L 7 AS 723/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 535/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 723/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 58/17 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 26.11.2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von dem Beklagten zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft.

Die 1977 geborene Klägerin steht im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten. Sie bewohnt mit ihren drei 2001, 2005 und 2009 geborenen Kindern eine 130 m² große Wohnung in E, für die eine monatliche Grundmiete iHv 600 EUR und eine monatliche Betriebskostenvorauszahlung iHv 150 EUR zu entrichten sind. Bis April 2014 betrug die monatliche Betriebskostenvorauszahlung 140 EUR.

Der Beklagte beauftragte im September 2011 die InWIS Forschung und Beratung GmbH (im Folgenden InWIS) mit der Erstellung eines "schlüssigen Konzepts" zur Bestimmung der angemessenen Bedarfe für die Unterkunft unter Zugrundelegung der durch das BSG aufgestellten Anforderungen. InWIS steht für "Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung". Das Institut beschäftigt sich ua mit Markt- und Standortanalysen im Bereich der Wohnungswirtschaft. Im Januar 2013 legte die InWIS ihr "Gutachten über die Ermittlung der angemessenen Bedarfe der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II und § 35 SGB XII (‚schlüssiges Konzept‘)" vor. In diesem Gutachten werden die angemessenen Kosten der Unterkunft im Kreis E - getrennt nach Nettokaltmiete und Betriebskosten - ausgewiesen. Die Erstellung des Gutachtens basiert auf einem Datenerhebungskonzept aus drei Bausteinen. Zum einen wurden 1.500 Vermieter von Wohnraum innerhalb des Kreisgebietes, die mittels Experteninterviews und Internetrecherche als solche identifiziert und um ihre Mitwirkung gebeten werden konnten, schriftlich befragt. Darüber hinaus erfolgte eine schriftliche Befragung von 5.000 potenziellen Mietern innerhalb des Kreises E, die mittels gemieteter Adressbestände identifiziert und angeschrieben werden konnten. Schließlich fand eine stichprobenbasierte Erhebung unter Großvermietern innerhalb des Kreises E statt. Hinsichtlich des Datenrücklaufs wird in dem Gutachten ausgeführt, dass Angaben zu 3.830 Wohnungen innerhalb des Kreises E gewonnen werden konnten. Der Rücklauf konzentrierte sich auf die beiden größten kreisangehörigen Städte E und Jülich. Aus den kleinen Kommunen konnte zum Teil nur ein sehr geringer Rücklauf generiert werden, was nach den Ausführungen im Gutachten in einem direkten Zusammenhang mit der üblicherweise in ländlichen Strukturen zu beobachtenden sehr hohen Eigentumsquote steht. Nach Auswertung und Prüfung der konkreten Verfügbarkeit ermittelte InWIS eine Preisobergrenze in Höhe von 4 EUR/m² für Wohnungen mit einer Größe zwischen )80m² bis 95 m². Die Befragten wurden auch um aktuelle Angaben zu den Betriebskoten ihrer Wohnung gebeten. Aus der Erhebung wurden die durchschnittlichen Betriebskostensätze ermittelt, die addiert einen Betrag iHv 1,65 EUR/m² ergeben. Die Kostenart "Aufzug" wurde dabei außer Acht gelassen, weil lediglich 25 der Befragten hierzu Angaben machten und das Ausstattungsmerkmal "Aufzug" vergleichsweise selten festgestellt wurde. Die Ergebnisse des Gutachtens legte der Beklagte seinen "Richtlinien zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung - § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - (Stand Oktober 2013)" zu Grunde, die Festlegungen sowohl zur angemessenen Nettokaltmiete als auch zu den angemessenen Betriebskosten enthalten. Eine höhere Übernahme von Betriebskosten ist im Einzelfall möglich, soweit die verbrauchsabhängigen Betriebskosten als angemessen anzusehen sind.

Mit Bescheid vom 07.02.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihren Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.03.2014 bis zum 31.08.2014. Als Kosten der Unterkunft erkannte er monatlich insgesamt 520 EUR an (Grundmiete 380 EUR, Betriebskosten 140 EUR). Der Klägerin wurden kopfanteilig monatlich 134,19 EUR (95 EUR Grundmiete + 39,19 EUR Betriebskosten) bewilligt. Die Heizkosten (110 EUR monatlich) übernahm der Beklagte in tatsächlicher Höhe.

Mit dem am 07.03.2014 eingelegten Widerspruch begehrte die Klägerin Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe. Außerdem habe der Beklagte die Versicherungspauschale nicht in Ansatz gebracht und die Schulbedarfe nicht berücksichtigt. Im Übrigen würden zu Unrecht monatlich 25 EUR aus einer angeblichen Überzahlung einbehalten.

Mit Änderungsbescheid vom 07.04.2014 berechnete der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 01.03.2014 bis zum 31.08.2014 neu. Bei den Kindern der Klägerin berücksichtigte er nunmehr einkommensmindernd jeweils eine Versicherungspauschale iHv 30 EUR monatlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2014, der am 23.04.2014 zugestellt wurde, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die als Bedarf anerkannten Kosten der Unterkunft folgten aus einem schlüssigen Konzept. Danach sei für einen Vier-Personen-Haushalt eine Kaltmiete von 380 EUR monatlich angemessen. Darüber hinaus seien die tatsächlichen Nebenkosten in Höhe von 140 EUR übernahmefähig. Hinsichtlich der Versicherungspauschale sei dem Widerspruch zwischenzeitlich abgeholfen worden. Die Schulmittelpauschale werde zu gegebener Zeit berücksichtigt. Von der Einbehaltung des monatlichen Betrags in Höhe von 25 EUR werde (vorerst) abgesehen.

Am 05.05.2014 erließ der Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid für die Zeit vom 01.06.2014 bis zum 31.08.2014. Im Rahmen der Berechnung der Kosten der Unterkunft erkannte er nunmehr - nachdem sich die monatliche Betriebskostenvorauszahlung auf 150 EUR erhöht hatte - einen monatlichen Bedarf in Höhe von 530 EUR an.

Am 23.05.2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht Aachen Klage erhoben. Das vom Beklagten erstellte Konzept genüge nicht den vom BSG gestellten Anforderungen, weil die zugrundeliegenden Daten nicht repräsentativ seien. Es könne daher bei der Berechnung der Kosten der Unterkunft nicht zu Grunde gelegt werden. Stattdessen sei auf die Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlags iHv 10 vH abzustellen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 07.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2014 sowie des Änderungsbescheides vom 05.05.2014 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01.03.2014 bis zum 31.08.2014 höhere monatliche Kosten der Unterkunft zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, die Festsetzung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung sei rechtmäßig auf Basis eines schlüssigen Konzepts erfolgt.

Mit Urteil vom 26.11.2014 hat das Sozialgericht der Klage teilweise stattgegeben. Der Beklagte habe der Klägerin für die Zeit vom 01.03.2014 bis zum 31.05.2014 weitere Unterkunftskosten iHv 4,19 EUR monatlich sowie für die Zeit vom 01.06.2014 bis zum 31.08.2014 weitere Unterkunftskosten iHv 1,69 EUR zu gewähren. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Richtlinien des Beklagten entsprächen den vom BSG entwickelten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept. Es sei rechtlich unbedenklich, dass die InWIS das gesamte Gebiet des Kreises E als Vergleichsraum zu Grunde gelegt hat. Zweifel daran, dass der Kreis E in seiner Gesamtheit ein homogener Vergleichsraum ist, habe die Kammer nicht. Ebenso sei es sowohl sinnvoll als auch im Sinne der Rechtsprechung des BSG geboten, den gesamten Kreis E als Vergleichsraum zu Grunde zu legen, um das Risiko einer "Ghettoisierung" zu minimieren. Dem Gutachten der InWIS sei zu entnehmen, auf welche Art und Weise die Datenerhebung erfolgt ist. An der Validität der Datenerhebung bestünden ebenso wenig Zweifel wie an der Repräsentativität des Umfangs der erhobenen Daten. Der teilweise geringe Rücklauf aus bestimmten Gebieten stehe der Repräsentativität der gewonnen Daten nicht entgegen, weil er in direktem Zusammenhang mit der üblicherweise in ländlichen Strukturen zu beobachtenden sehr hohen Eigentumsquote stehen dürfe. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin eine Wohnung in der Stadt E, für die der Datenrücklauf durchaus erheblich war, bewohne. Durch den erzielten Rücklauf seien auch die unterschiedlichen Wohnungstypen in ausreichendem Umfang abgebildet. Denn der Rücklauf enthalte hinreichend differenzierte Daten zu verschiedenen Baualters- und Wohnflächenklassen. Die Auswertung der Daten durch die InWIS sei unter Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze erfolgt. Somit seien die auf dem Gutachten basierenden Richtlinien des Beklagten sowohl im Hinblick auf die Nettokaltmiete als auch bezüglich der Betriebskosten ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II. Für einen Vier-Personen-Haushalt in E seien demnach Kosten der Unterkunft in Höhe von 380 EUR Grundmiete zuzüglich 156,75 EUR EUR Betriebskosten = 536,75 EUR monatlich angemessen (zzgl. der - vorliegend unstreitigen - angemessenen Heizkosten). Unter Berücksichtigung der vom Beklagten bisher für die Klägerin (kopfanteilig) berücksichtigten Kosten der Unterkunft habe sie für die Zeit vom 01.03.2014 bis zum 31.05.2014 einen Anspruch auf weitere 4,19 EUR monatlich und für die Zeit vom 01.06.2014 bis zum 31.08.2014 auf weitere 1,69 EUR monatlich. Weitergehende Ansprüche habe die Klägerin nicht.

Gegen das der Klägerin am 23.12.2014 zugestellte Urteil richtet sich die vom Senat auf ihre Nichtzulassungsbeschwerde vom 23.01.2015 zugelassene Berufung.

Nach Auffassung der Klägerin ist die Annahme des Sozialgerichts, der Beklagte habe ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG erstellen lassen, unzutreffend. Die Validität der Datenerhebung sei nicht belegt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Aachen vom 26.11.2014 zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 07.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2014 sowie des Änderungsbescheides vom 05.05.2014 für die Zeit vom 01.03.2014 bis zum 31.08.2014 höhere monatliche Kosten der Unterkunft zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für richtig. Er hat Stellungnahmen der InWIS zu Einwendungen des Bevollmächtigten der Klägerin in einem Parallelverfahren (Schreiben vom 16.10.2014), zur Bildung des Vergleichsraums und Berücksichtigung von Wohnungen mit einer Größe unter 30 m² (Schreiben vom 04.11.2015), zur Berücksichtigung der Nebenkostenart "Aufzug" (Schreiben vom 27.04.2016) und zu ergänzenden Fragen des Sozialgerichts Aachen in einem Parallelverfahren (Schreiben vom 27.04.2016) vorgelegt und sich auf deren Inhalt bezogen.

Mit Bescheid vom 17.04.2015 hat der Beklagte der Klägerin für das Jahr 2014 eine Heizkostennachzahlung iHv 41,44, EUR und eine Betriebskostennachzahlung iHv 108,42 EUR bewilligt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die aufgrund Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klägerin, die die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dem Grunde nach (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) unstreitig erfüllt, zu Recht keine weitergehenden Unterkunftskosten zugesprochen.

Streitgegenstand des Verfahrens ist allein die Höhe der Kosten der Unterkunft im Bewilligungszeitraum vom 01.03.2014 bis zum 31.08.2014. Zutreffend hat die Klägerin damit (nur) den Bescheid vom 07.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2014 sowie den Bescheid vom 05.05.2014 angefochten. Nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die Bewilligung des Regelbedarfs. Die Trennung der Streitgegenstände Regelbedarf einerseits sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung andererseits ist zulässig (vgl nur BSG, Urteile vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R und vom 06.08.2014 - B 4 AS 55/13 R).

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Dabei ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Sodann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen und unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist. Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen (stRspr des BSG, vgl nur Urteile vom 16.04.2013 - B 14 AS 28/12 R und vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R). In Anwendung der sog. Produkttheorie müssen dabei nicht die einzelnen Faktoren (Wohnungsgröße, Wohnungsstandard) je für sich betrachtet "angemessen" sein, solange jedenfalls das Produkt aus Wohnfläche (Quadratmeterzahl) und Standard (Mietpreis je Quadratmeter) eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete (Referenzmiete) ergibt (stRspr des BSG, Urteile vom 07.11.2006 - 7b AS 10/06 R und vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R).

Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße betrug im streitgegenständlichen Zeitraum für den Vier-Personen-Haushalt der Klägerin und ihrer Kinder 95 m². Zum 01.01.2010 ist im Zuge der Föderalismusreform mit dem Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG-NRW) das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) in Nordrhein-Westfalen abgelöst worden. Gleichzeitig sind mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB, MBl NRW 2010, 1) zum Vollzug der Teile 4 bis 6 des WFNG NRW erlassen worden und in Kraft getreten. Diese ersetzen die bisherigen Verwaltungsvorschriften NRW zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG). Nach Nr. 19 S. 2 der WNB treten die VV-WoBindG mit Ausnahme der Nr. 8 bis 8b.3 und 22 und der Anlage mit Ablauf des 31.12.2009 außer Kraft. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind ab dem 01.01.2010 daher die in Nr. 8.2 der WNB angesetzten Werte für Wohnflächen maßgeblich (BSG, Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R). Danach sind 95 m² für einen Haushalt mit vier Haushaltsangehörigen angemessen.

Den maßgeblichen Vergleichsraum bildet der gesamte Kreis E. Bei der Festlegung des Vergleichsraumes geht es um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld der Hilfebedürftigen. Daher sind ausgehend vom Wohnort der Leistungsberechtigten Vergleichsmaßstab diejenigen ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadt- bzw. Kreisteile) der Wohnbebauung, die auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl BSG, Urteile vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R und vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R). Die InWIS hat in der Stellungnahme vom 27.04.2016 ausführlich und plausibel dargelegt, dass insbesondere aufgrund der verkehrstechnischen Infrastruktur das gesamte Kreisgebiet als homogener Lebens- und Wohnbereich angesehen werden kann. Es werden weder gegenteilige Gesichtspunkte von der Klägerin vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich. Vielmehr berücksichtigt diese Vergleichsraumbildung einerseits das Recht des Leistungsberechtigten auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld. Andererseits trägt es aber auch dem Umstand Rechnung, dass in den kleineren Gemeinden aufgrund seiner ländlichen Prägung kein Wohnungsmarkt existiert, der eine ausreichend valide Datenbasis zur Erstellung eines gesonderten schlüssigen Konzeptes liefert. Der Rücklauf der Erhebungen der InWIS konzentrierte sich entsprechend stark auf die beiden größten kreisangehörigen Kommunen, während aus den 3.830 auswertbaren Ruckläufen zum Wohnraum für kleine Gemeinden nur wenige Daten entfielen. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass dies im Zusammenhang mit der üblicherweise in ländlichen Strukturen zu beobachtenden sehr hohen Eigentumsquote steht. Schließlich wird durch die vorgenommene Vergleichsraumbildung auch die Verschärfung der räumlichen Konzentration von Leistungsberechtigten auf bestimmte Gebiete innerhalb des Kreisgebietes vermieden (vgl zu diesen Gesichtspunkten BSG, Urteile vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R und vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R).

Bei der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard zugrunde zu legen. Die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen. Nach diesen inhaltlichen Vorgaben soll die Festlegung der Mietobergrenze auf der Grundlage eines deren Einhaltung ermöglichenden schlüssigen Konzepts erfolgen (BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R). Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 16.05.2015 - B 4 AS 44/14 R):

- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen;

- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete/Vergleichbarkeit, Differenzierung nach Wohnungsgröße);

- Angaben über den Beobachtungszeitraum;

- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel);

- Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten;

- Validität der Datenerhebung;

- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung;

- Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Bei der InWIS sind sachkundige Wissenschaftler aus dem Bereich der Immobilienmarktanalyse tätig. Das Gutachten beachtet die vom Bundessozialgericht aufgestellten Anforderungen. Im Gutachten wird zudem dargelegt, dass Wohnungen zum ermittelten angemessenen Quadratmeterpreis konkret verfügbar waren und sind (zur entscheidenden Relevanz dieses Gesichtspunkts Urteil des Senats vom 29.10.2015 - L 7 AS 1310/11).

Auch angesichts der Einwendungen der Klägerin gegen die Repräsentativität der Datenerhebung sah der Senat sich zu weiteren Ermittlungen, beispielsweise durch Einholung eines statistisch-wissenschaftlichen Gutachtens zur Überprüfung des Gutachtens der InWIS, nicht gedrängt. Das Gericht muss (nur) diejenigen Ermittlungen durchführen, zu denen es sich nach der Sach- und Rechtslage gedrängt fühlen muss (stRspr des BSG, vgl nur Beschluss vom 20.09.2007 - B 5a/5 R 262/07 B). Von der Einholung von entscheidungserheblichem wissenschaftlichen Sachverstand (Gutachten) darf das Gericht nur absehen, wenn es den Sachverhalt aufgrund eigener Sachkunde beurteilen kann (zu medizinischen Ermittlungen ua BSG, Urteil vom 06.03.2012 - B 1 KR 17/11 R). Zwar hat das BSG - wie ausgeführt - gefordert, dass bei der Datenauswertung mathematisch-statistische Grundsätze beachtet werden müssen, was der Senat aus eigener Sachkunde nicht beurteilen kann. Dies zwingt jedoch nicht dazu, in jedem gerichtlichen Verfahren über die Frage des schlüssigen Konzepts ein eigenständiges wissenschaftliches Gutachten zur Überprüfung des von dem Leistungsträger erstellten Gutachtens einzuholen. Wurde das Konzept - wie hier - von sachkundigen Personen erstellt und ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus dem Akteninhalt Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten unter Fehlern leidet, kann die Einholung eines Sachverständigengutachtens unterbleiben. Die Einwendungen der Klägerin gegen das Konzept der InWIS (insbesondere Schriftsatz vom 12.10.2015) beschränken sich auf allgemein formulierte Bedenken hinsichtlich der Validität der Datenerhebung, ohne ihrerseits sachkundige Einwendungen zu formulieren. Auf die ergänzend vorgelegten Stellungnahmen, die den Inhalt des Konzepts plausibel weiter erläutern, ist die Klägerin ausdrücklich (Schriftsatz vom 13.01.2016) nicht eingegangen.

Somit ergibt sich für einen Vier-Personen-Haushalt im Kreis E eine monatliche Nettokaltmiete von höchstens 380 EUR (Produkt aus der abstrakt angemessenen Wohnfläche von 95 m² und der von der InWIS ermittelten angemessenen Preisobergrenze in Höhe von 4 EUR/m²), welche der Beklagte bei der Leistungsbewilligung berücksichtigt hat.

In einem weiteren Schritt hat gemäß der Rechtsprechung des BSG die Ermittlung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten zu erfolgen (BSG, Urteile vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R und vom 26.05.2011 - B 14 AS 132/10 R). Auch diese sind in das Produkt nach Maßgabe der Produkttheorie mit einzustellen. Nach dem Konzept des Beklagten werden Nebenkosten ohne weitere Einzelfallprüfung bis zu 1,65 EUR/m² übernommen. Der Wert lässt sich aus der Erhebung der InWIS zu den durchschnittlichen Betriebskostensätzen herleiten und entspricht hinsichtlich der berücksichtigten einzelnen Kostenarten den Betriebskosten, welche nach den mietrechtlichen Vorgaben vom Vermieter auf den Mieter umgelegt werden können. Die Nichtberücksichtigung des Ausstattungsmerkmals "Aufzug" ist nicht zu beanstanden. Bereits aus dem Gutachten der InWIS aus Januar 2013 wird deutlich, dass lediglich in 25 Fällen die Befragten Angaben zu Aufzugskosten gemacht haben. Diese Kostenposition ist damit mit weitem Abstand zu den anderen Ausstattungsmerkmalen (nächstniedriger Wert: Hausmeisterkosten in 298 Fällen; höchster Wert: Grundsteuer in 1138 Fällen) selten. In der ergänzenden Stellungnahme vom 03.12.2015 hat die InWIS daher plausibel ausgeführt, dass das Merkmal "Aufzug" innerhalb des Vergleichsraums Kreis E so selten zu beobachten ist, dass eine abstrakte Berücksichtigung bei der Berechnung des durchschnittlich angemessenen Betriebskostenpreises nicht gerechtfertigt wäre.

Nach dem Konzept des Beklagten ist - wie vorliegend mit dem Bescheid vom 17.04.2015 geschehen - die Übernahme von höheren Kosten zudem möglich, soweit die verbrauchsabhängigen Nebenkosten als angemessen anzusehen sind. Damit ist sichergestellt, dass auch bei Geltung des Bruttokaltmietenkonzepts der notwendige Lebensbedarfs gedeckt wird.

Das Produkt aus abstrakt angemessenen Kosten für die Grundmiete und abstrakt angemessenen kalten Nebenkosten ergibt die Angemessenheitsobergrenze für die Kosten der Unterkunft des Vier-Personen-Haushalts der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum von monatlich 536,75 EUR (380 EUR + 156,75 EUR). Diesen Betrag hat das Sozialgericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt und zutreffend den entsprechenden Anteil der Klägerin (zum "Kopfteilprinzip" vgl nur BSG, Urteil vom 02.12.2014 - B 14 AS 50/13 R mwN) errechnet. Die Heizkosten wurden vom Beklagten in tatsächlicher Höhe übernommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Bei den einzelnen Fragestellungen im Rahmen eines schlüssigen Konzepts (vorgenommene Ermittlungen, daraus gezogene Rückschlüsse und Feststellungen zur Aktualität der Werte) handelt es sich regelmäßig um Feststellungen und Beweiswürdigungen der Tatsacheninstanzen. Die Frage, ob die in der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Anforderungen an die realitätsgerechte Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten iSd § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zutreffend angewandt worden sind, bleibt auch dann eine Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall, wenn sie sich in einem Landkreis in einer größeren Zahl von Fällen einheitlich stellt (BSG, Beschluss vom 07.10.2015 - B 14 AS 255/15 B; Urteil des Senats vom 29.10.2015 - L 7 AS 1310/11 mwN).

Rechtskraft
Aus
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