L 21 SF 260/10 Verg

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
-
Aktenzeichen
VK 1 - 79/10 (1. Vergabekammer des Bundes)
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 SF 260/10 Verg
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 02.09.2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Nachprüfungsantrag als unzulässig verworfen wird. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (AS) - ein pharmazeutischer Unternehmer i.S.d. § 4 Abs. 18 Arzneimittelgesetz (AMG) - wendet sich im Rahmen eines Feststellungsbegehrens nach Zuschlagerteilung gegen aus ihrer Sicht bestehende Vergabefehler im Rahmen einer Arzneimittelrabattausschreibung.

Die Antragsgegnerin (AG), eine gesetzliche Krankenkasse, schrieb am 03.07.2010 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (EU) europaweit Rabattvereinbarungen für Fertigarzneimittel aus (Az.: 2010/S 127-194284 - "Generika 2011"). Die Aufteilung der insgesamt 79 Fachlose erfolgte nach Wirkstoffen. Pro Wirkstoff waren drei Zuschlagsempfänger vorgesehen. Die Rahmenvereinbarungen sollten für einen Zeitraum von 24 Monaten (Beginn: 01.02.2011) mit einmaliger und einseitiger Verlängerungsoption durch die AG für insgesamt maximal 15 Monate geschlossen werden (§ 14 Abs. 2 und 3 des Rabattvertrages - RV). Die Frist zur Abgabe von Angeboten endete am 26.08.2010. Zuschlagskriterium war die Wirtschaftlichkeit des angebotenen Rabatt-Angebotspreises des pharmazeutischen Unternehmers (ApU).

Als Verfahrensart war das offene Verfahren vorgesehen (Ziffer IV.1.1 der Bekanntmachung). Unter Ziffer 1.1.) der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurde u.a. ausgeführt:

"Gemäß § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V ist die Ausschreibung nur an pharmazeutische Unternehmer (oder Bietergemeinschaften pharmazeutischer Unternehmer) i.S.d. § 4 Abs. 18 AMG gerichtet, wobei sich die Eigenschaft der Bieter als pharmazeutische Unternehmer auf die jeweils angebotenen Arzneimittel bezieht.( ...)"

Im Vergabevermerk wurde unter "IV. Verfahrensart" dargelegt:

"Die Rabattvereinbarungen werden EU-weit ausgeschrieben. Das EU-weite offene Verfahren ist als Regelverfahren (§101 Abs. 2 GWB) nicht begründungsbedürftig."

Mit Schreiben vom 09.07.2010 beanstandete die AS, die im weiteren Verlauf Angebote zu den Losen 14 (Calciumcarbonat + Colecalciferol), 40 (Levonorgestrel + Ethinylestradiol) und 74 (Trospium) abgegeben hatte, dass es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei den in Los 40 ausgeschriebenen Kontrazeptiva nicht um Arzneimittel im Sinne des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) handele und die AG somit diesbezüglich keine Rabattverträge nach § 130a Abs 8 SGB V abschließen dürfe. Dieser Rüge hat die AG nicht abgeholfen (Schreiben vom 16.07.2010).

Am 29.07.2010 hat die AS bei der Vergabekammer (VK) des Bundes im Hinblick auf das Los 40 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Ausschreibung der in Los 40 aufgeführten Kontrazeptiva die §§ 69 Abs. 2 Satz 1, 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V i.V.m. Art. 12 GG verletze und hierzu vorgetragen:

Jede Missachtung vergaberechtlicher Regeln - auch wenn sie wie § 130a SGB V außerhalb des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A) normiert seien - führe zu einer Betroffenheit im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Die AG sei aufgrund der Ausschreibung nach der Sondervorschrift des § 130a Abs. 8 SGB V vergaberechtlichen Regelungen unterworfen, denen sie bei einer Vergabe nach den allgemeinen Regelungen der VOL/A nicht unterworfen sei. Besonderheiten einer Vergabe nach § 130a Abs. 8 SGB V seien etwa die gemäß § 69 Abs. 2 SGB V nur eingeschränkte Anwendbarkeit der Bestimmungen des GWB und des allgemeinen Vergaberechts sowie die Beschränkung der vergaberechtlich zulässigen Vergabeformen und Vertragsgestaltungen auf Rahmenverträge.

Die Ausschreibung im Los 40 verstoße ferner gegen § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V i.V.m. § 97 Abs. 7 GWB. § 130a Abs. 8 SGB V sehe nur den Abschluss von Rabattvereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmern - nicht jedoch mit Arzneimittelgroßhändlern - vor. Da zudem die vergaberechtlichen Bestimmungen des GWB lediglich entsprechend und gemäß § 69 Abs. 2 SGB V nur unter Berücksichtigung "des Versorgungsauftrags der Krankenkassen" anwendbar seien, handele es sich bei § 130a Abs. 8 SGB V um eine eng auszulegende Sondervorschrift, die ein Vergabeverfahren sui generis regele und daher die Regeln des allgemeinen Vergaberechts für Arzneimittel modifiziere. Bei Kontrazeptiva handele es sich jedoch nach der Rechtsprechung des BSG nicht um Arzneimittel i.S.d. SGB V, so dass die Anwendung des § 130a Abs. 8 SGB V unzulässig sei. Zwar verhalte sich die Rechtsprechung des BSG ausdrücklich nur zur Frage der Festbetragsfestsetzung. Der Begriff "Arzneimittel" müsse jedoch innerhalb des SGB V einheitlich bestimmt werden.

Die Ausschreibung nach § 130a Abs. 8 SGB V könne im Übrigen nicht in eine Ausschreibung nach den allgemeinen Bestimmungen der VOL/A umgedeutet werden. Die Entscheidung, ob nach den allgemeinen Regeln der VOL/A oder nach § 130a Abs. 8 SGB V ausgeschrieben werde, setze nämlich eine Reihe von (Vor-)Entscheidungen der Vergabestelle voraus. Diese habe die AG jedoch unter der (unzutreffenden) Annahme getroffen, dass ihr eine Ausschreibung nach § 130a Abs. 8 SGB V gestattet sei.

Nach Einsicht in die Vergabeakten hat die AS ferner beanstandet, dass die AG weder eine Ermessensentscheidung über die Auswahl zwischen den ihr zur Verfügung stehenden Vergabeverfahren getroffen habe (Ermessensnichtgebrauch) noch das von ihr gewählte Verfahren nach § 130a Abs. 8 SGB V in seinem tatbestandlichen Umfang richtig erkannt habe (Ermessensfehlgebrauch wegen unzureichender tatsächlicher Annahme). Nach § 101 Abs. 7 Satz 1 GWB habe die AG grundsätzlich das offene Verfahren als Verfahrensart zu wählen. Das beschränkte Verfahren nach § 130a Abs. 8 SGB V komme demgegenüber nur ausnahmsweise in Betracht. Das der AG insoweit eingeräumte Ermessen habe diese nicht ausgeübt. Aus der Vergabeakte ergebe sich nämlich, dass die AG nicht zwischen den beiden Alternativen (beschränkte Ausschreibung nach § 130a Abs, 8 SGB V und offene Ausschreibung nach § 101 Abs. 7 GWB) abgewogen habe. Dem Vergabevermerk sei auch zu entnehmen, dass die AG nicht erkannt habe, dass eine Ausschreibung nach § 130a Abs. 8 SGB V gerade kein offenes Verfahren sei.

Die AG hat die Auffassung vertreten, dass die AS nicht antragsbefugt sei. Bei § 130a Abs. 8 SGB V handele es sich nicht um eine Vorschrift, die in irgendeiner Weise das Vergabeverfahren regele. Fragen, die mit der Auslegung des § 130a Abs. 8 SGB V zusammenhingen und damit, ob ein Rabattvertrag im SGB V eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage finde, beträfen weder ein Recht aus § 97 Abs. 7 GWB noch gehe es um die Geltendmachung eines Anspruchs, der auf das Unterlassen oder die Vornahme einer Handlung "in einem Vergabeverfahren" (§ 104 Abs. 2 GWB) gerichtet sei. Angesprochen seien vielmehr dem Vergabeverfahren gänzlich vorgelagerte Fragen. Zudem drohe der AS kein Schaden. Selbst wenn § 130a Abs. 8 SGB V keine taugliche Ermächtigungsgrundlage darstellte, blieben die Anforderungen an die Ausschreibung durch die AG dieselben. Denn die AG sei als öffentliche Auftraggeberin bei der Ausschreibung von Rabattverträgen an die vergaberechtlichen Vorgaben gebunden. Diese Vorgaben ergäben sich nicht aus § 130a Abs. 8 SGB V oder § 69 SGB V, sondern aus dem GWB, der Vergabeverordnung (VgV) und der VOL/A.

Der Nachprüfungsantrag sei überdies unbegründet. Die ausgeschriebenen Kontrazeptiva seien Arzneimittel i.S.d. § 130a Abs. 8 SGB V. Der Arzneimittelbegriff dieser Vorschrift erfasse sämtliche Arzneimittel i.S.d. Arzneimittelgesetzes (AMG). Schon dem Wortlaut des § 130a SGB V sei ein spezieller Arzneimittelbegriff nicht zu entnehmen. § 130a Abs. 1 Satz 5 SGB V spreche vielmehr von "Fertigarzneimittel[n], deren Apothekenabgabepreis aufgrund der Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz [ ...] bestimmt sind". Dies ergebe sich auch aus den Gesetzesbegründungen. Eine weite Auslegung des Arzneimittelbegriffs entspreche auch dem Sinn und Zweck des § 130a Abs. 8 SGB V. Die Regelung solle den Krankenkassen ermöglichen, durch Vereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmern dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung zu tragen. Ausschlaggebend sei daher, ob eine Abgabe zu Lasten der Krankenkasse erfolge. Dem stehe auch nicht die Rechtsprechung des BSG entgegen, weil dieses nur eine Aussage zum Begriff des Arzneimittels i.S.d. §§ 31, 35 SGB V getroffen habe. Für den Abschluss von Rabattverträgen sei im Übrigen keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BSG könnten sich Krankenkassen zur Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots aller rechtlich zulässigen Mittel des Verwaltungshandelns bedienen und somit auch Verträge über die Gewährung von Rabatten abschließen.

Entgegen der Auffassung der AS habe die AG ein offenes Verfahren durchgeführt. Die Anforderung an die Bieter, dass sie pharmazeutische Unternehmer sein müssten, sei im vorliegenden Vergabeverfahren aufgrund der zwingenden Regelung des § 130a Abs. 8 SGB V Voraussetzung und werde im Rahmen der Eignungsprüfung bewertet.

Durch Beschluss vom 02.09.2010 hat die VK den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.

Gegen den ihr am 02.09.2010 zugestellten Beschluss hat die AS am 16.09.2010 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hält an ihrer im Nachprüfungsverfahren vertretenen Auffassung fest und trägt im Wesentlichen vor:

Die VK habe in dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht die Antragsbefugnis der AS verneint. Zunächst sei klarzustellen, dass auch dem an einer rechtswidrigen Vergabe teilnehmenden - sogar dem erfolgreichen - Bieter bei einem rechtswidrigen Zuschlag ein Schaden drohen könne. Werde der angekündigte Zuschlag im Rahmen einer Nachprüfung für rechtswidrig erklärt, habe auch der vermeintlich erfolgreiche Bieter unnütze Aufwendungen zu tragen. Darüber hinaus entspreche es der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass auch nach erteiltem Zuschlag die Rechtswidrigkeit eines Vergabeverfahrens zum Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens gemacht werden könne. Werde dort festgestellt, dass ein Mitgliedsstaat gegen Regelungen Europarecht verstoßen habe, müsse als Rechtsfolge auch ein bereits erteilter Zuschlag "aufgehoben" werden. Darüber hinaus sei stets zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG keine überspannten und überzogenen Anforderungen an die Antragsbefugnis zu stellen seien.

§ 130a Abs. 8 SGB V verstoße sowohl gegen Europa- als auch gegen Verfassungsrecht. Es werde keine offene Ausschreibung vorgegeben. Vielmehr sei ein Vergabeverfahren sui generis entwickelt worden, das z.B. Großhändler, Reimporteure und Apotheken diskriminiere. Die Beschränkung auf bestimmte Unternehmer finde in der Richtlinie 2004/18/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie - VKR) gerade keine Stütze und widerspreche den Zielen dieser Richtlinie. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschränkung auf pharmazeutische Unternehmer als Eignungskriterium anzusehen sei, da sich hierfür ebenfalls keine Stütze in der VKR finde.

Zu Unrecht habe die VK angenommen, Kontrazeptiva seien "Arzneimittel" i.S.d. § 130a Abs. 8 SGB V. Diese Auslegung verstoße eindeutig gegen die Rechtsprechung des BSG. Zwar habe sich die Entscheidung vom 31.08.2000 - B 3 KR 11/98 R - ausdrücklich nur zur Festbetragsfestsetzung verhalten. Gleichwohl enthalte § 130a SGB V keinen eigenständigen Arzneimittelbegriff. Daher dürften Arzneimittelrabattverträge nur für solche Arzneimittel geschlossen werden, die als solche i.S.d. SGB V zu qualifizieren seien.

Die Antragstellerin hat zunächst schriftsätzlich beantragt,

die Entscheidung der 1. Vergabekammer des Bundes vom 02.09.2010 aufzuheben und der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag zu Los 40 zu erteilen.

Am 05.11.2010 hat die AG der AS Zuschläge auf die Lose 14, 40 und 74 erteilt. Das das streitige Los 40 betreffende - von der AS vertriebene - Fertigarzneimittel X wurde zum 01.08.2010 in den Markt eingeführt.

Die AS macht geltend, dass auch nach Erteilung des Zuschlages insofern ein Schaden drohe, als der Zuschlag an drei Bieter erfolgt sei. Abgesehen davon beziehe sich der für die Annahme der Antragsbefugnis geltend zu machende Schaden nicht nur auf den Zuschlag, sondern auf das gesamte materielle Interesse des Bieters. Es sei demzufolge nicht gerechtfertigt, die Nachprüfung mit der Erwägung zu verweigern, die Bieter profitierten von der Rechtswidrigkeit einer Vergabe. Überdies sei nach wie vor daran festzuhalten, dass § 130 Abs. 8 SGB V ein Vergabeverfahren vorgebe, das so in der VKR nicht vorgesehen sei. Durch den Zuschlag ändere sich im Übrigen nichts daran, dass sowohl ein Ermessensausfall als auch ein Ermessensfehlgebrauch durch die AG zu verzeichnen sei. Denn diese habe sich von vornherein mit den verschiedenen Möglichkeiten einer Ausschreibung, insbesondere Vereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmern oder Arzneimittelgroßhändlern oder Apotheken von vornherein nicht auseinandergesetzt, obwohl davon auszugehen sei, dass die größten Wirtschaftlichkeitsreserven bei Rabattvereinbarungen mit Apotheken erschlossen werden könnten.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

1. festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7, 101 Abs. 7 Satz 1 GWB i.V.m. § 130a Abs. 8 SGB V verletzt ist;

2. hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

a) Liegt ein "offenes Verfahren" i.S.v. Art. 1 Abs. 11 der Richtlinie 2004/18/EG vor, wenn eine nationale Regelung für die Vergabe von Aufträgen zur Belieferung von Arzneimitteln dem öffentlichen Auftraggeber vorschreibt, den Auftrag ausschließlich unter pharmazeutischen Herstellern auszuschreiben (nicht jedoch unter Arzneimittelgroßhändlern und/oder Re-Importeuren aus anderen EG-Mitgliedsstaaten)?

b) Wenn Frage 1. zu bejahen ist: Ist eine Regelung des nationalen Rechts mit Art. 44 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG und den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung vereinbar, die abstrakt-generell nur pharmazeutische Hersteller als für die Lieferung von Arzneimitteln geeignet bezeichnet, ohne dass dem öffentlichen Auftraggeber eine Möglichkeit verbleibt, im konkreten Vergabeverfahren zu prüfen, ob andere Eignungskriterien angemessen wären?

c) Wenn Frage 2. zu bejahen ist: Gilt dies auch dann, wenn das nationale Recht an anderer Stelle zugleich ausdrücklich sowohl die pharmazeutischen Hersteller wie auch die Arzneimittelgroßhändler verpflichtet, den Bedarf der öffentlichen Auftraggeber an Arzneimitteln durch hinreichende Belieferung zu gewährleisten?

d) Für den Fall, dass die Antragsbefugnis verneint wird: Ist der Begriff des "Schadens" in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG dahin auszulegen, dass er ausschließlich eine drohende oder eingetretene Verschlechterung der Zuschlagschancen des Bieters im konkreten Vergabeverfahren umfasst oder dass auch (i) andere drohende oder eingetretene Verletzungen subjektiver Rechte des Bieters im Verlauf des Vergabeverfahrens und/oder (ii) das Risiko einer Aufhebung eines vergabewidrig mit dem Bieter geschlossenen Vertrages hiervon umfasst sind?

3. weiter hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und die Sache gemäß § 142a Abs. 4 SGG dem Bundessozialgericht wegen beabsichtigter Abweichung von den Entscheidungen des BGH vom 10.11.2009 - X ZB 8/09 sowie des BSG vom 31.08.2000 - B 3 KR 11/98 R vorzulegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt dem Vorbringen der AS entgegen.

Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts-, Vergabe- und Vergabekammerakten.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der AS hat auch mit dem zuletzt gestellten Feststellungsantrag keinen Erfolg.

Nachdem sich das Vergabeverfahren durch die Erteilung von Zuschlägen auf das streitige Los Nr. 40 zwischenzeitlich erledigt hat (§ 123 Satz 4, 114 Abs. 2 Satz 2 GWB), ist der Antrag auf Feststellung einer Rechtsverletzung gemäß § 123 Satz 3 GWB statthaft. Da eine solche Feststellung wegen der Bindungswirkung nach § 124 Abs. 1 GWB der Vorbereitung eines möglichen Schadensersatzprozesses dient bzw. dienen kann, besteht ein entsprechendes Feststellungsinteresse. Ein darüber hinausgehendes besonderes Interesse an der Feststellung der Rechtsverletzung muss nicht dargetan werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2005 - VII Verg 56/05 = VergabeR 2006, 411).

Der Feststellungsantrag ist jedoch nicht begründet. Denn der Nachprüfungsantrag der AS war unzulässig.

1. Auf das hier streitige Vergabeverfahren sind die Regelungen der VgV in der Fassung der Verordnung zur Anpassung der VgV vom 07.06.2010 (BGBl I S. 724 ff. - VgV n.F.) sowie der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) - Teil A - Abschnitt 2: Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG (VOL/A-EG - BAnz. Nr. 196a v. 20.11.2009) anzuwenden, weil das Vergabeverfahren mit der Bekanntmachung am 03.07.2010 nach dem Inkrafttreten der VgV n.F. begonnen hat.

2. Dass die AG öffentlicher Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB ist, unterliegt keinen Bedenken. Gesetzliche Krankenkassen werden - jedenfalls mittelbar - mit den Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch den Bund finanziert (vgl. §§ 3, 271 SGB V) und sind einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht unterworfen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 11.06.2009 - C-300/07, ZfBR 2009, 601 - "Oymanns"; Senat Beschluss vom 26.03.2009 - L 21 KR 26/09 SFB, VergabeR 2009, 922 m.w.N.). Ebenso wenig ist zweifelhaft, dass es sich bei der streitigen Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen um einen öffentlichen Auftrag i.S.d. § 99 Abs. 1 und 2 GWB handelt und der im Jahr 2010 einschlägige Schwellenwert von 193.000,00 Euro überschritten ist (vgl. Art. 2 VO EG Nr. 1177/2009 v. 30.11.2009, Abl. L 314/64 v. 01.12.2009).

3. Der Nachprüfungsantrag war nicht zulässig, weil die AS nicht antragsbefugt war. Antragsbefugt ist ein Unternehmen, wenn es ein Interesse am Auftrag hat oder hatte, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht und ein allgemeines Rechtsschutzinteresse besteht. Dabei muss ein Bieter nicht darlegen, dass er bei einem rechtmäßigen Vergabeverfahren "eine echte Chance" auf den Zuschlag gehabt hätte. Die Anforderungen an die Darlegung der Antragsbefugnis dürfen mithin aus europa- und verfassungsrechtlichen Gründen nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschluss v. 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03 = NVwZ 2004, 1224; vgl. auch Art. 1 Abs. 3 RL 2007/66/EG). Da das Vergabenachprüfungs- und Beschwerdeverfahren weder der Klärung abstrakter Rechtsfragen noch der Durchsetzung von Rechten Dritter dient, muss ein Bieter die Verletzung eigener Rechtspositionen rügen (vgl. Senat, Beschluss vom 22.07.2010 - L 21 SF 152/10 Verg - Zytostatika m.w.N.).

a) Soweit die AS beanstandet, dass sich die hier streitige Vergabe von Arzneimittelrabattvereinbarungen nur an pharmazeutische Unternehmer wende und z.B. Großhändler sowie Apotheken ausgeschlossen gewesen seien, war die AS nicht antragsbefugt. Denn die AS als pharmazeutischer Unternehmer i.S.d. § 4 Abs. 18 AMG hat hier eine Verletzung von Rechten Dritter geltend gemacht. Diese Rechte müssen jedoch von pharmazeutischen Großhändlern und anderen Anbietern von Arzneimitteln im Rahmen der hierfür vorgesehenen Verfahren verfolgt werden. Demgegenüber besteht kein rechtlicher Ansatzpunkt dafür, dass Bieter in die Lage versetzt werden sollen, die Rechte anderer Anbieter von Gesundheitsleistungen quasi in Prozessstandschaft im Vergabenachprüfungsverfahren geltend zu machen (vgl. Senat, Beschluss vom 22.07.2010, a.a.O.; Beschluss vom 30.01.2009 - L 21 KR 1/08 SFB). Wie bereits dargelegt, dient das Vergabenachprüfungsverfahren ersichtlich nicht der allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle oder der Klärung abstrakter Rechtsfragen, sondern nur einer Überprüfung daraufhin, ob ein Bieter in seinen eigenen subjektiven Rechten verletzt wurde (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.02.2010 - VII-Verg 51/09, juris Rdn. 49; Beschluss v. 16.02.2006 - VII-Verg 6/06 juris Rdn. 22; Otting in: Bechtold, GWB, 6. Aufl. 2010, § 107 Rdn. 5). Gleichermaßen scheidet die Rüge aus, dass § 130a Abs. 8 SGB V europarechtswidrig sei, soweit in dieser Vorschrift pharmazeutische Großhändler nicht als Partner von Rabattvereinbarungen genannt werden. Damit kann die AS auch unter dem Gesichtspunkt keine Antragsbefugnis darlegen, dass die AG fehlerhaft kein offenes Verfahren i.S.d. § 101 Abs. 2 und 7 GWB durchgeführt habe. Denn letztlich rügt sie auch in diesem Zusammenhang wiederum nur die Verletzung von Rechten Dritter.

b) Ebenso wenig ist die AS dahingehend antragsbefugt, dass sich die AG ermessensfehlerhaft von vornherein nicht mit den verschiedenen Ausschreibungsmöglichkeiten - nämlich Vereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmern, pharmazeutischen Großhändlern und/oder Apotheken - auseinandergesetzt habe. Denn auch hier könnten allenfalls die Rechte Dritter tangiert sein. Wie bereits dargelegt, hat das Vergabenachprüfungsverfahren nicht den Zweck, allen denkbaren Vergabechtsverstößen im Sinne einer allgemeinen Rechtsmäßigkeitskontrolle nachzugehen. Unabhängig davon ist die Argumentation der AS auch in sich widersprüchlich. Zum einen hat sie beanstandet, dass die AG eine beschränkte Ausschreibung gewählt und nicht sämtliche Anbieter von Fertigarzneimitteln in den Kreis der (potentiellen) Bieter einbezogen habe. Zum anderen macht sie jedoch geltend, dass sie nicht zwischen den verschiedenen Vereinbarungen - Rabattverträge mit pharmazeutischen Unternehmern, Arzneimittelgroßhändlern oder Apotheken - abgewogen habe. Auch in einer solchen Konstellation käme es unter Zugrundelegung des Rechtsstandpunktes der AS zu einer "beschränkten Ausschreibung", weil sich die AS - um z.B. Rabatte auf den Apothekenverkaufspreis zu erhalten - nur an Apotheken wenden könnte.

c) Zu berücksichtigen ist ferner, dass die AG als öffentlicher Auftraggeber in der Definition ihres Beschaffungsbedarfs im Wesentlichen frei ist (vgl. hierzu Senat, Beschluss v. 24.08.2009 - L 21 KR 45/09 SFB m.w.N.; OLG Düsseldorf Beschluss v. 09.06.2010 - VII-Verg 5/10). Welche Wirtschaftlichkeitsreserven hierbei gehoben werden, bleibt folglich seiner Einschätzungsprärogative überlassen. Bieter können demnach im Vergabenachprüfungsverfahren nicht rügen, dass öffentliche Auftraggeber durch andere Ausschreibungskonzeptionen möglicherweise größere Wirtschaftlichkeitsreserven hätten erschließen können.

d) Entgegen der Ansicht der AS ergibt sich die Antragsbefugnis nicht daraus, dass möglicherweise im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens festgestellt werden könnte, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Gestaltung der Ausschreibung gegen europäisches Recht verstoßen hat und vor diesem Hintergrund die erteilten Zuschläge aufgehoben bzw. bereits geschlossene Verträge gekündigt werden müssten. Unter Zugrundelegung dieser rein spekulativen Sichtweise wäre ein Einfallstor für die Prüfung sämtlicher denkbarer Rechtsverstöße ohne konkreten Sachverhaltsbezug eröffnet und das Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren seines eigentlichen Zwecks - die Prüfung von subjektiven Rechten Einzelner (vgl. Otting in: Bechtold, GWB, 6. Aufl. 2010, § 97, Rdn. 60 m.w.N.) - weitgehend beraubt.

e) Die Darlegung eines Schadens oder eines drohenden Schadens lässt sich auch nicht unmittelbar aus Art. 1 Abs. 3 RL 2007/66/EG ableiten. Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den ggf. von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Dieser Regelung lässt sich entnehmen, dass der Begriff "Schaden" auftragsbezogen zu bestimmen ist. Ein Schaden ist somit nur dann dargelegt, wenn ein Antragsteller geltend macht, dass ihm im Hinblick auf einen konkreten Auftrag - sprich: den Zuschlag - durch Verstoß gegen Regelungen des Vergaberechts ein Schaden in Form entgangenen Gewinns entstanden ist oder zu entstehen droht (vgl. auch BSG SozR 4-2500 § 127 Nr. 3 = SozR 4-7935 Nr. 1, Rdn. 18).

Dies ist hier jedoch bereits deshalb nicht der Fall, weil die AS einen Zuschlag erhalten hat und insofern der Eintritt eines Schadens ausgeschlossen ist. Zudem scheidet auch die Annahme eines drohenden Schadens unter dem Gesichtspunkt aus, dass im Anschluss an ein Vertragsverletzungsverfahren erteilte Zuschläge wieder aufgehoben werden können (bzw. durch den EuGH eine Verpflichtung zur Vertragskündigung ausgesprochen werden kann) und sich die von der AS getätigten Aufwendungen zur Erlangung des Auftrages - jedenfalls bei abstrakter Betrachtung - als nutzlos erweisen könnten. Für die Annahme eines solchen "drohenden" Schadens muss allerdings die konkrete Möglichkeit bestehen und dargetan werden, dass sich das behauptete Schadensereignis realisiert. Hier hat die AS jedoch lediglich unter Benennung der Rechtsprechung des EuGH die hypothetische Möglichkeit einer "Aufhebung" des erteilten Zuschlages nach Abschluss eines Vertragsverletzungsverfahrens geschildert. Dies reicht für die Darlegung eines drohenden Schadens auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss v. 29.07.2004, a.a.O.) bei weitem nicht aus.

f) Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass es jedenfalls bei unzulässigen de-facto-Vergaben oder vergleichbaren Rechtsverstößen nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheint, dass sich auch "Zuschlagsempfänger" darauf berufen können, dass es ihnen nicht zumutbar sei, einen Vertrag einzugehen, der ohne die Durchführung der vorgegebenen Verfahrensart abgeschlossen worden sei (vgl. Thüringer OLG, Beschluss v. 08.05.2008 – 9 Verg 2/08, juris Rdn. 22 m.w.N.), ergibt sich kein anderes Ergebnis. Wie bereits ausgeführt, hat die AS lediglich allgemein dargelegt, dass grundsätzlich die Möglichkeit bestehe, dass der erteilte Zuschlag nach Durchführung eines Vertragsverletzungsverfahrens aufgehoben werden könnte. Dass jedoch die konkrete Möglichkeit besteht, dass z.B. ein pharmazeutischer Großhändler oder Apotheker die Unwirksamkeit des geschlossenen geltend machen wird oder ein Vertragsverletzungsverfahren bevorsteht, hat die AS noch nicht einmal behauptet.

Eine solche Rüge eines pharmazeutischen Großhändlers erscheint im Übrigen auch nicht wahrscheinlich, da der Großhandel zwar Apothekern von den in § 2 AMPreisV vorgesehen Höchstzuschlägen abweichende Rabatte gewähren darf (vgl. BVerfG, Beschluss v. 15.01.2003 - 1 BvQ 54/02 Rdn. 13 - Beitragssatzsicherungsgesetz). Die Substitutionspflicht und die daraus resultierende Exklusivität wird jedoch gemäß § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V nur bei Rabattvereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmern ausgelöst. Nach der aktuellen Rechtslage dürfte mithin für den pharmazeutischen Großhandel unabhängig von der Frage der Zulässigkeit von Rabattvereinbarungen auf dieser Handelsstufe kein wirtschaftlicher Anreiz für den Abschluss eines solchen Vertrages bestehen. Gleiche Erwägungen gelten für Apotheken.

g) Der Senat war im Hinblick auf die von der AS aufgeworfene Vorlagefrage 2.d) nicht gehalten, das Verfahren auszusetzen und den EuGH gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung zu ersuchen. Zwar ist der Senat letztinstanzliches Gericht i.S.d. Art. 267 UAbs. 3 AEUV. Nach der Rechtsprechung des EuGH entfällt eine Vorlagepflicht der letztinstanzlich zuständigen nationalen Gerichte jedoch dann, wenn die maßgebliche Rechtsfrage bereits entschieden ist oder die richtige Auslegung des Gemeinschafts- bzw. Unionsrechts derart offenkundig ist, dass kein Raum für vernünftige Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt und die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und der EuGH keine Zweifel an dieser Auslegung haben würden (EuGHE 1982, 3415, 3429 ff; vgl. auch BSGE 97, 158, juris Rdn. 30). Nach Überzeugung des Senats bestehen keine Zweifel daran, dass der Begriff "Schaden" i.S.d Art. 1 Abs. 3 RL 2007/66/EG auftragsbezogen zu bestimmten ist und dass für die Geltendmachung eines "drohenden Schadens" allein die hypothetische Möglichkeit, dass der EuGH die Verpflichtung zur Vertragskündigung aussprechen könnte, unter keinem Gesichtspunkt ausreichend für die Bejahung der Antragsbefugnis ist. Da sich die von dem AS gestellte Vorlagefrage 2.d) ohne Weiteres durch die Anwendung der RL 2007/66 EG beantworten lässt, bedurfte es somit keiner Vorlage an den EuGH.

h) Mit der Rüge, die Ausschreibung von Kontrazeptiva verstoße gegen die Rechtsprechung des BSG, wendet sich die AS in der Sache dagegen, dass überhaupt eine Ausschreibung durchgeführt wurde und die streitigen Wirkstoffe zum Gegenstand von Rabattvereinbarungen gemacht worden sind. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen vergaberechtlichen Einwand, da die AS mit dieser Rüge letztlich nicht ihre Zuschlagschancen zur Erlangung eines öffentlichen Auftrages verbessern, sondern die Durchführung eines Vergabeverfahrens per se unterbinden wollte. Die AS hat somit nicht eine Verletzung in Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB geltend gemacht, sondern es kam ihr ersichtlich darauf an, ein "Ausschreibungsverbot" zu begründen. Dies ist jedoch nicht Sinn und Zweck eines Nachprüfungsverfahrens (vgl. Senat, Beschluss v. 22.07.2010, a.a.O.; Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 07.10.2010 - Verg W 12/10, juris Rdn. 74 f.).

i) Soweit die AS nach Erteilung des Zuschlages beanstandet, dass Zuschläge an drei Rabattvertragspartner erteilt worden sind, ist die Rüge gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB verspätet. Dass Zuschläge an drei Bieter erteilt werden sollten, ergab sich sowohl aus der Bekanntmachung vom 03.07.2010 als auch aus den Verdingungsunterlagen. Es bestehen zudem keine Zweifel daran, dass der behauptete Verstoß für die AS als mit der Sach- und Rechtslage vertraute Bieterin erkennbar war, zumal dieser bereits Gegenstand einiger Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren war. Die Rüge ist allerdings nicht vor Ende der Angebotsfrist am 26.08.2010, sondern erst durch Schriftsatz vom 26.11.2010 und somit verspätet erhoben worden. Abgesehen davon ist die Rüge auch in der Sache unbegründet (vgl. Senat, Beschluss v. 03.09.2009 - L 21 KR 51/09 SFB; Beschluss v. 19.11.2009 - L 21 KR 55/09 SFB).

4. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Nachprüfungsantrag überdies unbegründet war, so dass der Feststellungsantrag auch unter diesem Gesichtspunkt keinen Erfolg haben konnte.

a) Entgegen der von der AS vertretenen Ansicht verstößt § 130a Abs. 8 SGB V nicht gegen Europarecht. Insbesondere regelt diese Vorschrift nicht die Art des Vergabeverfahrens oder gibt den Krankenkassen eine Vergabeart vor. § 130a Abs. 8 SGB V betrifft zwar dem Grunde nach das Verwaltungsverfahren, entfaltet jedoch im Übrigen keine eigene Regelungsqualität. Denn es handelt sich hierbei weder um eine Ermächtigungsgrundlage für den Abschluss von Arzneimittelrabattverträgen noch stellt diese Vorschrift öffentlichen Auftraggebern eine neue Handlungsform zur Verfügung (BVerfGE 114, 196, juris Rdn. 162 ff. - Beitragssatzsicherungsgesetz). Angesichts dessen bestimmt sich die Zulässigkeit des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Arzneimittelrabattvertrages nach § 53 Abs. 1 SGB X. Zur Durchsetzung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) können sich Krankenkassen aller Mittel des Verwaltungshandelns bedienen. Dazu zählt auch der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, der einer besonderen Ermächtigungsnorm nicht bedarf (vgl. BVerfGE a.a.O. juris Rdn. 166). Beabsichtigt eine Krankenkasse somit, Rabattverträge exklusiv auszuschreiben und die Substitutionspflicht gemäß § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V auszulösen, hat sie den Abschluss von Rabattverträgen mit pharmazeutischen Unternehmern bei Überschreitung der Schwellenwerte nach Maßgabe des Kartellvergaberechts öffentlich auszuschreiben. "Ausschreibungen nach § 130a Abs. 8 SGB V" existieren somit für sich genommen nicht. Die Substitutionspflicht der Apotheken wird vielmehr nach Maßgabe weiterer Voraussetzungen allein dadurch ausgelöst, dass ein Arzneimittelrabattvertrag mit pharmazeutischen Unternehmern geschlossen wurde. Die Bezugnahme auf § 130a Abs. 8 SGB V stellt somit lediglich ein "Etikett" dar. Abzustellen ist in der Sache allein darauf, ob ein Arzneimittelrabattvertrag geschlossen wurde.

Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen kommt es nicht darauf an, ob es sich bei den in Los 40 streitigen Kontrazeptiva um Arzneimittel i.S.d. SGB V handelt. Denn einer Krankenkasse ist ungeachtet der Rechtsprechung des BSG zu § 35 SGB V durch § 53 SGB X die Möglichkeit eröffnet, sich Rabatte auf Fertigarzneimittel, auf die Versicherte der GKV nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen Anspruch haben, durch öffentlich-rechtlichen Vertrag zu "beschaffen". Ausgangspunkt und Ermächtigungsgrundlage für den Rabattvertrag ist nicht § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V, sondern § 53 SGB X.

b) Entgegen der Auffassung der AS hat die AG ein offenes Verfahren durchgeführt. Ein offenes Verfahren ist gemäß § 101 Abs. 2 GWB ein Verfahren, in dem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wird. Diese Definition stimmt im Wesentlichen mit Art. 1 Abs. 11 lit. a) VKR überein, der das offene Verfahren als Verfahren bezeichnet, bei dem alle interessierten Wirtschaftsteilnehmer ein Angebot abgeben können. Kennzeichnend für ein offenes Verfahren ist u.a. die Veröffentlichung von Vorinformationen und Vergabebekanntmachungen, die Bindung an bestimmte Mindestfristen, die eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung sowie die Bekanntgabe von Eignungs- und Zuschlagskriterien, etc. (vgl. nur Weyand in: ibr-online, § 101 GWB, Rdn. 1993 m.w.N.). Diesen Anforderungen entspricht die streitige Ausschreibung.

Wie die AG zutreffend dargelegt hat, waren auch andere Anbieter von Fertigarzneimitteln nicht gehindert, sich am Vergabeverfahren zu beteiligen und Angebote abzugeben. Da die AG jedoch Rabatte pharmazeutischer Unternehmer nachgefragt hat, um die Substitutionspflicht nach § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V auszulösen, kamen realistischerweise nur diese Unternehmen als Rabattvertragspartner in Betracht. Denn nur bei Rabattvereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmern wird, wie bereits dargelegt, die Substitutionspflicht der Apotheken ausgelöst. Insofern unterliegt es keinen Bedenken, die Voraussetzung "pharmazeutischer Unternehmer" als Eignungskriterium zu qualifizieren. Selbst unter der Voraussetzung, dass pharmazeutischer Großhandel und Apotheken Rabatte gewähren dürfen, würde der Abschluss von Rabattverträgen oder sonstigen Preisnachlässen keine Substitutionspflicht auslösen.

Im Hinblick auf die von der AS angesprochenen Rabattverträge mit Apotheken ist zu berücksichtigen, dass Preisnachlässe bei verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln, deren Abgabe gemäß § 43 AMG Apotheken vorbehalten ist, nicht durch Apotheken gewährt werden dürfen. Denn mit § 78 AMG hat sich der Gesetzgeber für eine indirekte Festsetzung einheitlicher Apothekenverkaufspreise entschieden, um wegen der den Apotheken zugewiesenen Schlüssel- und Beratungsfunktion bei der Abgabe von Arzneimitteln an den Endverbraucher einen Preiswettbewerb auf dieser letzten Handelsstufe auszuschließen (vgl. BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4, juris Rdn. 3 m.w.N.). Dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, auf nationaler Ebene Preisreglementierungen für Arzneimittel zu treffen, hat der EuGH durch Urteil vom 02.04.2009 (C-352/07, Rdn. 29; - A. Menarini u.a. zu Art. 4 Abs. 1 RL 89/105/EWG - Transparenzrichtlinie) klargestellt und u.a. dargelegt, dass sich Art. 4 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie nicht nur auf einen Preisstopp i.e.S. beschränkt, sondern bei gebotener weiter Auslegung auf sämtliche einzelstaatlichen Maßnahmen zur Kontrolle der Arzneimittelpreise i.S.d. Art. 1 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie erstreckt (vgl. auch BSGE 101, 161, juris Rdn. 48 ff - DocMorris). Ebenso betont der EuGH in ständiger Rechtsprechung, dass das Unionsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit und insbesondere für den Erlass von Regelungen zur Organisation von Diensten im Gesundheitswesen unberührt lässt (Rdn. 19; vgl. auch EuGH, Urteil v. 19.05.2009 - C 171/07 und C 172/07 - "Doc Morris", GewArch 2009, 298 Rdn. 18 m.w.N. sowie Urteil v. 19.05.2009 - C 531/06, EuZW 2009, 415, 417 Rdn. 35 - Kommission./.Italien).

Selbst wenn man jedoch unter Zugrundelegung des Rechtsstandpunktes der AS davon ausginge, dass es sich um ein beschränktes Verfahren gehandelt hätte, wäre das Vorgehen der AG durch § 3 Abs. 2 lit. a) VOL/A-EG bzw. dessen Rechtsgedanken gedeckt. Danach ist ein nicht offenes Verfahren zulässig, wenn die Leistung nach ihrer Eigenart nur von einem beschränkten Kreis von Unternehmen in geeigneter Weise ausgeführt werden kann, besonders wenn außergewöhnliche Eignung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil nur Rabattvereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmern die Substitutionspflicht des § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V auslösen können.

c) Der Senat wäre auch im Hinblick auf die von der AS gestellten Vorlagefragen 2.a) - c) nicht gehalten gewesen, das Beschwerdeverfahren auszusetzen und den EuGH gem Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung zu ersuchen.

aa) Im Hinblick auf Vorlagefrage 2.a) ist zu bedenken, dass den gesetzlichen Krankenkassen durch § 130a Abs. 8 SGB V nicht vorgeschrieben wird, Rabattverträge ausschließlich mit pharmazeutischen Unternehmern zu schließen. Wie bereits mehrfach dargelegt, entfaltet § 130a Abs. 8 SGB V keinen eigenständigen Regelungsbereich und legt den Krankenkassen keinerlei Pflichten auf, die gegen primäres oder sekundäres Gemeinschaftsrecht verstoßen. Dass nationale Preisreglementierungen auf dem Arzneimittelsektor mit Europarecht in Einklang stehen, hat der EuGH bereits entschieden.

bb) Die Vorlagefrage 2.b) ist für das hier anhängige Verfahren nicht erheblich, da es nicht um Fragen der Eignung zur Belieferung mit Arzneimitteln geht, sondern darum, dass die AG durch den Abschluss von Arzneimittelrabattverträgen mit pharmazeutischen Unternehmern die Substitutionspflicht der Apotheken nach § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V auslösen wollte. Gleiche Erwägungen gelten für die Vorlagefrage 2.c).

d) Auch eine Vorlage an das BSG gemäß § 142a Abs. 4 SGG wegen beabsichtigter Abweichung wäre nach Auffassung des Senats nicht erforderlich gewesen.

aa) Für den Abschluss von Rabattverträgen über Kontrazeptiva kommt es nicht entscheidend darauf an, ob es sich hierbei gleichzeitig um Arzneimittel i.S.d. SGB V handelt, sondern vielmehr darauf, dass es sich hierbei um Medikamente handelt, auf die Versicherte grundsätzlich einen Leistungsanspruch haben können. Angesichts dessen weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des BSG (BSGE 87, 95) ab.

bb) Ebenso wenig weicht der Senat von der Entscheidung des BGH vom 10.11.2009 - X ZB 8/09 ab. Denn dieser Beschluss betrifft, wie den Beteiligten bekannt ist, einen völlig anders gelagerten Sachverhalt.

Obwohl hier lediglich noch ein Feststellungsantrag zu bescheiden war, hat der Senat durch die Fassung des Tenors klargestellt, dass nicht nur das Feststellungsbegehren unbegründet, sondern auch der Nachprüfungsantrag unzulässig war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 142a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 120 Abs. 2, 78 GWB.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 142a, 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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