Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 29 U 179/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 710/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 12/17 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Rev. als unzulässig verworfen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.10.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit stehen die Gewährung einer Verletztenrente sowie die Anerkennung von Unfallfolgen.
Die 1965 geborene Klägerin ist beschäftigt als Krankenpflegehelferin. Sie erlitt am 10.03.2010 einen Arbeitsunfall, als ihr eine lange Badewannenseite auf den linken Fußrücken fiel. Die Erstversorgung erfolgte am Unfalltag im St. N-Hospital P bei dem Durchgangsarzt und Chirurgen Doktor X. Dieser diagnostizierte in seinem Bericht vom 10.03.2010 eine "Quetschung Fuß links". Bei der Untersuchung habe sich kein Hämatom gezeigt, der Fußrücken sei druckschmerzhaft und die Belastung des Fußes nur unter Schmerzen möglich gewesen. Die Röntgenuntersuchung des Fußes habe keinen Hinweis auf frische Frakturen gezeigt. Der Röntgenbefund lautete: "Kein Anhalt für frische knöcherne Verletzung. Die Stellung der Gelenke ist regelrecht." Bei persistierenden Schmerzen im Fuß ("als ob sie auf Scherben laufe") erfolgte am 10.06.2010 die Vorstellung bei dem Durchgangsarzt und Unfallchirurgen X1. Dieser diagnostizierte eine alte Fußrückenprellung links, eine Metatarsalgie 2-3 links und eine Senkfußbildung. Die Röntgenuntersuchung des linken Fußes in zwei Ebenen ergab den Verdacht auf eine Ermüdungsfraktur im Bereich von MFK (Mittelfußknochen) II und III im distalen Schaftbereich. Diesen Verdacht schloss der Unfallchirurg X1 in seinem Bericht vom 24.05.2011 dann aber mit der Begründung aus, dass im Fall einer Ermüdungsfraktur bei der Röntgenuntersuchung eine entsprechende Kallusreaktion (Narbengewebe) hätte vorliegen müssen. Eine Röntgenkontrolle vom 20.07.2010 habe keinen pathologischen Befund ergeben. Der Chirurg Dr. X vom St. N-Hospital berichtete am 09.06.2011, dass sich die Klägerin am 13.09.2010 erneut vorgestellt habe und von der Verdachtsdiagnose des Unfallchirurgen X1 auf einen Ermüdungsbruch. Es sei deshalb am 13.09.2010 eine erneute Röntgenaufnahme des linken Fußes durchgeführt worden, wobei ein Frakturgeschehen, auch ein stattgehabtes oder früher durchgeführtes Frakturgeschehen sowohl durch das Unfallereignis als auch eine (unfallunabhängige) Ermüdungs -und Marschfraktur im Bereich des Mittelfußes definitiv ausgeschlossen werden konnte. Auch durch ein MRT vom 09.12.2010 des linken Fußes (zu Lasten der Krankenkasse) sei ein frisches oder älteres Frakturgeschehen definitiv ausgeschlossen. Die Klägerin habe am 10.03.2010 bei der Quetschverletzung durch den Badewannenrand lediglich eine Quetschung des Vor- und Mittelfußes erlitten. Aufgrund der unfallbedingten Quetschung wäre eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von zwei Wochen angezeigt gewesen.
Mit Bescheid vom 24.10.2011 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall und eine folgenlos verheilte Quetschung des linken Fußes als Unfallfolge an, einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente lehnte sie jedoch ab. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten für längstens zwei Wochen nach dem Unfallereignis bestanden. Die Behandlung ab dem 09.06.2010 sei nicht mehr auf die Folgen des Unfalls, sondern auf unfallunabhängige Erkrankungen im Bereich des linken Fußes zurückzuführen.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie habe bei dem Unfall einen Haarriss im Fußknochen erlitten. Dies habe ihr Herr X1 gesagt. Dr. X habe sich bei ihr entschuldigt, weil er diesen Riss offenbar übersehen habe. Der Riss sei aufgrund der massiven Schwellung ihres linken Fußes nicht erkannt worden. Infolge der unterbliebenen Behandlung seien erhebliche Schmerzen entstanden, die mittlerweile chronisch seien. Ihrer Meinung nach betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 20 v.H.
Die Beklagte holte daraufhin ein unfallchirurgisches Gutachten von Dr. U sowie ein nervenärztliches Zusatzgutachten von Dr. M ein. Dr. U gelangte in ihrem Gutachten von Juli 2012 und einer ergänzenden Stellungnahme von Dezember 2012 zu der Einschätzung, dass aufgrund der anhaltenden Schmerzen und der Bewegungseinschränkung am ehesten von einem Residuum eines Kompartmentsyndroms des Fußes mit Nervenschädigung auszugehen sei. Das Kompartmentsyndrom könne auch - falls keine Nervenschädigung vorliege - auf die Ischämie der Muskulatur und deren Schädigung zurückgeführt werden. Sie schätze die unfallchirurgische MdE mit zehn v.H. ein. Die gesamte Behandlungszeit und Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.08.2010 sei unfallbedingt gewesen. Dr. M stellte in ihrem Gutachten vom 31.08.2012 fest, dass sich die Klägerin bei dem Unfall eine Prellung und eine Quetschverletzung im Bereich des linken Mittelfußes zugezogen habe. Hinweise dafür, dass es durch den Unfall zu einer Verletzung des zentralen oder peripheren Nervensystems gekommen sei, ließen sich den Verlaufsberichten nicht entnehmen. In sämtlichen Berichten seien Sensibilitätsstörungen, die bei einer solchen Verletzung gegebenenfalls zu erwarten gewesen wären, nicht angegeben worden. Auch bei ihrer Untersuchung habe die Klägerin keine Sensibilitätsstörungen angegeben. Auch der objektivierbare klinisch neurologische und elektrophysiologische Befund sei regelrecht gewesen. Die demonstrierte Schwäche der Zehenbewegungen lasse sich durch eine neurogene Schädigung nicht erklären. Da sich auf nervenärztlichen Fachgebiet keine Unfallfolgen feststellen ließen, betrage die MdE 0 v.H. Es hätten sich allerdings Hinweise für eine Verbitterungsstörung bzw. eine depressive Entwicklung ergeben, wobei hier aber mehr eine narzisstische Kränkung eine Rolle zu spielen scheine. Der Unfall als solcher sei nicht traumatisch besetzt.
Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. F ein. In seiner Stellungnahme vom 17.01.2013 widersprach dieser der Einschätzung von Dr. U und ging von einer folgenlos verheilten Quetschung des linken Fußes als Unfallfolge aus. Das von Dr. U diagnostizierte Kompartmentsyndrom entstehe nach einer schweren Traumatisierung des Fußes mit Quetschung und Schädigung aller betreffenden Weichteile. Eine derartige Verletzung habe die Klägerin nicht erlitten. Sowohl hinsichtlich des Unfallgeschehens als auch unter Berücksichtigung sämtlicher Befunderhebungen fehlten jegliche Hinweise auf ein entsprechendes Trauma und ein entsprechendes Kompartmentsyndrom.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 08.05.2013 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg (SG) erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, durch den Arbeitsunfall sei eine Fraktur am linken Fuß und eine Nervenschädigung eingetreten, in deren Folge sie weiterhin unter starken Schmerzen leide. Ihr stehe deshalb eine Verletztenrente zu.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 24.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 aufgrund des am 10.03.2010 erlittenen Arbeitsunfalles Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise, die Schmerzen im Bereich des linken Fußes als Unfallfolge anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig gehalten.
Das SG hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Aus dem Befundbericht des einmalig am 10.12.2012 aufgesuchten Orthopäden Dr. K geht hervor, dass dieser die Vorstellung in der interdisziplinären Schmerzkonferenz der BG Klinik oder in einer universitären Schmerzambulanz empfohlen, allerdings die Notwendigkeit einer Operation am Fuß nicht gesehen hat (Bericht vom 26.06.2013). Der die Klägerin nach dem Unfall behandelnde Unfallchirurg X1 hat erklärt, er sehe das Beschwerdebild der Klägerin nicht als Folge des Arbeitsunfalls vom 10.03.2010 an. Dementsprechend gehe er auch nicht von einer MdE aus (Bericht vom 27.06.2013). Der Schmerzmediziner Dr. A, bei dem die Klägerin seit Mai 2013 fortlaufend in schmerztherapeutischer Behandlung ist, hat eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie neuropathischen Schmerzen des linken Vorfußes nach Quetschverletzung 2010 mit dringendem Verdacht auf Schädigung der interdigitalen Nerven diagnostiziert und die Auffassung vertreten, dass diese Gesundheitsstörungen auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien. Hierdurch werde eine MdE von 10 v.H. bedingt (Bericht vom 27.06.2013). Die praktische Ärztin Dr. I hat die MdE durch die Vorfußverletzung mit 50 v.H. eingeschätzt, weil die Mobilität schmerzhaft eingeschränkt sei; die Klägerin sei deshalb nicht nur in ihrer Tätigkeit als Krankenpflegehelferin, sondern auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beeinträchtigt. Die Klägerin habe familiären Stress, leide an Erschöpfung, einem psychosomatischen Syndrom sowie einem generalisierten Schmerzsyndrom mit Beschwerden in Ellenbogen, Kniegelenken, Halswirbelsäule und im linken Fuß (Bericht vom 29.06.2013). Der Anästhesist Dr. C hat nach einer einmaligen Vorstellung der Klägerin ohne Begründung erklärt, der Fußschmerz gehe auf den Unfall zurück (Bericht vom 01.07.2013). Der Neurologe Dr. A hat angegeben, dass er die Beschwerden für den Ausdruck einer Irritation der Interdigitalnerven halte, ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall überwiegend wahrscheinlich erscheine und die MdE zum Zeitpunkt seiner einmaligen Untersuchung im Oktober 2012 mit weniger als 10 v.H. einzuschätzen sei (Bericht vom 02.07.2013).
Im Juni/Juli 2013 führte die Klägerin eine neurologische Rehabilitationsmaßnahme in der X-klinik X zu Lasten des Rentenversicherungsträgers durch. In dem Entlassungsbericht vom 05.07.2013 wurde eine anhaltende Schmerzstörung des linken Fußes seit einem Quetschungstrauma ohne Fraktur am 10.03.2010 sowie eine depressive Anpassungsstörung diagnostiziert. Außerdem wurde der Verdacht auf eine andauernde Persönlichkeitsstörung bei chronischem Schmerzsyndrom geäußert. Anamnestisch wurde über rezidivierende Cephalgien berichtet, die bis in die Jugend nach belasteter Kindheit und Jugend hineinreichten. Bezüglich der belasteten Kindheit und Jugend habe die Klägerin zwischen 2001 und 2005 eine ambulante Psychotherapie absolviert.
Das SG hat sodann von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. L. Dieser ist in seinem Gutachten vom 06.11.2013 aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 21.10.2013 und unter Berücksichtigung der aktenkundigen Befunde und der von der Klägerin zur Untersuchung mitgebrachten Berichte des Ergotherapeuten (Bericht vom 20.10.2013) und der X-Klinik X (Bericht vom 05.07.2013) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin durch den Arbeitsunfall vom 10.03.2010 eine folgenlos verheilte Quetschung des linken Fußes erlitten habe. Die MdE auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet betrage ab dem 10.03.2010 0 v.H. Eine Schädigung nervaler Strukturen habe nicht nachgewiesen werden können. Der jetzt erhobene neurologische Befund sei vollkommen unauffällig gewesen. Es hätten sich weder Lähmungserscheinungen, noch sensible Störungen, noch trophische Störungen oder Reflexdifferenzen gefunden. Die elektrophysiologischen Untersuchungen seien aktuell sowie auch bei allen Voruntersuchungen völlig in Ordnung gewesen. Kernspintomographische Untersuchungen des linken Fußes hätten nie eine Traumafolge nachweisen können. Auf organneurologischem und auf chirurgischem Fachgebiet sei ebenfalls nie eine bleibende Schädigung nachgewiesen worden. Auch auf psychiatrischem Fachgebiet könne man keine unfallbedingte psychoreaktive Störung feststellen. Denn es habe sich um ein Bagatelltrauma gehandelt, welches nicht in der Lage gewesen sei, eine wie auch immer geartete psychoreaktive Störung in Gang zu setzen, geschweige denn über die Jahre zu unterhalten. Diagnostisch gehe er bei der Klägerin von einer unfallunabhängigen anhaltenden somatoformen Schmerzstörung aus. Da organisch nie eine Schädigung nachgewiesen worden sei, könne auch keine organisch bedingte chronische Schmerzstörung festgestellt werden. Die Schmerzen, die die Klägerin angebe, seien psychischer Natur und im Rahmen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung zu werten. Es bestehe ein nicht unerheblicher psychischer Vorschaden: So bestünde eine erhebliche Traumatisierung durch Kindheitserlebnisse mit Gewalterfahrungen seitens der Mutter. Auch die Hausärztin Dr. I habe familiären Stress, Erschöpfung und ein psychosomatisches Syndrom diagnostiziert, außerdem ein generalisiertes Schmerzsyndrom mit Beschwerden in Ellenbogen, Kniegelenken, Halswirbelsäule und erneut im linken Fuß. Es handele sich also keineswegs um ein Schmerzsyndrom, welches auf den linken Fuß beschränkt sei, sondern um diffuse somatische Beschwerden, um Erschöpfungszustände. Die Einschätzung der Chirurgin Dr. U, dass man am ehesten von einem residualen Zustand nach Kompartmentsyndrom des Fußes mit Nervenschädigung ausgehen könne, teile er nicht. Ihre Formulierung "ehesten" weise ja schon auf den spekulativen Charakter dieser diagnostischen Einschätzung hin. Dem Gutachten von Dr. M stimme er zu.
Auf Antrag der Klägerin hat das Gericht gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) noch ein neurologisches Sachverständigengutachten von Doktor L1 eingeholt. Diese ist in ihrem Gutachten vom 23.04.2014 aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 23.04.2014 und unter Berücksichtigung der Verwaltungs- und Gerichtsakten genau wie Dr. L zu dem Ergebnis gelangt, dass sich auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine Unfallfolgen finden. Es habe zwar eine Quetschung des linken Fußes stattgefunden, einen nervale Schädigung habe im Rahmen mehrfacher neurologischer Untersuchungen, auch nicht bei ihr, nachgewiesen werden können, ebenso kein chronisch-regionales Schmerzsyndrom. Sowohl bei der motorischen als auch bei der sensiblen Neurographie hätten sich sämtlich normale Latenzzeiten und Nervenleitgeschwindigkeiten gefunden. Unfallunabhängig bestehe eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Eine unfallbedingte MdE liege demnach nicht vor.
Mit Urteil vom 09.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und sich hierbei zur Begründung insbesondere auf die übereinstimmenden Gutachten von Doktor L und Doktor L1 gestützt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Gegen das ihr am 22.10.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.11.2015 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, ihr stehe aufgrund des Arbeitsunfalls vom 10.03.2010 eine Verletztenrente, zumindest aber die Anerkennung ihrer Schmerzen im Bereich des linken Fußes als Unfallfolge zu. Bei dem Unfallereignis handele es sich nicht um eine Gelegenheitsursache bei der Entstehung einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Aufgrund einfacher Messmethoden hätten die Sachverständigen Dres. L und L1 die erwarteten Nervenschädigungen gar nicht feststellen können, da die vorgenommenen Untersuchungen nur die Funktion dicker Nervenfasern untersuchen könnten. Erforderlich sei aber die Erfassung der Funktion der dünnen Nervenfasern, weil die Wahrnehmung von Schmerz vor allem über diese dünnen Nervenfasern erfolge. Schon der Schmerztherapeut Dr. A habe in seiner Stellungnahme vom 06.03.2014 darauf hingewiesen, dass die anhaltenden neuropathischen Schmerzen des linken Vorfußes eindeutig auf die Quetschverletzung 2010 zurückzuführen seien. Nach dessen Ausführungen sei auch bei nicht nachweisbarer Beeinträchtigung der Nervenleitgeschwindigkeit und nicht möglichem objektivierbaren elektrophysiologischen Nachweis einer Schädigung der interdigitalen Nerven aufgrund des Schmerzbildes und der Schmerzcharakteristik eine Nervenschädigung durch die stattgehabte Quetschtverletzung höchstwahrscheinlich, zumal andere Ursachen nicht in Frage kämen. Erforderlich sei eine quantitative sensorische Testung (QST), die allein in der Lage sei, Störungen der dünneren Nervenfasern festzustellen. Die Sachverständigen Dres. L und L1 seien auch von falschen Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Ihre Schmerzen seien alle erst nach dem Unfall aufgetreten. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass die somatoforme Schmerzstörung durch die Sachverständigen augenscheinlich standardmäßig auf das Auftreten irgendwelcher Probleme in der Kindheit und Jugend zurückgeführt werde.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.10.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 24.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 aufgrund des am 10.03.2010 erlittenen Arbeitsunfalls Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise die Schmerzen im Bereich des linken Fußes als Unfallfolge anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf die Gutachten von Dres. L und L1 für zutreffend.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. L eingeholt zu der Frage, ob die von der Klägerin angeregte Testung geeignet ist, den Nachweis einer Verletzung der dünnen Nervenfasern durch den Arbeitsunfall zu erbringen. Dr. L hat in seiner Stellungnahme vom 26.04.2016 unter Vorlage entsprechender Literatur erklärt, dass die QST wegen der Abhängigkeit von der Kooperation des/der Untersuchten nicht geeignet sei, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen. Im Übrigen hat er klargestellt, dass die wesentliche Indikation für die Durchführung einer QST die Diagnose im Hinblick auf eine so genannte "Small Fiber Neuropathie" sei. Schon von der Anamnese her könne man eine derartige Erkrankung bei der Klägerin aber ausschließen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagte verwiesen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist durch den Bescheid der Beklagten vom 24.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente (Hauptantrag) noch auf Anerkennung ihrer Schmerzen im Bereich des linken Fußes als Unfallfolge (Hilfsantrag).
Wegen der Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG zunächst Bezug auf die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Urteil. Diese macht er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen.
Der Vortrag im Berufungsverfahren führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Weitere Ermittlungen sind nicht erforderlich, da der medizinische Sachverhalt durch die übereinstimmenden Sachverständigengutachten der Dres. L und L1 geklärt ist. An deren Einschätzung hat der Senat, insbesondere in Hinblick darauf, dass der Erstbefund des Durchgangsarztes nach dem Unfall keine schwere Verletzung, nicht einmal ein Hämatom, aufweist, keine Zweifel. Weder Dr. L noch Dr. L1 haben weitergehende Testungen und/oder Untersuchungen für notwendig gehalten. Der Senat folgt nicht der Anregung der Klägerin, noch eine QST in Auftrag zu geben. Denn eine QST ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht geeignet, den Nachweis einer Verletzung der dünnen Nervenfasern durch den Arbeitsunfall zu erbringen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der im Berufungsverfahren eingeholten Stellungnahme des Sachverständigen Dr. L vom 26.04.2016. Dieser hat explizit ausgeführt und mit entsprechenden Literaturstellen belegt, dass die QST in der Begutachtungssituation aufgrund der Abhängigkeit von der Kooperation des Untersuchten kein objektives Ergebnis erbringen kann und im Übrigen bei der Klägerin gar keine Indikation für eine derartige Testung vorliegt. Letztlich obliegt es auch der Entscheidungsbefugnis der medizinisch sachkundigen Sachverständigen, ob weitere Untersuchungen für die Beantwortung der in der Beweisanordnung des Gerichts gestellten Beweisfragen erforderlich sind. Weder Dr. L noch Dr. L1 haben vorliegend weitergehende Testungen und/oder Untersuchungen für notwendig gehalten.
Auch der Einwand der Klägerin, dass die Gutachter Dres. L und L von falschen Anknüpfungstatsachen ausgingen, führt nicht weiter. Bei der Klägerin sind weder eine unfallbedingte Fraktur noch eine unfallbedingte Nervenschädigung noch andere bleibende Körperschäden nachgewiesen. Unfallbedingte psychische Erkrankungen verneinen die Sachverständigen Dres. M, L und L1 überzeugend. In diesem Zusammenhang ist es irrelevant, ob bei der Klägerin - was sie bestreitet - von 2001 bis 2005 eine psychotherapeutische Behandlung notwendig wurde. Denn Dr. M hat festgestellt, dass der Unfall nicht traumatisch besetzt ist. Es überzeugt deshalb, wenn Dres. L und L1 auf der Basis der ihnen gegenüber abgegebenen anamnestischen Schilderungen der Klägerin den Unfall als Ursache der bei der Klägerin anzunehmenden Schmerzstörung ausschließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Im Streit stehen die Gewährung einer Verletztenrente sowie die Anerkennung von Unfallfolgen.
Die 1965 geborene Klägerin ist beschäftigt als Krankenpflegehelferin. Sie erlitt am 10.03.2010 einen Arbeitsunfall, als ihr eine lange Badewannenseite auf den linken Fußrücken fiel. Die Erstversorgung erfolgte am Unfalltag im St. N-Hospital P bei dem Durchgangsarzt und Chirurgen Doktor X. Dieser diagnostizierte in seinem Bericht vom 10.03.2010 eine "Quetschung Fuß links". Bei der Untersuchung habe sich kein Hämatom gezeigt, der Fußrücken sei druckschmerzhaft und die Belastung des Fußes nur unter Schmerzen möglich gewesen. Die Röntgenuntersuchung des Fußes habe keinen Hinweis auf frische Frakturen gezeigt. Der Röntgenbefund lautete: "Kein Anhalt für frische knöcherne Verletzung. Die Stellung der Gelenke ist regelrecht." Bei persistierenden Schmerzen im Fuß ("als ob sie auf Scherben laufe") erfolgte am 10.06.2010 die Vorstellung bei dem Durchgangsarzt und Unfallchirurgen X1. Dieser diagnostizierte eine alte Fußrückenprellung links, eine Metatarsalgie 2-3 links und eine Senkfußbildung. Die Röntgenuntersuchung des linken Fußes in zwei Ebenen ergab den Verdacht auf eine Ermüdungsfraktur im Bereich von MFK (Mittelfußknochen) II und III im distalen Schaftbereich. Diesen Verdacht schloss der Unfallchirurg X1 in seinem Bericht vom 24.05.2011 dann aber mit der Begründung aus, dass im Fall einer Ermüdungsfraktur bei der Röntgenuntersuchung eine entsprechende Kallusreaktion (Narbengewebe) hätte vorliegen müssen. Eine Röntgenkontrolle vom 20.07.2010 habe keinen pathologischen Befund ergeben. Der Chirurg Dr. X vom St. N-Hospital berichtete am 09.06.2011, dass sich die Klägerin am 13.09.2010 erneut vorgestellt habe und von der Verdachtsdiagnose des Unfallchirurgen X1 auf einen Ermüdungsbruch. Es sei deshalb am 13.09.2010 eine erneute Röntgenaufnahme des linken Fußes durchgeführt worden, wobei ein Frakturgeschehen, auch ein stattgehabtes oder früher durchgeführtes Frakturgeschehen sowohl durch das Unfallereignis als auch eine (unfallunabhängige) Ermüdungs -und Marschfraktur im Bereich des Mittelfußes definitiv ausgeschlossen werden konnte. Auch durch ein MRT vom 09.12.2010 des linken Fußes (zu Lasten der Krankenkasse) sei ein frisches oder älteres Frakturgeschehen definitiv ausgeschlossen. Die Klägerin habe am 10.03.2010 bei der Quetschverletzung durch den Badewannenrand lediglich eine Quetschung des Vor- und Mittelfußes erlitten. Aufgrund der unfallbedingten Quetschung wäre eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von zwei Wochen angezeigt gewesen.
Mit Bescheid vom 24.10.2011 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall und eine folgenlos verheilte Quetschung des linken Fußes als Unfallfolge an, einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente lehnte sie jedoch ab. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten für längstens zwei Wochen nach dem Unfallereignis bestanden. Die Behandlung ab dem 09.06.2010 sei nicht mehr auf die Folgen des Unfalls, sondern auf unfallunabhängige Erkrankungen im Bereich des linken Fußes zurückzuführen.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie habe bei dem Unfall einen Haarriss im Fußknochen erlitten. Dies habe ihr Herr X1 gesagt. Dr. X habe sich bei ihr entschuldigt, weil er diesen Riss offenbar übersehen habe. Der Riss sei aufgrund der massiven Schwellung ihres linken Fußes nicht erkannt worden. Infolge der unterbliebenen Behandlung seien erhebliche Schmerzen entstanden, die mittlerweile chronisch seien. Ihrer Meinung nach betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 20 v.H.
Die Beklagte holte daraufhin ein unfallchirurgisches Gutachten von Dr. U sowie ein nervenärztliches Zusatzgutachten von Dr. M ein. Dr. U gelangte in ihrem Gutachten von Juli 2012 und einer ergänzenden Stellungnahme von Dezember 2012 zu der Einschätzung, dass aufgrund der anhaltenden Schmerzen und der Bewegungseinschränkung am ehesten von einem Residuum eines Kompartmentsyndroms des Fußes mit Nervenschädigung auszugehen sei. Das Kompartmentsyndrom könne auch - falls keine Nervenschädigung vorliege - auf die Ischämie der Muskulatur und deren Schädigung zurückgeführt werden. Sie schätze die unfallchirurgische MdE mit zehn v.H. ein. Die gesamte Behandlungszeit und Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.08.2010 sei unfallbedingt gewesen. Dr. M stellte in ihrem Gutachten vom 31.08.2012 fest, dass sich die Klägerin bei dem Unfall eine Prellung und eine Quetschverletzung im Bereich des linken Mittelfußes zugezogen habe. Hinweise dafür, dass es durch den Unfall zu einer Verletzung des zentralen oder peripheren Nervensystems gekommen sei, ließen sich den Verlaufsberichten nicht entnehmen. In sämtlichen Berichten seien Sensibilitätsstörungen, die bei einer solchen Verletzung gegebenenfalls zu erwarten gewesen wären, nicht angegeben worden. Auch bei ihrer Untersuchung habe die Klägerin keine Sensibilitätsstörungen angegeben. Auch der objektivierbare klinisch neurologische und elektrophysiologische Befund sei regelrecht gewesen. Die demonstrierte Schwäche der Zehenbewegungen lasse sich durch eine neurogene Schädigung nicht erklären. Da sich auf nervenärztlichen Fachgebiet keine Unfallfolgen feststellen ließen, betrage die MdE 0 v.H. Es hätten sich allerdings Hinweise für eine Verbitterungsstörung bzw. eine depressive Entwicklung ergeben, wobei hier aber mehr eine narzisstische Kränkung eine Rolle zu spielen scheine. Der Unfall als solcher sei nicht traumatisch besetzt.
Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. F ein. In seiner Stellungnahme vom 17.01.2013 widersprach dieser der Einschätzung von Dr. U und ging von einer folgenlos verheilten Quetschung des linken Fußes als Unfallfolge aus. Das von Dr. U diagnostizierte Kompartmentsyndrom entstehe nach einer schweren Traumatisierung des Fußes mit Quetschung und Schädigung aller betreffenden Weichteile. Eine derartige Verletzung habe die Klägerin nicht erlitten. Sowohl hinsichtlich des Unfallgeschehens als auch unter Berücksichtigung sämtlicher Befunderhebungen fehlten jegliche Hinweise auf ein entsprechendes Trauma und ein entsprechendes Kompartmentsyndrom.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 08.05.2013 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg (SG) erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, durch den Arbeitsunfall sei eine Fraktur am linken Fuß und eine Nervenschädigung eingetreten, in deren Folge sie weiterhin unter starken Schmerzen leide. Ihr stehe deshalb eine Verletztenrente zu.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 24.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 aufgrund des am 10.03.2010 erlittenen Arbeitsunfalles Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise, die Schmerzen im Bereich des linken Fußes als Unfallfolge anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig gehalten.
Das SG hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Aus dem Befundbericht des einmalig am 10.12.2012 aufgesuchten Orthopäden Dr. K geht hervor, dass dieser die Vorstellung in der interdisziplinären Schmerzkonferenz der BG Klinik oder in einer universitären Schmerzambulanz empfohlen, allerdings die Notwendigkeit einer Operation am Fuß nicht gesehen hat (Bericht vom 26.06.2013). Der die Klägerin nach dem Unfall behandelnde Unfallchirurg X1 hat erklärt, er sehe das Beschwerdebild der Klägerin nicht als Folge des Arbeitsunfalls vom 10.03.2010 an. Dementsprechend gehe er auch nicht von einer MdE aus (Bericht vom 27.06.2013). Der Schmerzmediziner Dr. A, bei dem die Klägerin seit Mai 2013 fortlaufend in schmerztherapeutischer Behandlung ist, hat eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie neuropathischen Schmerzen des linken Vorfußes nach Quetschverletzung 2010 mit dringendem Verdacht auf Schädigung der interdigitalen Nerven diagnostiziert und die Auffassung vertreten, dass diese Gesundheitsstörungen auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien. Hierdurch werde eine MdE von 10 v.H. bedingt (Bericht vom 27.06.2013). Die praktische Ärztin Dr. I hat die MdE durch die Vorfußverletzung mit 50 v.H. eingeschätzt, weil die Mobilität schmerzhaft eingeschränkt sei; die Klägerin sei deshalb nicht nur in ihrer Tätigkeit als Krankenpflegehelferin, sondern auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beeinträchtigt. Die Klägerin habe familiären Stress, leide an Erschöpfung, einem psychosomatischen Syndrom sowie einem generalisierten Schmerzsyndrom mit Beschwerden in Ellenbogen, Kniegelenken, Halswirbelsäule und im linken Fuß (Bericht vom 29.06.2013). Der Anästhesist Dr. C hat nach einer einmaligen Vorstellung der Klägerin ohne Begründung erklärt, der Fußschmerz gehe auf den Unfall zurück (Bericht vom 01.07.2013). Der Neurologe Dr. A hat angegeben, dass er die Beschwerden für den Ausdruck einer Irritation der Interdigitalnerven halte, ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall überwiegend wahrscheinlich erscheine und die MdE zum Zeitpunkt seiner einmaligen Untersuchung im Oktober 2012 mit weniger als 10 v.H. einzuschätzen sei (Bericht vom 02.07.2013).
Im Juni/Juli 2013 führte die Klägerin eine neurologische Rehabilitationsmaßnahme in der X-klinik X zu Lasten des Rentenversicherungsträgers durch. In dem Entlassungsbericht vom 05.07.2013 wurde eine anhaltende Schmerzstörung des linken Fußes seit einem Quetschungstrauma ohne Fraktur am 10.03.2010 sowie eine depressive Anpassungsstörung diagnostiziert. Außerdem wurde der Verdacht auf eine andauernde Persönlichkeitsstörung bei chronischem Schmerzsyndrom geäußert. Anamnestisch wurde über rezidivierende Cephalgien berichtet, die bis in die Jugend nach belasteter Kindheit und Jugend hineinreichten. Bezüglich der belasteten Kindheit und Jugend habe die Klägerin zwischen 2001 und 2005 eine ambulante Psychotherapie absolviert.
Das SG hat sodann von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. L. Dieser ist in seinem Gutachten vom 06.11.2013 aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 21.10.2013 und unter Berücksichtigung der aktenkundigen Befunde und der von der Klägerin zur Untersuchung mitgebrachten Berichte des Ergotherapeuten (Bericht vom 20.10.2013) und der X-Klinik X (Bericht vom 05.07.2013) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin durch den Arbeitsunfall vom 10.03.2010 eine folgenlos verheilte Quetschung des linken Fußes erlitten habe. Die MdE auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet betrage ab dem 10.03.2010 0 v.H. Eine Schädigung nervaler Strukturen habe nicht nachgewiesen werden können. Der jetzt erhobene neurologische Befund sei vollkommen unauffällig gewesen. Es hätten sich weder Lähmungserscheinungen, noch sensible Störungen, noch trophische Störungen oder Reflexdifferenzen gefunden. Die elektrophysiologischen Untersuchungen seien aktuell sowie auch bei allen Voruntersuchungen völlig in Ordnung gewesen. Kernspintomographische Untersuchungen des linken Fußes hätten nie eine Traumafolge nachweisen können. Auf organneurologischem und auf chirurgischem Fachgebiet sei ebenfalls nie eine bleibende Schädigung nachgewiesen worden. Auch auf psychiatrischem Fachgebiet könne man keine unfallbedingte psychoreaktive Störung feststellen. Denn es habe sich um ein Bagatelltrauma gehandelt, welches nicht in der Lage gewesen sei, eine wie auch immer geartete psychoreaktive Störung in Gang zu setzen, geschweige denn über die Jahre zu unterhalten. Diagnostisch gehe er bei der Klägerin von einer unfallunabhängigen anhaltenden somatoformen Schmerzstörung aus. Da organisch nie eine Schädigung nachgewiesen worden sei, könne auch keine organisch bedingte chronische Schmerzstörung festgestellt werden. Die Schmerzen, die die Klägerin angebe, seien psychischer Natur und im Rahmen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung zu werten. Es bestehe ein nicht unerheblicher psychischer Vorschaden: So bestünde eine erhebliche Traumatisierung durch Kindheitserlebnisse mit Gewalterfahrungen seitens der Mutter. Auch die Hausärztin Dr. I habe familiären Stress, Erschöpfung und ein psychosomatisches Syndrom diagnostiziert, außerdem ein generalisiertes Schmerzsyndrom mit Beschwerden in Ellenbogen, Kniegelenken, Halswirbelsäule und erneut im linken Fuß. Es handele sich also keineswegs um ein Schmerzsyndrom, welches auf den linken Fuß beschränkt sei, sondern um diffuse somatische Beschwerden, um Erschöpfungszustände. Die Einschätzung der Chirurgin Dr. U, dass man am ehesten von einem residualen Zustand nach Kompartmentsyndrom des Fußes mit Nervenschädigung ausgehen könne, teile er nicht. Ihre Formulierung "ehesten" weise ja schon auf den spekulativen Charakter dieser diagnostischen Einschätzung hin. Dem Gutachten von Dr. M stimme er zu.
Auf Antrag der Klägerin hat das Gericht gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) noch ein neurologisches Sachverständigengutachten von Doktor L1 eingeholt. Diese ist in ihrem Gutachten vom 23.04.2014 aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 23.04.2014 und unter Berücksichtigung der Verwaltungs- und Gerichtsakten genau wie Dr. L zu dem Ergebnis gelangt, dass sich auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine Unfallfolgen finden. Es habe zwar eine Quetschung des linken Fußes stattgefunden, einen nervale Schädigung habe im Rahmen mehrfacher neurologischer Untersuchungen, auch nicht bei ihr, nachgewiesen werden können, ebenso kein chronisch-regionales Schmerzsyndrom. Sowohl bei der motorischen als auch bei der sensiblen Neurographie hätten sich sämtlich normale Latenzzeiten und Nervenleitgeschwindigkeiten gefunden. Unfallunabhängig bestehe eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Eine unfallbedingte MdE liege demnach nicht vor.
Mit Urteil vom 09.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und sich hierbei zur Begründung insbesondere auf die übereinstimmenden Gutachten von Doktor L und Doktor L1 gestützt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Gegen das ihr am 22.10.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.11.2015 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, ihr stehe aufgrund des Arbeitsunfalls vom 10.03.2010 eine Verletztenrente, zumindest aber die Anerkennung ihrer Schmerzen im Bereich des linken Fußes als Unfallfolge zu. Bei dem Unfallereignis handele es sich nicht um eine Gelegenheitsursache bei der Entstehung einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Aufgrund einfacher Messmethoden hätten die Sachverständigen Dres. L und L1 die erwarteten Nervenschädigungen gar nicht feststellen können, da die vorgenommenen Untersuchungen nur die Funktion dicker Nervenfasern untersuchen könnten. Erforderlich sei aber die Erfassung der Funktion der dünnen Nervenfasern, weil die Wahrnehmung von Schmerz vor allem über diese dünnen Nervenfasern erfolge. Schon der Schmerztherapeut Dr. A habe in seiner Stellungnahme vom 06.03.2014 darauf hingewiesen, dass die anhaltenden neuropathischen Schmerzen des linken Vorfußes eindeutig auf die Quetschverletzung 2010 zurückzuführen seien. Nach dessen Ausführungen sei auch bei nicht nachweisbarer Beeinträchtigung der Nervenleitgeschwindigkeit und nicht möglichem objektivierbaren elektrophysiologischen Nachweis einer Schädigung der interdigitalen Nerven aufgrund des Schmerzbildes und der Schmerzcharakteristik eine Nervenschädigung durch die stattgehabte Quetschtverletzung höchstwahrscheinlich, zumal andere Ursachen nicht in Frage kämen. Erforderlich sei eine quantitative sensorische Testung (QST), die allein in der Lage sei, Störungen der dünneren Nervenfasern festzustellen. Die Sachverständigen Dres. L und L1 seien auch von falschen Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Ihre Schmerzen seien alle erst nach dem Unfall aufgetreten. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass die somatoforme Schmerzstörung durch die Sachverständigen augenscheinlich standardmäßig auf das Auftreten irgendwelcher Probleme in der Kindheit und Jugend zurückgeführt werde.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.10.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 24.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 aufgrund des am 10.03.2010 erlittenen Arbeitsunfalls Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise die Schmerzen im Bereich des linken Fußes als Unfallfolge anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf die Gutachten von Dres. L und L1 für zutreffend.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. L eingeholt zu der Frage, ob die von der Klägerin angeregte Testung geeignet ist, den Nachweis einer Verletzung der dünnen Nervenfasern durch den Arbeitsunfall zu erbringen. Dr. L hat in seiner Stellungnahme vom 26.04.2016 unter Vorlage entsprechender Literatur erklärt, dass die QST wegen der Abhängigkeit von der Kooperation des/der Untersuchten nicht geeignet sei, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen. Im Übrigen hat er klargestellt, dass die wesentliche Indikation für die Durchführung einer QST die Diagnose im Hinblick auf eine so genannte "Small Fiber Neuropathie" sei. Schon von der Anamnese her könne man eine derartige Erkrankung bei der Klägerin aber ausschließen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagte verwiesen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist durch den Bescheid der Beklagten vom 24.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente (Hauptantrag) noch auf Anerkennung ihrer Schmerzen im Bereich des linken Fußes als Unfallfolge (Hilfsantrag).
Wegen der Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG zunächst Bezug auf die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Urteil. Diese macht er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen.
Der Vortrag im Berufungsverfahren führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Weitere Ermittlungen sind nicht erforderlich, da der medizinische Sachverhalt durch die übereinstimmenden Sachverständigengutachten der Dres. L und L1 geklärt ist. An deren Einschätzung hat der Senat, insbesondere in Hinblick darauf, dass der Erstbefund des Durchgangsarztes nach dem Unfall keine schwere Verletzung, nicht einmal ein Hämatom, aufweist, keine Zweifel. Weder Dr. L noch Dr. L1 haben weitergehende Testungen und/oder Untersuchungen für notwendig gehalten. Der Senat folgt nicht der Anregung der Klägerin, noch eine QST in Auftrag zu geben. Denn eine QST ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht geeignet, den Nachweis einer Verletzung der dünnen Nervenfasern durch den Arbeitsunfall zu erbringen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der im Berufungsverfahren eingeholten Stellungnahme des Sachverständigen Dr. L vom 26.04.2016. Dieser hat explizit ausgeführt und mit entsprechenden Literaturstellen belegt, dass die QST in der Begutachtungssituation aufgrund der Abhängigkeit von der Kooperation des Untersuchten kein objektives Ergebnis erbringen kann und im Übrigen bei der Klägerin gar keine Indikation für eine derartige Testung vorliegt. Letztlich obliegt es auch der Entscheidungsbefugnis der medizinisch sachkundigen Sachverständigen, ob weitere Untersuchungen für die Beantwortung der in der Beweisanordnung des Gerichts gestellten Beweisfragen erforderlich sind. Weder Dr. L noch Dr. L1 haben vorliegend weitergehende Testungen und/oder Untersuchungen für notwendig gehalten.
Auch der Einwand der Klägerin, dass die Gutachter Dres. L und L von falschen Anknüpfungstatsachen ausgingen, führt nicht weiter. Bei der Klägerin sind weder eine unfallbedingte Fraktur noch eine unfallbedingte Nervenschädigung noch andere bleibende Körperschäden nachgewiesen. Unfallbedingte psychische Erkrankungen verneinen die Sachverständigen Dres. M, L und L1 überzeugend. In diesem Zusammenhang ist es irrelevant, ob bei der Klägerin - was sie bestreitet - von 2001 bis 2005 eine psychotherapeutische Behandlung notwendig wurde. Denn Dr. M hat festgestellt, dass der Unfall nicht traumatisch besetzt ist. Es überzeugt deshalb, wenn Dres. L und L1 auf der Basis der ihnen gegenüber abgegebenen anamnestischen Schilderungen der Klägerin den Unfall als Ursache der bei der Klägerin anzunehmenden Schmerzstörung ausschließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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