L 2 KN 271/08 U

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 18 KN 140/08 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 271/08 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.12.2008 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist Anerkennung und Entschädigung von Folgen der Arbeitsunfälle am 05.03.1975 und 03.11.1978 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).

Der am 00.00.1950 geborene Kläger ist Schwerbehinderter im Sinne des Schwerbehindertenrechts mit einem Grad der Behinderung von 90 und den Merkzeichen aG, B (Bescheid Versorgungsamt H vom 17.03.2004).

Am 05.03.1975 geriet er gemäß seinen Angaben gegenüber dem Heilgehilfen als Hauer unter Tage auf der Zeche M in X beim Vorziehen einer Bühne mit dem rechten Knöchel zwischen Bühne und Haufwerk. Er erlitt dabei eine Hautwunde oberhalb des rechten Knöchels (Auszug aus dem Verbandbuch der Zeche M/X, 13.08.1993). Bei der Untersuchung durch Dr. K in S am 06.03.1975 wurden bei freier Beweglichkeit eine livide Schwellung und zwei kleine oberflächliche Schürfwunden im Bereich des rechten Außenknöchels festgestellt. Der Röntgenbefund des rechten Sprunggelenks in 2 Ebenen ergab keinen Anhalt für eine frische Fraktur.

Diagnostiziert wurden Prellung sowie Schürfwunden rechtes Sprunggelenk. Die Arbeitsunfähigkeit wurde für 3 Tage festgestellt. Am 10.03.1975 fuhr der Kläger wieder an.

Am 03.11.1978 erlitt er unter Tage beim Entfernen des Ortsbrustnetzes durch Steinfall aus der Ortsbrust die Prellung des linken Oberarms mit Adduktorensyndrom rechts bei Schmerzen in der rechten Leistengegend und dem linken Oberarm. Nach Arbeitsunfähigkeit vom 06. bis zum 09.11.1978 fuhr er wieder an.

Im Jahre 1980 kehrte er aus dem deutschen Steinkohlenbergbau ab. Sodann war er im Tiefbau und zuletzt bis 1994 als Möbelpacker berufstätig.

Bei seit 1989 bestehender Paraspastik der Beine mit zunehmender Gangstörung beantragte der Kläger im Juni 1993 gegenüber der Beklagten die Gewährung von Verletztenrente. Der nunmehr festzustellende Zustand sei Folge der am 05.03.1975 und 03.11.1978 erlittenen Arbeitsunfälle. Nach Erhebung der Krankheitsanamnese sowie Beiziehung verschiedener medizinischer Unterlagen erstattete Dr. T aus H am 08.02.1994 ein neurologisches Gutachten: Entsprechend der Krankheitsanamnese bestehe von Kindheit an eine Gangstörung in Form einer spastischen Paraparese; die differentialdiagnostisch erwogene Encephalomyelitis disseminata sei nach stationärer Diagnostik ausgeschlossen worden; ein Zusammenhang der Gangstörung mit den Unfällen sei mit Sicherheit auszuschließen. Privatdozent Dr. T1 aus H erstattete am 12.02.1994 ein sozialmedizinisches Gutachten: Chirurgischerseits seien Folgen einer Fußquetschung am 05.03.1975 weder klinisch noch röntgenologisch nachweisbar; nicht unfallbedingt sei die Bewegungseinschränkung der Fußgelenke beiderseits mit Krampfneigung der Wadenmuskulatur und dadurch bedingter Gangstörung beider Beine. Mit Bescheid vom 08.03.1994 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung wegen Folgen des Arbeitsunfalls am 05.03.1975 ab. Mit weiterem Bescheid vom 08.03.1994 lehnte sie die Anerkennung und Entschädigung wegen Folgen des Arbeitsunfalls am 03.11.1978 ab. Die dagegen erhobenen Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheiden vom 07.02.1995 zurückgewiesen. Gegen die Ablehnung der Anerkennung und Entschädigung von Folgen des Arbeitsunfalls am 05.03.1975 hat der Kläger zum Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) unter dem Aktenzeichen S 29 BU 11/95 Klage erhoben. Gegen die Ablehnung der Anerkennung und Entschädigung von Folgen des Arbeitsunfalls am 13.11.1978 hat er zum SG unter dem Aktenzeichen S 9 BU 12/95 Klage erhoben. Das SG hat beide Sachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Das SG hat Beweis erhoben durch nervenärztliches Gutachten des Sachverständigen Privatdozent (Priv. Doz.) Dr. C aus C vom 16.02.1998: Die Arbeitsunfälle seien als Bagatelltraumen einzuordnen; Gesundheitsstörungen, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich im Sinne der Entstehung oder ursächlich im Sinne der Verschlimmerung auf den Unfall vom 05.03.1975 oder den Unfall vom 03.11.1978 zurückzuführen seien, lägen nicht vor. Mit Urteil vom 22.04.1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) Berufung eingelegt (L 2 KN 54/98 U). Mit rechtskräftigem Urteil vom 15.10.1998 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Folgen der Arbeitsunfälle vom 05.03.1975 und 03.11.1978 seien nicht festzustellen. Die spastischen Paraparesen der Beine seien nicht mit Wahrscheinlichkeit zumindestens wesentlich mitbedingt durch die Unfälle verursacht worden. Diese seien allenfalls geeignet gewesen, Bagatelltraumen hervorzurufen. Soweit der Kläger die Unfälle nunmehr dramatischer schildere, sei dieses Verhalten als bewusstseinsnaher Ausdruck eines Rentenbegehrens zu qualifizieren. Auch der Einwand des Klägers, er sei seit dem ersten Unfall psychisch total gestört, greife nicht durch. Dem stehe der dokumentierte Krankheitsverlauf entgegen.

Mit Schreiben vom 27.06.2006 machte der Kläger geltend, bei Erlass der Bescheide vom 08.03.1994 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 07.02.1995 sei die Beklagte von Tatsachen ausgegangen, die sich als unrichtig erwiesen, bzw. habe sie das Recht falsch angewandt. Insbesondere bedürfe es der medizinischen Sachaufklärung in neurologischer und psychiatrischer Hinsicht. Zwar habe er durch beide Arbeitsunfälle keine besonderen schweren Körperverletzungen davongetragen, allerdings einen schweren Schock erlitten. Danach habe er keinerlei Arbeit mehr ausüben können. Die Beklagte zog umfangreiche medizinische Unterlagen des Versorgungsamtes H sowie der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See bei. Nach Auswahl durch den Kläger erstattete Prof. Dr. C1 aus F am 19.08.2007 ein neurologisches Gutachten: Klinisch-neurologisch bestehe eine Spastik der Beine mit positiven Pyramidenbahnzeichen; zudem fielen pathologisch verlängerte Latenzen beidseits auf; zusätzlich bestehe eine sensible Polyneuropathie der Beine, am ehesten äthyltoxischer Genese; in der Zusammenschau bestehe kein Zusammenhang zwischen den Unfällen unter Tage und der progredienten spastischen Gangstörung; aus neurologischer Sicht bestünden keine Folgen der Arbeitsunfälle vom 05.03.1975 sowie 03.11.1978; eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 06.03.2008 hat die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 08.03.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.1995 betreffend den Arbeitsunfall am 05.03.1975 abgelehnt. Mit weiterem Bescheid vom 06.03.2008 hat die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 08.03.1994 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 07.02.1995 betreffend die Folgen des Arbeitsunfalls am 03.11.1978 abgelehnt. Der gegen die Bescheide vom 06.03.2008 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2008 zurückgewiesen.

Zur Begründung der dagegen zum SG erhobenen Klage hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt.

Die Beklagte hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.12.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X lägen nicht vor. Auf das Gutachten des Prof. Dr. C1 vom 19.08.2007 werde ebenso verwiesen wie auf die Gründe der Entscheidung des LSG in der Sache L 2 KN 54/98 U. Für das erneute Vorbringen des Klägers hinsichtlich des Geschehensablaufes des Unfallereignisses am 05.03.1975 fehle es an jedwedem Nachweis. Bereits nach den Feststellungen des LSG im Urteil vom 15.10.1998 bestehe bei dem Kläger ein bewusstseinsnahes Rentenbegehren. Auch hätten nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. C1 beide Arbeitsunfälle keine zu entschädigenden Folgen hinterlassen.

Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung wiederholt der Kläger sein Vorbringen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.09.2009 ist für den Kläger niemand erschieden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Mit Schreiben vom 20.05.2009 hat der Kläger gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T2 aus H benannt. Mit gerichtlichem Schreiben vom 25.05.2009 wurde für die Einholung eines Gutachtens von Dr. T2 ein Vorschuss in Höhe von EUR 2.000,00 festgesetzt und Frist zur Einzahlung auf den 05.07.2009 bestimmt. Mit Schreiben vom 28.05.2009 teilte der Kläger mit, sich an die Festsetzungen gemäß gerichtlichem Schreiben vom 25.05.2009 nicht gebunden zu sehen. Er werde sich an die Staatsanwaltschaft wenden. Nachdem kein Kostenvorschuss bei der Staatskasse eingegangen ist, wurde die Sache am 21.07.2009 zur Sitzung geladen.

Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann entscheiden, obwohl für den Kläger zum Termin niemand erschienen ist. Der Kläger ist mit ordnungsgemäß erfolgter Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

Nach dem Vorbringen des Klägers ist davon auszugehen, dass er geltend macht, Anspruch auf die Rücknahme der Bescheide vom 08.03.1994 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 07.02.1995 und Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen der Arbeitsunfälle am 05.03.1975 und 03.11.1978 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu haben.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch, unter Rücknahme der Bescheide vom 08.03.1994 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 07.02.1995, auf Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen der Arbeitsunfälle am 05.03.1975 und 03.11.1978 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind nicht erfüllt. Bei ihren Entscheidungen, keine Folgen der Arbeitsunfälle am 05.03.1975 und 03.11.1978 anzuerkennen und zu entschädigen, hat die Beklagte das Recht weder unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat mit der Folge, dass Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Vielmehr hat die Beklagte rechtmäßig die Voraussetzungen der §§ 547 und 551 Reichsversicherungsordnung (RVO) verneint (zur Anwendbarkeit der RVO vgl. § 212 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII - und Artikel 36 Unfallversicherungs-Eingliederungsgesetz - UVEG - , da der Kläger Entschädigung von Arbeitsunfällen vor dem 01.01.1997 begehrt). Der Senat sieht von einer weitergehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt auf die Gründe des Gerichtsbescheides des SG vom 02.12.2008 Bezug, denen er sich anschließt (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ).

Dem Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG braucht nicht nachgegangen zu werden. Insbesondere ist kein Gutachten von Dr. T2 aus H einzuholen. Der Kläger hat trotz Fristsetzung den Vorschuss auf die Gutachtenskosten nicht eingezahlt und sich gemäß Schreiben vom 28.05.2009 dazu auch nicht bereit erklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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