Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 205/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 116/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.11.2013 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer schriftlichen Beratung wegen Überschreitung der Arzneimittel-Richtgrößen im Jahre 2010.
Die klagende Gemeinschaftspraxis war Schwerpunktpraxis in den Disease-Management-Programmen (DMP) Diabetes Typen 1 und 2 und bestand aus den hausärztlich tätigen Fachärztinnen für Innere Medizin Dr. M und Dr. T.
Auf die Mitteilung der Prüfungsstelle, dass wegen Überschreitung der Arzneimittel-Richtgrößensumme für das Jahr 2010 ein Prüfverfahren eingeleitet werde, erläuterte die Klägerin mit Schreiben vom 17.07.2012, sie betreibe seit dem 01.04.2002 eine Diabetesschwerpunktpraxis mit ständig wachsender Patientenzahl. Bis zum Quartal IV/2010 habe sie insgesamt 1.593 Patienten betreut, davon 1.401 Diabetiker. Diese seien in 73 % der Fälle zu ihr überwiesen worden. Die Vertragsärztin Dr. M sei Ausbilderin der Kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammer u.a. im DMP und erhalte - auch aufgrund ihres Adipositasschwerpunkts - Überweisungen von ca. 250 Ärzten aus einem Umkreis von über 150 km. Ihr Behandlungsschwerpunkt sei die Therapie mit oralen Antidiabetika. Ein Großteil ihrer Patienten habe einen Body-Mass-Index (BMI) über 30 kg/m² bis weit über 40 kg/m² und werde ihr mit dem Zielauftrag zugewiesen, eine Insulintherapie entweder zu vermeiden oder zu beenden, da die Patienten darunter an Gewicht stark zugenommen hätten. Eine weitere Spezialisierung ihrer Praxis sei zudem die Betreuung von ca. 350 Typ 1 Diabetikern. Im Verhältnis zu schwerpunktmäßig insulintherapierenden Praxen bestehe sicherlich kein Unterschied in der absoluten Menge des ausgegebenen Budgets pro Diabetesfall. Sie beantrage eine individuelle Richtgröße und biete auch gerne eine Einzelfallprüfung ihrer kostenintensiven Patienten an. Sie beantrage die Anerkennung der Mehrkosten für die oralen Antidiabetika (ATC A10B) in Höhe von 736.654,01 EUR für das Jahr 2010.
Mit Bescheid vom 22.11.2012 verfügte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein für die Quartale 1/2010 bis 4/2010 wegen Überschreitung der Arzneimittel-Richtgrößen eine schriftliche Beratung. Dem widersprach die Klägerin am 07.12.2012 im Wesentlichen mit der Begründung, die Besonderheiten ihrer Praxis seien nicht bzw. nicht vollständig berücksichtigt worden. Diese ergäben sich bereits aus zwei Kennwerten: Über 90% der Patienten hätten Diabetes mellitus, davon bis zu 20% Diabetes mellitus Typ 1; über 80% der Patienten kämen auf Überweisung zur diabetologischen Mitbehandlung, ganz überwiegend durch Überweisung von anderen Hausärzten. Der wesentliche Unterschied zu anderen hausärztlichen Praxen, die ebenfalls in vergleichbarem Umfang diabetologisch tätig seien, liege in der anteilig höheren Verordnung von Antidiabetika, die nicht Insulin seien, d.h. sie habe an Stelle von Insulin andere Antidiabetika, nicht notwendigerweise orale Antidiabetika, verordnet. Ihrer diabetologischen Schwerpunktpraxis würden von hausärztlichen Kollegen nur die Patienten zugewiesen, die aufgrund der Besonderheiten der Erkrankung nicht mehr im Rahmen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung betreut bzw. auf bestimmte Medikamente eingestellt werden könnten. Die Patienten mit anderen Antidiabetika ließen sich in mehrere Gruppen einteilen:
- Die Patienten seien bereits von Hausärzten mit Metformin / Sulfonylharnstoffe vorbehandelt worden, die Therapie sei jedoch nicht mehr ausreichend gewesen, so dass durch die Klägerin in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt Liraglutid, Pioglitazon oder Sitagliptin verordnet worden sei.
- Für Metformin habe es anamnestische Hinweise auf Unverträglichkeiten gegeben bzw. ein Therapieversuch mit Metformin sei aufgrund gastrointestinaler Intoleranzen abgebrochen worden. Zum anderen habe in einer Reihe von Fällen durch die eingeschränkte Nierenfunktion eine Kontraindikation für den Einsatz von Metformin vorgelegen. Es handele sich um 562 Patienten mit 429.339,60 EUR an Verordnungen an anderen Antidiabetika.
- Die Patienten seien bereits mit hohen Dosen Insulin vorbehandelt gewesen, eine weitere Steigerung sei nicht oder nur noch stark eingeschränkt durch die begleitende Insulinresistenz möglich gewesen, so dass in diesen Fällen der Insulinsensitizer Pioglitazon allein oder in Kombination mit anderen Antidiabetika zum Einsatz gekommen sei. Es handele sich um 349 Patienten mit 320.495,70 EUR an Verordnungen an anderen Antidiabetika.
- Der bereits vorhandene hohe BMI hätte zur Stoffwechselkontrolle sehr hohe Dosen an Insulin erfordert. Dies hätte eine weitere Gewichtszunahme und die Gefahr von unkalkulierbaren Hypoglykämien nach sich gezogen, so dass in diesen Fällen Liraglutid als klinisch sinnvolle Alternative zum Einsatz gekommen sei. Eine Gewichtsreduktion in nennenswertem Umfang sei nicht kurzfristig möglich gewesen. Es handele sich um 606 Patienten mit 551.076,00 EUR für Verordnungen anderer Antidiabetika.
- Für Metformin / Sulfonylharnstoffe habe es aufgrund einer instabilen Stoffwechseleinstellung eine Kontraindikation gegeben, z.B. bei Kraftfahrern. Es handele sich um 294 Patienten mit 249.216,74 EUR für Verordnungen anderer Antidiabetika.
- Aufgrund von Vorerkrankung oder Folgeerkrankungen wie z.B. Niereninsuffizienz, Retinopathie, KHK, Herzrhythmusstörungen, Demenz oder Z.n. Apoplex bzw. Myokardinfarkt hätten Hypoglykämien durch Sulfonylharnstoffe bzw. Insulin vermieden werden müssen. Es handele sich um 41 Patienten mit 32.600,12 EUR für Verordnungen anderer Antidiabetika.
Zusammengefasst gehe es um 866 Patienten. Davon seien 461 zwei der o.g. Gruppen, 225 drei der Gruppen und 33 sogar vier der Gruppen zugeordnet. Ungefähr die Hälfte der Patienten weise eine besondere Indikation auf.
Die Klägerin überreichte Ausführungen dazu, aus welchen Gründen sie (leitliniengerecht) bei Scheitern einer Therapie mit Metformin und Metformin / Sulfonylharnstoff nicht sofort zur Insulintherapie greife, sondern ein - näher ausgeführtes - Vierstufenschema verfolge. Sie führte Probleme der Insulintherapie aus und brachte verschiedene Patientenbeispiele.
Mit Beschluss vom 27.02.2013 (ausgefertigt am 29.04.2013) wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Ausgehend von Arzneiverordnungskosten in Höhe von 1.578.631,70 EUR zog er Verordnungskosten für Nichtarzneimittel und Praxisbesonderheiten im Gesamtumfang von 544.449,71 EUR ab. Darüber hinausgehende Praxisbesonderheiten erkannte der Beklagte nicht an. Bei der Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus handele es sich um eine fachgruppentypische Erkrankung. Solche Patienten seien nach dem Willen der Vertragspartner (nur) insoweit als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen, als eine Notwendigkeit zur Versorgung mit Insulin gegeben sei (Symbol-Nr. 90911). Abweichend hiervon gehe es den Klägerinnen nach eigenem Bekunden um das Ersetzen von Insulin durch orale Antidiabetika. In vergleichbaren Schwerpunktpraxen würden Insuline verordnet. Die Vertragspartner hätten sich in der Richtgrößenvereinbarung (RgV) nur für die Berücksichtigung von Insulinen entschieden. Daher seien keine oralen Antidiabetika als weitere Praxisbesonderheit zu berücksichtigen. Es verblieben bereinigte Arzneiverordnungskosten unter Berücksichtigung aller Abzüge und Feststellungen von 1.034.181,99 EUR und eine Abweichung gegenüber der Richtgrößensumme von 80,26 %. Da eine erstmalige Überschreitung um mehr als 25 % festgestellt werde, habe eine schriftliche Beratung zu erfolgen.
Zur Begründung ihrer am 23.05.2013 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie habe ihre Praxisbesonderheiten ausreichend dargelegt. Dennoch seien diese weder von der Prüfungsstelle noch vom Beklagten anerkannt oder überhaupt geprüft worden. Eine Ausschließlichkeit der Berücksichtigung der Insulintherapie als Praxisbesonderheit sei der RgV nicht zu entnehmen. Vor allem betreffe die RgV nur die Indikation "insulinpflichtiger Diabetes mellitus". Diabetes mellitus sei aber in vielen Fällen nicht bzw. nicht mehr insulinpflichtig, sondern könne mit anderen Medikamenten behandelt werden. So würden auch in ihrer Praxis bei einem größeren Teil der Diabetes-Patienten andere Medikationen eingesetzt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 29.04.2013 zur Richtgrößenprüfung in den Quartalen 1/2010 bis 4/2010 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seinen Bescheid für rechtmäßig. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 4 RgV 2010 könne eine Anerkennung von Mehrkosten für Nicht-Insulin-Therapie bei nicht insulinpflichtigem Diabetes mellitus jedenfalls nicht nach dieser Bestimmung als Praxisbesonderheit erfolgen. Soweit Praxisbesonderheiten nach § 5 Abs. 5 RgV 2010 Berücksichtigung finden könnten, sei der erforderliche Nachweis des Arztes, dass er der Art und der Anzahl nach besondere von der Arztgruppentypik abweichende Erkrankungen behandelt habe und hierdurch Mehrkosten entstanden seien, nicht schon mit dem Hinweis auf eine gegenüber der Vergleichsgruppe überproportionale Häufung der Diagnose Diabetes mellitus geführt. Auch vor dem Hintergrund, eine diabetologische Schwerpunktpraxis zu führen, genüge der Vortrag der Klägerin nicht den Anforderungen an die schlüssige Darlegung der Praxisbesonderheit nach Grund und Höhe gemäß § 5 Abs. 6 Satz 2 RgV 2010.
Die Beigeladenen haben keine Prozessanträge gestellt.
Mit Urteil vom 27.11.2013 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf den Bescheid des Beklagten aufgehoben und ihn zur Neubescheidung verpflichtet. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschränkung des Beklagten auf die Anerkennung lediglich der Mehrkosten für Insulintherapie bei insulinpflichtigen Patienten weder den gesetzlichen und vertraglichen Anforderungen noch den von der Rechtsprechung hierzu allgemein entwickelten Grundsätzen genüge. Die Klägerin habe vorgetragen, wie sich ihr Patientengut zusammensetze und welche Mehrkosten durch ihre Arzneimitteltherapie aus ihrer Sicht gegenüber ihrer Arztgruppe angefallen seien. Das habe dem Beklagten Veranlassung geben müssen, weiteren Praxisbesonderheiten nachzugehen.
Gegen das ihm am 11.12.2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 23.12.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Ergänzend führt er aus, die Vertragspartner hätten für die Indikation Diabetes mellitus abschließende Maßstäbe gesetzt, so dass nur die Mehrkosten für die Insulintherapie bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus als Praxisbesonderheit Anerkennung finden könnten (§ 5 Abs 4 und 5 RgV 2010). Kosten für die orale Therapie bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus seien nach dem Willen der Vertragspartner damit von der Anerkennung als Praxisbesonderheit ausdrücklich ausgeschlossen. Die Prüfvorgaben der Vertragspartner seien für die Prüfgremien bindend. Die Beschränkung zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten auf Insulinpräparate durch die Vertragspartner entspreche dem im Prüfjahr aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft. Dies habe auch Eingang in die Verträge zur Durchführung des strukturierten Behandlungsprogramms nach § 137 f) SGB V für Diabetes mellitus Typ I und II gefunden. Die Behandlung mit nicht Insulin-Medikationen sei danach die Ausnahme und nur in begründeten Einzelfällen indiziert. Dass bei der Klägerin die Ausnahme die Regel darstelle, sei anhand der Ausführungen im Prüfverfahren nicht nachvollziehbar. Selbst wenn der Vertragsarzt nach § 5 Abs. 5 RgV 2010 auch bei Diabetes mellitus weitere Praxisbesonderheiten geltend machen könne, seien diese nicht in der von § 5 Abs. 6 RgV 2010 geforderten Form dargetan.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.11.2013 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie trägt vor, es gehe im Wesentlichen um die Anerkennung von Antidiabetika (exkl. Insulin) zur Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus als Praxisbesonderheit. Fraglich sei zunächst, ob die Partner der RgV überhaupt befugt seien, zugelassene Medikamente grundsätzlich ohne individuelle Prüfung von der Anerkennung als Praxisbesonderheit auszunehmen. Dies könne aber dahinstehen, da eine solche Regelung nicht getroffen worden sei. Die Formulierung von § 5 RgV enthalte bzgl. der Insulin-Therapie keine Formulierung wie "nur" oder "ausschließlich", die einen Ausschluss anderer Verordnungen beinhalte. Außerdem sei die genannte Indikation der "insulinpflichtige Diabetes mellitus". Aussagen zu einem nicht insulinpflichtigen Diabetes würden nicht getroffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet, denn durch den angefochtenen Bescheid ist die Klägerin beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Bescheid ist nicht rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Beratung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 5e i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vom 22.12.2011, der ab Änderung durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 die Auffälligkeitsprüfung, d.h. die arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina (Nr. 1) und die Zufälligkeitsprüfung, d.h. die arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben (Nr. 2), in den Vordergrund stellt. Die maßgebliche für die Zeit ab 01.01.2008 geschlossene Prüfvereinbarung (Rheinisches Ärzteblatt 12/2007, S. 62 ff.) regelt in § 11 Abs. 1c i.V.m. § 12 die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung bei Überschreitung vereinbarter Richtgrößen (Auffälligkeitsprüfung). Hiernach hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch die Prüfstelle den sich daraus ergebenden Mehraufwandt der Krankenkasse zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Bei erstmaliger Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % erfolgt eine individuelle Beratung nach § 106 Abs. 5a Satz 1 SGB V. Davon ausgehend hat der Beklagte mit seinem Bescheid vom 27.02.2013 eine unwirtschaftliche Verordnungsweise der Klägerin angenommen. Dies erweist sich als unzutreffend.
Nach § 106 Abs 5a Satz 1 i.V.m. Abs. 5e SGB V kommt eine Beratung nur in Betracht, wenn die Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist bei einer Richtgrößenprüfung nicht anders zu verstehen als bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (BSG, Urteil vom 22.06.2005 - B 6 KA 80/03 R -; Urteil vom 23.03.2011 - B 6 KA 9/10 R -; Urteil vom 05.06.2013 - B 6 KA 40/12 R -).
Praxisbesonderheiten sind aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind (BSG, Urteil vom 21.06.1995 - 6 RKa 35/94 -). Die betroffene Praxis muss sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden (BSG, Urteil vom 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R -); diese Abweichung muss sich gerade auf die überdurchschnittlich häufig erbrachten Leistungen auswirken. Soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht, steht den Prüfgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (BSG Urteil vom 02.11.2005 - B 6 KA 63/04 R -; Urteil vom 05.06.2013 - B 6 KA 40/12 R -; Urteil vom 14.05.2014 - B 6 KA 13/13 R -). Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 21.04.1993 - 14a RKa 11/92 -; Urteil vom 27.06.2007 - B 6 KA 27/06 R -; Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R -;Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 8/14 R -).
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG müssen die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung derart verdeutlichen, dass im Rahmen der - in Folge von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen eingeschränkten - gerichtlichen Überprüfung zumindest die zutreffende Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Diese Anforderungen dürfen zwar nicht überspannt werden, da sich gerade Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten, jedoch müssen die Ausführungen erkennen lassen, wie das Behandlungsverhalten des Arztes bewertet wurde und auf welchen Erwägungen die betroffene Kürzungsmaßnahme beruht. Erforderlich sind auch Ausführungen dazu, ob und ggf in welchem Umfang der Mehraufwand auf Praxisbesonderheiten zurückzuführen ist (BSG, Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -; Urteil vom 16.07.2003 - B 6 KA 14/02 R -; Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 8/14 R -).
Diesen Anforderungen wird der Bescheid des Beklagten nicht gerecht. Der Vortrag der Klägerin ist zumindest in Bezug auf einen diabetologischen Tätigkeitsschwerpunkt in sich schlüssig und substantiiert, sodass das Vorliegen von Praxisbesonderheiten zumindest als möglich erscheint. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sie schwerpunktmäßig Patienten mit schwer einstellbarem bzw. nicht allein mit Metformin und Metformin / Sulfonylharnstoff einzustellenden Diabetes mellitus behandele bzw. solche, bei denen (höheren Dosen) Insulin contraindiziert seien. Dies dürfte sie vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden. Daher hätte es ausführlichere Darlegungen dazu erfordert, warum der Beklagte dieser Argumentation nicht gefolgt ist. Zwar obliegt nach ständiger Rechtsprechung die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten dem Arzt (vgl. auch § 5 Abs. 5 und 6 RgV 2010). Die dem klagenden Arzt obliegende Mitwirkungspflicht und die ihn treffende Darlegungs- und Feststellungslast berechtigt die Prüfgremien nicht dazu, sich darauf zu beschränken, pauschal die Nichterfüllung der insoweit bestehenden Anforderungen festzustellen, sondern sie müssen sich mit substantiierten Darlegungen des Arztes im Einzelnen auseinandersetzen. Dies erfordern die ihnen eingeräumten Beurteilungsspielräume, als deren Korrektiv der Begründung des Bescheides wesentliche Bedeutung zukommt (BSG, Urteil vom 22.10.2014 a.a.O.). Die Darlegungen des Beklagten entsprechen nicht in vollem Umfang den Anforderungen, die an die Begründung eines Regressbescheides zu stellen sind. In Bezug auf ihren diabetologischen Tätigkeitsbereich ist die Klägerin ihrer Darlegungslast - im Sinne einer ausreichenden Substantiierung des Vortrags - nachgekommen, indem sie dargelegt und nicht nur durch die Angabe von Abrechnungshäufigkeiten auch dem Grunde nach belegt hat, dass ihre (hausärztliche) Praxis einen diabetologischen Schwerpunkt hat. Sie hat die spezielle Struktur ihrer Patientenschaft aufgezeigt und deren Erkrankungen "systematisiert". Die für einen Hausarzt nicht unbedingt typische Ausrichtung der Praxis auf die Therapie von Diabetes mellitus könnte durchaus als Praxisbesonderheit in Betracht kommen. Dass bei diesen Patienten ein "spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender" Verordnungsbedarf besteht, erscheint - jedenfalls dem Grunde nach - plausibel.
Der Beklagte hat insoweit die Anerkennung (weiterer) Praxisbesonderheiten mit der Begründung abgelehnt, Patienten mit Diabetes mellitus seien nach § 5 Abs. 4 RgV 2010 (unabhängig von ihrer Anzahl) nur insoweit als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen, als eine Notwendigkeit zur Versorgung mit Insulin gegeben sei. Der Senat hat bereits erhebliche Bedenken, ob die Bestimmung der Praxisbesonderheiten in § 5 Abs. 3 und 4 RgV 2010 rechtmäßig ist. Sie weicht von der dargestellten Definition, wie sie sich aus der Rechtsprechung ergibt, erheblich ab. § 5 Abs. 3 und 4 RgV 2010 erfordern keinerlei Feststellungen zur Zusammensetzung der Patienten und der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen. Den Vertragspartnern der RgV fehlt die Rechtsmacht, den Begriff "Praxisbesonderheiten" abweichend von den durch die Rechtsprechung präzisierten Vorgaben des § 106 SGB V zu definieren. Mit nur untergesetzlichen Vorschriften kann der Inhalt des gesetzlichen Begriffs Praxisbesonderheiten nicht verändert, sondern lediglich klarstellend näher umschrieben werden (so auch Clemens in jurisPK-SGB V, 2. Auflage, 2012, § 106 SGB V Rdn. 154).
Jedenfalls sind nach § 5 Abs. 5 RgV 2010 andere Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus § 5 Abs. 4 RgV 2010 kein genereller Ausschluss von Praxisbesonderheiten bei Diabetes mellitus, der nicht mit Insulin behandelt wird. Nach § 5 Abs. 4 RgV 2010 wird als Praxisbesonderheit anerkannt "Insulin-Therapie bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus". Aussagen zum nicht insulinpflichtigen Diabetes mellitus sind nicht getroffen worden, dieser ist vom Wortlaut nicht erfasst. In der Vorschrift ist auch kein Ausschluss dahingehend formuliert, dass andere als die dort genannten Therapieoptionen generell nicht als Praxisbesonderheit anerkannt werden könnten. Vielmehr ist gerade bei nicht von § 5 Abs. 3 und 4 RgV 2010 erfassten Erkrankungen eine Praxisbesonderheit nach der Generalklausel des § 5 Abs. 5 RgV 2010 zu prüfen. Dass die Vertragspartner im Nachhinein der Interpretation des Beklagten zustimmen könnten, ist demgegenüber irrelevant. Sollte ein genereller Ausschluss der Berücksichtigung von Kosten für Nichtinsuline gewollt gewesen sein, hat er jedenfalls keinen Niederschlag in der getroffenen Regelung gefunden.
Sofern der Beklagte bereits das Vorliegen einer Praxisbesonderheit an sich verneinen will, hat er die hierfür maßgeblichen Gründe im Bescheid darzulegen. Der Hinweis auf die Fachgruppentypik in der Begründung des Bescheides genügt hierzu nicht. Ob die weitere Voraussetzung zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten, nämlich der Nachweis der hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten, erfüllt ist, wird der Beklagte ebenfalls zu prüfen und die Gründe für seine Entscheidung darzulegen haben. Dass bei der dargestellten Patientengruppe dem Grunde nach ein Mehrbedarf besteht, könnte naheliegen.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Prüfgremien die Gründe konkret benennen müssen, aus denen heraus sie grundsätzlich medizinisch indizierte Verordnungen einer bestimmten Wirkstoffgruppe generell für unwirtschaftlich halten (BSG, Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 8/14 R -). Auch das ist im angefochtenen Bescheid nicht geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer schriftlichen Beratung wegen Überschreitung der Arzneimittel-Richtgrößen im Jahre 2010.
Die klagende Gemeinschaftspraxis war Schwerpunktpraxis in den Disease-Management-Programmen (DMP) Diabetes Typen 1 und 2 und bestand aus den hausärztlich tätigen Fachärztinnen für Innere Medizin Dr. M und Dr. T.
Auf die Mitteilung der Prüfungsstelle, dass wegen Überschreitung der Arzneimittel-Richtgrößensumme für das Jahr 2010 ein Prüfverfahren eingeleitet werde, erläuterte die Klägerin mit Schreiben vom 17.07.2012, sie betreibe seit dem 01.04.2002 eine Diabetesschwerpunktpraxis mit ständig wachsender Patientenzahl. Bis zum Quartal IV/2010 habe sie insgesamt 1.593 Patienten betreut, davon 1.401 Diabetiker. Diese seien in 73 % der Fälle zu ihr überwiesen worden. Die Vertragsärztin Dr. M sei Ausbilderin der Kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammer u.a. im DMP und erhalte - auch aufgrund ihres Adipositasschwerpunkts - Überweisungen von ca. 250 Ärzten aus einem Umkreis von über 150 km. Ihr Behandlungsschwerpunkt sei die Therapie mit oralen Antidiabetika. Ein Großteil ihrer Patienten habe einen Body-Mass-Index (BMI) über 30 kg/m² bis weit über 40 kg/m² und werde ihr mit dem Zielauftrag zugewiesen, eine Insulintherapie entweder zu vermeiden oder zu beenden, da die Patienten darunter an Gewicht stark zugenommen hätten. Eine weitere Spezialisierung ihrer Praxis sei zudem die Betreuung von ca. 350 Typ 1 Diabetikern. Im Verhältnis zu schwerpunktmäßig insulintherapierenden Praxen bestehe sicherlich kein Unterschied in der absoluten Menge des ausgegebenen Budgets pro Diabetesfall. Sie beantrage eine individuelle Richtgröße und biete auch gerne eine Einzelfallprüfung ihrer kostenintensiven Patienten an. Sie beantrage die Anerkennung der Mehrkosten für die oralen Antidiabetika (ATC A10B) in Höhe von 736.654,01 EUR für das Jahr 2010.
Mit Bescheid vom 22.11.2012 verfügte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein für die Quartale 1/2010 bis 4/2010 wegen Überschreitung der Arzneimittel-Richtgrößen eine schriftliche Beratung. Dem widersprach die Klägerin am 07.12.2012 im Wesentlichen mit der Begründung, die Besonderheiten ihrer Praxis seien nicht bzw. nicht vollständig berücksichtigt worden. Diese ergäben sich bereits aus zwei Kennwerten: Über 90% der Patienten hätten Diabetes mellitus, davon bis zu 20% Diabetes mellitus Typ 1; über 80% der Patienten kämen auf Überweisung zur diabetologischen Mitbehandlung, ganz überwiegend durch Überweisung von anderen Hausärzten. Der wesentliche Unterschied zu anderen hausärztlichen Praxen, die ebenfalls in vergleichbarem Umfang diabetologisch tätig seien, liege in der anteilig höheren Verordnung von Antidiabetika, die nicht Insulin seien, d.h. sie habe an Stelle von Insulin andere Antidiabetika, nicht notwendigerweise orale Antidiabetika, verordnet. Ihrer diabetologischen Schwerpunktpraxis würden von hausärztlichen Kollegen nur die Patienten zugewiesen, die aufgrund der Besonderheiten der Erkrankung nicht mehr im Rahmen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung betreut bzw. auf bestimmte Medikamente eingestellt werden könnten. Die Patienten mit anderen Antidiabetika ließen sich in mehrere Gruppen einteilen:
- Die Patienten seien bereits von Hausärzten mit Metformin / Sulfonylharnstoffe vorbehandelt worden, die Therapie sei jedoch nicht mehr ausreichend gewesen, so dass durch die Klägerin in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt Liraglutid, Pioglitazon oder Sitagliptin verordnet worden sei.
- Für Metformin habe es anamnestische Hinweise auf Unverträglichkeiten gegeben bzw. ein Therapieversuch mit Metformin sei aufgrund gastrointestinaler Intoleranzen abgebrochen worden. Zum anderen habe in einer Reihe von Fällen durch die eingeschränkte Nierenfunktion eine Kontraindikation für den Einsatz von Metformin vorgelegen. Es handele sich um 562 Patienten mit 429.339,60 EUR an Verordnungen an anderen Antidiabetika.
- Die Patienten seien bereits mit hohen Dosen Insulin vorbehandelt gewesen, eine weitere Steigerung sei nicht oder nur noch stark eingeschränkt durch die begleitende Insulinresistenz möglich gewesen, so dass in diesen Fällen der Insulinsensitizer Pioglitazon allein oder in Kombination mit anderen Antidiabetika zum Einsatz gekommen sei. Es handele sich um 349 Patienten mit 320.495,70 EUR an Verordnungen an anderen Antidiabetika.
- Der bereits vorhandene hohe BMI hätte zur Stoffwechselkontrolle sehr hohe Dosen an Insulin erfordert. Dies hätte eine weitere Gewichtszunahme und die Gefahr von unkalkulierbaren Hypoglykämien nach sich gezogen, so dass in diesen Fällen Liraglutid als klinisch sinnvolle Alternative zum Einsatz gekommen sei. Eine Gewichtsreduktion in nennenswertem Umfang sei nicht kurzfristig möglich gewesen. Es handele sich um 606 Patienten mit 551.076,00 EUR für Verordnungen anderer Antidiabetika.
- Für Metformin / Sulfonylharnstoffe habe es aufgrund einer instabilen Stoffwechseleinstellung eine Kontraindikation gegeben, z.B. bei Kraftfahrern. Es handele sich um 294 Patienten mit 249.216,74 EUR für Verordnungen anderer Antidiabetika.
- Aufgrund von Vorerkrankung oder Folgeerkrankungen wie z.B. Niereninsuffizienz, Retinopathie, KHK, Herzrhythmusstörungen, Demenz oder Z.n. Apoplex bzw. Myokardinfarkt hätten Hypoglykämien durch Sulfonylharnstoffe bzw. Insulin vermieden werden müssen. Es handele sich um 41 Patienten mit 32.600,12 EUR für Verordnungen anderer Antidiabetika.
Zusammengefasst gehe es um 866 Patienten. Davon seien 461 zwei der o.g. Gruppen, 225 drei der Gruppen und 33 sogar vier der Gruppen zugeordnet. Ungefähr die Hälfte der Patienten weise eine besondere Indikation auf.
Die Klägerin überreichte Ausführungen dazu, aus welchen Gründen sie (leitliniengerecht) bei Scheitern einer Therapie mit Metformin und Metformin / Sulfonylharnstoff nicht sofort zur Insulintherapie greife, sondern ein - näher ausgeführtes - Vierstufenschema verfolge. Sie führte Probleme der Insulintherapie aus und brachte verschiedene Patientenbeispiele.
Mit Beschluss vom 27.02.2013 (ausgefertigt am 29.04.2013) wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Ausgehend von Arzneiverordnungskosten in Höhe von 1.578.631,70 EUR zog er Verordnungskosten für Nichtarzneimittel und Praxisbesonderheiten im Gesamtumfang von 544.449,71 EUR ab. Darüber hinausgehende Praxisbesonderheiten erkannte der Beklagte nicht an. Bei der Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus handele es sich um eine fachgruppentypische Erkrankung. Solche Patienten seien nach dem Willen der Vertragspartner (nur) insoweit als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen, als eine Notwendigkeit zur Versorgung mit Insulin gegeben sei (Symbol-Nr. 90911). Abweichend hiervon gehe es den Klägerinnen nach eigenem Bekunden um das Ersetzen von Insulin durch orale Antidiabetika. In vergleichbaren Schwerpunktpraxen würden Insuline verordnet. Die Vertragspartner hätten sich in der Richtgrößenvereinbarung (RgV) nur für die Berücksichtigung von Insulinen entschieden. Daher seien keine oralen Antidiabetika als weitere Praxisbesonderheit zu berücksichtigen. Es verblieben bereinigte Arzneiverordnungskosten unter Berücksichtigung aller Abzüge und Feststellungen von 1.034.181,99 EUR und eine Abweichung gegenüber der Richtgrößensumme von 80,26 %. Da eine erstmalige Überschreitung um mehr als 25 % festgestellt werde, habe eine schriftliche Beratung zu erfolgen.
Zur Begründung ihrer am 23.05.2013 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie habe ihre Praxisbesonderheiten ausreichend dargelegt. Dennoch seien diese weder von der Prüfungsstelle noch vom Beklagten anerkannt oder überhaupt geprüft worden. Eine Ausschließlichkeit der Berücksichtigung der Insulintherapie als Praxisbesonderheit sei der RgV nicht zu entnehmen. Vor allem betreffe die RgV nur die Indikation "insulinpflichtiger Diabetes mellitus". Diabetes mellitus sei aber in vielen Fällen nicht bzw. nicht mehr insulinpflichtig, sondern könne mit anderen Medikamenten behandelt werden. So würden auch in ihrer Praxis bei einem größeren Teil der Diabetes-Patienten andere Medikationen eingesetzt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 29.04.2013 zur Richtgrößenprüfung in den Quartalen 1/2010 bis 4/2010 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seinen Bescheid für rechtmäßig. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 4 RgV 2010 könne eine Anerkennung von Mehrkosten für Nicht-Insulin-Therapie bei nicht insulinpflichtigem Diabetes mellitus jedenfalls nicht nach dieser Bestimmung als Praxisbesonderheit erfolgen. Soweit Praxisbesonderheiten nach § 5 Abs. 5 RgV 2010 Berücksichtigung finden könnten, sei der erforderliche Nachweis des Arztes, dass er der Art und der Anzahl nach besondere von der Arztgruppentypik abweichende Erkrankungen behandelt habe und hierdurch Mehrkosten entstanden seien, nicht schon mit dem Hinweis auf eine gegenüber der Vergleichsgruppe überproportionale Häufung der Diagnose Diabetes mellitus geführt. Auch vor dem Hintergrund, eine diabetologische Schwerpunktpraxis zu führen, genüge der Vortrag der Klägerin nicht den Anforderungen an die schlüssige Darlegung der Praxisbesonderheit nach Grund und Höhe gemäß § 5 Abs. 6 Satz 2 RgV 2010.
Die Beigeladenen haben keine Prozessanträge gestellt.
Mit Urteil vom 27.11.2013 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf den Bescheid des Beklagten aufgehoben und ihn zur Neubescheidung verpflichtet. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschränkung des Beklagten auf die Anerkennung lediglich der Mehrkosten für Insulintherapie bei insulinpflichtigen Patienten weder den gesetzlichen und vertraglichen Anforderungen noch den von der Rechtsprechung hierzu allgemein entwickelten Grundsätzen genüge. Die Klägerin habe vorgetragen, wie sich ihr Patientengut zusammensetze und welche Mehrkosten durch ihre Arzneimitteltherapie aus ihrer Sicht gegenüber ihrer Arztgruppe angefallen seien. Das habe dem Beklagten Veranlassung geben müssen, weiteren Praxisbesonderheiten nachzugehen.
Gegen das ihm am 11.12.2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 23.12.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Ergänzend führt er aus, die Vertragspartner hätten für die Indikation Diabetes mellitus abschließende Maßstäbe gesetzt, so dass nur die Mehrkosten für die Insulintherapie bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus als Praxisbesonderheit Anerkennung finden könnten (§ 5 Abs 4 und 5 RgV 2010). Kosten für die orale Therapie bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus seien nach dem Willen der Vertragspartner damit von der Anerkennung als Praxisbesonderheit ausdrücklich ausgeschlossen. Die Prüfvorgaben der Vertragspartner seien für die Prüfgremien bindend. Die Beschränkung zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten auf Insulinpräparate durch die Vertragspartner entspreche dem im Prüfjahr aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft. Dies habe auch Eingang in die Verträge zur Durchführung des strukturierten Behandlungsprogramms nach § 137 f) SGB V für Diabetes mellitus Typ I und II gefunden. Die Behandlung mit nicht Insulin-Medikationen sei danach die Ausnahme und nur in begründeten Einzelfällen indiziert. Dass bei der Klägerin die Ausnahme die Regel darstelle, sei anhand der Ausführungen im Prüfverfahren nicht nachvollziehbar. Selbst wenn der Vertragsarzt nach § 5 Abs. 5 RgV 2010 auch bei Diabetes mellitus weitere Praxisbesonderheiten geltend machen könne, seien diese nicht in der von § 5 Abs. 6 RgV 2010 geforderten Form dargetan.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.11.2013 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie trägt vor, es gehe im Wesentlichen um die Anerkennung von Antidiabetika (exkl. Insulin) zur Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus als Praxisbesonderheit. Fraglich sei zunächst, ob die Partner der RgV überhaupt befugt seien, zugelassene Medikamente grundsätzlich ohne individuelle Prüfung von der Anerkennung als Praxisbesonderheit auszunehmen. Dies könne aber dahinstehen, da eine solche Regelung nicht getroffen worden sei. Die Formulierung von § 5 RgV enthalte bzgl. der Insulin-Therapie keine Formulierung wie "nur" oder "ausschließlich", die einen Ausschluss anderer Verordnungen beinhalte. Außerdem sei die genannte Indikation der "insulinpflichtige Diabetes mellitus". Aussagen zu einem nicht insulinpflichtigen Diabetes würden nicht getroffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet, denn durch den angefochtenen Bescheid ist die Klägerin beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Bescheid ist nicht rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Beratung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 5e i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vom 22.12.2011, der ab Änderung durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 die Auffälligkeitsprüfung, d.h. die arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina (Nr. 1) und die Zufälligkeitsprüfung, d.h. die arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben (Nr. 2), in den Vordergrund stellt. Die maßgebliche für die Zeit ab 01.01.2008 geschlossene Prüfvereinbarung (Rheinisches Ärzteblatt 12/2007, S. 62 ff.) regelt in § 11 Abs. 1c i.V.m. § 12 die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung bei Überschreitung vereinbarter Richtgrößen (Auffälligkeitsprüfung). Hiernach hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch die Prüfstelle den sich daraus ergebenden Mehraufwandt der Krankenkasse zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Bei erstmaliger Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % erfolgt eine individuelle Beratung nach § 106 Abs. 5a Satz 1 SGB V. Davon ausgehend hat der Beklagte mit seinem Bescheid vom 27.02.2013 eine unwirtschaftliche Verordnungsweise der Klägerin angenommen. Dies erweist sich als unzutreffend.
Nach § 106 Abs 5a Satz 1 i.V.m. Abs. 5e SGB V kommt eine Beratung nur in Betracht, wenn die Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist bei einer Richtgrößenprüfung nicht anders zu verstehen als bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (BSG, Urteil vom 22.06.2005 - B 6 KA 80/03 R -; Urteil vom 23.03.2011 - B 6 KA 9/10 R -; Urteil vom 05.06.2013 - B 6 KA 40/12 R -).
Praxisbesonderheiten sind aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind (BSG, Urteil vom 21.06.1995 - 6 RKa 35/94 -). Die betroffene Praxis muss sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden (BSG, Urteil vom 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R -); diese Abweichung muss sich gerade auf die überdurchschnittlich häufig erbrachten Leistungen auswirken. Soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht, steht den Prüfgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (BSG Urteil vom 02.11.2005 - B 6 KA 63/04 R -; Urteil vom 05.06.2013 - B 6 KA 40/12 R -; Urteil vom 14.05.2014 - B 6 KA 13/13 R -). Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 21.04.1993 - 14a RKa 11/92 -; Urteil vom 27.06.2007 - B 6 KA 27/06 R -; Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R -;Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 8/14 R -).
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG müssen die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung derart verdeutlichen, dass im Rahmen der - in Folge von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen eingeschränkten - gerichtlichen Überprüfung zumindest die zutreffende Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Diese Anforderungen dürfen zwar nicht überspannt werden, da sich gerade Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten, jedoch müssen die Ausführungen erkennen lassen, wie das Behandlungsverhalten des Arztes bewertet wurde und auf welchen Erwägungen die betroffene Kürzungsmaßnahme beruht. Erforderlich sind auch Ausführungen dazu, ob und ggf in welchem Umfang der Mehraufwand auf Praxisbesonderheiten zurückzuführen ist (BSG, Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -; Urteil vom 16.07.2003 - B 6 KA 14/02 R -; Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 8/14 R -).
Diesen Anforderungen wird der Bescheid des Beklagten nicht gerecht. Der Vortrag der Klägerin ist zumindest in Bezug auf einen diabetologischen Tätigkeitsschwerpunkt in sich schlüssig und substantiiert, sodass das Vorliegen von Praxisbesonderheiten zumindest als möglich erscheint. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sie schwerpunktmäßig Patienten mit schwer einstellbarem bzw. nicht allein mit Metformin und Metformin / Sulfonylharnstoff einzustellenden Diabetes mellitus behandele bzw. solche, bei denen (höheren Dosen) Insulin contraindiziert seien. Dies dürfte sie vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden. Daher hätte es ausführlichere Darlegungen dazu erfordert, warum der Beklagte dieser Argumentation nicht gefolgt ist. Zwar obliegt nach ständiger Rechtsprechung die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten dem Arzt (vgl. auch § 5 Abs. 5 und 6 RgV 2010). Die dem klagenden Arzt obliegende Mitwirkungspflicht und die ihn treffende Darlegungs- und Feststellungslast berechtigt die Prüfgremien nicht dazu, sich darauf zu beschränken, pauschal die Nichterfüllung der insoweit bestehenden Anforderungen festzustellen, sondern sie müssen sich mit substantiierten Darlegungen des Arztes im Einzelnen auseinandersetzen. Dies erfordern die ihnen eingeräumten Beurteilungsspielräume, als deren Korrektiv der Begründung des Bescheides wesentliche Bedeutung zukommt (BSG, Urteil vom 22.10.2014 a.a.O.). Die Darlegungen des Beklagten entsprechen nicht in vollem Umfang den Anforderungen, die an die Begründung eines Regressbescheides zu stellen sind. In Bezug auf ihren diabetologischen Tätigkeitsbereich ist die Klägerin ihrer Darlegungslast - im Sinne einer ausreichenden Substantiierung des Vortrags - nachgekommen, indem sie dargelegt und nicht nur durch die Angabe von Abrechnungshäufigkeiten auch dem Grunde nach belegt hat, dass ihre (hausärztliche) Praxis einen diabetologischen Schwerpunkt hat. Sie hat die spezielle Struktur ihrer Patientenschaft aufgezeigt und deren Erkrankungen "systematisiert". Die für einen Hausarzt nicht unbedingt typische Ausrichtung der Praxis auf die Therapie von Diabetes mellitus könnte durchaus als Praxisbesonderheit in Betracht kommen. Dass bei diesen Patienten ein "spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender" Verordnungsbedarf besteht, erscheint - jedenfalls dem Grunde nach - plausibel.
Der Beklagte hat insoweit die Anerkennung (weiterer) Praxisbesonderheiten mit der Begründung abgelehnt, Patienten mit Diabetes mellitus seien nach § 5 Abs. 4 RgV 2010 (unabhängig von ihrer Anzahl) nur insoweit als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen, als eine Notwendigkeit zur Versorgung mit Insulin gegeben sei. Der Senat hat bereits erhebliche Bedenken, ob die Bestimmung der Praxisbesonderheiten in § 5 Abs. 3 und 4 RgV 2010 rechtmäßig ist. Sie weicht von der dargestellten Definition, wie sie sich aus der Rechtsprechung ergibt, erheblich ab. § 5 Abs. 3 und 4 RgV 2010 erfordern keinerlei Feststellungen zur Zusammensetzung der Patienten und der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen. Den Vertragspartnern der RgV fehlt die Rechtsmacht, den Begriff "Praxisbesonderheiten" abweichend von den durch die Rechtsprechung präzisierten Vorgaben des § 106 SGB V zu definieren. Mit nur untergesetzlichen Vorschriften kann der Inhalt des gesetzlichen Begriffs Praxisbesonderheiten nicht verändert, sondern lediglich klarstellend näher umschrieben werden (so auch Clemens in jurisPK-SGB V, 2. Auflage, 2012, § 106 SGB V Rdn. 154).
Jedenfalls sind nach § 5 Abs. 5 RgV 2010 andere Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus § 5 Abs. 4 RgV 2010 kein genereller Ausschluss von Praxisbesonderheiten bei Diabetes mellitus, der nicht mit Insulin behandelt wird. Nach § 5 Abs. 4 RgV 2010 wird als Praxisbesonderheit anerkannt "Insulin-Therapie bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus". Aussagen zum nicht insulinpflichtigen Diabetes mellitus sind nicht getroffen worden, dieser ist vom Wortlaut nicht erfasst. In der Vorschrift ist auch kein Ausschluss dahingehend formuliert, dass andere als die dort genannten Therapieoptionen generell nicht als Praxisbesonderheit anerkannt werden könnten. Vielmehr ist gerade bei nicht von § 5 Abs. 3 und 4 RgV 2010 erfassten Erkrankungen eine Praxisbesonderheit nach der Generalklausel des § 5 Abs. 5 RgV 2010 zu prüfen. Dass die Vertragspartner im Nachhinein der Interpretation des Beklagten zustimmen könnten, ist demgegenüber irrelevant. Sollte ein genereller Ausschluss der Berücksichtigung von Kosten für Nichtinsuline gewollt gewesen sein, hat er jedenfalls keinen Niederschlag in der getroffenen Regelung gefunden.
Sofern der Beklagte bereits das Vorliegen einer Praxisbesonderheit an sich verneinen will, hat er die hierfür maßgeblichen Gründe im Bescheid darzulegen. Der Hinweis auf die Fachgruppentypik in der Begründung des Bescheides genügt hierzu nicht. Ob die weitere Voraussetzung zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten, nämlich der Nachweis der hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten, erfüllt ist, wird der Beklagte ebenfalls zu prüfen und die Gründe für seine Entscheidung darzulegen haben. Dass bei der dargestellten Patientengruppe dem Grunde nach ein Mehrbedarf besteht, könnte naheliegen.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Prüfgremien die Gründe konkret benennen müssen, aus denen heraus sie grundsätzlich medizinisch indizierte Verordnungen einer bestimmten Wirkstoffgruppe generell für unwirtschaftlich halten (BSG, Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 8/14 R -). Auch das ist im angefochtenen Bescheid nicht geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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