Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
-
Aktenzeichen
VK 3-185/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 KR 11/09 SFB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 20.01.2009 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdever- fahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Antrag- stellerin im Beschwerdeverfahren. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.
Gründe:
I.
Umstritten ist, ob die Beschaffung von Kontrastmitteln im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern durch die Antragsgegnerin (AG) zum Zwecke der Belieferung der Vertragsärzte aufgrund eines (noch durchzuführenden) Vergabeverfahrens zu erfolgen hat.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (AS) ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das auf den Gebieten Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Kontrastmitteln tätig ist. Kontrastmittel sind Arzneimittel, die im Rahmen von ärztlichen Untersuchungen mittels bildgebender Verfahren (Röntgenaufnahmen, Computertomographie - CT -, Magnetresonanztomographie - MRT -) zur Anwendung kommen. Sie sind gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d) Arzneimittelgesetz (AMG) nicht an den Bezugsweg über öffentliche Apotheken gebunden. Nach der zwischen der AG (die im Auftrag weiterer gesetzlicher Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern tätig wird) und der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KV) geschlossenen "Vereinbarung über die Ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf" vom 01.04.2004 zählen Kontrastmittel bei bildgebenden Verfahren, die nach einmaliger Anwendung verbraucht sind, zum Sprechstundenbedarf (IV Nr. 8 der Vereinbarung).
Die radiologisch tätigen Vertragsärzte beziehen Kontrastmittel in der Regel über Hersteller, Großhändler und Händler (Leistungserbringer), indem sie eine ärztliche Verordnung bei der Krankenkasse einreichen und diese sodann die Belieferung durch Leistungserbringer veranlasst. Die AG - zugleich handelnd für weitere gesetzliche Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern - hat mit einer Reihe von Leistungserbringern Vereinbarungen über die Lieferung von Kontrastmitteln geschlossen. Diese Vereinbarungen beinhalten Regelungen u.a. hinsichtlich Lieferfristen, Beanstandungen, Zahlungsterminen, Folgen nicht fristgerecht erbrachter Lieferungen sowie Preisen. Die Übermittlung der ärztlichen Verordnungen über das/die Kontrastmittel an den jeweiligen Leistungserbringer erfolgt durch die AG, nachdem sie geprüft hat, bei welchem der Vertragspartner für die verordneten Kontrastmittel der günstigste Preis berechnet wird.
Der Gesamtumsatz an Kontrastmitteln im Rahmen des Sprechstundenbedarfs für die AG und die von ihr vertretenen weiteren gesetzlichen Krankenkassen beträgt etwa 3,5 Millionen Euro jährlich.
Die von der AS hergestellten und vertriebenen MRT- und Röntgenkontrastmittel Magnegita und Iopamigita werden von Vertragsärzten in Mecklenburg-Vorpommern bisher nicht verordnet. Verhandlungen zwischen den Beteiligten über den Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) über die Lieferung von Kontrastmitteln, die Ende 2007/Anfang 2008 stattgefunden hatten, blieben erfolglos.
Auf den von der AS am 17.12.2008 gestellten Nachprüfungsantrag entschied die Vergabekammer des Bundes (VK) durch Beschluss vom 20.01.2009, dass der AG aufgegeben werde, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht bei der Vergabe der Lieferung von Kontrastmitteln für die Magnetresonanztomographie und für die Computertomographie (sog. Röntgenkontrastmittel) die gesetzlichen Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge anzuwenden. Zur Begründung hat die VK ausgeführt, dass die AG öffentlicher Auftraggeber i.S.v. § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sei, der öffentliche Aufträge zur Beschaffung von Kontrastmitteln oberhalb des Schwellenwertes ohne das gesetzlich zwingend vorgeschriebene Ausschreibungsverfahren vergebe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe Bezug genommen.
Gegen den ihr am 20.01.2009 zugestellten Beschluss der VK hat die AG am 03.02.2009 sofortige Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung bringt sie vor: Der Nachprüfungsantrag der AS sei unzulässig, denn es liege kein öffentlicher Auftrag i.S.d. § 99 GWB vor, weil die Entscheidung darüber, ob und ggfs. welches Kontrastmittel beschafft werde, ausschließlich der Vertragsarzt und nicht etwa sie als öffentlicher Auftraggeber treffe. Es bestehe keine Substitutionsmöglichkeit hinsichtlich der als Sprechstundenbedarf durch Rezept verordneten Kontrastmittel. Der Abschluss von Rahmenvereinbarungen gemäß § 3a Nr. 4 Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens würde die ärztliche Therapie- und Verordnungsfreiheit in unzulässiger Weise einschränken. Das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V stelle hierfür keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage dar.
Die Antragsgegnerin beantragt,
1.den Beschluss der Vergabekammer des Bundes vom 20.01.2009 (Az.: VK 3-185/08) aufzuheben und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,
2.hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache neu zu entscheiden,
3.die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären,
4.der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen aufzuerlegen.
Die Antragstellerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meint, die Entscheidung der VK sei zutreffend und ergänzt: Die Beschaffung von Kontrastmitteln sei ebenso wie die Beschaffung von Arzneimitteln im Übrigen nicht vergaberechtsfrei. Kontrastmittel seien im Wesentlichen substituierbar. Die ärztliche Therapiefreiheit werde durch § 69 Abs. 2 SGB V und das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot eingeschränkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Vergabekammerakten sowie der Verwaltungsvorgänge der AG.
II.
Die zulässige Beschwerde der AG ist nicht begründet. Die VK hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 20.01.2009 zutreffend entschieden, dass die AG bei fortbestehender Beschaffungsabsicht bei der Vergabe der Aufträge zur Lieferung von Kontrastmitteln die gesetzlichen Bestimmungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge anzuwenden hat.
Der Nachprüfungsantrag der AS ist zulässig.
Die Anwendbarkeit der §§ 97 bis 115, 128 GWB ergibt sich aus § 69 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl. I S. 2426). Demgegenüber sind auf den vorliegenden Sachverhalt nicht die Regelungen des GWB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I S. 790) anwendbar, weil das Nachprüfungsverfahren bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 24.04.2009 anhängig war (vgl. § 131 Abs. 8 GWB n.F.).
Die AG ist öffentliche Auftraggeberin i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB. Gesetzliche Krankenkassen werden - jedenfalls mittelbar durch Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber zur GKV - durch den Bund finanziert (vgl. §§ 3, 271 SGB V) und unterliegen einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht (EuGH, Urteil vom 11.06.2009 - C-300/07; vgl. auch Senat, Beschluss vom 24.08.2009, Az.: L 21 KR 45/09 SFB -).
Die AG beschafft die von den Vertragsärzten in Mecklenburg-Vorpommern benötigten Kontrastmittel aufgrund öffentlicher Lieferaufträge nach § 99 Abs. 1 und 2 GWB in der Gestalt von Rahmenvereinbarungen (§ 3a Nr. 4 Abs. 1 Satz 1 VOL/A. Gemäß § 3a Nr. 4 Abs. 1 Satz 1 VOL/A sind Rahmenvereinbarungen öffentliche Aufträge, die die Auftraggeber an ein oder mehrere Unternehmen vergeben können, um die Bedingungen für Einzelaufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere über den in Aussicht genommenen Preis (vgl. auch § 3 Abs. 8 Satz 2 Vergabeverordnung [VgV]).
Die AG hat hier vorliegend Rahmenvereinbarungen mit einer Reihe von Lieferanten unter Missachtung der vergaberechtlichen Vorschriften getroffen. Diese Vereinbarungen betreffen - anders als etwa bei den Arzneimittelrabattverträgen gemäß § 130a Absatz 8 SGB V (vergl. dazu z.B. Senatsbeschluss vom 03.09.2009, Az.: L 21 KR 51/09 SFB)- unzweifelhaft die unmittelbare Beschaffung von Waren (Kontrastmitteln). Die vorliegenden Vereinbarungen bilden den rechtlichen Rahmen für die Abwicklung der Einzelaufträge. Unzweifelhaft sind die ärztlichen Verordnungen über Kontrastmittel in der vorliegenden Fallkonstellation der AG zuzurechnen, zumal die ärztlichen Verordnungen nicht bezogen auf spezifische Versicherte erfolgen. Ohnehin hat der Senat bereits entschieden, dass auch für den Regelfall, dass Arzneimittel Versicherten verordnet werden, diese Verordnungen den Krankenkassen im Rahmen ihrer Sachleistungspflicht zugerechnet werden (vgl. Senats-beschluss vom 24.08.2009, Az.: L 21 KR 51/09 SFB, der die Verordnung von Generika betrifft). Da aber hier eine auf einen konkreten Versicherten lautende ärztliche Verordnung der Kontrastmittel nicht erfolgt und demzufolge auch eine Beschaffung durch den Versicherten in der Apotheke nicht stattfindet, liegt es auf der Hand, dass die AG selbst die Kontrastmittel beschafft.
Auch ist hier das Vorliegen einer Auswahlentscheidung der Krankenkassen mit der daraus resultierenden Einräumung von Exklusivität und Begründung einer "Sonderstellung im Wettbewerb" (vgl. Byok, GesR 2007, 553, 556), die konstitutiver Bestandteil für die Annahme eines öffentlichen Auftrages ist (BT-Drs. 16/10609 S. 52 zu § 69 SGB V; Knispel, GesR 2009, 236, 238, 239, 241; Rixen, GesR 2006, 49, 55), zu bejahen. Dabei kommt es, wie der Senat bereits zu Arzneimittelrabattvereinbarungen nach § 130a Abs. 8 SGB V entschieden hat, allerdings nicht darauf an, ob Exklusivität ausdrücklich durch den Auftraggeber vertraglich zugesichert wird. Vielmehr ist es für die Annahme eines öffentlichen Auftrages grundsätzlich ausreichend, wenn sich für den Leistungserbringer faktisch ein Wettbewerbsvorteil ergibt ( vgl. Senat, Beschluss vom 10.09.2009, Az.: L 21 KR 53/09 SFB). Die AG nimmt hier die Auswahl des mit der Lieferung der Kontrastmittel beauftragten Vertragspartners danach vor, welcher Anbieter, bezogen auf die konkrete Verordnung von Kontrastmitteln, gffs. auch gerade in der Kombination mehrerer verordneter Kontrastmittel, sich als der günstigste Anbieter darstellt. (Nur) dieser erhält den Auftrag zur Belieferung des jeweiligen Vertragsarztes. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass nicht die AG, sondern der Vertragsarzt das zu beschaffende Kontrastmittel bestimmt. Entscheidend ist allein, dass die AG es ist, die hinsichtlich des durch die Vertragsärzte ermittelten Beschaffungsbedarfs unter den möglichen Lieferanten auswählt und entsprechend dem Ergebnis die Aufträge erteilt.
Es ist unschädlich, dass in der vorliegenden Konstellation kein Rabattvertrag nach § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V ausgeschrieben wurde, nachdem sich die AG nicht nur an pharmazeutische Unternehmer i.S.d. § 4 Abs. 18 AMG, sondern auch an Großhändler gewandt und Festpreise nachgefragt hat. Denn zum Abschluss von öffentlich-rechtlichen Verträgen, wie sie hier geschlossen werden sollen, bedürfen die Krankenkassen keiner speziellen Ermächtigung. Insbesondere stellt auch § 130a Abs. 8 SGB V nicht eine Ermächtigungsgrundlage für den Abschluss von Vereinbarungen durch Krankenkassen, sondern vielmehr (lediglich) eine Verfahrensvorschrift dar (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 13.09.2005, - Az.: 2 BvF 2/03 -, BVerfGE 114, 196).
Die Antragsbefugnis der AS i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB ist gegeben. Die AS kann zu Recht geltend machen, dass sie bei Durchführung eines transparenten und wettbewerbsförmigen Vergabeverfahrens die Möglichkeit gehabt hätte, einen Zuschlag für die Lieferung der von ihr hergestellten Kontrastmittel zu erhalten. Zwar sind diese bisher nicht von Vertragsärzten in Mecklenburg-Vorpommern verordnet worden; indes ist nicht auszuschließen, dass künftig derartige Verordnungen erfolgen werden. Im Übrigen bleibt es den künftig vorzunehmenden Ausschreibungen vorbehalten, den konkreten Beschaffungsbedarf der AG zu definieren und darüber zu befinden, ob die Produkte der AS hiervon umfasst werden.
Es kann offen bleiben, ob auch bei de facto-Vergaben vor Anbringung eines Nachprüfungsantrages eine Rügeobliegenheit analog § 107 Abs. 3 GWB zu fordern ist (vgl. BGH Beschluss vom 01.02.2005, Az.: X ZB 27/04, BGHZ 162, 116). Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass bei Konstellationen der vorliegenden Art eine solche Obliegenheit besteht, hat die AS diesem Erfordernis entsprochen. Denn sie hat anlässlich der Vertrags-verhandlungen gegenüber der AG den Standpunkt vertreten, dass die AG das erforderliche Vergabeverfahren nicht durchgeführt hat. Dass die Rüge nicht schriftlich erfolgt ist, steht dem nicht entgegen, weil insoweit ein Schriftformerfordernis nicht besteht (vgl. Otting, GWB, Kommentar, § 107 Rdn. 8).
Der Nachprüfungsantrag ist auch in dem von der VK erkannten Umfang begründet.
Die AS hat Anspruch gemäß § 97 Abs. 1 GWB darauf, dass die AG die von ihr zur Versorgung der Vertragsärzte benötigten Kontrastmitteln in einem förmlichen Vergabeverfahren beschafft. Zu Unrecht meint die AG , dies verletze die Therapiefreiheit der Vertragsärzte. Auch im Rahmen eines den Grundsätzen der §§ 97 ff. GWB entsprechenden Vergabeverfahrens vermag die AG ohne Weiteres, die von den Vertragsärzten verordneten Kontrastmittel - wie bisher - zu beschaffen. Lediglich der Abschluss des/der Rahmenverträge unterliegt künftig dem Regime der vergaberechtlichen Vorschriften. Dabei besteht nach Auffassung des Senats eine Verpflichtung der AG zur Durchführung einer wirkstoffbezogenen Ausschreibung nicht (vergl. Senatsbeschluss vom 24.08.2008, Az.: L 21 KR 45/09 SFB).
Als (weitere) Rechtsfolge ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 13 Satz 6 VgV a.F. ferner, dass die Vereinbarungen der AG mit den verschiedenen Lieferanten nichtig sind. Gemäß § 13 VgV a.F. ist ein öffentlicher Auftraggeber verpflichtet, Bietern, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, u.a. den Namen des für den Zuschlag vorgesehenen Bieters und die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebotes mitzuteilen. Die entsprechende Anwendung rechtfertigt sich angesichts des Gebots effektiven Rechtsschutzes, weil ein übergangenes Unternehmen andernfalls das Zustandekommen eines Vertrages nicht mehr wirksam rügen könnte. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Es ist nicht erkennbar, dass vor den Vertragsschlüssen eine den vorgenannten Maßgaben entsprechende Information der AS erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. den §§ 154 Abs. 2 VwGO. Die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der AS folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 2 VwGO. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die AS war notwendig.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 177, 142a SGG).
Gründe:
I.
Umstritten ist, ob die Beschaffung von Kontrastmitteln im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern durch die Antragsgegnerin (AG) zum Zwecke der Belieferung der Vertragsärzte aufgrund eines (noch durchzuführenden) Vergabeverfahrens zu erfolgen hat.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (AS) ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das auf den Gebieten Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Kontrastmitteln tätig ist. Kontrastmittel sind Arzneimittel, die im Rahmen von ärztlichen Untersuchungen mittels bildgebender Verfahren (Röntgenaufnahmen, Computertomographie - CT -, Magnetresonanztomographie - MRT -) zur Anwendung kommen. Sie sind gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d) Arzneimittelgesetz (AMG) nicht an den Bezugsweg über öffentliche Apotheken gebunden. Nach der zwischen der AG (die im Auftrag weiterer gesetzlicher Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern tätig wird) und der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KV) geschlossenen "Vereinbarung über die Ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf" vom 01.04.2004 zählen Kontrastmittel bei bildgebenden Verfahren, die nach einmaliger Anwendung verbraucht sind, zum Sprechstundenbedarf (IV Nr. 8 der Vereinbarung).
Die radiologisch tätigen Vertragsärzte beziehen Kontrastmittel in der Regel über Hersteller, Großhändler und Händler (Leistungserbringer), indem sie eine ärztliche Verordnung bei der Krankenkasse einreichen und diese sodann die Belieferung durch Leistungserbringer veranlasst. Die AG - zugleich handelnd für weitere gesetzliche Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern - hat mit einer Reihe von Leistungserbringern Vereinbarungen über die Lieferung von Kontrastmitteln geschlossen. Diese Vereinbarungen beinhalten Regelungen u.a. hinsichtlich Lieferfristen, Beanstandungen, Zahlungsterminen, Folgen nicht fristgerecht erbrachter Lieferungen sowie Preisen. Die Übermittlung der ärztlichen Verordnungen über das/die Kontrastmittel an den jeweiligen Leistungserbringer erfolgt durch die AG, nachdem sie geprüft hat, bei welchem der Vertragspartner für die verordneten Kontrastmittel der günstigste Preis berechnet wird.
Der Gesamtumsatz an Kontrastmitteln im Rahmen des Sprechstundenbedarfs für die AG und die von ihr vertretenen weiteren gesetzlichen Krankenkassen beträgt etwa 3,5 Millionen Euro jährlich.
Die von der AS hergestellten und vertriebenen MRT- und Röntgenkontrastmittel Magnegita und Iopamigita werden von Vertragsärzten in Mecklenburg-Vorpommern bisher nicht verordnet. Verhandlungen zwischen den Beteiligten über den Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) über die Lieferung von Kontrastmitteln, die Ende 2007/Anfang 2008 stattgefunden hatten, blieben erfolglos.
Auf den von der AS am 17.12.2008 gestellten Nachprüfungsantrag entschied die Vergabekammer des Bundes (VK) durch Beschluss vom 20.01.2009, dass der AG aufgegeben werde, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht bei der Vergabe der Lieferung von Kontrastmitteln für die Magnetresonanztomographie und für die Computertomographie (sog. Röntgenkontrastmittel) die gesetzlichen Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge anzuwenden. Zur Begründung hat die VK ausgeführt, dass die AG öffentlicher Auftraggeber i.S.v. § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sei, der öffentliche Aufträge zur Beschaffung von Kontrastmitteln oberhalb des Schwellenwertes ohne das gesetzlich zwingend vorgeschriebene Ausschreibungsverfahren vergebe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe Bezug genommen.
Gegen den ihr am 20.01.2009 zugestellten Beschluss der VK hat die AG am 03.02.2009 sofortige Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung bringt sie vor: Der Nachprüfungsantrag der AS sei unzulässig, denn es liege kein öffentlicher Auftrag i.S.d. § 99 GWB vor, weil die Entscheidung darüber, ob und ggfs. welches Kontrastmittel beschafft werde, ausschließlich der Vertragsarzt und nicht etwa sie als öffentlicher Auftraggeber treffe. Es bestehe keine Substitutionsmöglichkeit hinsichtlich der als Sprechstundenbedarf durch Rezept verordneten Kontrastmittel. Der Abschluss von Rahmenvereinbarungen gemäß § 3a Nr. 4 Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens würde die ärztliche Therapie- und Verordnungsfreiheit in unzulässiger Weise einschränken. Das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V stelle hierfür keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage dar.
Die Antragsgegnerin beantragt,
1.den Beschluss der Vergabekammer des Bundes vom 20.01.2009 (Az.: VK 3-185/08) aufzuheben und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,
2.hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache neu zu entscheiden,
3.die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären,
4.der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen aufzuerlegen.
Die Antragstellerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meint, die Entscheidung der VK sei zutreffend und ergänzt: Die Beschaffung von Kontrastmitteln sei ebenso wie die Beschaffung von Arzneimitteln im Übrigen nicht vergaberechtsfrei. Kontrastmittel seien im Wesentlichen substituierbar. Die ärztliche Therapiefreiheit werde durch § 69 Abs. 2 SGB V und das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot eingeschränkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Vergabekammerakten sowie der Verwaltungsvorgänge der AG.
II.
Die zulässige Beschwerde der AG ist nicht begründet. Die VK hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 20.01.2009 zutreffend entschieden, dass die AG bei fortbestehender Beschaffungsabsicht bei der Vergabe der Aufträge zur Lieferung von Kontrastmitteln die gesetzlichen Bestimmungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge anzuwenden hat.
Der Nachprüfungsantrag der AS ist zulässig.
Die Anwendbarkeit der §§ 97 bis 115, 128 GWB ergibt sich aus § 69 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl. I S. 2426). Demgegenüber sind auf den vorliegenden Sachverhalt nicht die Regelungen des GWB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I S. 790) anwendbar, weil das Nachprüfungsverfahren bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 24.04.2009 anhängig war (vgl. § 131 Abs. 8 GWB n.F.).
Die AG ist öffentliche Auftraggeberin i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB. Gesetzliche Krankenkassen werden - jedenfalls mittelbar durch Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber zur GKV - durch den Bund finanziert (vgl. §§ 3, 271 SGB V) und unterliegen einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht (EuGH, Urteil vom 11.06.2009 - C-300/07; vgl. auch Senat, Beschluss vom 24.08.2009, Az.: L 21 KR 45/09 SFB -).
Die AG beschafft die von den Vertragsärzten in Mecklenburg-Vorpommern benötigten Kontrastmittel aufgrund öffentlicher Lieferaufträge nach § 99 Abs. 1 und 2 GWB in der Gestalt von Rahmenvereinbarungen (§ 3a Nr. 4 Abs. 1 Satz 1 VOL/A. Gemäß § 3a Nr. 4 Abs. 1 Satz 1 VOL/A sind Rahmenvereinbarungen öffentliche Aufträge, die die Auftraggeber an ein oder mehrere Unternehmen vergeben können, um die Bedingungen für Einzelaufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere über den in Aussicht genommenen Preis (vgl. auch § 3 Abs. 8 Satz 2 Vergabeverordnung [VgV]).
Die AG hat hier vorliegend Rahmenvereinbarungen mit einer Reihe von Lieferanten unter Missachtung der vergaberechtlichen Vorschriften getroffen. Diese Vereinbarungen betreffen - anders als etwa bei den Arzneimittelrabattverträgen gemäß § 130a Absatz 8 SGB V (vergl. dazu z.B. Senatsbeschluss vom 03.09.2009, Az.: L 21 KR 51/09 SFB)- unzweifelhaft die unmittelbare Beschaffung von Waren (Kontrastmitteln). Die vorliegenden Vereinbarungen bilden den rechtlichen Rahmen für die Abwicklung der Einzelaufträge. Unzweifelhaft sind die ärztlichen Verordnungen über Kontrastmittel in der vorliegenden Fallkonstellation der AG zuzurechnen, zumal die ärztlichen Verordnungen nicht bezogen auf spezifische Versicherte erfolgen. Ohnehin hat der Senat bereits entschieden, dass auch für den Regelfall, dass Arzneimittel Versicherten verordnet werden, diese Verordnungen den Krankenkassen im Rahmen ihrer Sachleistungspflicht zugerechnet werden (vgl. Senats-beschluss vom 24.08.2009, Az.: L 21 KR 51/09 SFB, der die Verordnung von Generika betrifft). Da aber hier eine auf einen konkreten Versicherten lautende ärztliche Verordnung der Kontrastmittel nicht erfolgt und demzufolge auch eine Beschaffung durch den Versicherten in der Apotheke nicht stattfindet, liegt es auf der Hand, dass die AG selbst die Kontrastmittel beschafft.
Auch ist hier das Vorliegen einer Auswahlentscheidung der Krankenkassen mit der daraus resultierenden Einräumung von Exklusivität und Begründung einer "Sonderstellung im Wettbewerb" (vgl. Byok, GesR 2007, 553, 556), die konstitutiver Bestandteil für die Annahme eines öffentlichen Auftrages ist (BT-Drs. 16/10609 S. 52 zu § 69 SGB V; Knispel, GesR 2009, 236, 238, 239, 241; Rixen, GesR 2006, 49, 55), zu bejahen. Dabei kommt es, wie der Senat bereits zu Arzneimittelrabattvereinbarungen nach § 130a Abs. 8 SGB V entschieden hat, allerdings nicht darauf an, ob Exklusivität ausdrücklich durch den Auftraggeber vertraglich zugesichert wird. Vielmehr ist es für die Annahme eines öffentlichen Auftrages grundsätzlich ausreichend, wenn sich für den Leistungserbringer faktisch ein Wettbewerbsvorteil ergibt ( vgl. Senat, Beschluss vom 10.09.2009, Az.: L 21 KR 53/09 SFB). Die AG nimmt hier die Auswahl des mit der Lieferung der Kontrastmittel beauftragten Vertragspartners danach vor, welcher Anbieter, bezogen auf die konkrete Verordnung von Kontrastmitteln, gffs. auch gerade in der Kombination mehrerer verordneter Kontrastmittel, sich als der günstigste Anbieter darstellt. (Nur) dieser erhält den Auftrag zur Belieferung des jeweiligen Vertragsarztes. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass nicht die AG, sondern der Vertragsarzt das zu beschaffende Kontrastmittel bestimmt. Entscheidend ist allein, dass die AG es ist, die hinsichtlich des durch die Vertragsärzte ermittelten Beschaffungsbedarfs unter den möglichen Lieferanten auswählt und entsprechend dem Ergebnis die Aufträge erteilt.
Es ist unschädlich, dass in der vorliegenden Konstellation kein Rabattvertrag nach § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V ausgeschrieben wurde, nachdem sich die AG nicht nur an pharmazeutische Unternehmer i.S.d. § 4 Abs. 18 AMG, sondern auch an Großhändler gewandt und Festpreise nachgefragt hat. Denn zum Abschluss von öffentlich-rechtlichen Verträgen, wie sie hier geschlossen werden sollen, bedürfen die Krankenkassen keiner speziellen Ermächtigung. Insbesondere stellt auch § 130a Abs. 8 SGB V nicht eine Ermächtigungsgrundlage für den Abschluss von Vereinbarungen durch Krankenkassen, sondern vielmehr (lediglich) eine Verfahrensvorschrift dar (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 13.09.2005, - Az.: 2 BvF 2/03 -, BVerfGE 114, 196).
Die Antragsbefugnis der AS i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB ist gegeben. Die AS kann zu Recht geltend machen, dass sie bei Durchführung eines transparenten und wettbewerbsförmigen Vergabeverfahrens die Möglichkeit gehabt hätte, einen Zuschlag für die Lieferung der von ihr hergestellten Kontrastmittel zu erhalten. Zwar sind diese bisher nicht von Vertragsärzten in Mecklenburg-Vorpommern verordnet worden; indes ist nicht auszuschließen, dass künftig derartige Verordnungen erfolgen werden. Im Übrigen bleibt es den künftig vorzunehmenden Ausschreibungen vorbehalten, den konkreten Beschaffungsbedarf der AG zu definieren und darüber zu befinden, ob die Produkte der AS hiervon umfasst werden.
Es kann offen bleiben, ob auch bei de facto-Vergaben vor Anbringung eines Nachprüfungsantrages eine Rügeobliegenheit analog § 107 Abs. 3 GWB zu fordern ist (vgl. BGH Beschluss vom 01.02.2005, Az.: X ZB 27/04, BGHZ 162, 116). Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass bei Konstellationen der vorliegenden Art eine solche Obliegenheit besteht, hat die AS diesem Erfordernis entsprochen. Denn sie hat anlässlich der Vertrags-verhandlungen gegenüber der AG den Standpunkt vertreten, dass die AG das erforderliche Vergabeverfahren nicht durchgeführt hat. Dass die Rüge nicht schriftlich erfolgt ist, steht dem nicht entgegen, weil insoweit ein Schriftformerfordernis nicht besteht (vgl. Otting, GWB, Kommentar, § 107 Rdn. 8).
Der Nachprüfungsantrag ist auch in dem von der VK erkannten Umfang begründet.
Die AS hat Anspruch gemäß § 97 Abs. 1 GWB darauf, dass die AG die von ihr zur Versorgung der Vertragsärzte benötigten Kontrastmitteln in einem förmlichen Vergabeverfahren beschafft. Zu Unrecht meint die AG , dies verletze die Therapiefreiheit der Vertragsärzte. Auch im Rahmen eines den Grundsätzen der §§ 97 ff. GWB entsprechenden Vergabeverfahrens vermag die AG ohne Weiteres, die von den Vertragsärzten verordneten Kontrastmittel - wie bisher - zu beschaffen. Lediglich der Abschluss des/der Rahmenverträge unterliegt künftig dem Regime der vergaberechtlichen Vorschriften. Dabei besteht nach Auffassung des Senats eine Verpflichtung der AG zur Durchführung einer wirkstoffbezogenen Ausschreibung nicht (vergl. Senatsbeschluss vom 24.08.2008, Az.: L 21 KR 45/09 SFB).
Als (weitere) Rechtsfolge ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 13 Satz 6 VgV a.F. ferner, dass die Vereinbarungen der AG mit den verschiedenen Lieferanten nichtig sind. Gemäß § 13 VgV a.F. ist ein öffentlicher Auftraggeber verpflichtet, Bietern, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, u.a. den Namen des für den Zuschlag vorgesehenen Bieters und die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebotes mitzuteilen. Die entsprechende Anwendung rechtfertigt sich angesichts des Gebots effektiven Rechtsschutzes, weil ein übergangenes Unternehmen andernfalls das Zustandekommen eines Vertrages nicht mehr wirksam rügen könnte. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Es ist nicht erkennbar, dass vor den Vertragsschlüssen eine den vorgenannten Maßgaben entsprechende Information der AS erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. den §§ 154 Abs. 2 VwGO. Die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der AS folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 2 VwGO. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die AS war notwendig.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 177, 142a SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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