellen Versagensgründen - Deckung des zu berücksichtigenden Bedarfs nach §§ 65,67,68 SGB III durch i.S.v. § 70 SGB III anzurechnendes Einkommen - nach den Vorschriften des SGB III nicht förderungsfähig ist. § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II knüpft nicht daran an, ob einer Auszubildenden wegen ihrer individuellen Verhältnisse eine Berufsausbildungsförderung nach dem SGB III zusteht oder nicht, sondern allein daran, ob die von ihr besuchte Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig ist (vgl. zur Maßgeblichkeit der abstrakten Förderungsfähigkeit im Rahmen des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II: BSG Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 67/08 R - m.w.N.). Einen der Tatbestände des § 7 Abs. 6 SGB II, in dem Ausnahmen zu dem vorgenannten Leistungsausschluss geregelt sind, erfüllt die Antragstellerin nicht. Sie ist nicht aufgrund der in § 7 Abs. 6 SGB II genannten Vorschrift des SGB III von Leistungen ausgeschlossen, sondern weil nach den Feststellungen der Bundesagentur für Arbeit ihr zu berücksichtigender Bedarf nach §§ 65,67,68 SGB III von nach § 71 SGB II anzurech-nendem Einkommen gedeckt ist.

Die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II, wonach in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen geleistet werden, greift zu Gunsten der Antragstellerin nicht ein. Ein besonderer Härtefall ist nur dann gegeben, wenn die Folgen des Anspruchsauschlusses über dasjenige Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung der Hilfe zum Lebensunterhalts für eine Ausbildung verbunden und vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden ist. Deshalb müssen im Einzelfall Umstände hinzutreten, die auch im Hinblick auf den Gesetzeszweck - die Grundsicherung von den finanziellen Lasten der Ausbildungsförderung freizuhalten - den Ausschluss übermäßig hart, d. h. als unzumutbar oder in einen hohem Maße unbillig erscheinen lassen. Ein besonderer Härtefall muss über die mit dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II verbundenen Folgen, im Regelfall die Ausbildung nicht oder nur eingeschränkt fortsetzen zu können, deutlich hinausgehen. Es muss ein atypischer Lebenssachverhalt vorliegen, der es für einen Auszubildenden auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses objektiv nicht zumutbar erscheinen lässt, seine Ausbildung zu unterbrechen; die Folgen des Anspruchsauschlusses müssen deshalb über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung der Leistungen zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden ist (BSG Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 28/07 R - mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Derartige Gründe, die über den Umstand, dass die Antragstellerin bei Beginn und während der Ausbildung keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhält, hinausgehen, sind nicht ersichtlich. Dass ihr Vater das im Ablehnungsbescheid vom 23.07.2009 von der Bundesagentur für Arbeit angesetzte Einkommen von 299,25 EUR an sie nicht auszahlt und die Ausbildungsvergütung für August 2009 nach Angaben der Antragstellerin erst Mitte September 2009 ausgezahlt wird, genügt für sich noch nicht, eine unbillige Härte anzunehmen. Denn der Gesetzgeber hat den Fall, dass die Eltern eines Auszubildenden den nach § 71 SGB III angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten, im SGB III dahingehend geregelt, dass auf Antrag einer Auszubildenden nach § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB III die Berufsausbildungsbeihilfe ohne Anrechnung des Unterhaltsbetrags vorausgeleistet wird, wenn eine Auszubildende glaubhaft macht, das ihre Eltern den nach § 71 SGB III angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten und die Ausbildung gefährdet ist. Nach Aktenlage hat die Bundesagentur für Arbeit bislang eine Entscheidung über Leistungen an die Antragstellerin nach § 72 SGB III noch nicht getroffen. Weder aus den Akten noch aus dem Vortrag der Antragstellerin sind Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Antragstellerin ihre Rechte aus § 72 SGB III gegenüber der Bundesagentur für Arbeit geltend gemacht hat. Dies ist der Antragstellerin zuzurechnen und begründet keine besondere Härte i.S.v. § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB III. Ebenso ist nicht erkennbar, dass sich die Antragstellerin um die Zahlung eines Vorschusses bei ihrer Arbeitgeberin bemüht hat.

Des weiteren ist ein Anspruch aus § 22 Abs. 7 SGB II nicht gegeben, da die Antragstellerin keine Leistungen nach dem SGB III tatsächlich bezieht (vgl. zu den Voraussetzungen des § 22 Abs. 7 SGB II LSG NW Urteil vom 02.03.2009 - L 19 AS 79/08).

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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