L 8 R 987/15 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 45 R 1761/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 987/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.10.2015 teilweise geändert und im Hauptausspruch wie folgt gefasst: Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 20.5.2015 wird angeordnet, soweit die Antragsgegnerin Säumniszuschläge in Höhe von 4.767,00 EUR festgesetzt hat. Im Übrigen werden der Antrag der Antragstellerin abgelehnt und die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Antragstellerin vier Fünftel und die Antragsgegnerin ein Fünftel. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.511,20 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist hinsichtlich der im angefochtenen Prüfbescheid festgesetzten Hauptforderung begründet. Insoweit ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20.5.2015 abzulehnen. Hinsichtlich der Säumniszuschläge hat das Sozialgericht (SG) dagegen zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet.

1. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren: Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER; Beschluss v. 11.3.2016, L 8 R 506/14 B ER, jeweils juris). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, a.a.O.; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O.; Beschluss v. 27.6.2013, a.a.O.; Beschluss v. 11.3.2016, a.a.O., jeweils juris).

Ausgehend hiervon bestehen an der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung keine überwiegenden Zweifel (2.), wohl aber hinsichtlich der Festsetzung von Säumniszuschlägen (3.).

2. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des - formell rechtmäßigen - Prüfbescheides durch die Antragsgegnerin ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Beschäftigung in diesem Sinne ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 25; Urteil v. 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 28; Urteil v. 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 26; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil v. 18.11.2015, a.a.O.; Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 24).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit ist regelmäßig vom - wahren und wirksamen - Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Auf dieser Grundlage ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der abhängigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil v. 24.3.2016, B 12 KR 20/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 29; Urteil v. 18.11.2015, a.a.O.; Urteil v. 29.7.2015, a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen keine überwiegenden Zweifel daran, dass die Antragsgegnerin zu Recht - ausgehend von den zwischen den Vertragsparteien bestehenden Vereinbarungen [dazu unter a)] - angenommen hat, Herr A. K.(im Folgenden: A.K.) sei bei der Antragsgegnerin im Streitzeitraum weisungsabhängig und eingegliedert in ihre Arbeitsorganisation tätig geworden [dazu unter b)]. Wesentliche für eine selbständige Tätigkeit sprechende Merkmale sind demgegenüber nicht ersichtlich [dazu unter c)]. Die Höhe der aus der Feststellung versicherungspflichtiger Beschäftigung abgeleiteten Beitragsforderung unterliegt keinen Bedenken [dazu unter d)].

a) Im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass A.K. im gesamten Streitzeitraum gegen Entgelt verpflichtet war, im Wesentlichen die Geschäfte der Antragstellerin zu führen, auch ohne organschaftlich zum Geschäftsführer bestellt zu sein.

aa) A.K. ist ab 1.2.2011 als Geschäftsführer der Antragstellerin tätig geworden (Geschäftsführer-Anstellungsvertrag v. 1.2.2011 [im Folgenden: GV]). Danach war A.K. als Geschäftsführer zur selbständigen und eigenverantwortlichen Leitung des Unternehmens verpflichtet (§ 1 Abs. 2 GV). Er musste seine volle Arbeitskraft, sein gesamtes Wissen und Können in den Dienst des Unternehmens stellen und dessen Interessen nach Kräften wahren (§ 1 Abs. 3 GV). Hierfür erhielt er ein monatliches Bruttogehalt von 1.200 EUR, auf das er allerdings im Rahmen einer Nachtragsvereinbarung v. 18.2.2011 für den Monat Februar verzichtete und das ab dem 1.3.2011 auf (zunächst) 800 EUR brutto abgesenkt wurde. Er hatte daneben Anspruch auf eine Tantieme von 20 % des handelsrechtlichen Jahresüberschusses vor Abzug der Ertragssteuern und der Tantieme (§ 3 Abs. 2 GV) sowie auf bezahlten Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen (§ 4 GV). Änderungen und Ergänzungen des Vertrages bedurften der Schriftform (§ 5 Abs. 1 GV). Das Anstellungsverhältnis konnte mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Jahres gekündigt werden (§ 2 GV).

Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass dieser Vertrag gekündigt, aufgehoben oder geändert worden ist. Die Antragstellerin hat weder eine Kündigungserklärung noch eine Aufhebungsvereinbarung noch einen schriftlichen Änderungsvertrag vorgelegt. Zwar ist A.K. im März 2011 als Geschäftsführer abberufen und die Abberufung zum 1.4.2011 ins Handelsregister eingetragen worden. Die damit verbundene Beendigung der organschaftlichen Stellung beseitigt indessen nicht den zugrunde liegenden Anstellungsvertrag, sodass grundsätzlich von dessen Fortbestand auszugehen ist. Hierfür spricht auch, dass das vereinbarte Gehalt von 800 EUR monatlich unverändert bis zum 31.12.2012 - offenbar auch für Zeiten etwaiger urlaubs- oder krankheitsbedingter Abwesenheit - fortgezahlt und für das Jahr 2013 auf ein Jahresarbeitsentgelt von 23.300 EUR angehoben worden ist. Im Rahmen des weiteren Verfahrens wird überdies zu klären sein, ob nicht sogar die im GV vereinbarte Tantiemeregelung fortgeführt worden ist. Die Gewinnverwendungsbeschlüsse in den vorgelegten Jahresabschlüssen für 2011 und 2012 weisen nämlich eine Tantieme aus, die allerdings erst außerhalb des Streitzeitraums, nämlich im Jahr 2014, ausgezahlt werden sollte. Zwar besteht theoretisch die Möglichkeit, dass diese Tantieme nicht an A.K., sondern an seinen Nachfolger als Geschäftsführer gezahlt worden ist. Indessen enthält zumindest der Anstellungsvertrag der gegenwärtigen Geschäftsführerin keine Tantiemeklausel.

bb) Der Vortrag zum Inhalt etwaiger anderer, an die Stelle des GV getretener Vereinbarungen ist in sich widersprüchlich und daher nicht geeignet, den Fortbestand des GV seinem wesentlichen Inhalt nach ernsthaft in Frage zu stellen.

(1) A.K. selbst hat am 2.10.2014 im "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH" angegeben, seine Mitarbeit sei in einem besonderen Arbeitsvertrag/Dienstvertrag geregelt (Ziff.2.2). In dem danach abgehefteten Fragebogen hat er angegeben, er arbeite für die Antragstellerin seit dem 1.3.2011 als "Berater". Die näheren Arbeitsbedingungen seien nicht schriftlich oder mündlich festgelegt worden (S. 2 des Fragebogens). Diese beiden Angaben schließen einander aus.

(2) Im Anhörungsverfahren hat die Antragstellerin vortragen lassen, zwischen ihr und A.K. habe ab dem 1.3.2011 ein "Beratervertrag" bestanden, in dessen Rahmen er ein Pauschalhonorar erhalten habe. Aus welchen Gründen am 18.2.2011 eine Anpassung des GV zum 1.3.2011 vereinbart worden ist, wenn ab diesem Zeitpunkt nur noch ein Beratervertrag bestehen sollte, erhellt sich daraus indessen nicht. Welche Beratungsleistungen vertraglich geschuldet waren, hat die Antragstellerin ebenfalls nicht dargelegt. Sie hat lediglich zum Inhalt der tatsächlich erbrachten Leistungen vorgetragen, A.K. habe "sämtliche Korrespondenz mit den jeweiligen Behörden geführt", "Vertragsverhandlungen begleitet" und sei "im Bereich Kundenakquise, Verkaufsförderung und Vertragsverhandlung" für die Antragstellerin "beratend tätig" gewesen. Der Umstand, dass diese Leistungen kontinuierlich "pauschal" vergütet wurden - nämlich in gegenüber dem Geschäftsführergehalt von zuletzt vereinbarten 800 EUR ungeschmälerter, später deutlich gestiegener Höhe - und nicht etwa bezogen auf einzelne Beratungsleistungen, erlaubt hingegen den Schluss, dass A.K. vertraglich verpflichtet sein sollte, die von der Antragstellerin beispielhaft konkretisierten Leistungen kontinuierlich zu erbringen und dass diese Leistungen wirtschaftlich für sie zumindest annähernd denselben Wert hatten wie die zuvor vertraglich geschuldete Tätigkeit als Geschäftsführer, bei der A.K. seine gesamte Arbeitskraft zum Wohle der Gesellschaft einzubringen hatte.

cc) Die weiteren (rechts-)tatsächlichen Umstände, soweit sie aus den Akten ersichtlich bzw. von der Antragstellerin vorgetragen worden sind, sprechen gleichermaßen dafür, dass A.K. im Streitzeitraum verpflichtet war, im Wesentlichen die Aufgaben zu erbringen, die dem Geschäftsführer einer Handelsgesellschaft wie der Antragstellerin obliegen, und hierfür entsprechend einer Geschäftsführervergütung monatlich bezahlt wurde.

(1) Die von der Antragstellerin beschriebenen operativen Handlungsfelder (Behördenkorrespondenz, Vertragsverhandlungen, Akquise) entsprechen den wesentlichen Aufgabenbereichen des Geschäftsführers einer GmbH im Rahmen deren Vertretung nach § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz (GmbHG). Überdies belegen die Niederschriften über die ordentlichen Gesellschafterversammlungen der Antragstellerin, dass A.K. für den Alleingesellschafter mit dessen Vollmacht den Jahresabschluss festgestellt und genehmigt hat. Wer anders als er diesen Jahresabschluss i.S.v. § 42a Abs. 1 GmbHG - jedenfalls z.B. für den vorgelegten Jahresabschluss zum 31.12.2011 - vorgelegt und damit diese zentrale Aufgabe eines Geschäftsführers wahrgenommen haben könnte, ist nicht ersichtlich.

(2) Zwar trägt die Antragstellerin vor, A.K. sei nur "beratend" bzw. "begleitend" tätig gewesen. Es ist aber nicht erkennbar, wen A.K. beraten bzw. begleitet haben könnte. Zu Geschäftsführern der Antragstellerin waren zunächst Herr M. K. (im Folgenden: M.K.) und sodann Frau N. B. (N.B.) bestellt. M.K. ist - obwohl zugleich Alleingesellschafter - für die Antragstellerin kaum in Erscheinung getreten, sondern hat sich jedenfalls in Angelegenheiten der Gesellschaft maßgeblich von A.K. vertreten lassen. N.B. ist zunächst als geringfügig Beschäftigte geführt worden (angebliche "Nachtragsvereinbarung" v. 5.7.2013 zu ihrem allerdings erst am 11.7.2013 abgeschlossenen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag) und bezieht offenbar erst seit dem 1.10.2013 ein Bruttojahresgehalt von 24.000 EUR, also - ohne Tantieme - in annähernder Höhe wie A.K. im gesamten Jahr 2013. Es kommt hinzu, dass der tatsächliche Einfluss von A.K. auf die Willensbildung der Antragstellerin und deren Handeln nach außen dem Vortrag der Bevollmächtigten der Antragstellerin ein Ausmaß gehabt haben muss, das weit über einen "Beratervertrag" hinausgeht: Danach hat er - wörtlich - "die Geschäfte [!] nach eigenem Gutdünken" geführt und konnte dabei "frei schalten und walten" wie er wollte.

(3) Da mithin A.K. die Geschäfte der Antragstellerin im Streitzeitraum zumindest weitgehend geführt hat, die Antragstellerin als werbend tätige juristische Person auch darauf angewiesen war, dass eine natürliche für sie maßgeblich handelnd in Erscheinung trat und A.K. zudem regelmäßig für seine Tätigkeit bezahlt worden ist, ist derzeit keine andere Möglichkeit ersichtlich, als dass A.K. zu dieser Tätigkeit für die Antragstellerin rechtlich verpflichtet war. Dass sein rechtlich verbindliches Auftreten für die Gesellschaft nach außen in diesem Sinne trotz der Abberufung als Organ von der Antragstellerin gewollt war, wird überdies durch die Erteilung der Handlungsvollmacht nach § 54 Handelsgesetzbuch bestätigt.

b) Ausgehend von diesem zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festzustellenden Vertragsinhalt ist A.K. im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV weisungsgebunden und eingegliedert in die Arbeitsorganisation der Antragstellerin tätig geworden.

aa) A.K. war verpflichtet, die Belange der Antragstellerin in wesentlichen operativen Bereichen (Korrespondenz, Vertragsverhandlungen, Akquise) wahrzunehmen, und übte damit funktionsgerecht dienend wesentliche Funktionen der Leitung eines für ihn fremden Unternehmens, nämlich der Antragstellerin, aus. Da aber nicht er, sondern entweder M.K. oder N.B. organschaftliche Geschäftsführer des Unternehmens und damit für die Führung der laufenden Geschäfte der Gesellschaft rechtlich verantwortlich waren, unterlag er damit bereits aus Rechtsgründen deren Weisungen (BSG, Urteil v. 29.6.2016, B 12 R 5/14 R, USK 2016-48).

bb) A.K. hatte nicht die Rechtsmacht, ihm nicht genehme Weisungen der Geschäftsführung abzuwenden. Er verfügte nicht über Geschäftsanteile an der Gesellschaft und besaß somit in der Gesellschafterversammlung kein eigenes Stimmrecht. Die ihm seitens des Alleingesellschafters erteilte Stimmrechtsvollmacht konnte rechtswirksam nur widerruflich erteilt werden (BSG, Urteil v. 11.11.2015, B 12 R 2/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 27) und verschaffte ihm daher nicht jederzeit die Rechtsmacht, über die Gesellschafterversammlung einen so bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführer auszuüben, dass er diese daran hindern konnte, ihm Weisungen zu erteilen.

cc) Dass bzw. ob A.K. einen tatsächlichen Einfluss auf den Alleingesellschafter M.K. ausüben konnte, der dazu führte, dass dieser von seiner rechtlichen Weisungsbefugnis in seiner Eigenschaft als (vormaliger) Geschäftsführer ihm gegenüber keinen Gebrauch machte oder in seiner Eigenschaft als Gesellschafter die (spätere) Geschäftsführerin N.B. anwies, A.K. keine Weisungen zu erteilen, ist für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, ist eine Abhängigkeit der Statuszuordnung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen. Zugleich verringert das Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Generierung oder Negierung von Sozialversicherungspflicht. Andernfalls stünde es nämlich gerade bei kleinen (Familien-)Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen (ständige Rechtsprechung: BSG, Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 24 [ausdrückliche Aufgabe der sog. "Kopf und Seele"-Rechtsprechung für das Versicherungs- und Beitragsrecht]; Urteil v. 19.8.2015, B 12 KR 9/14 R, USK 2015-62; Urteil v. 11.11.2015, B 12 R 2/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 27 [zu Familiengesellschaften]; jeweils m.w.N.).

dd) Ob schließlich A.K. Weisungen erteilt worden sind, ist unerheblich. Für die Frage der Weisungsgebundenheit und Eingliederung kommt es hierauf nicht an, weil aus den genannten Gründen entscheidend die Rechtsmacht der Antragstellerin als Arbeitgeberin ist, Weisungen zu erteilen.

c) Wesentliche Merkmale einer selbständigen Tätigkeit sind im Falle von A.K. nicht festzustellen. Weder ist ersichtlich, dass er über eine eigene Betriebsstätte verfügte, noch ging er ein nennenswertes unternehmerisches Risiko ein: Für seine Arbeitsleistung erhielt er eine Monatsvergütung. Kapitaleinsatz mit der Gefahr des Verlustes ist nicht erkennbar. Die Möglichkeit der freien Zeiteinteilung kraft entsprechender vertraglicher Vereinbarung besteht auch bei Arbeitnehmern, zumal dann, wenn sie - wie A.K. im vorliegenden Fall - leitende Funktionen ausüben und sich ihre Tätigkeit dann ohnehin in erster Linie an den Bedürfnissen des Unternehmens ausrichtet.

d) Gegen die Höhe der Beitragsforderung sind Bedenken nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht worden.

3. Demgegenüber wird sich der Widerspruch voraussichtlich nach derzeitigem Sachstand als begründet erweisen, soweit er sich gegen Erhebung von Säumniszuschlägen richtet.

a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen auf 50,00 EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV).

Für die Frage, ob unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist nach der Rechtsprechung des für Betriebsprüfungen zuständigen 12. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) auf diejenigen Maßstäbe zurückzugreifen, die für die Beurteilung des Vorsatzes im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV gelten (BSG, Urteil v. 9.11.2011, B 12 R 18/09 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 13; Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7; Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7).

Danach ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Arbeitgeber die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthält, er also seine Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf nimmt (BSG, Urteil v. 16.12.2015, B 12 R 11/14 R, SozR 4-2400 § 28p Nr. 6; Urteil v. 18.11.2015, B 12 R 7/14 R, juris; Urteil v. 30.3.2000, a.a.O.). Der Vorsatz darf regelmäßig nicht pauschal aufgrund allgemeiner rechtlicher Erwägungen unterstellt werden, sondern ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell zu ermitteln.

b) Auf dieser Grundlage ist derzeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich die Erhebung von Säumniszuschlägen in der Hauptsache als rechtswidrig erweisen wird.

aa) Die Antragsgegnerin begründet die Festsetzung von Säumniszuschlägen allein damit, dass die Lohn- und Gehaltsabrechnung im Betrieb der Antragstellerin von eigenem fachkundigem Personal bzw. von einer Abrechnungsstelle vorgenommen worden sei. Mit dieser Begründung wird den Anforderungen der Rechtsprechung an einzelfallbezogene Feststellungen nicht einmal ansatzweise genüge getan, weil schon nicht dargetan ist, das Wissen welcher Personen individuell-konkret aus welchen Gründen der Antragstellerin zugerechnet wird. Fehlen indessen Feststellungen der Antragsgegnerin zu einem Sachverhalt, an den sie beitragsrechtliche Konsequenzen knüpft, vollständig, so ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auszugehen.

bb) Lediglich ergänzend ist daher darauf hinzuweisen, dass das SG die statusrechtliche Beurteilung der Antragstellerin mit ausführlicher Begründung verneint hat. Der Senat hat bereits entschieden, dass in einem solchen Fall in aller Regel nicht einmal von einer grob fahrlässigen Falschbeurteilung des Sachverhalts seitens der Beteiligten ausgegangen werden kann (Senat, Urteil v. 15.3.2013, L 8 R 606/11, juris). Erst recht gilt dies für die Annahme bedingten Vorsatzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung, die Entscheidung über den Streitwert auf §§ 52, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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