Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 906/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 R 336/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.02.2016 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer höheren Regelaltersrente, konkret die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Die am 00.00.1950 geborene Klägerin, die seit 1966 Landesbeamtin war und zwischen Mai 2010 und Januar 2015 geringfügige Beschäftigungen bzw. Pflegetätigkeiten ausübte, beantragte am 15.10.2014 bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente, die sie ab dem 01.06.2015 in Anspruch nehmen wolle. Ihrem Antrag fügte sie einen Bescheid der Stadt C vom 10.02.2004 über die Gewährung von Altersteilzeit gem. § 78d Beamtengesetz für das Land NRW (LBG) mit Wirkung vom 01.02.2005 bis 31.01.2015 bei.
Die Klägerin ist Mutter der Töchter L (geb. 00.00.1978) und L1 (geb. 00.00.1981), für die die Beklagte mit Bescheid vom 26.02.2013 Kindererziehungszeiten (01.08.1978 bis 31.07.1979 und 01.12.1981 bis 30.11.1982) bzw. Berücksichtigungszeiten (00.00.1978 bis 07.07.1988 und 00.00.1981 bis 17.11.1991) vormerkte.
Die Beklagte bewilligte die beantragte Rente mit Bescheid vom 26.03.2015 ab 01.06.2015 und berechnete einen Zahlbetrag von 391,01 Euro. Wegen einer Rechtsänderung könnten die Zeiten vom 01.08.1978 bis 31.07.1979 (Tochter L) und vom 01.12.1981 bis 30.11.1982 (Tochter L1) nicht mehr als Kindererziehungszeiten berücksichtigt werden (Anlage 10).Gleiches gelte für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Zeit vom 00.00.1978 bis 17.11.1991. Während dieser Zeiten habe die Klägerin Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen erworben. Nach den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung würden diese als systembezogen annähernd gleichwertig gelten. Der Bescheid vom 26.02.2013 über die Feststellung dieser Zeiten werde insoweit nach § 149 Abs. 5 S. 2 SGB VI mit Wirkung ab 01.07.2014 aufgehoben.
Mit weiterem Bescheid vom 27.04.2015 gewährte die Beklagte der Klägerin einen Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 28,55 Euro monatlich und berechnete die Rente insgesamt ab 01.06.2015 entsprechend mit einem Zahlbetrag von 419,56 Euro monatlich.
Am 23.04.2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.03.2015 ein. Ihr stehe bezüglich der Anerkennung der Kindererziehungszeiten sowie der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung Vertrauensschutz zu, da das Bestehen dieser Zeiten bereits mit Bescheid bestätigt worden sei. Im Übrigen sei der Ausschluss auch nach § 56 SGB VI nicht zwangsläufig, da beamtenrechtlich bei ihr für zwei Kinder nur je sechs Monate Kindererziehungszeit berücksichtigt worden seien, was mit zwei Jahren Kindererziehungszeit und Kinderberücksichtigungszeiten nicht gleichwertig sei. Sie verweise diesbezüglich auf gerichtliche Urteile wie z.B. des Sozialgerichts Dortmund vom 22.03.2013 - S 34 R 1594/10 bzw. des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 07.01.2013 - 23 K 5322/12. Auch bitte sie um Überprüfung eines weiteren Vertrauensschutztatbestandes. Sie sei vor 1955 geboren und habe bereits 2004 mit ihrem Dienstherrn verbindlich Altersteilzeit vereinbart. Dies sei noch nicht berücksichtigt. Demnach müsse ihr Regelaltersrentenanspruch ab Vollendung des 65. Lebensjahres bestehen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2015 zurück. Dem Begehren auf Berücksichtigung der Kindererziehungs- bzw. -berücksichtigungszeiten und einem Rentenbeginn mit Vollendung des 65. Lebensjahres am 01.02.2015 könne nicht entsprochen werde.
Die gesetzliche Neuregelung zur Anhebung der Regelaltersgrenze gelte gem. § 235 Abs. 2 S. 3 SGB VI nicht für Versicherte bestimmter Geburtsjahrgänge, die vor dem 01.01.2007 Altersteilzeit im Sinne des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG) vereinbart hätten. Versicherungsfreie Versicherte wie z.B. Beamte würden von der Vertrauensschutzregelung nicht erfasst, da es sich bei diesen nicht um Altersteilzeitarbeitsvereinbarungen im Sinne des AltTZG handele (BSG Urt. v. 21.03.2007 - B 11a AL 9/06 R).
Die Vorschrift des § 56 Abs. 4 S. 3, 2. HS SGB VI in der Fassung ab 01.07.2014 habe neu geregelt, dass Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen und entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen stets als annähernd gleichwertige Anwartschaften gelten würden und eine Anrechnung damit ausgeschlossen sei. Die bereits vorgemerkten Erziehungszeiten entsprächen ab dem 01.07.2014 damit nicht mehr geltendem Recht. Die Vormerkungsentscheidung sei gem. § 149 Abs. 5 S. 2 SGB VI ohne Anwendung der §§ 24, 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) im Rentenbescheid aufzuheben gewesen.
Die Klägerin hat am 21.09.2015 Klage beim Sozialgericht Detmold (SG) erhoben und ihr Begehren weiter verfolgt.
Sie hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2015 zu verurteilen, ihr Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Tochter L und die Tochter L1 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Neufassung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI mit Wirkung ab 01.07.2014 verwiesen. Darin sei geregelt worden, dass Versorgungsanwartschaften nach Beamtenrecht generell als gleichwertig gelten würden. Insoweit entfalle bei dem betroffenen Personenkreis jetzt die konkrete Prüfung, ob die Erziehung in dem jeweiligen Alterssicherungssystem annähernd gleichwertig berücksichtigt werde wie in der gesetzlichen Rentenversicherung. Eine Vormerkung von Erziehungszeiten für diesen Personenkreis sei immer ausgeschlossen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26.02.2016 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Töchter L und L1. Vielmehr sei sie gemäß § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgeschlossen. Dasselbe gelte für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 57 S. 1 i. V. m. § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI.
Kindererziehungszeiten seien gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VI Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil werde unter den weiteren Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VI eine Kindererziehungszeit angerechnet. Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr sei gemäß § 57 S. 1 SGB VI bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorlägen. Elternteile seien allerdings gemäß (§ 57 S. 1 SGB VI i. V. m.) § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben hätten, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt würden wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gelte eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.
So liege der Fall bei der Klägerin. Bei ihr seien im Rahmen der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften für beide Töchter jeweils 6 Monate Kindererziehungszeit berücksichtigt worden (vgl. § 85 Abs. 7 LBeamtVG NRW i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 4 LBeamtVG NRW in der bis zum 31.12.1991 gültigen Fassung). Der Gesetzgeber habe in der ab dem 01.07.2014 gültigen Fassung des § 56 Abs. 4 Nr. 3, 2. HS SGB VI die gesetzliche Fiktion für die annähernde Gleichwertigkeit der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften geschaffen. Einfachgesetzlich entfalle damit bereits nach dem Gesetzeswortlaut die Prüfung einer annähernden Gleichwertigkeit im Einzelfall bei Geltung der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen.
Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des SG Dortmund und des VG Düsseldorf sei bereits vor dem Hintergrund dieser Gesetzesänderung nicht auf den Fall der Klägerin übertragbar. Die Rechtsprechung beziehe sich auf die Fassung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI bis zum 30.06.2014. Dort heiße es: "Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen oder nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung aufgrund der Erziehung erworben haben, die systembezogen gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch." Die gesetzliche Fiktion habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert. Es sei dementsprechend eine Prüfung der Gleichwertigkeit durchzuführen gewesen, die nunmehr entfalle.
Die Kammer habe auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI. Insbesondere verletze die Norm nicht Art. 3 und Art. 6 Grundgesetz (GG). Es liege zur Überzeugung der Kammer keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung oder mit dem Grundgesetz unvereinbare Benachteiligung von Familien vor. Mit der gesetzlichen Fiktion halte sich der Gesetzgeber im Rahmen seines ihm zuzubilligenden weiten Gestaltungsspielraumes.
Zwischen dem System der gesetzlichen Rentenversicherung und der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen bestünden grundlegende Unterschiede, so dass ein direkter Vergleich beider Systeme (praktische) Schwierigkeiten aufwerfe (vgl. BVerfG, Urteil vom 06.03.2002, Az. 2 BvL 17/99). So habe die Berücksichtigung von sechs Monaten Kindererziehungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht dieselben Auswirkungen wie eine Berücksichtigung derselben Anzahl von Monaten nach beamtenrechtlichen Vorschriften. Die Auswirkungen hingen von einer Vielzahl von Faktoren in der Erwerbsbiographie der Betroffenen ab. Vor diesem Hintergrund seien - entgegen der Ansicht des SG Dortmund und des VG Düsseldorf - die Bezieher einer Pension nach beamtenrechtlichen Vorschriften nicht notwendig schlechter gestellt als Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Jedenfalls liege der rechtfertigende Grund für eine Ungleichbehandlung in der Verschiedenartigkeit der Systeme. Mit der gesetzlichen Fiktion der annähernden Gleichwertigkeit setze der Gesetzgeber lediglich folgerichtig die Trennung beider Systeme um. Beamte seien gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI kraft Gesetzes versicherungsfrei. Auf sie fänden die Regelungen des SGB VI mithin keine Anwendung. Verfassungsrechtlich sei es nicht geboten, Nachteile in einem System durch ein anderes System auszugleichen oder gar eine Häufung zweckidentischer Leistungen zu fördern, also eine Vermischung unterschiedlicher und nicht vergleichbarer Systeme vorzunehmen. Dies wäre insbesondere unter Gleichheitsgesichtspunkten problematisch. Der Empfänger erhielte nämlich unter Umständen weit mehr, als ihm das beamtenrechtliche Versorgungssystem und die gesetzliche Rentenversicherung von ihren Grundgedanken her jeweils verschaffen sollten. So läge der Fall allerdings bei der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten sowohl nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung als auch nach denen der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen. Der Gesetzgeber habe - wie es sich bereits aus der Fassung des Gesetzes ergebe - die besagte Besserstellung zu keiner Zeit als sachlich begründet, politisch erwünscht oder aus sonstigen Gründen erstrebenswert angesehen. Auch lasse sich aus Art. 6 GG gerade nicht das Gebot herleiten, manche Familien durch die Häufung von Leistungen stärker zu begünstigen als andere. Vielmehr lasse sich aus Art. 3, 6 GG nur das Gebot ableiten, Familien nicht zu benachteiligen. Durch die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nach den beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen sei dies jedoch nicht der Fall.
Diese Ausführungen stünden nach Auffassung der Kammer auch nicht in Diskrepanz zu den Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) in seinen Urteilen vom 18.10.2005 (Az. B 4 RA 6/05 R) und vom 31.01.2008 (Az. B 13 R 64/06 R). Vielmehr orientiere sich die Kammer an den (verfassungsrechtlichen) Ausführungen des BSG in den genannten Entscheidungen. Zunächst habe das BSG nach Auffassung der Kammer mit den genannten Urteilen ersichtlich nicht entschieden, dass die Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen nicht annähernd gleichwertig mit denen der gesetzlichen Rentenversicherung sei und daher aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Einbeziehung dieser Versorgungsempfänger in die gesetzliche Rentenversicherung zu erfolgen habe. Vielmehr hätten die Entscheidungen des BSG die berufsständische Versorgung zum Gegenstand, nach der im Gegensatz zu der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen keinerlei Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten erfolge. Aus verfassungsrechtlicher Hinsicht maßgeblich für das BSG - wie für die erkennende Kammer auch - sei die Gewährleistung eines prinzipiell gleichwertigen Schutzes wie in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dieser könne nach den Ausführungen des BSG grundsätzlich auch durch eine systembezogen differenzierte Anrechnung der Kindererziehungszeiten erfolgen. Wie bereits ausgeführt habe der Gesetzgeber diesem verfassungsrechtlichen Maßstab durch die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten bei der Berechnung der Versorgung entsprochen. Zudem habe das BSG den Ausschluss nach § 56 Abs. 4 SGB VI im Zusammenhang mit der berufsständischen Versorgung nur dann als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen, wenn während der von der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannten Zeit der Kindererziehung auch in der berufsständischen Versorgungseinrichtung die Kindererziehung systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt werde. Nur die Doppelpflichtmitgliedschaft in zwei annähernd gleichwertigen Sicherungssystemen rechtfertige den Anrechnungsausschluss. Insoweit liege bei den Kindererziehungszeiten im Verhältnis zu "befreienden Systemen" eine "Systemsubsidiarität" der gesetzlichen Rentenversicherung vor, jedoch keine "Einzelfallsubsidiarität". Eine derartige Doppelpflichtmitgliedschaft könne bei Beamten aufgrund der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI bereits nicht bestehen. Insoweit bestehe bereits keine "Systemsubsidiarität" der gesetzlichen Rentenversicherung. Darüber hinaus sei nach Ansicht des BSG eine verfassungskonforme Auslegung des § 56 Abs. 4 SGB VI deshalb notwendig gewesen, um eine sonst erforderliche Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG zu vermeiden, mit der zu rügen wäre, dass der Gesetzgeber entgegen Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 GG für die berufsständischen Versorgungseinrichtungen keine dem § 177 Abs. 1 SGB VI entsprechende Beitragsregelung geschaffen habe. Nach § 177 Abs. 1 SGB VI würden die Beiträge für Kindererziehungszeiten vom Bund gezahlt. Diese Überlegungen seien nicht ohne weiteres auf die Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen übertragbar, da dort zum einen Kindererziehungszeiten Berücksichtigung fänden und es sich zum anderen nicht um (unterbleibende) Zahlungen von Versorgungswerken handele, die einen Solidarbeitrag ihrer eigenen Mitglieder voraussetzten, sondern ebenfalls um staatliche Leistungen.
Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen. Der Feststellungsbescheid vom 26.02.2013 sei zutreffend gemäß § 149 Abs. 5 S. 2 SGB VI von der Beklagten hinsichtlich der vorgemerkten Zeiten für die Kindererziehung aufgehoben worden und dementsprechend nicht mehr bindend. Zudem enthielte der Bescheid den Zusatz, dass über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten erst bei der Feststellung einer Leistung entschieden werde. Ferner habe die auf die Klägerin angewandte Fassung des § 56 Abs. 4 SGB VI bereits vor Beginn der Regelaltersrente der Klägerin bestanden. Eine Berücksichtigung der Zeiten der Kindererziehung habe von Beginn an nicht stattgefunden.
Gegen das ihr am 14.03.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.04.2016 Berufung eingelegt und weiter die Auffassung vertreten, es liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu ihren Lasten vor. Das BVerfG habe klargestellt, dass gerade in Bezug auf Renten Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebiete, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Eine Differenzierung sei nicht verwehrt, jedoch dürfe eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders behandelt werden, wenn zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Dies sei hier nicht der Fall. § 56 SGB VI bleibe eine Begründung schuldig, warum ein Unterschied zwischen beamtenrechtlichen und gesetzlichen Regelungen der Kindererziehungszeiten nicht bestehe. Es bleibe bei der argumentativen Abgrenzung, dass es nur schwer möglich sei, Kindererziehungsleistungen von berufsständiger oder Beamtenversorgung mit denen der gesetzlichen Rentenversicherung zu vergleichen, weil dies vom beruflichen Werdegang des Versicherten abhänge. Dies sei aber kein Argument gegen die Verfassungswidrigkeit. Das zitierte Urteil des SG Dortmund sei dementsprechend zu dem Ergebnis gekommen, dass eine halbjährige Berücksichtigungszeit schon mit der damals geltenden einjährigen Berücksichtigung inhaltlich nicht vereinbar gewesen sei. Dies müsse um so mehr gelten, als dass gesetzlich nunmehr drei Jahre zu berücksichtigen seien. Das erstinstanzliche Gericht vermenge in unzulässiger Art und Weise, dass eine klare Gesetzeslage keine automatische Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung sei.
Die Klägerin hat beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.02.2016 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2015 zu verurteilen, ihr Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für die Tochter L vom 01.08.1978 bis 31.07.1980 und für die Tochter L1 vom 01.12.1981 bis 30.11.1983 zu gewähren.
Die Beklagte, die die von ihr erteilten Bescheide und das Urteil des SG Detmold als zutreffend ansieht, hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat im Termin zu mündlichen Verhandlung am 26.08.2016 ihre Bereitschaft erklärt, im Fall des Obsiegens der Klägerin eine entsprechende Regelung auch für die Folgebescheide unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu übernehmen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 26.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2015 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).
Nicht Gegenstand des Verfahrens ist der weitere Bescheid der Beklagten vom 27.04.2015. Mit diesem hat die Beklagte unter Beachtung des maßgeblichen Empfängerhorizonts (vgl. hierzu BSG Urt. v. 11.02.2015 - B 13 R 15/13 R - juris Rn. 23) eine Regelung lediglich bezüglich des - hier nicht streitigen - zusätzlich gewährten Zuschusses zur Krankenversicherung getroffen. Der Bescheid ist damit nicht gem. § 86 SGG Gegenstand des - gegen den Bescheid vom 26.03.2015 anhängigen - Widerspruchsverfahrens geworden (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt Urt. v. 30.05.2013 - L 1 RS 44/12 - juris Rn. 19 sowie zum Beitragszuschuss als selbständigem Nebenanspruch BSG Urt. v. 27.02.1997 - 4 RA 104/95 - juris Rn. 12 f. mwN). Dem entspricht, dass die Klägerin den Bescheid vom 27.04.2015 auch selbst weder zum Gegenstand des Widerspruchs- noch des Gerichtsverfahrens gemacht hat. Im Übrigen hat sich die Beklagte bereit erklärt, auch diesen Bescheid bei Obsiegen der Klägerin entsprechend anzupassen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von - wie zuletzt in der mündlichen Verhandlung (nur) noch beantragt - Kindererziehungszeiten für ihre Töchter L und L1. Sie ist gem. § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten (wie dies gem. § 57 S. 1 SGB VI auch für die zunächst ebenfalls beantragten Kinderberücksichtigungszeiten gilt) ausgeschlossen. Diese Vorschrift ist auch nicht verfassungswidrig. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gem. §§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG auf die Begründung in den Bescheiden der Beklagten und insbesondere gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die ausführlich und sorgfältig dargelegten Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Urteil des SG Detmold Bezug, die er sich nach Überprüfung zu eigen macht.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Vortrag der Klägerin bezüglich einer Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 3 GG bereits schon im Ansatz nicht greift. So hat die Klägerin eine tatsächliche Ungleichbehandlung im Verfahren lediglich behauptet, jedoch in keiner Weise konkretisierend dargelegt. Entgegen ihrer Auffassung lässt sich diese insbesondere auch nicht bereits aus einem Vergleich allein der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Zeiten der Kindererziehung ableiten, da es sich hier - worauf bereits das SG hingewiesen hat - nur um einen einzelnen Faktor eines ganzen Regelungsgefüges handelt. Eine Ungleichbehandlung im Ergebnis eines Vergleichs des gesamten Versorgungssystems der gesetzlichen Rentenversicherung auf der einen Seite und des Versorgungssystems der Beamten auf der anderen Seite hat die Klägerin weder zu benennen, geschweige denn zu beziffern vermocht. Diese ist im Hinblick auf die Komplexität der unterschiedlichen Systeme der Altersversorgung auch nicht erkennbar.
Unabhängig hiervon rügt die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Kern letztlich nicht die Vorschrift des § 56 SGB VI, sondern vielmehr die gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung mindere Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung im Rahmen der Beamtenversorgung. Diese Rüge aber ist im Verhältnis zum Träger der Beamtenversorgung und nicht im Verhältnis zum hier beklagten Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zu verfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer höheren Regelaltersrente, konkret die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Die am 00.00.1950 geborene Klägerin, die seit 1966 Landesbeamtin war und zwischen Mai 2010 und Januar 2015 geringfügige Beschäftigungen bzw. Pflegetätigkeiten ausübte, beantragte am 15.10.2014 bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente, die sie ab dem 01.06.2015 in Anspruch nehmen wolle. Ihrem Antrag fügte sie einen Bescheid der Stadt C vom 10.02.2004 über die Gewährung von Altersteilzeit gem. § 78d Beamtengesetz für das Land NRW (LBG) mit Wirkung vom 01.02.2005 bis 31.01.2015 bei.
Die Klägerin ist Mutter der Töchter L (geb. 00.00.1978) und L1 (geb. 00.00.1981), für die die Beklagte mit Bescheid vom 26.02.2013 Kindererziehungszeiten (01.08.1978 bis 31.07.1979 und 01.12.1981 bis 30.11.1982) bzw. Berücksichtigungszeiten (00.00.1978 bis 07.07.1988 und 00.00.1981 bis 17.11.1991) vormerkte.
Die Beklagte bewilligte die beantragte Rente mit Bescheid vom 26.03.2015 ab 01.06.2015 und berechnete einen Zahlbetrag von 391,01 Euro. Wegen einer Rechtsänderung könnten die Zeiten vom 01.08.1978 bis 31.07.1979 (Tochter L) und vom 01.12.1981 bis 30.11.1982 (Tochter L1) nicht mehr als Kindererziehungszeiten berücksichtigt werden (Anlage 10).Gleiches gelte für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Zeit vom 00.00.1978 bis 17.11.1991. Während dieser Zeiten habe die Klägerin Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen erworben. Nach den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung würden diese als systembezogen annähernd gleichwertig gelten. Der Bescheid vom 26.02.2013 über die Feststellung dieser Zeiten werde insoweit nach § 149 Abs. 5 S. 2 SGB VI mit Wirkung ab 01.07.2014 aufgehoben.
Mit weiterem Bescheid vom 27.04.2015 gewährte die Beklagte der Klägerin einen Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 28,55 Euro monatlich und berechnete die Rente insgesamt ab 01.06.2015 entsprechend mit einem Zahlbetrag von 419,56 Euro monatlich.
Am 23.04.2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.03.2015 ein. Ihr stehe bezüglich der Anerkennung der Kindererziehungszeiten sowie der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung Vertrauensschutz zu, da das Bestehen dieser Zeiten bereits mit Bescheid bestätigt worden sei. Im Übrigen sei der Ausschluss auch nach § 56 SGB VI nicht zwangsläufig, da beamtenrechtlich bei ihr für zwei Kinder nur je sechs Monate Kindererziehungszeit berücksichtigt worden seien, was mit zwei Jahren Kindererziehungszeit und Kinderberücksichtigungszeiten nicht gleichwertig sei. Sie verweise diesbezüglich auf gerichtliche Urteile wie z.B. des Sozialgerichts Dortmund vom 22.03.2013 - S 34 R 1594/10 bzw. des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 07.01.2013 - 23 K 5322/12. Auch bitte sie um Überprüfung eines weiteren Vertrauensschutztatbestandes. Sie sei vor 1955 geboren und habe bereits 2004 mit ihrem Dienstherrn verbindlich Altersteilzeit vereinbart. Dies sei noch nicht berücksichtigt. Demnach müsse ihr Regelaltersrentenanspruch ab Vollendung des 65. Lebensjahres bestehen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2015 zurück. Dem Begehren auf Berücksichtigung der Kindererziehungs- bzw. -berücksichtigungszeiten und einem Rentenbeginn mit Vollendung des 65. Lebensjahres am 01.02.2015 könne nicht entsprochen werde.
Die gesetzliche Neuregelung zur Anhebung der Regelaltersgrenze gelte gem. § 235 Abs. 2 S. 3 SGB VI nicht für Versicherte bestimmter Geburtsjahrgänge, die vor dem 01.01.2007 Altersteilzeit im Sinne des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG) vereinbart hätten. Versicherungsfreie Versicherte wie z.B. Beamte würden von der Vertrauensschutzregelung nicht erfasst, da es sich bei diesen nicht um Altersteilzeitarbeitsvereinbarungen im Sinne des AltTZG handele (BSG Urt. v. 21.03.2007 - B 11a AL 9/06 R).
Die Vorschrift des § 56 Abs. 4 S. 3, 2. HS SGB VI in der Fassung ab 01.07.2014 habe neu geregelt, dass Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen und entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen stets als annähernd gleichwertige Anwartschaften gelten würden und eine Anrechnung damit ausgeschlossen sei. Die bereits vorgemerkten Erziehungszeiten entsprächen ab dem 01.07.2014 damit nicht mehr geltendem Recht. Die Vormerkungsentscheidung sei gem. § 149 Abs. 5 S. 2 SGB VI ohne Anwendung der §§ 24, 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) im Rentenbescheid aufzuheben gewesen.
Die Klägerin hat am 21.09.2015 Klage beim Sozialgericht Detmold (SG) erhoben und ihr Begehren weiter verfolgt.
Sie hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2015 zu verurteilen, ihr Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Tochter L und die Tochter L1 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Neufassung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI mit Wirkung ab 01.07.2014 verwiesen. Darin sei geregelt worden, dass Versorgungsanwartschaften nach Beamtenrecht generell als gleichwertig gelten würden. Insoweit entfalle bei dem betroffenen Personenkreis jetzt die konkrete Prüfung, ob die Erziehung in dem jeweiligen Alterssicherungssystem annähernd gleichwertig berücksichtigt werde wie in der gesetzlichen Rentenversicherung. Eine Vormerkung von Erziehungszeiten für diesen Personenkreis sei immer ausgeschlossen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26.02.2016 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Töchter L und L1. Vielmehr sei sie gemäß § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgeschlossen. Dasselbe gelte für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 57 S. 1 i. V. m. § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI.
Kindererziehungszeiten seien gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VI Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil werde unter den weiteren Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VI eine Kindererziehungszeit angerechnet. Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr sei gemäß § 57 S. 1 SGB VI bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorlägen. Elternteile seien allerdings gemäß (§ 57 S. 1 SGB VI i. V. m.) § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben hätten, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt würden wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gelte eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.
So liege der Fall bei der Klägerin. Bei ihr seien im Rahmen der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften für beide Töchter jeweils 6 Monate Kindererziehungszeit berücksichtigt worden (vgl. § 85 Abs. 7 LBeamtVG NRW i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 4 LBeamtVG NRW in der bis zum 31.12.1991 gültigen Fassung). Der Gesetzgeber habe in der ab dem 01.07.2014 gültigen Fassung des § 56 Abs. 4 Nr. 3, 2. HS SGB VI die gesetzliche Fiktion für die annähernde Gleichwertigkeit der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften geschaffen. Einfachgesetzlich entfalle damit bereits nach dem Gesetzeswortlaut die Prüfung einer annähernden Gleichwertigkeit im Einzelfall bei Geltung der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen.
Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des SG Dortmund und des VG Düsseldorf sei bereits vor dem Hintergrund dieser Gesetzesänderung nicht auf den Fall der Klägerin übertragbar. Die Rechtsprechung beziehe sich auf die Fassung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI bis zum 30.06.2014. Dort heiße es: "Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen oder nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung aufgrund der Erziehung erworben haben, die systembezogen gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch." Die gesetzliche Fiktion habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert. Es sei dementsprechend eine Prüfung der Gleichwertigkeit durchzuführen gewesen, die nunmehr entfalle.
Die Kammer habe auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI. Insbesondere verletze die Norm nicht Art. 3 und Art. 6 Grundgesetz (GG). Es liege zur Überzeugung der Kammer keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung oder mit dem Grundgesetz unvereinbare Benachteiligung von Familien vor. Mit der gesetzlichen Fiktion halte sich der Gesetzgeber im Rahmen seines ihm zuzubilligenden weiten Gestaltungsspielraumes.
Zwischen dem System der gesetzlichen Rentenversicherung und der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen bestünden grundlegende Unterschiede, so dass ein direkter Vergleich beider Systeme (praktische) Schwierigkeiten aufwerfe (vgl. BVerfG, Urteil vom 06.03.2002, Az. 2 BvL 17/99). So habe die Berücksichtigung von sechs Monaten Kindererziehungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht dieselben Auswirkungen wie eine Berücksichtigung derselben Anzahl von Monaten nach beamtenrechtlichen Vorschriften. Die Auswirkungen hingen von einer Vielzahl von Faktoren in der Erwerbsbiographie der Betroffenen ab. Vor diesem Hintergrund seien - entgegen der Ansicht des SG Dortmund und des VG Düsseldorf - die Bezieher einer Pension nach beamtenrechtlichen Vorschriften nicht notwendig schlechter gestellt als Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Jedenfalls liege der rechtfertigende Grund für eine Ungleichbehandlung in der Verschiedenartigkeit der Systeme. Mit der gesetzlichen Fiktion der annähernden Gleichwertigkeit setze der Gesetzgeber lediglich folgerichtig die Trennung beider Systeme um. Beamte seien gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI kraft Gesetzes versicherungsfrei. Auf sie fänden die Regelungen des SGB VI mithin keine Anwendung. Verfassungsrechtlich sei es nicht geboten, Nachteile in einem System durch ein anderes System auszugleichen oder gar eine Häufung zweckidentischer Leistungen zu fördern, also eine Vermischung unterschiedlicher und nicht vergleichbarer Systeme vorzunehmen. Dies wäre insbesondere unter Gleichheitsgesichtspunkten problematisch. Der Empfänger erhielte nämlich unter Umständen weit mehr, als ihm das beamtenrechtliche Versorgungssystem und die gesetzliche Rentenversicherung von ihren Grundgedanken her jeweils verschaffen sollten. So läge der Fall allerdings bei der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten sowohl nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung als auch nach denen der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen. Der Gesetzgeber habe - wie es sich bereits aus der Fassung des Gesetzes ergebe - die besagte Besserstellung zu keiner Zeit als sachlich begründet, politisch erwünscht oder aus sonstigen Gründen erstrebenswert angesehen. Auch lasse sich aus Art. 6 GG gerade nicht das Gebot herleiten, manche Familien durch die Häufung von Leistungen stärker zu begünstigen als andere. Vielmehr lasse sich aus Art. 3, 6 GG nur das Gebot ableiten, Familien nicht zu benachteiligen. Durch die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nach den beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen sei dies jedoch nicht der Fall.
Diese Ausführungen stünden nach Auffassung der Kammer auch nicht in Diskrepanz zu den Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) in seinen Urteilen vom 18.10.2005 (Az. B 4 RA 6/05 R) und vom 31.01.2008 (Az. B 13 R 64/06 R). Vielmehr orientiere sich die Kammer an den (verfassungsrechtlichen) Ausführungen des BSG in den genannten Entscheidungen. Zunächst habe das BSG nach Auffassung der Kammer mit den genannten Urteilen ersichtlich nicht entschieden, dass die Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen nicht annähernd gleichwertig mit denen der gesetzlichen Rentenversicherung sei und daher aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Einbeziehung dieser Versorgungsempfänger in die gesetzliche Rentenversicherung zu erfolgen habe. Vielmehr hätten die Entscheidungen des BSG die berufsständische Versorgung zum Gegenstand, nach der im Gegensatz zu der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen keinerlei Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten erfolge. Aus verfassungsrechtlicher Hinsicht maßgeblich für das BSG - wie für die erkennende Kammer auch - sei die Gewährleistung eines prinzipiell gleichwertigen Schutzes wie in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dieser könne nach den Ausführungen des BSG grundsätzlich auch durch eine systembezogen differenzierte Anrechnung der Kindererziehungszeiten erfolgen. Wie bereits ausgeführt habe der Gesetzgeber diesem verfassungsrechtlichen Maßstab durch die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten bei der Berechnung der Versorgung entsprochen. Zudem habe das BSG den Ausschluss nach § 56 Abs. 4 SGB VI im Zusammenhang mit der berufsständischen Versorgung nur dann als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen, wenn während der von der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannten Zeit der Kindererziehung auch in der berufsständischen Versorgungseinrichtung die Kindererziehung systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt werde. Nur die Doppelpflichtmitgliedschaft in zwei annähernd gleichwertigen Sicherungssystemen rechtfertige den Anrechnungsausschluss. Insoweit liege bei den Kindererziehungszeiten im Verhältnis zu "befreienden Systemen" eine "Systemsubsidiarität" der gesetzlichen Rentenversicherung vor, jedoch keine "Einzelfallsubsidiarität". Eine derartige Doppelpflichtmitgliedschaft könne bei Beamten aufgrund der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI bereits nicht bestehen. Insoweit bestehe bereits keine "Systemsubsidiarität" der gesetzlichen Rentenversicherung. Darüber hinaus sei nach Ansicht des BSG eine verfassungskonforme Auslegung des § 56 Abs. 4 SGB VI deshalb notwendig gewesen, um eine sonst erforderliche Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG zu vermeiden, mit der zu rügen wäre, dass der Gesetzgeber entgegen Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 GG für die berufsständischen Versorgungseinrichtungen keine dem § 177 Abs. 1 SGB VI entsprechende Beitragsregelung geschaffen habe. Nach § 177 Abs. 1 SGB VI würden die Beiträge für Kindererziehungszeiten vom Bund gezahlt. Diese Überlegungen seien nicht ohne weiteres auf die Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen übertragbar, da dort zum einen Kindererziehungszeiten Berücksichtigung fänden und es sich zum anderen nicht um (unterbleibende) Zahlungen von Versorgungswerken handele, die einen Solidarbeitrag ihrer eigenen Mitglieder voraussetzten, sondern ebenfalls um staatliche Leistungen.
Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen. Der Feststellungsbescheid vom 26.02.2013 sei zutreffend gemäß § 149 Abs. 5 S. 2 SGB VI von der Beklagten hinsichtlich der vorgemerkten Zeiten für die Kindererziehung aufgehoben worden und dementsprechend nicht mehr bindend. Zudem enthielte der Bescheid den Zusatz, dass über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten erst bei der Feststellung einer Leistung entschieden werde. Ferner habe die auf die Klägerin angewandte Fassung des § 56 Abs. 4 SGB VI bereits vor Beginn der Regelaltersrente der Klägerin bestanden. Eine Berücksichtigung der Zeiten der Kindererziehung habe von Beginn an nicht stattgefunden.
Gegen das ihr am 14.03.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.04.2016 Berufung eingelegt und weiter die Auffassung vertreten, es liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu ihren Lasten vor. Das BVerfG habe klargestellt, dass gerade in Bezug auf Renten Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebiete, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Eine Differenzierung sei nicht verwehrt, jedoch dürfe eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders behandelt werden, wenn zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Dies sei hier nicht der Fall. § 56 SGB VI bleibe eine Begründung schuldig, warum ein Unterschied zwischen beamtenrechtlichen und gesetzlichen Regelungen der Kindererziehungszeiten nicht bestehe. Es bleibe bei der argumentativen Abgrenzung, dass es nur schwer möglich sei, Kindererziehungsleistungen von berufsständiger oder Beamtenversorgung mit denen der gesetzlichen Rentenversicherung zu vergleichen, weil dies vom beruflichen Werdegang des Versicherten abhänge. Dies sei aber kein Argument gegen die Verfassungswidrigkeit. Das zitierte Urteil des SG Dortmund sei dementsprechend zu dem Ergebnis gekommen, dass eine halbjährige Berücksichtigungszeit schon mit der damals geltenden einjährigen Berücksichtigung inhaltlich nicht vereinbar gewesen sei. Dies müsse um so mehr gelten, als dass gesetzlich nunmehr drei Jahre zu berücksichtigen seien. Das erstinstanzliche Gericht vermenge in unzulässiger Art und Weise, dass eine klare Gesetzeslage keine automatische Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung sei.
Die Klägerin hat beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.02.2016 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2015 zu verurteilen, ihr Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für die Tochter L vom 01.08.1978 bis 31.07.1980 und für die Tochter L1 vom 01.12.1981 bis 30.11.1983 zu gewähren.
Die Beklagte, die die von ihr erteilten Bescheide und das Urteil des SG Detmold als zutreffend ansieht, hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat im Termin zu mündlichen Verhandlung am 26.08.2016 ihre Bereitschaft erklärt, im Fall des Obsiegens der Klägerin eine entsprechende Regelung auch für die Folgebescheide unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu übernehmen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 26.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2015 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).
Nicht Gegenstand des Verfahrens ist der weitere Bescheid der Beklagten vom 27.04.2015. Mit diesem hat die Beklagte unter Beachtung des maßgeblichen Empfängerhorizonts (vgl. hierzu BSG Urt. v. 11.02.2015 - B 13 R 15/13 R - juris Rn. 23) eine Regelung lediglich bezüglich des - hier nicht streitigen - zusätzlich gewährten Zuschusses zur Krankenversicherung getroffen. Der Bescheid ist damit nicht gem. § 86 SGG Gegenstand des - gegen den Bescheid vom 26.03.2015 anhängigen - Widerspruchsverfahrens geworden (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt Urt. v. 30.05.2013 - L 1 RS 44/12 - juris Rn. 19 sowie zum Beitragszuschuss als selbständigem Nebenanspruch BSG Urt. v. 27.02.1997 - 4 RA 104/95 - juris Rn. 12 f. mwN). Dem entspricht, dass die Klägerin den Bescheid vom 27.04.2015 auch selbst weder zum Gegenstand des Widerspruchs- noch des Gerichtsverfahrens gemacht hat. Im Übrigen hat sich die Beklagte bereit erklärt, auch diesen Bescheid bei Obsiegen der Klägerin entsprechend anzupassen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von - wie zuletzt in der mündlichen Verhandlung (nur) noch beantragt - Kindererziehungszeiten für ihre Töchter L und L1. Sie ist gem. § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten (wie dies gem. § 57 S. 1 SGB VI auch für die zunächst ebenfalls beantragten Kinderberücksichtigungszeiten gilt) ausgeschlossen. Diese Vorschrift ist auch nicht verfassungswidrig. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gem. §§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG auf die Begründung in den Bescheiden der Beklagten und insbesondere gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die ausführlich und sorgfältig dargelegten Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Urteil des SG Detmold Bezug, die er sich nach Überprüfung zu eigen macht.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Vortrag der Klägerin bezüglich einer Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 3 GG bereits schon im Ansatz nicht greift. So hat die Klägerin eine tatsächliche Ungleichbehandlung im Verfahren lediglich behauptet, jedoch in keiner Weise konkretisierend dargelegt. Entgegen ihrer Auffassung lässt sich diese insbesondere auch nicht bereits aus einem Vergleich allein der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Zeiten der Kindererziehung ableiten, da es sich hier - worauf bereits das SG hingewiesen hat - nur um einen einzelnen Faktor eines ganzen Regelungsgefüges handelt. Eine Ungleichbehandlung im Ergebnis eines Vergleichs des gesamten Versorgungssystems der gesetzlichen Rentenversicherung auf der einen Seite und des Versorgungssystems der Beamten auf der anderen Seite hat die Klägerin weder zu benennen, geschweige denn zu beziffern vermocht. Diese ist im Hinblick auf die Komplexität der unterschiedlichen Systeme der Altersversorgung auch nicht erkennbar.
Unabhängig hiervon rügt die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Kern letztlich nicht die Vorschrift des § 56 SGB VI, sondern vielmehr die gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung mindere Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung im Rahmen der Beamtenversorgung. Diese Rüge aber ist im Verhältnis zum Träger der Beamtenversorgung und nicht im Verhältnis zum hier beklagten Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zu verfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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