L 1 KR 922/16 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 63 KR 1478/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 922/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 17.11.2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

1. Der Senat entscheidet gemäß § 68 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 2. Halbsatz Gerichtskostengesetz (GKG) über die Beschwerde durch den Berichterstatter als Einzelrichter. Soweit der Senat im Beschluss vom 24.03.2015 - L 1 KR 482/14 B -, juris Rn. 16, die Auffassung vertreten hat, über Beschwerden gegen die Festsetzung des Streitwertes durch das Sozialgericht habe der Senat stets in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zu entscheiden, hat er diese Auffassung im Beschluss vom 17.11.2015 - L 1 KR 323/15 B -, juris Rn. 5, auf den Bezug genommen wird, aufgegeben. Der genannte Beschluss bezieht sich zwar auf die Vorschrift des § 33 Abs. 8 Satz 1 2. Halbsatz Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Der Wortlaut dieser Regelung ist jedoch mit § 66 Abs. 6 Satz 1 2. Halbsatz GKG identisch, so dass für Beschwerden gegen die Streitwertfestsetzung nichts anderes gelten kann als für Beschwerden gegen die Höhe der Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung bei gewährter Prozesskostenhilfe.

Das Beschwerdeverfahren war auch nicht gemäß § 68 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG dem Senat zu übertragen, denn weder weist die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.

2. Der Senat geht in Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes davon aus, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung im eigenen Namen und nicht im Namen des Klägers eingelegt hat und deshalb selbst Beschwerdeführer ist.

Der Kläger selbst wäre durch eine möglicherweise zu niedrig erfolgte Festsetzung des Streitwerts nicht beschwert und deshalb nicht beschwerdebefugt. Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind nur dann rügeberechtigt, wenn der Streitwert zu ihren Lasten zu hoch festgesetzt wurde. Liegt der Streitwertbeschwerde, wie hier, das Ziel zu Grunde, einen höheren Streitwert festsetzen zu lassen, kann es dem in der Sache obsiegenden Beteiligten lediglich darum gehen, die Differenz zwischen einer nach § 4 RVG vereinbarten Vergütung und der Erstattung der notwendigen Kosten durch den nach Maßgabe des § 197a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kostentragungspflichtigen unterliegenden Beteiligten zu minimieren. Abgesehen davon, dass hier keine Anhaltspunkte für den Abschluss einer Gebührenvereinbarung bestehen, ist die Frage, welche Vergütungshöhe vereinbart wird, Ausfluss der Vertragsfreiheit und damit ein autonomes Gestaltungsrecht im Verhältnis von Rechtsanwalt und Mandant. Derartige Vereinbarungen - so sie denn hier überhaupt getroffen wurden - betreffen allein deren Rechtssphäre und können ein rechtliches Interesse auf Festsetzung eines höheren Streitwertes nicht begründen. Mittelbare Auswirkungen der Streitwertfestsetzung sind insoweit unbeachtlich (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 24.02.2006 - L 10 B 21/05 KA -, juris Rn. 8; Beschl. des Senats vom 24.03.2015 - L 1 KR 482/14 B -, juris Rn. 22).

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat sich in der Beschwerdeschrift jedoch nicht ausdrücklich auf die Vollmacht und den Auftrag seines Mandanten bezogen (siehe demgegenüber den Beschl. des Senats vom 24.03.2015 - L 1 KR 482/14 B -, juris Rn. 23). Er hat zwar auch nicht deutlich gemacht, einen eigenen Rechtsbehelf einlegen zu wollen, was eigentlich von einem rechtskundigen Prozessbevollmächtigten zu erwarten wäre. Der Senat sieht dies jedoch unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes als unschädlich an und geht davon aus, dass der Prozessbevollmächtigte, der ein erkennbares Interesse an der Festsetzung eines höheren Streitwertes hat, einen zulässigen Rechtsbehelf und dementsprechend die Beschwerde im eigenen Namen einlegen wollte (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 24.02.2006 - L 10 B 21/05 KA -, juris Rn. 9).

3. Die danach im eigenen Namen eingelegte Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist zulässig.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist beschwerdebefugt. Er kann gemäß § 32 Abs. 2 RVG, § 68 Abs. 1 GKG aus eigenem Recht die Heraufsetzung des Streitwertes geltend machen.

Die Beschwerde ist nach Maßgabe von § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- Euro übersteigt. Bei der im Beschwerdeverfahren verfolgten Festsetzung eines Streitwerts von 3.367,66 Euro unter Zusammenrechnung des Wertes von Klage und Hilfswiderklage würde sich die einfache Gebühr nach der Anlage zu § 13 Abs. 1 Satz 3 RVG um 102 Euro erhöhen, so dass der Beschwerdeführer auch ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuer (Ziffer 7008 VV-RVG) und selbst bei Ansatz der reduzierten Geschäftsgebühr nach Ziffer 3101 VV-RVG (0,8) neben der fiktiven Terminsgebühr gemäß Ziffer 3104 Abs. 1 Nr. 3 VV-RVG (1,2) einen um mehr als 200 Euro höheren Vergütungsanspruch erwürbe.

Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde auch ordnungsgemäß bei dem Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 5 Satz 5 GKG), und auch fristgemäß innerhalb von sechs Monaten nach der hier am 23.11.2016 erfolgten Zustellung des Beschlusses des Sozialgerichts eingelegt (§ 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG).

4. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Streitwert für die durch angenommenes Anerkenntnis erledigte Klage gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG zu Recht auf 1.683,83 Euro festgesetzt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Streitwert nicht um die durch Rücknahme ebenfalls erledigte Hilfswiderklage zu erhöhen.

Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 GKG werden in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

Die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung der Streitwerte von Klage und der hier nur hilfsweise erhobenen Widerklage liegen nicht vor. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, der nach seinem systematischen Zusammenhang mit Satz 1 der Vorschrift auch für die Hilfswiderklage gilt (allgemeine Auffassung, vgl. OLG Stuttgart, Beschl. vom 23.04.2012 - 13 W 19/12 -, juris Rn. 14 m.w.N.), darf eine Zusammenrechnung der Streitwerte nur erfolgen, wenn und soweit über den hilfsweise geltend gemachten Anspruch, das heißt hier die Hilfswiderklage, "eine Entscheidung ergeht". Daran fehlt es hier eindeutig, weil die Hilfswiderklage zurückgenommen wurde und deshalb keine Entscheidung über sie ergehen konnte. Es wird zwar auch vertreten, dass Klage und Widerklage bereits dann zusammenzurechnen sind, wenn der Eventualfall eingetreten ist, auch wenn keine Entscheidung über die Hilfswiderklage erfolgt (so OLG Stuttgart, Beschl. vom 23.04.2012 - 13 W 19/12 -, juris Rn. 13 ff., m.w.N. auch zur herrschenden Gegenauffassung, die stets eine Entscheidung über die Hilfswiderklage verlangt). Selbst diese Auffassung stützt jedoch das Begehren des Beschwerdeführers nicht, weil hier auch der Eventualfall nicht eingetreten ist.

Die Beklagte hat die Widerklage hilfsweise für den Fall erhoben, dass das Gericht die in erster Linie erklärte Aufrechnung gegen den mit der Klage geltend gemachten Anspruch wegen des aus § 15 Abs. 4 Satz 2 des nordrhein-westfälischen Sicherstellungsvertrages folgenden Aufrechnungsverbots (vgl. hierzu zuletzt das Urteil des Senats vom 06.12.2016 - L 1 KR 358/15 -, juris Rn. 43 ff. m.w.N.) für unzulässig hält und deshalb der Klage stattgibt bzw. die Klage deshalb Erfolg hat. Diese Bedingung ist hier schon deshalb nicht eingetreten, weil das Sozialgericht auch über die Klage gar keine Entscheidung getroffen hat.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Entscheidung über die Klage wegen des von der Beklagten erklärten Anerkenntnisses nicht mehr notwendig war. Die Beklagte hat nämlich in dem am 03.11.2016 beim Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz vom 02.11.2016 "gleichzeitig" mit der Abgabe des Anerkenntnisses die Rücknahme der Hilfswiderklage erklärt. Die Hilfswiderklage war damit im Zeitpunkt der Erledigung der Klage, die gemäß § 101 Abs. 2 SGG erst durch die in dem am 17.11.2016 eingegangenen Schriftsatz des Klägers vom 15.11.2016 erfolgte Annahme des Anerkenntnisses eingetreten ist, nicht mehr anhängig. Die Bedingung, bei deren Eintritt über die Hilfswiderklage zu entscheiden gewesen wäre, konnte damit von vornherein nicht mehr eintreten, weil die Rechtshängigkeit der Hilfswiderklage infolge der Rücknahme, die noch vor der für den Kläger positiven Erledigung der Klage wirksam wurde, rückwirkend entfallen ist.

Der Eventualfall wäre auch dann nicht eingetreten, wenn man nicht auf die Erledigung der Klage durch die Annahme des Anerkenntnisses, sondern auf das Anerkenntnis selbst abstellen würde. In diesem Fall wäre die Rechtshängigkeit der Hilfswiderklage zumindest zeitgleich mit dem Feststehen des Erfolges der Klage entfallen, weil die Rücknahme der Hilfswiderklage in dem gleichen Schriftsatz wie das Anerkenntnis und sogar explizit "gleichzeitig" erklärt wurde.

Die Auffassung des Beschwerdeführers, wonach es für die Streitwertaddition bei Erhebung einer Hilfswiderklage allein auf deren Rechtshängigkeit ankomme, findet demgegenüber weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine Stütze. Der BGH hat vielmehr ausdrücklich entschieden, dass sich eine Hilfswiderklage nicht auf den Gebührenstreitwert auswirken kann, wenn ihre Rechtshängigkeit, wie hier durch Rücknahme gemäß § 102 Abs. 1 SGG, rückwirkend entfallen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 12.07.1972 - VIII ZR 259/69 -, juris Rn. 5).

5. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht erstattungsfähig (§ 68 Abs. 3 GKG).

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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