S 15 AL 132/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 132/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 20/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 25/17 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Der 1972 geborene Kläger war zuletzt unter der Anschrift A-Straße in A-Stadt als festen Wohnsitz gemeldet. In der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 14. März 2013 war er als Bankangestellter bei der C. Hessen-Thüringen beschäftigt.

Am 22. August 2013 sprach der Kläger bei der Beklagten zur persönlichen Arbeitslosmeldung in Frankfurt am Main vor. Aufgrund des überwiegenden Aufenthaltes des Klägers bei seinen Eltern in D-Stadt wurde er an die örtlich zuständigen Träger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und SGB III in Marburg verwiesen.

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 beantragte der Prozessbevollmächtigte und Betreuer bei der Beklagten in Gestalt der Agentur für Arbeit Frankfurt die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II oder SGB III.

Mit Schreiben vom 4. November 2013 teilte die Agentur für Arbeit Marburg dem Betreuer mit, dass sich der Kläger aufgrund seines überwiegenden Aufenthaltes bei seinen Eltern im Zuständigkeitsbereich der Agentur für Arbeit Marburg umgehend bei ihr persönlich arbeitslos melden solle. Dies sei bis dato nicht erfolgt. Hierauf reagierte der Betreuer mit Schreiben vom 5. November 2013 und bat darum, die Zuständigkeit für die Leistungsgewährung in Frankfurt am Main zu belassen.

Mit Schreiben vom 12. November 2013 forderte die Agentur für Arbeit Marburg den Betreuer auf, sich zur Realisierung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mit der Agentur für Arbeit Frankfurt in Verbindung zu setzen.

Mit Bescheid vom 22. November 2013 lehnte das Jobcenter Frankfurt am Main den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II wegen fehlender Zuständigkeit ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Jobcenter mit Bescheid vom 23. Januar 2014 als unbegründet zurück. Im Nachgang erhielt der Kläger mit Bescheid vom 13. Januar 2014 Leistungen nach dem SGB II von dem Jobcenter des Landkreises Marburg-Biedenkopf.

Am 6. März 2014 sprach der Kläger persönlich in Begleitung seines Betreuers bei der Agentur für Arbeit Frankfurt vor. Der Aufenthalt des Klägers in der Tagesklinik dauere nur noch bis voraussichtlich zum 14. März 2014 an. Seine Arbeitsfähigkeit werde voraussichtlich spätestens ab Anfang April 2014 wieder hergestellt sein. In dem formularmäßigen Leistungsantrag der Beklagten war eine persönliche Arbeitslosmeldung am 6. März mit Wirkung zum 15. März 2014 vermerkt und der Betreuer führte aus, dass der Kläger in der Zeit vom 6. Dezember 2013 bis 28. März 2014 arbeitsunfähig krankgeschrieben sei.

Am 31. März 2014 sprach der Betreuer des Klägers bei der Beklagten persönlich vor und teilte mit, dass der Kläger in A-Stadt ohne festen Wohnsitz sei und die Post über ihn gehe.

Mit Bescheid gleichen Datums lehnte die Beklagte in Gestalt der Agentur für Arbeit Frankfurt den Antrag auf Arbeitslosengeld vom 15. März 2014 ab. Der Kläger sei seit dem 6. Dezember 2013 arbeitsunfähig. Er habe der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden und sei deshalb nicht arbeitslos.

Hiergegen erhob der Betreuer unter dem 14. April 2014 Widerspruch. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers dauere lediglich bis zum 28. März 2014 an. Seit dem 29. März 2014 sei er arbeitsfähig und steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Im Übrigen habe er als Betreuer am 31. März 2014 bei der Beklagten persönlich vorgesprochen.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe sich am 6. März mit Wirkung zum 15. März 2014 persönlich arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt. Am 15. März 2014 sei er weiterhin arbeitsunfähig krank gewesen. Die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld hätten zu diesem Zeitpunkt unstreitig nicht vorgelegen. Eine persönliche Vorsprache zwecks Arbeitslosmeldung zum 29. März 2014 sei sodann nicht feststellbar. Diese werde auch nicht durch die persönliche Vorsprache des Betreuers am 31. März 2014 ersetzt.

Hiergegen richtet sich die unter dem 23. Mai 2014 bei dem hiesigen Gericht erhobene Klage, mit welcher der Kläger weiterhin die Gewährung von Arbeitslosengeld begehrt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf den Inhalt ihrer Verwaltungsakte und die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Mit Schreiben vom 7. August 2014 hat das Gericht die Beteiligten dahingehend angehört, dass eine Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid in Aussicht genommen sei. Dieses Schreiben des Gerichtes wurde der Klägervertreterin nach dem vorliegenden Empfangsbekenntnis am 29. August 2014, der Beklagten nach dem vorliegenden Empfangsbekenntnis ebenfalls am 29. August 2014 bekannt gegeben.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid in Beschlussbesetzung - ohne ehrenamtliche Richter - entschieden werden, nachdem die Beteiligten zuvor entsprechend angehört worden sind, ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden ist und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist sowie der Sachverhalt darüber hinaus so, wie er für die Entscheidung allein rechtlich relevant ist, geklärt ist. Der Gerichtsbescheid wirkt insoweit als Urteil (§ 105 Abs. 3 1. Halbsatz SGG).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 15. März 2014.

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat nach § 137 Abs. 1 SGB III, wer
1. arbeitslos ist,
2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Die oder der Arbeitslose hat sich nach § 141 Abs. 1 SGB III persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Eine Meldung ist auch zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten ist.

Der Kläger meldete sich unstreitig am 6. März mit Wirkung zum 15. März bzw. zum 31. März 2014 bei der Agentur für Arbeit Frankfurt persönlich arbeitslos.

Bei der Auslegung von § 141 Abs. 1 SGB III ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in Satz 2 eine vorgezogene Arbeitslosmeldung ausdrücklich erlaubt, zu deren Zeitpunkt die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten sein muss. Es genügt, dass der Eintritt der Arbeitslosigkeit innerhalb von drei Monaten "zu erwarten" ist. Damit schränkt der Gesetzgeber den Charakter der Arbeitslosmeldung insofern ein, als nicht zwingend ist, dass der Betroffene die bereits eingetretene Beschäftigungslosigkeit der Arbeitsagentur meldet. Dies ist nach Auffassung der Kammer deshalb bedeutsam, weil über diese Regelung eine zeitliche Divergenz zwischen der tatsächlichen Handlung und deren Wirkung vom Gesetzgeber ausdrücklich erlaubt wird. Die Wirkung der Erklärung macht er von der anderen Leistungsvoraussetzung Arbeitslosigkeit abhängig. Es muss daher auch nicht ein konkreter Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitslosigkeit mitgeteilt werden. Vielmehr genügt es, wenn die Arbeitslosigkeit (irgendwann) innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten ist. Der Kläger musste deshalb nicht eine Prognose über den genauen Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit treffen. Nicht anders verhält es sich, wenn etwa einem Arbeitnehmer die Kündigung in Aussicht gestellt wird, der genaue Kündigungstermin jedoch noch nicht vom Arbeitgeber mitgeteilt wird und der Arbeitnehmer sich sofort persönlich an die Arbeitsagentur wendet (SG Berlin, Urteil vom 13. Januar 2003, Az. S 77 AL 4361/01). Insoweit liegt grundsätzlich eine wirksame persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers am 6. März 2014 vor.

Allerdings handelte es sich hierbei um keine persönliche Arbeitslosmeldung bei der für den Kläger zuständigen Agentur für Arbeit im Sinn des § 327 Abs. 1 SGB III.

Für Leistungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mit Ausnahme des Kurzarbeitergeldes, des Wintergeldes, des Insolvenzgeldes und der Leistungen zur Förderung der Teilnahme an Transfermaßnahmen, ist nach § 327 Abs. 1 SGB III die Agentur für Arbeit zuständig, in deren Bezirk die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer bei Eintritt der leistungsbegründenden Tatbestände ihren oder seinen Wohnsitz hat. Solange die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich nicht an ihrem oder seinem Wohnsitz aufhält, ist die Agentur für Arbeit zuständig, in deren Bezirk die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer bei Eintritt der leistungsbegründenden Tatbestände ihren oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger im Zeitpunkt der Antragstellung, davor und danach seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seinen Eltern (D-Straße in D-Stadt) im Zuständigkeitsbereich der Agentur für Arbeit Marburg hatte. Bei der Agentur für Arbeit Frankfurt konnte zunächst keine wirksame persönliche Arbeitslosmeldung durch den Kläger erfolgen.

Allerdings ist im vorliegenden Fall die Regelung des § 327 Abs. 2 SGB III zu beachten. Auf Antrag der oder des Arbeitslosen hat die Agentur für Arbeit hiernach eine andere Agentur für Arbeit für zuständig zu erklären, wenn nach der Arbeitsmarktlage keine Bedenken entgegenstehen oder die Ablehnung für die Arbeitslose oder den Arbeitslosen eine unbillige Härte bedeuten würde.

Der entsprechende Antrag kann ausdrücklich oder konkludent gestellt werden. Bestehen nach der Arbeitsmarktlage keine Bedenken, hat die Agentur für Arbeit kein Ermessen betreffend die Zuständigkeitserklärung.

Vorliegend ist zumindest von einem konkludenten Antrag, die Agentur für Arbeit Frankfurt für örtlich zuständig zu erklären, auszugehen. Mit der inhaltlichen Ablehnung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 31. März 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2014 mangels wirksamer persönlicher Arbeitslosmeldung ist sodann gleichfalls eine zumindest konkludente Erklärung der örtlichen Zuständigkeit der Agentur für Arbeit Frankfurt gegeben. Mit der Begründung einer örtlichen Unzuständigkeit kann der Antrag des Klägers auf Gewährung von Arbeitslosengeld vom 6. März 2014 nicht abgelehnt werden.

Weitere Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld ist aber auch eine Verfügbarkeit des Klägers im Sinn von § 138 Abs. 5 SGB III i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO).

Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht nach § 138 Abs. 5 SGB III zur Verfügung, wer
1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO hat der Arbeitslose sicherzustellen, dass das Arbeitsamt (heute: Agentur für Arbeit) ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Diese Voraussetzungen sind dann nicht erfüllt, wenn ein Kontakt zum Arbeitslosen lediglich über eine Mittelsperson möglich ist (BSG, Urteil vom 09. Februar 2006, Az. B 7a AL 58/05 R).

Eine § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO entsprechende persönliche Erreichbarkeit des Klägers ist auch nach Wiedereintritt seiner Arbeitsfähigkeit nicht gegeben. Wie der Klägervertreter selbst ausführt, wird sämtliche Korrespondenz über ihn geführt. In Angelegenheit mit rechtlichen Auswirkungen ist dies auch im Sinn der Betreuung. Allerdings geht es vorliegend mit der Erreichbarkeit des Klägers um eine tatsächliche Anspruchsvoraussetzung, die nicht erfüllt ist.

Dass in dem formularmäßigen Leistungsantrag der Beklagten die Postanschrift des Klägervertreters vorgemerkt war, ändert an dieser Einschätzung nichts. Dies könnte lediglich zu einer Schadensersatzpflicht der Beklagten nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG) führen. Dies wäre bei einem entsprechenden Begehren von dem Kläger auf dem Klageweg in der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verfolgen. Eine darüber hinausgehende Fingierung der postalischen Erreichbarkeit des Klägers kommt nicht in Betracht.

Die Entscheidung der Beklagten ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 105 Abs. 1 Satz 3, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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