Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 43 SO 425/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 522/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 23.08.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers vom 23.09.2016 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 23.08.2016 hat keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Der auch im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag des Antragstellers,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller die Gewährung der Leistungen zur Deckung seines Assistenz- und Pflegebedarfs im Rahmen eines Persönlichen Budgets ab dem 01.07.2016 auf der Grundlage der bisherigen Zielvereinbarung vom 18.06.2015 vorläufig zu bewilligen,
ist zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller hat im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats hinsichtlich des von ihm begehrten Persönlichen Budgets bereits keinen Anordnungsanspruch und bezüglich der von ihm geltend gemachten Erhöhung der ihm gewährten Geldleistungen von mtl. 4.564,11 EUR auf mtl. 7.120 EUR jedenfalls keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
1.) Soweit der Antragsteller mit Blick auf das Schreiben des Sozialgerichts vom 11.08.2016 einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) sowie eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG) rügt, weil das Sozialgericht eine dort erbetene Stellungnahme durch den Antragsteller vor Ergehen seines Beschlusses vom 23.08.2016 ohne dessen Anhörung und ohne weiteren Hinweis nicht abgewartet habe, weist der Senat zunächst darauf hin, dass er als zweite Tatsacheninstanz den für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Sachverhalt unter Beachtung der besonderen Entscheidungsmaßstäbe im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eigenständig zu würdigen und hierbei das Vorbringen der Beteiligten im Rahmen dieser Maßstäbe selbstverständlich zu berücksichtigen hat. Zwar ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in entsprechender Anwendung von § 159 Nr. 2 SGG eine Zurückverweisung an das Sozialgericht zulässig, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (s. LSG NRW, Beschl. v. 08.06.2016 - L 7 AS 1068/16 B ER, L 7 SF 266/16 ER -, juris Rn. 3 m.w.N.). Ob die von dem Antragsteller gerügten Verfahrensmängel vorliegen und ob sie insbesondere gravierend sind (was freilich zweifelhaft ist, weil das gerichtliche Schreiben vom 11.08.2016 seine bereits aus dem Schreiben vom 03.08.2016 bekannte Rechtsauffassung wiedergibt und der Gesundheitszustand der Ehefrau des Antragstellers auch zuvor mehrfach thematisiert worden ist), kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, weil die Durchführung einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme in diesem Eilverfahren nicht erforderlich ist. Denn der Eilantrag des Antragstellers muss auch auf der Grundlage seines Beschwerdevorbringens erfolglos bleiben, weil er weder einen Anordnungsanspruch, noch Anordnungsgrund im bereits erwähnten Umfang glaubhaft gemacht hat.
2.) Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. BSG, Beschl. v. 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B -, juris Rn. 6; Senat, Beschl. v. 23.07.2013 - L 9 SO 225/13 B ER, L 9 SO 226/13 B -, juris Rn. 8).
a) Soweit der Antragsteller nach wie vor die Verpflichtung des Antragsgegners zur (vorläufigen) Bewilligung der von ihm geltend gemachten Geldleistungen als Persönliches Budget begehrt, fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch. Zwar können Leistungen der Hilfe zur Pflege sowie der Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets bewilligt werden (§§ 57, 61 Abs. 2 Satz 3 und 4 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - SGB XII). Das persönliche Budget wird nach Inhalt und Umfang durch die entsprechende Dienst- bzw. Sachleistung begrenzt (s. § 17 Abs. 3 Satz 4 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX). Hier steht einem Anordnungsanspruch jedoch bereits das Fehlen einer Zielvereinbarung nach § 4 i.V.m. § 3 Abs. 4 der Budgetverordnung - (BudgetV) entgegen. Dies begründet sich bereits aus der materiell-rechtlichen Notwendigkeit des Vorliegens einer Zielvereinbarung für die Bewilligung eines Persönlichen Budgets (vgl. BSG, Urt. v. 31.01.2012 - B 2 U 1/11 R -, juris Rn. 36; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.02.2013 - L 5 R 3442/11 -, juris Rn. 58). Eine Zielvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag (§§ 53 ff. des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) kann weder im Hauptsacheverfahren noch demzufolge (erst recht) im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch eine Verpflichtung des Antragsgegners zum Abschluss einer Zielvereinbarung erzwungen werden. Ein solcher Vertrag wäre einer gerichtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren entzogen. Durch dieses Rechtsverständnis wird der Leistungsberechtigte auch nicht schutzlos gestellt, da er von dem Sozialhilfeträger zunächst die Leistungserbringung im Rahmen einer Dienst-, Sach- oder (wie im vorliegenden Fall) Geldleistung verlangen und ggf. auch gerichtlich durchsetzen kann. Die gegenteilige Auffassung würde entweder zur Folge haben, dass dem Leistungsberechtigten - über ein mögliches Obsiegen in der Hauptsache hinausgehend - die Zahlungen aus dem Persönlichen Budget ohne Zweckbindung zu leisten wären oder das Gericht eine Zielvereinbarung formuliert bzw. diese ersetzt. Beiden Lösungsansätzen stehen indes die entsprechenden gesetzlichen Regelungen entgegen (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 06.08.2015 - L 8 SO 24/15 B ER -, juris Rn. 27). Ebenso fehlt es an einer Rechtsgrundlage, das dem Antragsteller ursprünglich gewährte Persönliche Budget aus der Zielvereinbarung vom 18.06.2015 weiter zu gewähren. Diese Zielvereinbarung wurde ausdrücklich nur für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.06.2016 abgeschlossen (s. Nr. 6), so dass Anhaltspunkte für eine wie auch immer geartete Vereinbarung einer "Nachwirkung" bis zum Abschluss einer neuen Zielvereinbarung nicht ersichtlich sind. Eine solche Nachwirkung sieht das Gesetz auch nicht vor.
b) Soweit der Antragsteller die (vorläufige) Erhöhung der ihm derzeit bewilligten und gezahlten Leistungen zur Deckung seines Assistenz- und Pflegebedarfs von mtl. 4.564,11 EUR auf einen Betrag von 7.120 EUR (der dem ursprünglichen Persönlichen Budget aus der o.a. Zielvereinbarung vom 18.06.2015 entspricht) begehrt, hat er auch im Beschwerdeverfahren jedenfalls keinen Anordnungsgrund, d.h. das Vorliegen einer gegenwärtigen Notlage, die nicht anders als durch ein gerichtliches Eingreifen abwendbar ist, glaubhaft gemacht. Zur Begründung sowie Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers ist nicht geeignet, eine ihm günstigere Entscheidung herbeizuführen. Denn dieses besteht im Wesentlichen aus bloßen Wiederholungen der bereits im erstinstanzlichen Verfahren erfolgten Ausführungen des Antragstellers zur Sach- und Rechtslage, die im Beschluss des Sozialgerichts Berücksichtigung gefunden haben. So ist es dem Antragsteller auch im Rahmen seines Beschwerdevorbringens nicht gelungen, genauer darzulegen, inwieweit er sich in einer derartigen akuten Notlage befindet, dass auch bei Berücksichtigung der ihm gewährten Geldleistungen von einer evidenten Bedarfsunterdeckung auszugehen ist, die mit einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr einer Verschlechterung seiner pflegerischen Versorgung sowie seines Gesundheitszustandes einhergeht.
Eine offensichtliche Bedarfsunterdeckung bezogen auf den aktuellen Pflege- und Assistenzbedarf des Antragstellers liegt hier schon deswegen nicht vor, weil der genaue Umfang des erforderlichen Unterstützungsbedarfs ausweislich der gewechselten Schriftsätze einschließlich der medizinischen Unterlagen zwischen den Beteiligten, insbesondere auch vor dem Hintergrund der gutachterlichen Stellungnahme der Landesmedizinaldirektorin T vom 03.11.2016 gerade streitig ist und ggf. in einem Hauptsacheverfahren weiter aufzuklären sein wird. Es ist jedenfalls vor dem Hintergrund der Ergebnisse des am 11.05.2016 bei dem Antragsteller erfolgten Hausbesuchs des Antragsgegners nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass der von dem Antragsgegner für die Zeit ab dem 01.07.2016 zu Grunde gelegte Gesamtbedarf von 10,5 Stunden täglich (2 Std. tägl. Grundpflege, 4 Std. Assistenzleistungen, 1 Std. hauswirtschaftliche Unterstützung, 2 Std. Einsatzzeit in der Nacht sowie 6 Stunden Bereitschaftszeit in der Nacht zu 25% = 1,5 Stunden) zu niedrig bemessen ist, zumal die Verringerung der Gesamtstundenzahl im Wesentlichen auf die Bewertung des Arbeitseinsatzes für reine Bereitschaftszeiten in der Nacht mit einer 25%igen Entlohnung zurückzuführen ist. Ob dies zulässig ist, muss ebenfalls der Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, da auch insoweit eine akute Notlage des Antragstellers nicht ersichtlich ist. Er hat in diesem Zusammenhang auch nicht behauptet, dass die zu seiner grundpflegerischen und hauswirtschaftlichen Versorgung angestellten Assistenzkräfte wegen etwaig ausbleibender Entlohnung damit drohen, die Arbeit einzustellen oder die Versorgung in einer das körperliche und seelische Wohlbefinden des Antragstellers nachhaltig beeinträchtigenden Weise einzuschränken. Gleiches gilt auch für den angestellten Sohn des Antragstellers, der im selben Haus wohnt und von dem zumindest bis zur endgültigen Klärung des pflegerischen Bedarfs des Antragstellers in einem Hauptsacheverfahren familiäre Mithilfe ggf. über das für einen mit ihm nicht verwandten Arbeitnehmer vertraglich geltende Maß hinaus erwartet werden kann. Ebenso ungeklärt ist nach wie vor die Frage, inwieweit die mittlerweile an einem Mamma-Karzinom erkrankte Ehefrau des Antragstellers gesundheitlich in der Lage ist, den Antragsteller im Haushalt zu unterstützen. Der Antragsgegner hat diesbezüglich jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass die fehlende Möglichkeit der Ehefrau, einen Beitrag zur pflegerischen Versorgung des Antragstellers zu leisten, bereits bei der Bewilligung des bis zum 30.06.2016 geleisteten Persönlichen Budgets berücksichtigt worden ist. Damit ist auch insoweit eine Notlage nicht ersichtlich bzw. nicht glaubhaft gemacht. Soweit der Antragsteller schließlich geltend macht, dass er sich zum Ausgleich der monatlichen Differenz zwischen den aus dem früheren Persönlichen Budget zur Verfügung stehenden Leistungen und den aktuell gewährten Leistungen von ca. 3.000 EUR verschulden müsse, ist eine gegenwärtige Notlage ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere geht aus den eingereichten Kontoauszügen für die Zeit vom 01.06.2016 bis 13.10.2016 nicht hervor, inwieweit der Antragsteller zur Deckung dieser Differenz weitere Zahlungsverpflichtungen (z.B. Darlehen) eingegangen ist, die zu einer - wie er behauptet - "desolaten wirtschaftlichen
Lage" geführt haben sollen. Im Gegenteil geht aus den vorgelegten Kontoumsätzen ein positiver Endsaldo von 892,84 EUR (Stand: 13.10.2016) hervor.
Nach alledem ist es dem Antragsteller zumutbar, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
4.) Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
Gründe:
Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers vom 23.09.2016 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 23.08.2016 hat keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Der auch im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag des Antragstellers,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller die Gewährung der Leistungen zur Deckung seines Assistenz- und Pflegebedarfs im Rahmen eines Persönlichen Budgets ab dem 01.07.2016 auf der Grundlage der bisherigen Zielvereinbarung vom 18.06.2015 vorläufig zu bewilligen,
ist zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller hat im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats hinsichtlich des von ihm begehrten Persönlichen Budgets bereits keinen Anordnungsanspruch und bezüglich der von ihm geltend gemachten Erhöhung der ihm gewährten Geldleistungen von mtl. 4.564,11 EUR auf mtl. 7.120 EUR jedenfalls keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
1.) Soweit der Antragsteller mit Blick auf das Schreiben des Sozialgerichts vom 11.08.2016 einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) sowie eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG) rügt, weil das Sozialgericht eine dort erbetene Stellungnahme durch den Antragsteller vor Ergehen seines Beschlusses vom 23.08.2016 ohne dessen Anhörung und ohne weiteren Hinweis nicht abgewartet habe, weist der Senat zunächst darauf hin, dass er als zweite Tatsacheninstanz den für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Sachverhalt unter Beachtung der besonderen Entscheidungsmaßstäbe im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eigenständig zu würdigen und hierbei das Vorbringen der Beteiligten im Rahmen dieser Maßstäbe selbstverständlich zu berücksichtigen hat. Zwar ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in entsprechender Anwendung von § 159 Nr. 2 SGG eine Zurückverweisung an das Sozialgericht zulässig, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (s. LSG NRW, Beschl. v. 08.06.2016 - L 7 AS 1068/16 B ER, L 7 SF 266/16 ER -, juris Rn. 3 m.w.N.). Ob die von dem Antragsteller gerügten Verfahrensmängel vorliegen und ob sie insbesondere gravierend sind (was freilich zweifelhaft ist, weil das gerichtliche Schreiben vom 11.08.2016 seine bereits aus dem Schreiben vom 03.08.2016 bekannte Rechtsauffassung wiedergibt und der Gesundheitszustand der Ehefrau des Antragstellers auch zuvor mehrfach thematisiert worden ist), kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, weil die Durchführung einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme in diesem Eilverfahren nicht erforderlich ist. Denn der Eilantrag des Antragstellers muss auch auf der Grundlage seines Beschwerdevorbringens erfolglos bleiben, weil er weder einen Anordnungsanspruch, noch Anordnungsgrund im bereits erwähnten Umfang glaubhaft gemacht hat.
2.) Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. BSG, Beschl. v. 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B -, juris Rn. 6; Senat, Beschl. v. 23.07.2013 - L 9 SO 225/13 B ER, L 9 SO 226/13 B -, juris Rn. 8).
a) Soweit der Antragsteller nach wie vor die Verpflichtung des Antragsgegners zur (vorläufigen) Bewilligung der von ihm geltend gemachten Geldleistungen als Persönliches Budget begehrt, fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch. Zwar können Leistungen der Hilfe zur Pflege sowie der Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets bewilligt werden (§§ 57, 61 Abs. 2 Satz 3 und 4 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - SGB XII). Das persönliche Budget wird nach Inhalt und Umfang durch die entsprechende Dienst- bzw. Sachleistung begrenzt (s. § 17 Abs. 3 Satz 4 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX). Hier steht einem Anordnungsanspruch jedoch bereits das Fehlen einer Zielvereinbarung nach § 4 i.V.m. § 3 Abs. 4 der Budgetverordnung - (BudgetV) entgegen. Dies begründet sich bereits aus der materiell-rechtlichen Notwendigkeit des Vorliegens einer Zielvereinbarung für die Bewilligung eines Persönlichen Budgets (vgl. BSG, Urt. v. 31.01.2012 - B 2 U 1/11 R -, juris Rn. 36; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.02.2013 - L 5 R 3442/11 -, juris Rn. 58). Eine Zielvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag (§§ 53 ff. des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) kann weder im Hauptsacheverfahren noch demzufolge (erst recht) im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch eine Verpflichtung des Antragsgegners zum Abschluss einer Zielvereinbarung erzwungen werden. Ein solcher Vertrag wäre einer gerichtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren entzogen. Durch dieses Rechtsverständnis wird der Leistungsberechtigte auch nicht schutzlos gestellt, da er von dem Sozialhilfeträger zunächst die Leistungserbringung im Rahmen einer Dienst-, Sach- oder (wie im vorliegenden Fall) Geldleistung verlangen und ggf. auch gerichtlich durchsetzen kann. Die gegenteilige Auffassung würde entweder zur Folge haben, dass dem Leistungsberechtigten - über ein mögliches Obsiegen in der Hauptsache hinausgehend - die Zahlungen aus dem Persönlichen Budget ohne Zweckbindung zu leisten wären oder das Gericht eine Zielvereinbarung formuliert bzw. diese ersetzt. Beiden Lösungsansätzen stehen indes die entsprechenden gesetzlichen Regelungen entgegen (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 06.08.2015 - L 8 SO 24/15 B ER -, juris Rn. 27). Ebenso fehlt es an einer Rechtsgrundlage, das dem Antragsteller ursprünglich gewährte Persönliche Budget aus der Zielvereinbarung vom 18.06.2015 weiter zu gewähren. Diese Zielvereinbarung wurde ausdrücklich nur für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.06.2016 abgeschlossen (s. Nr. 6), so dass Anhaltspunkte für eine wie auch immer geartete Vereinbarung einer "Nachwirkung" bis zum Abschluss einer neuen Zielvereinbarung nicht ersichtlich sind. Eine solche Nachwirkung sieht das Gesetz auch nicht vor.
b) Soweit der Antragsteller die (vorläufige) Erhöhung der ihm derzeit bewilligten und gezahlten Leistungen zur Deckung seines Assistenz- und Pflegebedarfs von mtl. 4.564,11 EUR auf einen Betrag von 7.120 EUR (der dem ursprünglichen Persönlichen Budget aus der o.a. Zielvereinbarung vom 18.06.2015 entspricht) begehrt, hat er auch im Beschwerdeverfahren jedenfalls keinen Anordnungsgrund, d.h. das Vorliegen einer gegenwärtigen Notlage, die nicht anders als durch ein gerichtliches Eingreifen abwendbar ist, glaubhaft gemacht. Zur Begründung sowie Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers ist nicht geeignet, eine ihm günstigere Entscheidung herbeizuführen. Denn dieses besteht im Wesentlichen aus bloßen Wiederholungen der bereits im erstinstanzlichen Verfahren erfolgten Ausführungen des Antragstellers zur Sach- und Rechtslage, die im Beschluss des Sozialgerichts Berücksichtigung gefunden haben. So ist es dem Antragsteller auch im Rahmen seines Beschwerdevorbringens nicht gelungen, genauer darzulegen, inwieweit er sich in einer derartigen akuten Notlage befindet, dass auch bei Berücksichtigung der ihm gewährten Geldleistungen von einer evidenten Bedarfsunterdeckung auszugehen ist, die mit einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr einer Verschlechterung seiner pflegerischen Versorgung sowie seines Gesundheitszustandes einhergeht.
Eine offensichtliche Bedarfsunterdeckung bezogen auf den aktuellen Pflege- und Assistenzbedarf des Antragstellers liegt hier schon deswegen nicht vor, weil der genaue Umfang des erforderlichen Unterstützungsbedarfs ausweislich der gewechselten Schriftsätze einschließlich der medizinischen Unterlagen zwischen den Beteiligten, insbesondere auch vor dem Hintergrund der gutachterlichen Stellungnahme der Landesmedizinaldirektorin T vom 03.11.2016 gerade streitig ist und ggf. in einem Hauptsacheverfahren weiter aufzuklären sein wird. Es ist jedenfalls vor dem Hintergrund der Ergebnisse des am 11.05.2016 bei dem Antragsteller erfolgten Hausbesuchs des Antragsgegners nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass der von dem Antragsgegner für die Zeit ab dem 01.07.2016 zu Grunde gelegte Gesamtbedarf von 10,5 Stunden täglich (2 Std. tägl. Grundpflege, 4 Std. Assistenzleistungen, 1 Std. hauswirtschaftliche Unterstützung, 2 Std. Einsatzzeit in der Nacht sowie 6 Stunden Bereitschaftszeit in der Nacht zu 25% = 1,5 Stunden) zu niedrig bemessen ist, zumal die Verringerung der Gesamtstundenzahl im Wesentlichen auf die Bewertung des Arbeitseinsatzes für reine Bereitschaftszeiten in der Nacht mit einer 25%igen Entlohnung zurückzuführen ist. Ob dies zulässig ist, muss ebenfalls der Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, da auch insoweit eine akute Notlage des Antragstellers nicht ersichtlich ist. Er hat in diesem Zusammenhang auch nicht behauptet, dass die zu seiner grundpflegerischen und hauswirtschaftlichen Versorgung angestellten Assistenzkräfte wegen etwaig ausbleibender Entlohnung damit drohen, die Arbeit einzustellen oder die Versorgung in einer das körperliche und seelische Wohlbefinden des Antragstellers nachhaltig beeinträchtigenden Weise einzuschränken. Gleiches gilt auch für den angestellten Sohn des Antragstellers, der im selben Haus wohnt und von dem zumindest bis zur endgültigen Klärung des pflegerischen Bedarfs des Antragstellers in einem Hauptsacheverfahren familiäre Mithilfe ggf. über das für einen mit ihm nicht verwandten Arbeitnehmer vertraglich geltende Maß hinaus erwartet werden kann. Ebenso ungeklärt ist nach wie vor die Frage, inwieweit die mittlerweile an einem Mamma-Karzinom erkrankte Ehefrau des Antragstellers gesundheitlich in der Lage ist, den Antragsteller im Haushalt zu unterstützen. Der Antragsgegner hat diesbezüglich jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass die fehlende Möglichkeit der Ehefrau, einen Beitrag zur pflegerischen Versorgung des Antragstellers zu leisten, bereits bei der Bewilligung des bis zum 30.06.2016 geleisteten Persönlichen Budgets berücksichtigt worden ist. Damit ist auch insoweit eine Notlage nicht ersichtlich bzw. nicht glaubhaft gemacht. Soweit der Antragsteller schließlich geltend macht, dass er sich zum Ausgleich der monatlichen Differenz zwischen den aus dem früheren Persönlichen Budget zur Verfügung stehenden Leistungen und den aktuell gewährten Leistungen von ca. 3.000 EUR verschulden müsse, ist eine gegenwärtige Notlage ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere geht aus den eingereichten Kontoauszügen für die Zeit vom 01.06.2016 bis 13.10.2016 nicht hervor, inwieweit der Antragsteller zur Deckung dieser Differenz weitere Zahlungsverpflichtungen (z.B. Darlehen) eingegangen ist, die zu einer - wie er behauptet - "desolaten wirtschaftlichen
Lage" geführt haben sollen. Im Gegenteil geht aus den vorgelegten Kontoumsätzen ein positiver Endsaldo von 892,84 EUR (Stand: 13.10.2016) hervor.
Nach alledem ist es dem Antragsteller zumutbar, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
4.) Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
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