Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 4126/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 1937/16 B ER und L 2 AS 2053/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 19.09.2016 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufige Regelleistungen in Höhe von 404,- Euro monatlich für die Zeit vom 30.08.2016 bis zum 31.10.2016 zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde gegen die Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes zurückgewiesen. Der Antragstellerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt T, X Straße 00, C, beigeordnet Der Antragsgegner trägt für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässigen Beschwerden der Antragstellerin und Beschwerdeführerin sind im Wesentlichen begründet.
Das Sozialgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung, bezogen auf die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Form des Regelbedarfs, zu Unrecht abgelehnt. Die Antragstellerin hat ab Eingang des Eilantrags beim Sozialgericht am 30.08.2016 unter Berücksichtigung ihrer grundrechtlichen Belange nach Folgenabwägung einen Anspruch auf einstweilige Gewährung dieser Leistungen bis zum 31.10.2016.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-).
Einen solchen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin folgt aus § 43 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie dem Grunde nach einen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach § 7 Abs. 1 SGB II hat. Sie ist ausweislich der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen vom 29.08.2016, vom 02.09.2016 und vom 13.10.2016 mittellos und damit hilfebedürftig. Hierfür spricht auch, dass sie bis Ende Juli 2016 Regelleistungen vom Jobcenter WSüd bezogen hat. Sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II), erfüllt die Altersgrenzen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II und ist erwerbsfähig (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II).
Streitig ist allein, ob der Antragsgegner oder ein anderer Leistungsträger für die Leistungsgewährung zuständig ist. Der Antragsteller macht diesbezüglich geltend, dass nach dem durch Art. 2 Nr. 2 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl 2016, 1939) mit Wirkung zum 06.08.2016 neu angefügten § 36 Abs. 2 SGB II der Träger für die Leistungen zuständig ist, in dessen Gebiet die leistungsberechtigte Person nach § 12a Abs. 1 bis 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ihren Wohnsitz zu nehmen hat (§ 36 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Die ebenfalls durch das Integrationsgesetz eingeführte Wohnsitzregelung des § 12a Abs. 1 AufenthG bestimmt diesbezüglich, dass ein Ausländer, der u. a. als Flüchtling im Sinne von § 4 Abs. 1 des Asylgesetzes anerkannt worden ist, für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung in dem Land seinen gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) zu nehmen hat, in das er zur Durchführung seines Asylverfahrens oder im Rahmen seines Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden ist.
Die Antragstellerin ist syrische Staatsangehörige und nach dem Anerkennungsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am 15.09.2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Auf ihren Asylantrag vom 22.10.2015 wurden ihr die Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutz mit Bescheid vom 18.11.2015 zuerkannt. Sie könnte daher unter die Wohnsitzregelung des § 12a Abs. 1 AufenthG und die Neuregelung des § 36 Abs. 2 Satz SGB II fallen, wenn für sie nicht die Ausnahmeregelung des § 12a Abs. 7 AufenthG gilt, der bestimmt, dass § 12a Abs. 1 bis 6 AufenthG nicht für die Ausländer gelten, deren Anerkennung vor dem 01.01.2016 erfolgt ist. Wenn sie unter die Wohnsitzregelung fiele, wäre ein Jobcenter im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern für die Erbringung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 36 Abs. 2 SGB II zuständig. Ob die Ausnahmeregelung gilt oder nicht, ist bereits zwischen dem Antragsgegner und dem Jobcenter W Süd bzw. der Ausländerbehörde des Landkreises W streitig. Während die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern davon ausgehen, dass nach dem "Günstigkeitsprinzip" das Datum des Anerkennungsbescheides maßgeblich sei, so dass die Wohnsitzauflage für die Antragstellerin nicht gelten würde, verweist der Antragsgegner auf § 43 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG), der bestimmt, dass ein Verwaltungsakt erst mit der Bekanntgabe wirksam wird. Diese Bekanntgabe sei erst nach dem 31.12.2015 erfolgt, so dass das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern zuständig sei. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist bereits unklar, weil über den Zeitpunkt der Zustellung unterschiedliche Angaben existieren. Die Antragstellerin hat diesbezüglich in ihrem Leistungsantrag vom 29.08.2016 gegenüber dem Antragsgegner angegeben, dass das Zustellungsschreiben des BAMF vom 22.01.2016 stamme. Im Rahmen des Eilverfahrens hat sie dies dahingehend korrigiert, dass ihr dieser Bescheid am 28.01.2016 zugegangen sei. Die Ausländerbehörde in C geht nach Aussage des Antragsgegners nach einer telefonischen Auskunft davon aus, dass der Bescheid zu diesem Zeitpunkt bereits bestandskräftig geworden war. Fraglich ist zudem, ob auf § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG abzustellen ist, da § 10 Asylgesetz (AsylG) für Zustellungen während des Asylverfahrens Sonderreglungen trifft, die insbesondere auch bei einem Wechsel der Unterkunft gelten. Danach muss der Ausländer Zustellungen oder Mitteilungen an die zuletzt benannte Anschrift gegen sich gelten lassen, auch wenn er zwischenzeitlich verzogen ist. Ein solcher Fall ist hier zumindest denkbar, weil die Antragstellerin nach Aktenlage mehrfach ihren Wohnsitz gewechselt hat. Im Bescheid des BAMF ist die Anschrift "B 00 in F" aufgeführt, im Leistungsantrag bei dem Antragsgegner wird als Adresse im Zeitpunkt der Anerkennung "K-strasse 00in F" angegeben. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass bereits eine wirksame frühere Zustellung unter der Adresse "B 00 in F" erfolgt ist. Hierfür spricht auch, dass der Anfechtung unterliegende Entscheidungen des BAMF nach § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylG unverzüglich zuzustellen sind. Ob die Vorschrift des § 12a Abs. 1 AufenthG auf die Antragstellerin anzuwenden oder die Feststellung der Ausländerbehörde C zutreffend ist, bedarf vor diesem Hintergrund noch weiterer Ermittlungen. Hierzu muss die Ausländerbehörde in C eingeschaltet werden, die ggfs. unter Beiziehung der Akten des BAMF aufzuklären haben wird, wann eine Bekanntgabe und damit eine Wirksamkeit des Bescheides vom 18.11.2015 unter Berücksichtigung der Sonderreglungen des Asylgesetzes erfolgt ist und ob für den Fall der Anwendung von § 12a Abs. 1 AufenthG eine Aufhebung der Verpflichtung nach § 12a Abs. 5 Nr. 2 AufenthG zur Vermeidung einer Härte in Betracht kommt. Eine solche Härte könnte hier möglicherweise darin liegen, dass die Antragstellerin in "gutem Glauben" nach C gezogen ist, weil ihr von den in Greifswald zuständigen Stellen die Auskunft gegeben worden ist, sie unterliege keiner Wohnsitzregelung. Eine diesbezügliche Entscheidung ist allerdings allein den Ausländerbehörden vorbehalten.
Solange eine solche nicht vorliegt, ist ungeklärt, ob eine Zuständigkeit des Antragsgegners oder eines anderen Leistungsträgers besteht. In diesem Fall spricht aber viel dafür, dass der Antragsgegner als der zuerst angegangene Leistungsträger nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I dazu verpflichtet ist, vorläufige Leistungen zu erbringen. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn ein Antrag entgegen der Vorschrift des § 16 Abs. 2 SGB I und trotz eines ausdrücklich gestellten diesbezüglichen Antrags nicht an den zuständigen Leistungsträger weitergeleitet worden, sondern lediglich wegen angeblich fehlender örtlicher Zuständigkeit mündlich abgelehnt worden ist. Der Antragsgegner verweist diesbezüglich auf die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit vom 30.09.2016, wonach der Antrag wegen fehlender Zuständigkeit abzulehnen ist, wenn ein zuständiges Jobcenter mangels Mitwirkung des Antragstellers nicht ermittelbar ist. Ob es in diesem Fall tatsächlich gerechtfertigt ist, die existenzsichernden Leistungen allein wegen örtlicher Unzuständigkeit des angegangenen Trägers zu versagen und welche konkreten Anforderungen an einen solchen Bescheid zu stellen sind, kann der Senat hier aber ebenso dahinstehen lassen wie die Frage, ob die unklare Regelung des § 36 Abs. 2 Satz 1 SGB I, die es nicht ermöglicht, einen konkret zuständigen Träger zu bestimmen, nicht dazu führt, dass wieder die Auffangreglung des § 36 Abs. 2 SGB I "im Übrigen gelten die Regelungen des Abs. 1" gilt. Dies hätte zur Folge, dass die Zuständigkeit des Antragsgegners gegeben ist. Hierauf kommt es vorliegend nicht an, weil auch die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit eine solche Ablehnung von Leistungen wegen örtlicher Unzuständigkeit nur dann für zulässig halten, wenn trotz entsprechender Rechtsfolgenbelehrung kein Wohnsitz seitens des Antragstellers in dem nach § 12a Abs. 1 AufenthG zugewiesenen Bundesland benannt wird. Eine diesbezügliche Beratung des Schutzberechtigten ist zu dokumentieren und seine Weigerung in dem Ablehnungsbescheid als Begründung für die Ablehnung aufzuführen. Ein solches Verfahren ist hinsichtlich der Antragstellerin bisher nicht durchgeführt worden. Der Antragsgegner hat vielmehr bislang nicht einmal einen rechtsmittelfähigen Bescheid erteilt. Die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit sehen zudem für die Fälle, in denen - wie hier - nur ein Anerkennungsbescheid ohne ausdrückliche Wohnsitzzuweisung vorliegt, gerade die vorläufige Gewährung von existenzsichernden Leistungen durch das unzuständige Jobcenter entsprechend § 43 SGB I für einen Zeitraum von sechs Wochen und die Durchführung weiterer Ermittlungen bei der Ausländerbehörde vor (vgl. C. 2.2. und A. 2.2.). Dieser Zeitraum war vorliegend wegen der noch durchzuführenden Ermittlungen auf einen Zeitraum von zwei Monaten zu erweitern, da der Zeitraum von sechs Wochen nach Stellung des Eilantrags bereits abgelaufen ist.
Da die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, dass sie über keine existenzsichernden Leistungen verfügt, liegt auch ein Anordnungsgrund vor.
Aus den vorgenannten Gründen hat auch die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe Erfolg; die übrigen Voraussetzungen für deren Gewährung liegen vor, § 73a SGG i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens gegen die einstweilige Anordnung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Antragstellerin mit ihrem vorrangigen Begehren, überhaupt vorläufige Regelleistungen zu erhalten, durchgedrungen ist. Hinsichtlich der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe beruht die Kostenentscheidung auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die zulässigen Beschwerden der Antragstellerin und Beschwerdeführerin sind im Wesentlichen begründet.
Das Sozialgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung, bezogen auf die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Form des Regelbedarfs, zu Unrecht abgelehnt. Die Antragstellerin hat ab Eingang des Eilantrags beim Sozialgericht am 30.08.2016 unter Berücksichtigung ihrer grundrechtlichen Belange nach Folgenabwägung einen Anspruch auf einstweilige Gewährung dieser Leistungen bis zum 31.10.2016.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-).
Einen solchen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin folgt aus § 43 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie dem Grunde nach einen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach § 7 Abs. 1 SGB II hat. Sie ist ausweislich der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen vom 29.08.2016, vom 02.09.2016 und vom 13.10.2016 mittellos und damit hilfebedürftig. Hierfür spricht auch, dass sie bis Ende Juli 2016 Regelleistungen vom Jobcenter WSüd bezogen hat. Sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II), erfüllt die Altersgrenzen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II und ist erwerbsfähig (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II).
Streitig ist allein, ob der Antragsgegner oder ein anderer Leistungsträger für die Leistungsgewährung zuständig ist. Der Antragsteller macht diesbezüglich geltend, dass nach dem durch Art. 2 Nr. 2 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl 2016, 1939) mit Wirkung zum 06.08.2016 neu angefügten § 36 Abs. 2 SGB II der Träger für die Leistungen zuständig ist, in dessen Gebiet die leistungsberechtigte Person nach § 12a Abs. 1 bis 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ihren Wohnsitz zu nehmen hat (§ 36 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Die ebenfalls durch das Integrationsgesetz eingeführte Wohnsitzregelung des § 12a Abs. 1 AufenthG bestimmt diesbezüglich, dass ein Ausländer, der u. a. als Flüchtling im Sinne von § 4 Abs. 1 des Asylgesetzes anerkannt worden ist, für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung in dem Land seinen gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) zu nehmen hat, in das er zur Durchführung seines Asylverfahrens oder im Rahmen seines Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden ist.
Die Antragstellerin ist syrische Staatsangehörige und nach dem Anerkennungsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am 15.09.2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Auf ihren Asylantrag vom 22.10.2015 wurden ihr die Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutz mit Bescheid vom 18.11.2015 zuerkannt. Sie könnte daher unter die Wohnsitzregelung des § 12a Abs. 1 AufenthG und die Neuregelung des § 36 Abs. 2 Satz SGB II fallen, wenn für sie nicht die Ausnahmeregelung des § 12a Abs. 7 AufenthG gilt, der bestimmt, dass § 12a Abs. 1 bis 6 AufenthG nicht für die Ausländer gelten, deren Anerkennung vor dem 01.01.2016 erfolgt ist. Wenn sie unter die Wohnsitzregelung fiele, wäre ein Jobcenter im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern für die Erbringung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 36 Abs. 2 SGB II zuständig. Ob die Ausnahmeregelung gilt oder nicht, ist bereits zwischen dem Antragsgegner und dem Jobcenter W Süd bzw. der Ausländerbehörde des Landkreises W streitig. Während die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern davon ausgehen, dass nach dem "Günstigkeitsprinzip" das Datum des Anerkennungsbescheides maßgeblich sei, so dass die Wohnsitzauflage für die Antragstellerin nicht gelten würde, verweist der Antragsgegner auf § 43 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG), der bestimmt, dass ein Verwaltungsakt erst mit der Bekanntgabe wirksam wird. Diese Bekanntgabe sei erst nach dem 31.12.2015 erfolgt, so dass das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern zuständig sei. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist bereits unklar, weil über den Zeitpunkt der Zustellung unterschiedliche Angaben existieren. Die Antragstellerin hat diesbezüglich in ihrem Leistungsantrag vom 29.08.2016 gegenüber dem Antragsgegner angegeben, dass das Zustellungsschreiben des BAMF vom 22.01.2016 stamme. Im Rahmen des Eilverfahrens hat sie dies dahingehend korrigiert, dass ihr dieser Bescheid am 28.01.2016 zugegangen sei. Die Ausländerbehörde in C geht nach Aussage des Antragsgegners nach einer telefonischen Auskunft davon aus, dass der Bescheid zu diesem Zeitpunkt bereits bestandskräftig geworden war. Fraglich ist zudem, ob auf § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG abzustellen ist, da § 10 Asylgesetz (AsylG) für Zustellungen während des Asylverfahrens Sonderreglungen trifft, die insbesondere auch bei einem Wechsel der Unterkunft gelten. Danach muss der Ausländer Zustellungen oder Mitteilungen an die zuletzt benannte Anschrift gegen sich gelten lassen, auch wenn er zwischenzeitlich verzogen ist. Ein solcher Fall ist hier zumindest denkbar, weil die Antragstellerin nach Aktenlage mehrfach ihren Wohnsitz gewechselt hat. Im Bescheid des BAMF ist die Anschrift "B 00 in F" aufgeführt, im Leistungsantrag bei dem Antragsgegner wird als Adresse im Zeitpunkt der Anerkennung "K-strasse 00in F" angegeben. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass bereits eine wirksame frühere Zustellung unter der Adresse "B 00 in F" erfolgt ist. Hierfür spricht auch, dass der Anfechtung unterliegende Entscheidungen des BAMF nach § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylG unverzüglich zuzustellen sind. Ob die Vorschrift des § 12a Abs. 1 AufenthG auf die Antragstellerin anzuwenden oder die Feststellung der Ausländerbehörde C zutreffend ist, bedarf vor diesem Hintergrund noch weiterer Ermittlungen. Hierzu muss die Ausländerbehörde in C eingeschaltet werden, die ggfs. unter Beiziehung der Akten des BAMF aufzuklären haben wird, wann eine Bekanntgabe und damit eine Wirksamkeit des Bescheides vom 18.11.2015 unter Berücksichtigung der Sonderreglungen des Asylgesetzes erfolgt ist und ob für den Fall der Anwendung von § 12a Abs. 1 AufenthG eine Aufhebung der Verpflichtung nach § 12a Abs. 5 Nr. 2 AufenthG zur Vermeidung einer Härte in Betracht kommt. Eine solche Härte könnte hier möglicherweise darin liegen, dass die Antragstellerin in "gutem Glauben" nach C gezogen ist, weil ihr von den in Greifswald zuständigen Stellen die Auskunft gegeben worden ist, sie unterliege keiner Wohnsitzregelung. Eine diesbezügliche Entscheidung ist allerdings allein den Ausländerbehörden vorbehalten.
Solange eine solche nicht vorliegt, ist ungeklärt, ob eine Zuständigkeit des Antragsgegners oder eines anderen Leistungsträgers besteht. In diesem Fall spricht aber viel dafür, dass der Antragsgegner als der zuerst angegangene Leistungsträger nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I dazu verpflichtet ist, vorläufige Leistungen zu erbringen. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn ein Antrag entgegen der Vorschrift des § 16 Abs. 2 SGB I und trotz eines ausdrücklich gestellten diesbezüglichen Antrags nicht an den zuständigen Leistungsträger weitergeleitet worden, sondern lediglich wegen angeblich fehlender örtlicher Zuständigkeit mündlich abgelehnt worden ist. Der Antragsgegner verweist diesbezüglich auf die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit vom 30.09.2016, wonach der Antrag wegen fehlender Zuständigkeit abzulehnen ist, wenn ein zuständiges Jobcenter mangels Mitwirkung des Antragstellers nicht ermittelbar ist. Ob es in diesem Fall tatsächlich gerechtfertigt ist, die existenzsichernden Leistungen allein wegen örtlicher Unzuständigkeit des angegangenen Trägers zu versagen und welche konkreten Anforderungen an einen solchen Bescheid zu stellen sind, kann der Senat hier aber ebenso dahinstehen lassen wie die Frage, ob die unklare Regelung des § 36 Abs. 2 Satz 1 SGB I, die es nicht ermöglicht, einen konkret zuständigen Träger zu bestimmen, nicht dazu führt, dass wieder die Auffangreglung des § 36 Abs. 2 SGB I "im Übrigen gelten die Regelungen des Abs. 1" gilt. Dies hätte zur Folge, dass die Zuständigkeit des Antragsgegners gegeben ist. Hierauf kommt es vorliegend nicht an, weil auch die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit eine solche Ablehnung von Leistungen wegen örtlicher Unzuständigkeit nur dann für zulässig halten, wenn trotz entsprechender Rechtsfolgenbelehrung kein Wohnsitz seitens des Antragstellers in dem nach § 12a Abs. 1 AufenthG zugewiesenen Bundesland benannt wird. Eine diesbezügliche Beratung des Schutzberechtigten ist zu dokumentieren und seine Weigerung in dem Ablehnungsbescheid als Begründung für die Ablehnung aufzuführen. Ein solches Verfahren ist hinsichtlich der Antragstellerin bisher nicht durchgeführt worden. Der Antragsgegner hat vielmehr bislang nicht einmal einen rechtsmittelfähigen Bescheid erteilt. Die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit sehen zudem für die Fälle, in denen - wie hier - nur ein Anerkennungsbescheid ohne ausdrückliche Wohnsitzzuweisung vorliegt, gerade die vorläufige Gewährung von existenzsichernden Leistungen durch das unzuständige Jobcenter entsprechend § 43 SGB I für einen Zeitraum von sechs Wochen und die Durchführung weiterer Ermittlungen bei der Ausländerbehörde vor (vgl. C. 2.2. und A. 2.2.). Dieser Zeitraum war vorliegend wegen der noch durchzuführenden Ermittlungen auf einen Zeitraum von zwei Monaten zu erweitern, da der Zeitraum von sechs Wochen nach Stellung des Eilantrags bereits abgelaufen ist.
Da die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, dass sie über keine existenzsichernden Leistungen verfügt, liegt auch ein Anordnungsgrund vor.
Aus den vorgenannten Gründen hat auch die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe Erfolg; die übrigen Voraussetzungen für deren Gewährung liegen vor, § 73a SGG i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens gegen die einstweilige Anordnung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Antragstellerin mit ihrem vorrangigen Begehren, überhaupt vorläufige Regelleistungen zu erhalten, durchgedrungen ist. Hinsichtlich der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe beruht die Kostenentscheidung auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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