L 5 KR 190/15 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 34 SF 20/15 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 190/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des SG Köln vom 20.2.2015 geändert. Die Kostenrechnung vom 14.5.2014 wird aufgehoben. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist der Kostenansatz für Gerichtskosten.

Mit am 14.3.2014 beim Sozialgericht Köln (SG) eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Aktenzeichen: S 34 KR 251/14 ER) hat die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin Vergütungsansprüche für die Behandlung von zunächst 12 Versicherten mit kathetergestützten endovaskulären Aortenklappenimplantationen (transcatheter aortic-valve implantation "TAVI") bzw. kathetergestützten endovaskulären Mitralklappenimplantationen ("MitraClip") zu einem Gesamtbetrag von EUR 417.414,27 geltend gemacht. Durch Antragserweiterungen vom 26.3.2014 betreffend die Behandlungskosten von 2 weiteren Patienten in Höhe von EUR 64.472,90 und vom 29.4.2014 betreffend die Behandlungskosten von 3 zusätzlichen Patienten in Höhe von EUR 99.476,84 hat sich die geltend gemachte Summe auf insgesamt EUR 581.364,01 für die Behandlung von somit insgesamt 17 Patienten erhöht. Zwischen den Beteiligten des Eilverfahrens ist im Wesentlichen streitig gewesen, ob die Behandlungen zum einen vom Versorgungsauftrag der Klägerin und zum anderen von ihrem Budget für das Jahr 2013/2014 abgedeckt war.

Mit Beschluss vom 5.5.2014 hat das SG 16 dieser Verfahren ohne weitere Begründung abgetrennt. Das unter dem Aktenzeichen S 34 KR 391/14 ER (fort)geführte Verfahren hat die Versicherte N betroffen, die aufgrund einer Aortenklappenstenose im Krankenhaus der Antragsgegnerin in der Zeit vom 25.11. bis 17.12.2013 mittels TAVI zu Kosten in Höhe von EUR 33.822,01 (vgl. Rechnung vom 6.3.2014) behandelt worden war. Das SG hat den Antrag auf einstweilige Anordnung mit bestandskräftigem Beschluss vom 9.5.2014 zurückgewiesen. Wegen der offenen Erfolgsaussichten aufgrund eines noch nicht bindenden Schiedsspruches sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht und vor dem Hintergrund des Gesamtbudgets der Antragstellerin auch keine einen Anordnungsgrund ausfüllende existentielle Bedrohung erkennbar.

Mit Kostenrechnung vom 14.5.2014 hat das SG der Antragstellerin gem. § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine Verfahrensgebühr nach Nr. 7210 des Kostenverzeichnisses zum GKG (KV-GKG) in Höhe von EUR 661,50 unter Zugrundelegung eines Streitwertes von EUR 33.822,01 in Rechnung gestellt.

Hiergegen hat die Antragstellerin (mit Schriftsatz vom 23.7.2014) Erinnerung eingelegt, mit der sie die Nichterhebung der Verfahrensgebühr geltend macht. Aus der Vorschrift des § 21 GKG folge, dass Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht zu erheben seien. Diese Voraussetzungen seien erfüllt, da die Verfahrenstrennung durch den gerichtlichen Beschluss vom 5.5.2014 sachwidrig gewesen sei. Der Beschluss enthalte keine sachliche Begründung und sei ermessensfehlerhaft ergangen, da die Trennung weder der besseren Übersicht noch dem Datenschutz gedient habe und das Verfahren bereits entscheidungsreif gewesen sei. Der ablehnende Beschluss sei vier Tage nach der Trennung bei ausgeschriebenem Verfahren ohne weitere Ermittlungen oder verfahrensleitende Maßnahmen ergangen. Auch seien der Antragstellerin durch die Trennung nur Nachteile in Gestalt von gerichtlichen und außergerichtlichen Mehrkosten (in Höhe von rund EUR 25.700,00) entstanden. Das Prozesskostenrisiko in der Beschwerdeinstanz habe sich ebenfalls (um über EUR 32.000,00) erhöht. Durch die Verfahrenstrennung überstiegen die Verfahrenskosten der ersten Instanz die Verfahrenskosten, die bei einheitlicher Verhandlung vor dem SG und in der Rechtsmittelinstanz zusammen angefallen wären.

Der Bezirksrevisor hat die Kostenrechnung vom 14.5.2014 hingegen für zutreffend gehalten und entsprechend beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 20.2.2015 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Verfahrensgebühr nach § 21 GKG lägen nicht vor, da dem Gericht kein offensichtlicher schwerer Fehler unterlaufen sei. Die Verfahrenstrennung sei rechtmäßig erfolgt und habe der besseren Ordnung des Prozessstoffes gedient, da die den Vergütungsansprüchen zu Grunde liegenden Sachleistungsansprüche von 17 einzelnen Versicherten zu prüfen gewesen seien. Dass es darauf nach der Trennung nicht mehr angekommen sei, stünde dem nicht entgegen.

Die Antragstellerin hat gegen diesen Beschluss am 31.3.2015 Beschwerde erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass sie nicht die Verfahrenstrennung als solche bemängele, sondern die Tatsache, dass die Trennung nicht zu Beginn des Verfahrens, sondern wenige Tage vor der Entscheidung in der Sache erfolgt sei. Die durch das Gericht angeführten Gründe rechtfertigten dies nicht, da weder vor der Trennung noch nach der Trennung Ermittlungen zu einzelnen Behandlungsfällen stattgefunden hätten. Eine Abtrennung allein zur Entscheidung sei hingegen unzulässig.

Der Bezirksrevisor hält die Beschwerde demgegenüber aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung für unbegründet.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Beschwerdeakte Bezug genommen.

II.

Die gem. § 66 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des SG Köln vom 20.02.2015, über die der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung in der Besetzung mit drei Berufsrichtern entscheidet (§ 66 Abs. 6 Satz 2 GKG), ist begründet.

Die mit Kostenrechnung vom 14.5.2014 geltend gemachte Verfahrensgebühr im einstweiligen Rechtsschutz nach Nr. 7210 des Kostenverzeichnisses KV-GKG in Höhe von EUR 661,50 ist gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 GKG niederzuschlagen.

Die Entscheidung über die Nichterhebung von Kosten, die nach § 21 Abs. 2 S.1 GKG das Gericht trifft, ist auch Bestandteil des Verfahrens über den Kostenansatz einschließlich des Erinnerungsverfahrens nach § 66 GKG (vgl. Bundesfinanzgerichtshof (BFH), Urteil vom 25.3.2013, X E 1/13, juris, Rn. 12) und deswegen zulässiger Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

Nach § 21 Abs. 1 S. 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Dabei muss die unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht ursächlich für die Entstehung der Kosten sein. Ein Verschulden des Gerichts ist dabei nicht erforderlich (BFH, Beschluss vom 5.8.2002, VII B 56/00, juris, Rn. 7). Auch dient die Nichterhebung von Kosten unrichtiger Sachbehandlung allein der Kostengerechtigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit; sie bezweckt nicht die Überprüfung der richterlichen Sachenentscheidung und des eingeschlagenen Verfahrens (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 18.1.2011, 20 C 10.2738, juris, Rn. 3). Daher liegt eine unrichtige Sachbehandlung im Gesetzessinne nur vor, wenn ein Richter Maßnahmen oder Entscheidungen trifft, die den breiten richterlichen Handlungs-, Bewertungs- und Entscheidungsspielraum verlassen (Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, Beschluss vom 17.3.2005, 8 W 71/05, OLGR Stuttgart 2005, 732,733 mit zahlreichen w.N.). Dies ist nach allgemeiner Meinung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Fall, wenn dem Gericht ein offensichtlicher Verstoß gegen eine eindeutige gesetzliche Vorschrift des materiellen oder formellen Rechts oder ein erkennbares Versehen unterlaufen ist. Ein leichter Verfahrensfehler reicht ebenso wenig wie vertretbare Lösungen bei nicht offensichtlicher Sach- und Rechtslage (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 29.12.2011, B 13 SF 3/11 S, juris, Rn. 8; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 25.1.2006, 10 KSt 5/05 u.a., juris, Rn. 6; Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 10.3.2003, IV ZR 306/00, NJW RR 2003, 1294; BFH, Beschluss vom 13.11.2002, I E 1/02, BFH/NV 2003, 333).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die mit Beschluss vom 5.5.2014 erfolgte Verfahrenstrennung als unrichtige Sachbehandlung zu bewerten, da sie offenkundig gegen die Verfahrensvorschrift des § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 145 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) verstößt: Danach können Klagen, mit denen der Kläger - wie hier die Antragstellerin - von vornherein mehrere Ansprüche (vgl. § 56 SGG) verfolgt hat, nur dann getrennt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist (§ 145 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen (§ 145 Abs. 1 S. 2 ZPO).

Zwar ist der Senat nachdrücklich der Auffassung, dass in Streitigkeiten von Krankenhausträgern gegen gesetzliche Krankenkassen, in denen Behandlungskosten verschiedener Versicherter in einer Klage geltend gemacht werden, eine Verfahrenstrennung in aller Regel eine sachdienliche und damit keinesfalls zu beanstandende Sachbehandlung darstellt, wenn versichertenbezogene, individuelle Ermittlungen und/oder Einwendungen in Betracht kommen. Hier gebietet es bereits Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), Streitverfahren im Interesse der einzelnen Beteiligten zu trennen, um den Streitgegenstand beherrschbar zu gestalten. Solche sachlichen Gründe sind jedoch bereits deshalb nicht erkennbar, weil der erstinstanzliche Beschluss entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Begründungspflicht und damit verfahrensfehlerhaft jede Begründung für die Trennung vermissen lässt. Auf diese Weise ist schlicht nicht erkennbar, ob der Entscheidung versichertenbezogene oder auch andere vertretbare Erwägungen zu Grunde lagen. Der Senat vermag auch nicht im Ansatz festzustellen, dass das SG zu irgendeinem Zeitpunkt auf versichertenbezogene Einzelheiten - wie sie etwa im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 19.03.2014 enthalten sind - abgestellt hat (eine unrichtige Sachbehandlung bei Verfahrenstrennung ohne verständigen Grund nehmen ebenfalls an: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 3.11.2011, 7 E 1274/10, juris, Rn. 4 unter Bezugnahme auf OVG NRW, Beschluss vom 13.9.1977, X B 1415/77, juris (nur Leitsatz), Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 10.5.2010, 1 W 443/09, juris, Rn. 7; vgl. auch Straßfeld in: Jansen, SGG, 4. Aufl. 2012, § 197a Rn. 27). Ohne Begründung und/oder ansonsten erkennbare Sachbehandlung gerät die Trennungsentscheidung (vom 5.5.2014) stattdessen aufgrund der zeitlichen Nähe zu der Sachentscheidung (vom 9.5.2014) unter den Verdacht sachfremder und damit rechtsmissbräuchlicher Erwägungen. Die nachträgliche Rechtfertigung der Trennung in dem auf die Erinnerung der Antragstellerin ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vermag die vom Gesetz geforderten verständigen Erwägungen in der Beschlussbegründung ebenfalls nicht zu ersetzen, zumal es sich bei der Trennung nach § 145 Abs. 1 ZPO um eine Ermessensentscheidung handelt (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 113 Rn.5 m.w.N.). Fehlt bei einem Trennungsbeschluss bereits die Begründung, sind die ermessensleitenden Erwägungen weder erkennbar noch überprüfbar. Wie streng der Maßstab des § 145 Abs. 2 ZPO ist, verdeutlicht überdies bereits der Vergleich zu § 113 Abs. 2 SGG, der die Trennung von ursprünglich durch das Gericht verbundenen Verfahren regelt und dies bereits "wenn es zweckmäßig ist" gestattet, ohne dass eine ausdrückliche Begründungspflicht besteht (vgl. Keller, a.a.O.).

Auf die von Antragstellerin gerügten Kostennachteile und -risiken infolge der Trennung kam es demgegenüber nicht an, da die die Rechtsbehelfe des § 66 GKG ausschließlich auf die Verletzung des Kostenrechts gestützt werden können (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 66 GKG Rn. 18 m.w.N.).

Die sachwidrige Trennung ist auch ursächlich für das Anfallen der Verfahrensgebühr nach Nr. 7210 GKG in jedem der abgetrennten Verfahren aufgrund von Einzelstreitwerten statt einer einzigen Gebühr aufgrund eines Gesamtstreitwertes (vgl. KG Berlin, a.a.O., Rn. 3 m.w.N.).

Infolge der unrichtigen Sachbehandlung waren die Kosten auch zwingend niederzuschlagen, da es sich um eine gebundene Entscheidung handelt (vgl. Thiel in: Nomos Kommentar, Gesamtes Kostenrecht, 2014, § 21 GKG Rn. 7).

Der Senat hat im Beschwerdeverfahren nicht zu entscheiden, ob in dem Ausgangsverfahren ( S 34 KR 251/14 ER ) Gerichtskosten nach einem (Gesamt)Streitwert von EUR 581.364,01 zu erheben sind. Es obliegt vielmehr dem erstinstanzlichen Gericht, darüber unter Berücksichtigung der im Schreiben des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 04.02.2016 abgegebenen Erklärung zu entscheiden.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht erstattungsfähig (§ 68 Abs. 8 GKG).

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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