L 11 KA 20/14 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 52 KA 1/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 20/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 10.03.2014 abgeändert. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 02.10.2013 wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Bescheides, mit dem die Antragsgegnerin ihn vom ärztlichen Notfalldienst ausgeschlossen hat.

Der am 00.00.1930 geborene Antragsteller war von 1976 bis 1998 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und nimmt seit Dezember 2009 erneut als Hausarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er übernahm in der Vergangenheit regelmäßig Notdienste, die jedenfalls seit Jahr 2011 einen Großteil seiner Behandlungsfälle ausmachen.

Im Januar 2013 wandten sich mehrere im ärztlichen Notfalldienst tätige Medizinische Fachangestellte an die Bezirksstelle E der Antragsgegnerin, in denen diese von Vorfällen bei den vom Antragsteller übernommenen Notfalldiensten berichteten. Der Antragsteller stütze sich bei Untersuchungen ab bzw. könne kaum noch stehen, er höre schlecht, untersuche Patienten nicht, obgleich dies nach den Umständen offensichtlich geboten sei, weigere sich, das Rezept für die "Pille danach" auszustellen, verordne ohne Untersuchung Antibiotika und frage bei den Mitarbeiterinnen nach, was zu tun sei. Berichtet wird ferner davon, dass der Antragsteller zumindest in einem Fall nach der Diagnose ein falsches Medikament verschrieben habe.

Nach vorgeschalteten Gesprächen und Schriftwechsel mit dem Antragsteller beantragte der Leiter der Bezirksstelle E am 11.03.2013 beim Vorstand der Antragsgegnerin den Ausschuss des Antragstellers vom ärztlichen Notfalldienst. Parallel dazu klärte die Bezirksstelle den Sachverhalt weiter auf. Die Regionalgeschäftsstelle C der K-Unfallhilfe teilte auf Anfrage am 02.04.2013 mit (wortgetreu zitiert):

"Herr Dr. G wurde von sämtlichen Fahrern, als netter höfflicher Arzt beschrieben. Altersbedingt ist es Ihm nicht mehr möglich, selbständig die Formulare auszufüllen. Des Weiteren wird Ihn der Koffer von den Fahrern getragen. Teilweise Erkundigt sich Herr Dr. G bei dem diensthabenden Pflegepersonal, als auch bei den Fahrern, was diese für Medikamente von Ihrem Arzt verschrieben bekämen, bei den Symptomen die der Patient vorweist. Über seine Fachliche Kompetenz, können die Fahrer nicht urteilen da Ihnen das Wissen fehlt. Aufgefallen ist nur, das Patienten, Pflegepersonal oder auch Angehörige ein bisschen seltsam schauen, wenn Dr. G als diensthabender Arzt vorgestellt wird."

Mit Schreiben vom 20.08., 28.08. und 09.09.2013 wurde der Antragsteller zu einem erneuten persönlichen Gespräch in die Bezirksstelle E der Antragsgegnerin eingeladen. Darin bezog sich der Bezirksstellenleiter auf das Angebot des Antragstellers, die physische Belastungsgrenze prüfen zu lassen. Das für den 16.09.2013 avisierte weitere Gespräch sagte der Antragsteller sodann am 16.09.2013 ab, da er über den Gesprächsgegenstand nicht vorab unterrichtet worden sei.

Da der Vorstand der Antragsgegnerin auf den Antrag der Bezirksstelle vom 11.03.2013 nach Aktenlage keinerlei Aktivitäten entfaltete, beantragte der Bezirksstellenleiter der Antragsgegnerin 18.09.2013 erneut und nunmehr drängend, dem Antragsteller die Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst zu untersagen. Der Antragsteller stelle aufgrund seiner mangelnden fachlichen wie persönlichen Fähigkeiten eine Gefahr für die Patienten dar. In der Antragsschrift wurde der Sachverhalt im Einzelnen und umfangreich dargestellt.

Mit Bescheid vom 02.10.2013 schloss die Antragsgegnerin den Antragsteller wegen fachlicher und persönlicher Ungeeignetheit dauerhaft vom ärztlichen Notfalldienst aus. Der Bescheid ist überschrieben mit "Der Vorstand". In der ersten Zeile des Fließtextes heißt es nach der Anrede:

"( ...) der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hat in seiner Sitzung am 2.Oktober 2013 unter Mitwirkung von
Herrn Dr. E - 1. Vorsitzender -
Herrn Dr. O - 2. Vorsitzender -
über den Antrag des Leiters der Bezirksstelle E vom 18.September 2013 auf Ausschluss von der Teilnahme am ärztliche Notfalldienst beraten und entschieden: ( ...). "

In diesem Bescheid ordnete die Antragsgegnerin auch die sofortige Vollziehung an. Die Gesamtschau aller Umstände ergebe, dass der Antragsteller sowohl persönlich als auch fachlich für eine Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst nicht mehr geeignet sei. Wegen des altersbedingten physischen Allgemeinzustandes sei er nicht mehr in der Lage, eine angemessene und zeitgemäße Behandlung der Patienten sicherzustellen. Die Gehbehinderung als Folge einer degenerativ bedingten Wirbelsäulenproblematik führe dazu, dass er ohne Stützung nicht mehr frei stehen oder über längere Strecken gehen könne, was ihn insbesondere an einer ordnungsgemäßen vollständigen Untersuchung der Patienten hindere. Aufgrund der verschlechterten Hörfähigkeit und hinzutretenden Konzentrationsschwächen sei er nicht imstande, die Angaben der Patienten vollständig wahrzunehmen, so dass häufig Rückfragen notwendig würden. Dazu träten fachliche Unsicherheiten und Fehler. Nicht selten ziehe er den Rat der medizinischen Fachangestellten hinzu, um über die Medikation zu entscheiden. Zum Teil übernähmen diese auch den Behandlungsablauf und unterrichteten ihn über die nächsten Untersuchungsschritte. Die Problematiken hinderten eine Durchführung von Sitzdiensten in den Notfallambulanzen wie auch Notfalldiensttätigkeiten im Fahrdienst. Ein vollständiger Ausschluss vom Notfalldienst sei geboten. Im Hinblick auf die durch das Alter bedingten körperlichen Beeinträchtigungen komme ein vorübergehender Ausschluss vom Notfalldienst nicht in Betracht. Die Vorkommnisse machten es erforderlich, ihn ab sofort vom ärztlichen Notfalldienst auszuschließen, da anderenfalls schwerwiegende, nicht revidierbare Nachteile entstehen könnten. Der im Notfalldienst tätige Arzt sei während der sprechstundenfreien Zeiten "Stellvertreter" für alle niedergelassenen Ärzte des Notfalldienstbezirks. Er stelle in dieser Funktion allein das Versorgungsangebot der jeweiligen Region dar, weshalb sie - die Antragsgegnerin - im Besonderen gewährleisten müsse, dass insoweit nur durch persönlich und fachlich geeignete Ärzte tätig werden. Nach alledem sei er - der Antragsteller - zu einer qualitätsgerechten Durchführung der Notfalldienste nicht mehr in der Lage. Jede weitere Dienstwahrnehmung sei umgehend auszuschließen. Anderenfalls wäre die Notfallversorgung gefährdet. Darüber hinaus bestehe das Risiko weiterer unzureichender Untersuchungen und Behandlungen.

Den hiergegen am 07.10.2013 erhobenen Widerspruch begründete der Antragsteller wie folgt: Die Verhandlungen mit der Bezirksstelle E aus Februar und März 2013 seien abgeschlossen. Neue Fakten lägen nicht vor. Die in dem Bescheid genannten Gründe seien unzutreffend und stellten nur eine Wiederholung von unwahren Behauptungen fremder Personen dar. Viele der Vorwürfe beruhten auf einer Verschwörung von fünf Arzthelferinnen der Notarztpraxis in Lemgo. Diese hätten nahezu identische Vorwürfe erhoben, die letztlich eine Diskriminierung aus Altersgründen beweise und sich auf Vorkommnisse aus den Jahren 2011 bis Januar 2013 bezögen. Die Maßnahme sei ungerechtfertigt, willkürlich und altersdiskriminierend. Fachlich und persönlich biete er nach wie vor die Voraussetzung für die Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst.

Der Widerspruch ist bislang nicht beschieden.

Unter dem 30.09.2013 beantragte die Antragsgegnerin bei dem Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk E, dass dieser von dem Antragsteller innerhalb einer zu bestimmenden Frist ein Gutachten eines vom Zulassungsausschuss zu benennenden Arztes über den Gesundheitszustand des Antragstellers verlangen möge. Mit Schreiben vom 04.10.2013 forderte der Zulassungsausschuss den Antragsteller auf, ein Gutachten durch das Gesundheitsamt E bis zum 31.12.2013 erstellen zu lassen und bei dem Zulassungsausschuss einzureichen. Mit Beschluss vom 12.02.2014 hat der Zulassungsausschuss seinen vormaligen Beschluss abgeändert und verfügt, dass das Gutachten durch das Klinikum Bielefeld-Rosenhöhe zu fertigen und ihm bis zum 31.05.2014 vorzulegen sei.

Am 11.12.2013 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Dortmund um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei rechtswidrig. Die materiellen Voraussetzungen lägen nicht vor. Im Übrigen sei der Sofortvollzug nicht hinreichend schriftlich begründet. Es habe eine Interessenabwägung stattzufinden. Der Ausgang des Widerspruchsverfahrens sei zumindest offen. Eine altersbedingte Eignung könne es unter der Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nicht geben. Die im angefochtenen Bescheid bezeichneten Vorwürfe seien nicht geeignet, seine physische Eignung zur Durchführung des Notfalldienstes infrage zu stellen. Parkverstöße oder ein einmaliges Verfahren bei der Anfahrt zur Notfallpraxis begründeten keinen Zweifel an der Fähigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes. Die behaupteten Einschränkungen der Gehfähigkeit und der kognitiven Fähigkeiten seien nicht substantiiert. Ein einmaliger Behandlungsfehler, der keine nachhaltigen Folgen gehabt habe, rechtfertige es nicht, ihn für den Notfalldienst auszuschließen. Die Antragsgegnerin sei acht Monate untätig geblieben. Diese spreche dafür, dass auch sie nicht der Auffassung sei, dass ein unaufschiebbares Bedürfnis für den Sofortvollzug bestehe. Es fehle an jeglicher Güterabwägung. Er beziehe einen großen Teil seiner Einkünfte aus Notfallvertretungen.

Der Antragsteller hat beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.10.2013 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.

Sie hat vorgetragen, das besondere Interesse am Sofortvollzug folge aus der Sondersituation im ärztlich organisierten Notfalldienst. Im Hinblick auf den hohen Anteil der Notfallbehandlungen sei der Sofortvollzug erforderlich gewesen. Eine Güterabwägung habe stattgefunden. Mildere Mittel hätten nicht zur Verfügung gestanden. Sie - die Antragsgegnerin - habe erwogen, ob ein vollständiger Ausschluss erforderlich sei oder eine Beschränkung auf den Sitz- und Fahrdienst ausreiche. Das sei letztlich verneint worden. Der Bescheid setze sich auch mit einer Befristung auseinander. Die maßgeblichen Erwägungen für die Anordnung des Sofortvollzugs seien dargelegt worden. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der ärztlich organisierte Notfalldienst das einzige Versorgungsangebot der niedergelassenen Ärzte zu sprechstundenfreien Zeiten sei. Die dort tätigen Ärzte nähmen mithin eine wichtige Aufgabe wahr. Aus diesem Grund sei eine qualitätsgesicherte Durchführung des Notfalldienstes von besonderem Interesse, weil alternative Behandlungsangebote nicht ohne Weiteres kurzfristig und auch im Übrigen unter nicht unerheblichem Aufwand aufgesucht werden könnten. Der Antragsteller verfüge über einen vollen Versorgungsauftrag. Er sei nicht daran gehindert, diesen zu erfüllen. Hinter der qualitätsgerechten Versorgung der Patienten zu den sprechstundenfreien Zeiten stünden wirtschaftliche Erwägungen zurück. Die große Zahl der vom Antragsteller übernommenen Notfalldienste mache die Erforderlichkeit des Sofortvollzugs unter den vorgenannten Erwägungen deutlich.

Das SG hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs mit Beschluss vom 10.03.2014 angeordnet. Die Entscheidung sei nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise begründet worden. Es sei nicht erkennbar, dass und inwiefern die Antragsgegnerin das Interesse des Antragstellers berücksichtigt und in seine Abwägung eingestellt habe, insbesondere fehlten Ausführungen zu verfassungsrechtlichen Rechtspositionen des Antragstellers. Soweit die Antragsgegnerin den Sofortvollzug damit begründe, dass anderenfalls schwerwiegende, nicht revidierbare Nachteile entstehen können, die Notfallversorgung gefährdet werde und das Risiko weiterer unzureichender Untersuchungen und Behandlungen bestehe, beträfen diese Erwägungen allein das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Interessen des Antragstellers seien hingegen weder erwähnt noch erkennbar in eine Abwägung eingeflossen.

Diese Entscheidung greift die Antragsgegnerin fristgerecht mit der am 04.04.2014 beim erkennenden Gericht eingegangenen Beschwerde an. Die Anforderungen an Umfang und Inhalt der Begründung des Sofortvollzugs richteten sich nach dem jeweiligen Einzelfall. Dabei falle grundlegend ins Gewicht, dass die im organisierten Notfalldienst tätigen Ärzte ein essenzielles Versorgungsangebot sicherstellten, weil sie die primäre Anlaufstelle zu den sprechstundenfreien Zeiten seien. Die Patienten hätten nicht dieselbe Auswahl wie zu den regulären Sprechstundenzeiten. Den Diensthabenden seien die Krankengeschichten üblicherweise nicht bekannt, gleichwohl seien kurzfristige Entscheidungen zu treffen. Umso wichtiger sei es, dass die im Notfalldienst tätigen Ärzte eine besondere Gewähr für dessen ordnungsgemäße und qualitätsgerechte Durchführung böten. Wie der erkennende Senat mehrfach entschieden habe, folge das besondere Vollzugsinteresse insoweit bereits aus der Eigenart der Regelung. Von besonderem Gewicht sei, dass über den Antragsteller in einem längeren Zeitraum zahlreiche Mitteilungen von Mitarbeiterinnen der Notfalldienstpraxen, von Patienten, von anderen Ärzten sowie auch von Fahrdienstfahrern der K-Unfallhilfe eingegangen seien, aus denen sich die persönliche und fachliche Ungeeignetheit ergebe. Die Gründe für den Sofortvollzug stünden in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs und schlössen ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache aus. Ohnehin sei die Teilnahme am ärztlich organisierten Notfalldienst lediglich ein Annex des über die vertragsärztliche Zulassung vermittelten Status. Der Antragsteller werde durch den Sofortvollzug des Ausschlusses vom Notfalldienst nicht in seiner Praxistätigkeit beeinträchtigt. Die von ihm vorgehaltenen Sprechstunden könne er weiterhin unverändert durchführen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 10.03.2014 - S 52 KA 1/14 ER - abzuändern und den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.10.2013 abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist darauf, dass die Antragsgegnerin versuche, die den Sofortvollzug kennzeichnenden Begründungsmängel nachträglich zu heilen. Die von ihr bezogene Rechtsprechung des Senats trage die Beschwerde nicht (wird ausgeführt.)

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Streiktakte sowie den am 17.04.2014 vorgelegten Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Entgegen der Auffassung des SG ist der angefochtene Bescheid vom 02.10.2013 nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des angeordneten Sofortvollzugs liegen nicht vor. Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben (nachfolgend 1.). Der angefochtene Bescheid ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zumindest überwiegend wahrscheinlich rechtmäßig (nachfolgend 2.); der angeordnete Sofortvollzug entspricht den gesetzlichen Vorgaben (nachfolgend 3.).

1. Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst, ist ein Rechtsschutzbedürfnis, denn jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, 2012, vor § 51 Rdn. 16; Frehse in: Jansen, SGG, vor § 143 Rdn. 5 und § 86b Rdn. 26), mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG vorrangig (std. Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 12.07.2012 - L 11 KA 39/12 B ER -; 13.04.2011 - L 11 KA 133/10 B ER und L 11 KA 17/11 B ER -; 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -, 10.11.2010 - L 11 KA 87/10 B ER -, 03.02.2010 - L 11 KA 80/09 ER - und 02.04.2009 - L 11 KA 2/09 ER -). Im Interesse der Entlastung der Gerichte ist das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen, wenn der Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann oder der Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, nicht von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. Frehse, a.a.O., § 86b Rdn. 12 f.). Ein solcher Antrag wäre auch noch nach Klageerhebung zulässig, denn ab diesem Zeitpunkt können sowohl die Verwaltung als auch das Gericht die Aussetzung der sofortigen Vollziehung anordnen (Keller, a.a.O., § 86a Rdn. 21).

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 07.10.2013 Widerspruch eingelegt und diesen unter dem 11.10.2013 begründet. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Verwaltung (§ 86a Abs. 3 Satz 1 SGG) hat er nicht gestellt. Dieses Unterlassen stünde seinem Rechtsschutzbedürfnis entgegen. Indessen lässt sich dem Verfahrensablauf und den Schriftsätzen der Antragsgegnerin entnehmen, dass ein solcher Antrag erkennbar aussichtslos gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund ist das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers zu bejahen.

2. In der Sache ergibt sich:

a) Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Diese Anordnungsbefugnis besteht nicht nur dann, wenn von Gesetzes wegen die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage entfällt (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG), sondern auch dann, wenn eine Behörde die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG und § 97 Abs. 4 SGB V). Die Anordnungsbefugnis des Gerichts umfasst daher auch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, die in § 86b Abs. 1 Satz 3 SGG eigens erwähnt wird (Senat, Beschlüsse vom 09.02.2011 - L 11 KA 91/10 B ER - und 20.05.2009 - L 11 B 5/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.10.2006 - L 10 B 15/06 KA ER -; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 03.08.2006 - L 4 B 269/04 KA ER -).

§ 86b Abs. 1 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 86b Abs. 2 SGG keine Voraussetzungen für den Erfolg des Eilantrags. Demzufolge ist zu klären, welcher Maßstab für die richterliche Eilentscheidung entscheidend ist (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Auflage, 2011, B Rdn. 185). Hierzu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten (Nachweise bei Frehse, a.a.O., § 86b Rdn. 34). Der Senat hat als Eingangskriterium festgelegt, dass die öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen sind (Senat, Beschlüsse vom 11.10.2013 - L 11 KA 23/13 B ER -, 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER - und 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -; vgl. auch Keller, a.a.O., § 86b Rdn. 12e ff.; Frehse, a.a.O., § 86b Rdn. 34 ff.). Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund (Senat, Beschlüsse vom 11.10.2013 - L 11 KA 23/13 B ER -, 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER - und 16.03.2011 - L 11 KA 96/10 B ER -). Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse (Senat, Beschluss vom 10.11.2010 - L 11 KA 87/10 B ER -; hierzu auch Krodel, NZS 2001, 449, 452 ff.; Kummer, SGb 2001, 705, 714 m.w.N.). Andererseits liegt ein überwiegendes öffentliches Interesse dann vor, wenn der angefochtene Verwaltungsakt ersichtlich rechtmäßig ist (vgl. auch Begründung zum 6. SGG-ÄndG BT-Drs. 14/5943 zu Nr. 34). Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, wonach in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG (Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben) die Vollziehung nur ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (Senat, Beschluss vom 11.10.2013 - L 11 KA 23/13 B ER -).

b) Die formalen Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG liegen vor. Der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 02.10.2013 hat nach der Grundregel des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung. Diese wird durch die Anordnung des Sofortvollzugs suspendiert.

c) Der Bescheid vom 02.10.2013 ist nach summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich rechtmäßig.

aa) Der Antragsteller ist als zugelassener Vertragsarzt zur Teilnahme an dem gemeinsam von der Antragsgegnerin und der Ärztekammer Westfalen-Lippe organisierten ärztlichen Notfalldienst verpflichtet. Rechtsgrundlage für diese Pflicht ist § 1 Abs. 1 GNO in der Fassung vom 11.11.2009/20.03.2010. Danach haben alle niedergelassenen oder in einem Anstellungsverhältnis an der ambulanten Versorgung mitwirkenden Ärzte die ambulante Versorgung der Patienten zu jeder Zeit sicherzustellen. Das umfasst auch für in der fachärztlichen Versorgung tätige Ärzte die Verpflichtung, am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 06.02.2008 - B 6 KA 13/06 R -). Die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst folgt aus seinem Zulassungsstatus. Dieser auf seinen Antrag hin verliehene Status erfordert es, in zeitlicher Hinsicht umfassend - d.h. auch in den Zeiten außerhalb der Sprechstunde - für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen. Der einzelne Arzt wird mithin dadurch, dass die gesamte Ärzteschaft einen Notfalldienst organisiert, von seiner anderenfalls bestehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft rund um die Uhr entlastet. Als Gegenleistung hierfür muss jeder Vertragsarzt den Notfalldienst als gemeinsame Aufgabe aller Ärzte gleichwertig mittragen (BSG, Urteil vom 06.09.2006 - B 6 KA 43/05 R -; vgl. auch BSG, Urteil vom 17.05.2011 - B 6 KA 23/10 R -; Senat, Beschlüsse vom 19.03.2012 - L 11 KA 15/12 B ER -, 07.09.2011 - L 11 KA 93/11 B ER - und vom 23.12.2009 - L 11 B 19/09 KA ER -).

Ausgehend hiervon ist die Antragsgegnerin im Rahmen des ihr nach § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V obliegenden Sicherstellungsauftrags - stellvertretend für ihre vertragsärztlichen Mitglieder - verpflichtet, den Notfalldienst zu organisieren und einzurichten. Hiermit korrelierend sind Vertragsärzte verpflichtet, am ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen und diesen ggf. in einer Notfallpraxis zu versehen und dort anwesend zu sein (§ 8 Abs. 1 GNO; vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2011 - B 6 KA 23/10 R -) oder im von der Antragsgegnerin eingerichteten Fahrdienst tätig zu werden (vgl. Senat, Beschluss vom 29.08.2011 - L 11 KA 75/11 B ER -).

Der Verpflichtung der Vertragsärzte am Notfalldienst teilzunehmen, korrespondiert die Verpflichtung der Antragsgegnerin solche Vertragsärzte vom Notfalldienst auszuschließen, die hierzu ungeeignet sind. Hierzu bestimmt § 12 der GNO:

Ausschluss von der Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst
(1) Ist ein Arzt für eine qualifizierte Durchführung des Notfalldienstes ungeeignet, kann er vom Notfalldienst ausgeschlossen werden. Der Ausschluss kann dauerhaft oder befristet mit der Auflage zur Fortbildung ausgesprochen werden.
(2) Ungeeignet zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst ist insbesondere, wer fachlich und/oder persönlich nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße und qualifizierte Durchführung des ärztlichen Notfalldienstes bietet.
(3) Über den Ausschluss entscheidet bei Vertragsärzten der Vorstand der KVWL auf Antrag des Bezirksstellenleiters. Bei privatärztlich tätigen Ärzten entscheidet der Vorstand der ÄKWL auf Antrag des Vorsitzenden des Verwaltungsbezirks.

bb) Derzeit ist nicht sicher feststellbar, ob der Bescheid vom 02.10.2013 nach Maßgabe dieser Rechtsgrundlagen formell rechtmäßig ist.

Den Ausschluss vom Notfalldienst hat der Bezirksstellenleiter zu beantragen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 GNO). Das ist mit Schreiben vom 18.09.2013 durch den Leiter der Bezirksstelle E geschehen. Über den Antrag entscheidet der Vorstand der Antragsgegnerin (§ 12 Abs. 3 Satz 1 GNO). Der Bescheid vom 02.10.2013 ist mit "Vorstand" überschrieben. Als mitwirkende Vorstandsmitglieder sind Dr. E (1. Vorsitzender) und Dr. O (2. Vorsitzender) benannt worden. Unterschrieben hat den Bescheid allerdings nur der 2. Vorsitzende. Ob und inwieweit der 1. Vorsitzende an der Entscheidungsfindung beteiligt war, lässt sich dem nicht entnehmen. Angesichts der Wendung "unter Mitwirkung von" in der Eingangszeile des Bescheides geht der Senat davon aus, dass auch der 1. Vorsitzende in die Entscheidungsfindung einbezogen war und entschieden hat. Allerdings hat der Vorstand der Antragsgegnerin zufolge § 10 Abs. 1 Satz 1 der Satzung vom 01.01.2011 drei Mitglieder; neben den soeben genannten noch Dr. L (hierzu https://www.kvwl.de/wir/selbstverwaltung/index.htm). Dieser hat ausweislich des Bescheides hieran nicht mitgewirkt. Damit ist zweifelhaft, ob "der Vorstand " i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 GNO entschieden hat (vgl. auch BSG, Urteil vom 06.05.2009 - B 6 KA 7/08 R -, wonach nicht der Vorsitzende des Berufungsausschusses sondern der Ausschuss in vollständiger Besetzung funktional zuständig ist, über eine Kostenfestsetzung nach Abschluss des Verfahrens vor dem Berufungsausschuss zu entscheiden). Der Wortlaut dieser Norm ist eindeutig. Mangels Differenzierung hat "der Vorstand" und haben eben nicht einzelne Mitglieder des Vorstandes zu entscheiden. Ob und inwieweit § 12 Abs. 3 Satz 1 GNO auf der Grundlage der herkömmlichen Auslegungsmethoden dahin ausgelegt werden kann, dass "der Vorstand" auch nur einen Teil desselben meint, und bejahendenfalls nach welchen Kriterien welche Vorstandmitglieder auszuscheiden sind, ist ggf. in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Entsprechendes gilt für die Frage, welche Rechtsfolgen sich bei einer wortlautgetreuen Auslegung ergeben. Folgt dem Bescheid ein Widerspruchsbescheid, wird ein solcher Fehler möglicherweise geheilt. Ein Widerspruchsbescheid ist indessen bislang nicht ergangen. Zu klären wäre daher, ob der Fehler geheilt werden kann (§ 41 SGB X) oder aber ein Aufhebungsanspruch an § 42 SGB X scheitert. Im Zusammenhang hiermit wäre zu ermitteln, ob das dritte Vorstandmitglied möglicherweise doch und ggf. in welchem Umfang am Bescheid mitgewirkt hat. Dem auf summarische Prüfung angelegten einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist diese Ermittlungsintensität und Prüfungsdichte jedenfalls dann fremd, wenn zeitnah entschieden werden muss und Grundrechte - wie hier - nicht betroffen sind. Letzteres folgt daraus, dass der in der Notfalldienstverpflichtung liegende Eingriff in die Berufsfreiheit auch dann hinzunehmen ist, wenn er für den einzelnen Vertragsarzt besondere, über das übliche Maß hinausgehende Unannehmlichkeiten und Erschwernisse mit sich bringt. Erst beim Vorliegen schwerwiegender Gründe kann die Grenze der Zumutbarkeit überschritten und eine Befreiung des Betroffenen geboten sein (BSG, Urteil vom 18.10.1995 - 6 Rka 66/94 -; Senat, Beschluss vom 29.08.2011 - L 11 KA 57/11 B ER -). Ist aber die Notfalldienstverpflichtung nur in diesen Grenzen grundrechtsrelevant, kann der Ausschluss von eben dieser Dienstverpflichtung denknotwendig nicht dem Schutzbereich des Art. 12 Grundgesetz (GG) zugeordnet werden.

cc) Der Bescheid ist nach wiederum summarischer Prüfung materiell rechtmäßig. Die Auffassung der Antragsgegnerin, der Antragsteller sei für den Notfalldienst ungeeignet (§ 12 Abs. 2 GNO), ist nach Aktenlage nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat im angefochtenen Bescheid auf der Grundlage von Beschwerden der Angestellten von Notfallpraxen, von Fahrern der K-Unfallhilfe sowie von Patienten eine Vielzahl von physischen Einschränkungen gelistet und fachlichen Defiziten beschrieben, die den Schluss darauf zulässt, dass der Antragsteller fachlich und/oder persönlich nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße und qualifizierte Durchführung des ärztliche Notfalldienstes bietet (§ 12 Abs. 2 GNO). Soweit der Antragsteller dies mit seinem Widerspruch angreift, wäre zu klären, ob sein Vorbringen geeignet ist, die auf aktenkundigen Zeugenaussagen beruhenden Feststellungen der Antragsgegnerin zu erschüttern (Gegenbeweis) oder gar zu widerlegen (Beweis des Gegenteils). All dem ist nötigenfalls im Hauptsacheverfahren nachzugehen. Nach summarischer Prüfung spricht jedenfalls viel dafür, dass ein erheblicher Teil der fixierten Defizite zutrifft, mithin den Bescheid vom 02.10.2013 rechtfertigt.

3. Die Anordnung des Sofortvollzugs wird von einem überwiegenden öffentlichen Interesse getragen. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung hat die Antragsgegnerin (noch) hinreichend begründet.

a) Das den Sofortvollzug tragende öffentliche oder individuelle Interesse ("besonderes Interesse") muss mehr als das den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigende Interesse sein, denn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsaktes reichen für die Begründung des Sofortvollzugs nicht aus (Senat, Beschluss vom 29.08.2011 - L 11 KA 57/11 B ER -; 29.10.2010 - L 11 KA 64/10 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.11.2004 - L 10 B 14/04 KA -).

Nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG bedarf die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer schriftlichen Begründung. Die Vollziehungsanordnung ist somit grundsätzlich mit einer auf den konkreten Einzelfall abgestellten und nicht lediglich formelhaften Begründung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes zu versehen. Die Begründung muss erkennen lassen, warum im konkreten Fall das öffentliche Interesse oder das Individualinteresse eines Beteiligten am Sofortvollzug überwiegt und warum dies dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entspricht. An die Begründung sind im Hinblick auf die mit ihr verbundene Warnfunktion für die Behörde sowie die dadurch bezweckte Transparenz und Rechtsklarheit hohe Anforderungen zu stellen (Senat, Beschlüsse vom 04.05.2011 - L 11 KA 120/10 B ER - und 23.03.2011 - L 11 KA 97/10 B ER, L 11 KA 22/11 B ER -). Dem Senat ist es verwehrt, eine unzureichende Begründung der Bescheide nachzubessern. Das folgt schon daraus, dass auch die Antragsgegnerin gehindert ist, eine fehlende Begründung nachzuholen (Senat, Beschlüsse vom 06.01.2004 - L 11 B 17/03 KA - und 23.03.2011 - L 11 KA 97/10 B ER, L 11 KA 22/11 B ER -) oder eine unzureichende Begründung auszuwechseln, denn gegen eine solche Möglichkeit sprechen die mit § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG bezweckte Warnfunktion (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 03.08.2006 - L 4 B 269/06 KA ER -) und das Klarstellungsinteresse der Verfahrensbeteiligten (Senat, Beschlüsse vom 23.03.2011 - L 11 KA 97/10 B ER, L 11 KA 22/11 B ER - und 03.05.2010 - L 11 B 23/09 KA ER -).

b) Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid. Abzuschichten sind die Anforderungen, die an den Erlass des Bescheides vom 02.10.2013 zu stellen sind, von jenen, die den Sofortvollzug rechtfertigen. Letztere müssen ein "Mehr" sein.

aa) Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, einen ordnungsgemäßen und flächendeckenden Notfalldienst zu organisieren. Diese solchermaßen umrissene Verpflichtung ist mehrseitig. Die Antragsgegnerin muss den in § 2 GNO teilnahmeverpflichteten Personenkreis zum Notfalldienst heranziehen. Gleichermaßen muss sie ungeeignete Ärzte vom Notfalldienst fernhalten (§ 12 GNO). Vorliegend hat sich die Antragsgegnerin auf der Grundlage des ihr bekanntgewordenen Sachverhalt die Überzeugung verschafft, dass der Antragsteller infolge diverser physischer Einschränkungen und fachlicher Defizite ungeeignet ist, einen qualifizierten Notfalldienst auszuüben (§ 12 Abs. 1 GNO). Vorbehaltlich des § 12 Abs. 1 Satz 2 GNO folgt hieraus zwingend, dass der Antragsteller auszuschließen war. Auf eine - wie auch immer geartete - konkrete Patientengefährdung kommt es auf dieser Entscheidungsstufe nicht an. Auf der zweiten Entscheidungsstufe muss die Antragsgegnerin klären, ob und inwieweit sie den Sofortvollzug anordnet (§ 85 Abs. 2 Nr. 5 SGG). Hier muss sie das "Mehr" definieren, mit gegenläufigen Individualinteressen abwägen und schriftlich darlegen. Dieses "Mehr" ist vorliegend nur nach genauer Analyse zu identifizieren, da die Antragsgegnerin im Fließtext die rechtlich strikt zu trennenden Begründungen vermischt und damit den Eindruck hervorgerufen hat, der Bescheid als solcher sei zwar umfänglich begründet, indessen verbleibe für das "Mehr" kein Raum. Wird die Bescheidbegründung hingegen trennscharf in den einen und den anderen Teil abgeschichtet, zeigt sich, dass dem Bescheid ein den Sofortvollzug rechtfertigendes "Mehr" innewohnt.

Systematisch bedeutet dieses Procedere, dass die auf der ersten Entscheidungsstufe herangezogenen und den Bescheid als solchen tragenden Gründen für die zweite Stufe verbraucht sind. Sie sind für den Sofortvollzug grundsätzlich irrelevant. Etwas anderes gilt dann, wenn das besondere Vollzugsinteresse schon aus der Eigenart der Regelung folgt (Senat, Beschluss vom 06.01.2004 - L 11 B 17/03 KA ER -).

bb) Die den Bescheid tragende Erwägung war, dass der Antragsteller ungeeignet ist, einen qualifizierten Notfalldienst auszuüben. Das auf der zweiten Stufe wesentliche Moment der konkreten Patientengefährdung kommt hier noch nicht zum Tragen. Auf der ersten Stufe rechtfertigt ein generell-abstraktes Gefährdungspotential den Bescheid als solchen. Anders gewendet: Weil ungeeignete Ärzte das Patientenwohl gefährden können, sind sie vom Notfalldienst auszuschließen. Indessen hat die Antragsgegnerin das darüberhinausgehende "Mehr" erkannt, wenngleich nur diffus umschrieben. Sie bezeichnet fachliche Unsicherheiten und Fehler. Der Antragsteller ziehe den Rat medizinischer Fachangestellten hinzu, um über die Medikation zu entscheiden. Teils übernähmen diese den Behandlungsablauf und unterrichteten ihn über die nächsten Untersuchungsschritte. Die dieser Wertung zugrundeliegenden Feststellungen hat die Antragsgegnerin im Bescheid aufgelistet ("Fachliche Defizite/Behandlungsschwierigkeiten und -fehler", S. 2). Diese Umstände belegen nicht nur ein generell-abstraktes Gefährdungspotential sondern zeigen eine konkrete Patientengefährdung auf. Damit ist das "Mehr" dargetan und schriftlich hinreichend begründet.

Das gegenläufige Interesse des Antragstellers ist wirtschaftlicher Art. Die Einkünfte aus dem Notfalldienst sind nach seinen Angaben bedeutsamer Einkommensbestandteil. Dies wird mittelbar bestätigt durch die Antragsgegnerin, wenn sie die in den Quartalen I//2010 bis II/2013 abgerechneten Behandlungsfälle auflistet und dem entnimmt, dass diese hauptsächlich aus dem Notfalldienst herrühren. Indessen ist der Antragsteller weiterhin als Vertragsarzt zugelassen. Ihm bleibt es unbenommen, diese Tätigkeit zu intensivieren, zumal die reguläre Sprechstundenarbeit anderen Anforderungen unterliegt als der Notfalldienst. In Abwägung einer sich konkretisierenden Patientengefährdung einerseits und kompensierbaren Einkommenseinbußen andererseits ist der Sofortvollzug nicht zu beanstanden.

Soweit das SG bemängelt, die Antragsgegnerin habe die Interessen des Antragstellers nicht gewürdigt, jedenfalls nicht in die schriftliche Begründung einbezogen, weswegen ein Begründungsmangel vorliege, der zur Aufhebung des Sofortvollzug führen müsse, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine in diesem Sinne verschriftlicht-spezifizierte Interessenabwägung war schon deswegen nicht geboten, weil eine konkrete Patientengefährdung allein ausreicht, um den Sofortvollzug zu rechtfertigen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 24.11.2004 - L 10 B 14/04 KA - sowie 12.05.2004 - L 10 B 4/04 KA ER -: jeweils kurative Koloskopien; vgl. auch Senat, Beschluss vom 03.05.2010 - L 11 B 23/09 KA ER - zum Widerruf einer Genehmigung). Gegenläufige pekuniäre Interessen sind dann per se unerheblich. In einem solchen Fall genügt es, auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides sowie darauf hinzuweisen, dass dessen Umsetzung keinen Aufschub duldet (Senat, Beschluss vom 06.01.2004 - L 11 B 17/03 KA ER -). Zudem hat der Senat mehrfach deutlich gemacht, dass die organisatorischen Entscheidungen im Notfalldienst aus Gründen der Planbarkeit, Verlässlichkeit und Effektivität strikt eingehalten werden müssen (Beschlüsse vom 12.07.2012 - L 11 KA 39/12 B ER, 07.09.2011 - L 11 KA 93/11 B ER -, 05.09.2011 - L 11 KA 40/11 B ER -). Angesichts dessen, dass das formelle Begründungserfordernis des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG nicht eine in jeder Hinsicht "richtige" Begründung erfordert und - je nach Sachlage - auch "gruppentypisierte" Erwägungen genügen können, die hier bezüglich des aus Gründen des Patientenschutzes zu gewährleistenden regelmäßigen Notfalldienstes genannt wurden, ist die spezielle Situation des Vertragsarztes in diesem Zusammenhang im Übrigen ohne Belang (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.07.2011 - 13 B 395/11 -; Senat, Beschlüsse vom 05.09.2011 - L 11 KA 41/11 B ER - und 25.08.2011 - L 11 KA 13/11 B ER -). Das gilt naturgemäß nicht nur für die Teilnahme am Notfalldienst, sondern Vice versa auch für den Ausschluss vom Notfalldienst. Der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V verlangt eine effektive und qualitätsgerechte Organisation des Notfalldienstes sowie eine an diesen Ansprüchen ausgerichtete Durchführung. Auch dem nicht näher erläuterten Hinweis des SG, der Antragsgegner hätte sich im Rahmen einer Interessenabwägung mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob und inwiefern grundrechtliche Positionen für den Antragsteller streiten, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Heranziehung zum Notfalldienst kann grundrechtlich relevant sein, der Ausschluss hiervon eher schwerlich (s. oben). Selbst wenn grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu Gunsten des Antragstellers auszumachen wären, würde dies nicht weiter führen. Sie griffen erst, wenn der Ausschluss sich unter Berücksichtigung aller Umstände als unzumutbar darstellen würde. Daran fehlt es ersichtlich, so dass die Antragsgegnerin sich hierzu auch nicht äußern brauchte.

Die Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

III.

Die Streitwertfestsetzung ergeht gesondert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

Az.: L 11 KA 20/14 B ER Az.: S 52 KA 1/14 ER SG Dortmund

Beschluss

In dem Beschwerdeverfahren

hat der 11. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen am 16.07.2014 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Frehse beschlossen:

Tenor:

Der letzte Satz unter II. des Beschlusses vom 19.05.2014 - L 11 KA 20/14 B ER - (S. 17 des Umdrucks) "Die Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben" wird berichtigt in "Die Beschwerde musste nach alledem Erfolg haben".

Gründe:

Der Beschluss vom 19.05.2014 - L 11 KA 20/14 B ER - enthält im letzten Satz des Abschnitts II. einen sinnentstellenden Fehler. In der Sache hat der Senat auf die Beschwerde der Antragsgegnerin den Beschluss des Sozialgerichts vom 10.03.2014 abgeändert. Demzufolge hätte der letzte Satz des Abschnitts II. lauten müssen: "Die Beschwerde musste nach alledem Erfolg haben." Der Beschluss vom 19.05.2014 war daher nach § 138 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu berichtigen.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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