Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 2 EG 25/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 EG 9/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 EG 16/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.02.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Leistungen nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) für den 14. Lebensmonat seines Sohnes K I.
Der am 00.00.1972 geborene Kläger ist in zweiter Ehe mit seiner Bevollmächtigten verheiratet. Aus einer früheren Ehe stammen zwei Kinder, von denen eines mittlerweile im Haushalt des Klägers lebt. Für das erste der in der jetzigen Ehe geborenen weiteren zwei Kinder bezog der Kläger Elterngeld von Dezember 2012 bis Dezember 2013. Am 00.00.2014, ca. eine Woche vor dem errechneten Geburtstermin, wurde der Sohn K geboren.
Die Bevollmächtigte bezog vom Bundesversicherungsamt 210,00 EUR Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mütter (MuSchG) und erhielt von ihrem Arbeitgeber, der Universität I, vom 25.03.2014 bis zum 01.07.2014 einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 91,80 EUR kalendertäglich. Ab dem 02.07.2014 war sie wieder in Vollzeit bei der Universität I beschäftigt. Der Kläger erzielte 2012 Bruttoeinkünfte in Höhe von zunächst 5.719,60 EUR und ab September 2012 in Höhe von 3.919,60 EUR. Von Ende 2013 bis zum 27.06.2014 erhielt er Arbeitslosengeld in Höhe von 50,20 EUR kalendertäglich.
Am 28.05.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten Elterngeld für die Betreuung seines Sohnes K für den dritten bis zum 14. Lebensmonat. Die Bevollmächtigte beantragte kein Elterngeld.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 26.06.2014 Elterngeld unter Einbeziehung eines Geschwisterbonus in Höhe von 1980,00 EUR für den dritten bis zum 13. Lebensmonat seines Sohnes K, also vom 28.06.2014 bis zum 27.05.2015. Eine Zahlung über den 27.05.2015 hinaus komme nicht in Betracht. "Die Voraussetzungen für die Zahlung ... für mehr als 12 Monate" seien nicht gegeben, da nach § 4 Abs. 3 BEEG Monate, in denen zB Mutterschaftsgeld bezogen werde, bereits als Bezugsmonate gelten würden.
In der zweiten Jahreshälfte 2014 verzog der Kläger nach H im Kreis T. Wegen des Unterhalts für die beiden aus der ersten Ehe stammenden Kinder erging im November 2014 ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts (AG) T. Die Vollstreckung aus diesem wurde auf gerichtliche Anordnung vorübergehend eingestellt (Beschlüsse des AG T vom 22.12.2014 und 03.06.2015).
Am 03.02.2015 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Zahlung von Elterngeld für einen weiteren Monat geltend. Es seien Leistungen für zwölf Monate bewilligt worden, aber nur elf Auszahlungstermine vorgesehen.
Die Beklagte wertete das Schreiben als Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) und lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 13.02.2015 ab. Der Kläger legte am 09.03.2015 Widerspruch ein. Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26.05.2011 - B 10 EG 11/10 R ergebe sich, dass eine Fiktion von Elterngeldbezug nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG voraussetze, dass der Bezieher der dort genannten Leistungen die Voraussetzungen des § 1 BEEG dem Grunde nach erfülle. Das sei bei der Bevollmächtigten aber nicht der Fall gewesen, da diese während des Mutterschutzes in einem Umfang von 40 Wochenstunden ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwältin nachgegangen und ab dem 02.07.2014 wieder in Vollzeit bei der Universität I beschäftigt gewesen sei.
Der Kläger stellte beim Sozialgericht Münster einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Beklagte trug vor, das von dem Kläger angeführte Urteil betreffe eine alte Fassung des BEEG. Der Gesetzgeber habe § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG in Ansehung dieses Urteils dahingehend geändert, dass es nun nicht mehr auf die Leistungsberechtigung dem Grunde nach ankomme. Das Sozialgericht lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 21.05.2015 ab (S 2 EG 6/15 ER).
Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2015 zurück.
Der Kläger hat am 08.11.2015 beim Sozialgericht Münster Klage erhoben. Der Bescheid vom 26.06.2014 sei angesichts der Erwähnung von zwölf Monaten in der Begründung so auszulegen, dass Elterngeld für zwölf Monate bewilligt worden sei. Jedenfalls bestehe ein entsprechender Anspruch nach dem BEEG. Andernfalls werde eine Familie benachteiligt, in der die Mutter das Familieneinkommen erwirtschafte. Die Mutter werde bereits durch den Mutterschutz zu einer Einkommenseinbuße gezwungen. Werde das Kind wie hier zu früh geboren und der Mutterschutz deswegen so verlängert, dass er bis in den dritten Lebensmonat des Kindes hineinreiche, verliere der betreuende Vater einen Monat Elterngeld. Es sei sowohl gleichheitswidrig, als auch unverhältnismäßig, wenn Leistungen für einen vollen Monat verloren gingen, auch wenn die Mutterschaftsleistungen sich nur geringfügig mit dem dritten Lebensmonat überschnitten.
Die Beklagte hat eingewandt, für die Frage, ob Leistungen für den dritten Lebensmonat zustünden, komme es nicht darauf an, welcher Partner Elterngeld beziehe. Eine Verletzung von Grundrechten sei nicht ersichtlich.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 01.02.2016 abgewiesen. Aus dem Verfügungssatz des Bescheides vom 26.06.2014 ergebe sich eine Leistungsgewährung nur für elf Monate. Diese sei unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens bei der Neufassung von § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG rechtmäßig. Ein Verfassungsverstoß liege nicht vor.
Der Kläger hat gegen das seiner Bevollmächtigten am 09.02.2016 zugestellte Urteil am 09.03.2016 Berufung eingelegt. Er sei dem Grunde nach für das nicht in seinem Haushalt lebende Kind aus erster Ehe barunterhaltspflichtig, derzeit aber nicht leistungsfähig. Der hier streitige Leistungsanspruch ergebe sich bereits aus dem Bescheid vom 26.06.2014 sowie aus Vertrauensschutzgesichtspunkten. Der gesetzgeberische Wille habe in der Neufassung von § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG keinen hinreichenden Niederschlag gefunden. Denkbar sei allenfalls eine anteilige Kürzung des Elterngeldanspruches, soweit sich Mutterschaftsleistungen und dritter Lebensmonat überlappten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.02.2016 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 08.10.2015 zu verurteilen, den Bescheid vom 26.06.2014 teilweise zurückzunehmen und ihm für den 14. Lebensmonat seines Sohnes K Elterngeld in Höhe von 1980,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, die Gerichtsakte des beigezogenen Verfahrens S 2 EG 6/15 ER und auf die ebenfalls beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere fristgerechte und nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist unbegründet.
Streitgegenstand ist der Anspruch des Klägers auf Elterngeld für den 14. Lebensmonat seines Sohnes K im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X.
Richtiger Klagegegner ist die Stadt Münster, die den zu überprüfenden Bescheid erlassen hat. Zwar sieht § 26 Abs. 1 BEEG i.V.m. § 44 Abs. 3 SGB X vor, dass über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die (aktuell) zuständige Behörde entscheidet. Das wäre nach zwischenzeitlichem Umzug des Klägers in die zum Kreis T gehörende Stadt H ebendieser Kreis. Denn gemäß § 12 BEEG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und nach dem Bundeskindergeldgesetz ist örtlich zuständig der Kreis bzw. die kreisangehörige Stadt, in dem/der der Betreffende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. § 44 Abs. 3 SGB X findet aber dann keine Anwendung, wenn wie hier die Verbandszuständigkeit des jeweiligen kommunalen Trägers in Bezug genommen wird (vgl. für die kommunalen Träger der Leistungen nach dem SGB II BSG, Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 133/11 R, juris Rn 13; Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 44 Rn 37a; Heße, in: BeckOK-SGB X, § 44 SGB X, Stand: 01.04.2016, Rn 24 und § 45 Rn 52; krit. Baumeister, in: jurisPK-SGB X, Stand: 19.06.2015, § 44 Rn 151.1; Groth, in: jurisPR-SozR 2/2013, Anm. 2; Greiser, in: jurisPK-SGB XII, § 136 in der Fassung vom 24.03.2011 Rn 23.2).
Zuständig für die Erteilung des Widerspruchsbescheides war die Bezirksregierung Münster nach § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und nach dem Bundeskindergeldgesetz.
Die als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage auszulegende Klage (vgl. zur Klageart im Fall von § 44 SGB X BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 34/11 R, Rn 30) ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 26.06.2014 und Zahlung von Elterngeld für den 14. Lebensmonat seines Sohnes K, also für die Zeit vom 28.05.2015 bis zum 27.06.2015.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 26 Abs. 1 BEEG i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Der Kläger erfüllt für den streitigen Monat zwar die Leistungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 BEEG in der bis zum 31.12.2014 gültigen Fassung, die gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BEEG weiter anwendbar ist. Mit der bereits erfolgten Gewährung von Leistungen für elf Lebensmonate war der ihm zustehende Leistungsanspruch aber erschöpft.
Ein weitergehender Anspruch ergibt sich nicht schon aus dem Bescheid vom 26.06.2014. Das Sozialgericht hat zutreffend dargelegt, dass nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (vgl. hierzu Luthe, in: jurisPK-SGB X, Stand: 09.03.2015, § 31 Rn 26 ff.) der Bescheid nur so verstanden werden konnte, dass Leistungen für elf Monate bewilligt werden. Im Verfügungssatz auf Seite 1 werden in einer Tabelle elf Monate, nämlich dritter bis dreizehnter Lebensmonat, aufgelistet. Die entsprechenden und zutreffenden Daten werden in den ausdrücklich so bezeichneten Gründen wiederholt. Soweit es dann in dem zweiten Absatz zur Begründung des Leistungsendes am 27.05.2015 heißt, dass "die Voraussetzungen für die Zahlung des Elterngeldes für mehr als 12 Monate insoweit nicht vorliegen", handelte es sich um eine offenbare Unrichtigkeit. Im Übrigen beinhaltet die Formulierung "nicht mehr als" nicht zwingend eine Bejahung der Leistungsvoraussetzungen für 12 Monate.
Ein weitergehender Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BEEG in der vom 18.09.2012 bis zum 31.12.2014 gültigen Fassung, die gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BEEG weiter anwendbar ist, haben Eltern insgesamt Anspruch auf zwölf Monatsbeträge. Sie haben Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG kann ein Elternteil für höchstens zwölf Monate Elterngeld beziehen. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG gelten Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Abs. 1 Nr. 1-3 BEEG anzurechnende Leistungen zustehen, als Monate, für die dieser Elternteil Elterngeld bezieht. § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG führt zu einer Verkürzung der Bezugsdauer, die betreffenden Monate gelten als verbraucht (vgl. Jaritz, in: Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 1. Aufl. 2014, § 4 BEEG Rn 35). Hier bezog die Bevollmächtigte bis zum 01.07.2014 und damit bis in den dritten Lebensmonat des Kindes hinein zum einen Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 2 MuSchG, das in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BEEG ausdrücklich ausgenommen wird, zum anderen aber auch einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG, der von § 3 Abs. 1 Nr. 1 BEEG erfasst wird (vgl. Jaritz, a.a.O., § 3 Rn 33). Mit dem fiktiven Verbrauch von drei Lebensmonaten durch die Bevollmächtigte verbleiben für den Kläger nur elf Lebensmonate. Wegen der Geltung des Lebensmonatsprinzips werden Leistungen für den dritten Lebensmonat auch dann vollständig ausgeschlossen, wenn die in § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG in Bezug genommene Leistung wie hier nur für einen Teil dieses Monats gezahlt wird. Eine nur anteilige Kürzung des Elterngeldes für den betreffenden Lebensmonat kommt nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 10 EG 11/10 R, Rn 15 ff.; Urteil vom 26.05.2011 - B 10 EG 12/10 R, Rn 29 ff. und zuletzt Urteil vom 27.06.2013 - B 10 EG 8/12 R, Rn 62 aE; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.09.2015 - L 11 EG 109/15, juris Rn 24; Jaritz, a.a.O., § 4 Rn 35; krit. hierzu im Zusammenhang mit der Diskussion um die Neufassung die Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag, vgl. BT-Drs. 17/9841, S. 16 und der Abgeordnete Wunderlich, BT-PlPr. 17/184, 22070; grundlegend zum Lebensmonatsprinzip BSG, Teilurteil vom 30.09.2010 - B 10 EG 9/09 R, Rn 38). Dass sich im Fall von Frühgeburten nach § 6 Abs. 1 Satz 2 MuSchG die Schutzfrist für Mütter und die Anrechenbarkeit der Mutterschaftsleistungen auf das Elterngeld verlängert, ist eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung und begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2012 - B 10 EG 19/11 R, Rn 21 ff., speziell zur Verfassungsmäßigkeit Rn 27 ff.; zu dieser Entscheidung Marburger, in: jurisPR-SozR 12/2013, Anm. 5; Jaritz, a.a.O., § 3 Rn 29; Wersig, in: jurisPK-Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Stand: 22.03.2013, § 4 BEEG Rn 4.3; krit. hierzu im Zusammenhang mit der Diskussion um die Neufassung der Abgeordnete Marks, BT-PlPr. 17/184, 22068; vgl. zur Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs. 3 BEEG auch Hessisches LSG, Urteil vom 26.09.2011 - L 6 EG 4/09, juris Rn 23 ff., das dem Urteil des BSG vom 20.12.2012 vorausging).
Eine einschränkende Auslegung von § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG dahingehend, dass in dem betreffenden Monat eine Anrechnung der in § 3 BEEG genannten Leistungen bei der betreffenden Person nur dann zu erfolgen hat, wenn diese auch konkret leistungsberechtigt im Sinne von § 1 BEEG ist, also insbesondere - und anders als im Fall der Bevollmächtigten - keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt, ist nicht möglich. Zwar hat das BSG die bis zum 17.09.2012 gültige Fassung von § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG genau so ausgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 10 EG 11/10 R, Rn 19 ff. und Urteil vom 26.05.2011 - B 10 EG 12/10 R, Rn 22 ff.; zu dieser Entscheidung Dau, in: jurisPR-SozR 9/2012, Anm. 6). Der Gesetzgeber ist dieser Auslegung jedoch durch Neufassung von § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG entgegen getreten und hat insbesondere den dem BSG in der vorherigen Fassung als Ausgangspunkt seiner Auslegung dienenden Begriff der "berechtigten Person" aus dem Gesetz gestrichen (BT-Drs. 17/9841, S. 29; vgl. auch Wersig, a.a.O., Rn 4.2; Grüner/Dalichau, BEEG, Stand: 01.06.2015, § 4 bis 30.06.2015, S. 35-36). Es mag zutreffen, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung über das vom BSG herausgestellte gesetzliche Ziel der Vermeidung zweckidentischer Doppelleistungen in Gestalt von Mutterschaftsleistungen und Elterngeld hinausgeht (vgl. Dau, in: jurisPR-SozR 20/2012, Anm. 1 B.f.; Grüner/Dalichau, a.a.O., S. 36). Aufgrund der eindeutigen und mit dem Gesetzeswortlaut ohne Weiteres vereinbaren Aussage im Gesetzgebungsverfahren kommt aus Sicht des Senats aber eine andere Auslegung nicht in Betracht (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.09.2015 - L 11 EG 109/15, juris Rn 26).
§ 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG in der ab dem 18.09.2012 gültigen Fassung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht und ist auch nicht im vorgenannten Sinne einschränkend verfassungskonform auszulegen. Das BSG selbst hat für die frühere Gesetzesfassung eine Verfassungsmäßigkeit ausdrücklich bejaht, allerdings unter Berücksichtigung seiner den Anwendungsbereich einschränkenden Auslegung (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 10 EG 12/10 R, Rn 32 ff.). Es ist jedoch nicht erkennbar, dass die durch die Neufassung erfolgende Ausweitung des Anwendungsbereiches nunmehr zu einer anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung führt. Dabei ist zunächst der weite Anwendungsspielraum des Gesetzgebers im Bereich der Familienförderung zu beachten, den auch das BSG hervorhebt (vgl. BSG, a.a.O., Rn 35). Eine relevante Einschränkung der von Art. 6 GG geschützten elterlichen Gestaltungsfreiheit bei der innerfamiliären Aufgabenverteilung ist nicht gegeben. Denn es geht bei der hier zugrunde liegenden Problematik nur um Leistungen für einen, nämlich den dritten Lebensmonat des Kindes (im Ergebnis ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.09.2015 - L 11 EG 109/15, juris Rn 30 aE). Der vom Gesetzgeber bei der Neuregelung in den Vordergrund gestellte Gedanke der Verwaltungsvereinfachung, der auch im Namen des Gesetzes seinen Niederschlag gefunden hat ("Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzuges") und vom BSG wiederholt als sachlicher Rechtfertigungsgrund anerkannt worden ist (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 15.12.2015 - B 10 EG 6/14 R, Rn 18 f.), rechtfertigt es, Leistungen für einen, aber eben auch nur einen Lebensmonat auszuschließen, wenn ein Bezug von Mutterschaftsleistungen in diesem Monat erfolgt und sei es auch nur für einen Tag (vgl. zur Relevanz der Eingriffsintensität auf den Prüfungsmaßstab im Rahmen von Art. 3 GG Jung, Elterngeld und Verfassungsrecht, WzS 2012, S. 38 ff. (42)).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Leistungen nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) für den 14. Lebensmonat seines Sohnes K I.
Der am 00.00.1972 geborene Kläger ist in zweiter Ehe mit seiner Bevollmächtigten verheiratet. Aus einer früheren Ehe stammen zwei Kinder, von denen eines mittlerweile im Haushalt des Klägers lebt. Für das erste der in der jetzigen Ehe geborenen weiteren zwei Kinder bezog der Kläger Elterngeld von Dezember 2012 bis Dezember 2013. Am 00.00.2014, ca. eine Woche vor dem errechneten Geburtstermin, wurde der Sohn K geboren.
Die Bevollmächtigte bezog vom Bundesversicherungsamt 210,00 EUR Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mütter (MuSchG) und erhielt von ihrem Arbeitgeber, der Universität I, vom 25.03.2014 bis zum 01.07.2014 einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 91,80 EUR kalendertäglich. Ab dem 02.07.2014 war sie wieder in Vollzeit bei der Universität I beschäftigt. Der Kläger erzielte 2012 Bruttoeinkünfte in Höhe von zunächst 5.719,60 EUR und ab September 2012 in Höhe von 3.919,60 EUR. Von Ende 2013 bis zum 27.06.2014 erhielt er Arbeitslosengeld in Höhe von 50,20 EUR kalendertäglich.
Am 28.05.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten Elterngeld für die Betreuung seines Sohnes K für den dritten bis zum 14. Lebensmonat. Die Bevollmächtigte beantragte kein Elterngeld.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 26.06.2014 Elterngeld unter Einbeziehung eines Geschwisterbonus in Höhe von 1980,00 EUR für den dritten bis zum 13. Lebensmonat seines Sohnes K, also vom 28.06.2014 bis zum 27.05.2015. Eine Zahlung über den 27.05.2015 hinaus komme nicht in Betracht. "Die Voraussetzungen für die Zahlung ... für mehr als 12 Monate" seien nicht gegeben, da nach § 4 Abs. 3 BEEG Monate, in denen zB Mutterschaftsgeld bezogen werde, bereits als Bezugsmonate gelten würden.
In der zweiten Jahreshälfte 2014 verzog der Kläger nach H im Kreis T. Wegen des Unterhalts für die beiden aus der ersten Ehe stammenden Kinder erging im November 2014 ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts (AG) T. Die Vollstreckung aus diesem wurde auf gerichtliche Anordnung vorübergehend eingestellt (Beschlüsse des AG T vom 22.12.2014 und 03.06.2015).
Am 03.02.2015 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Zahlung von Elterngeld für einen weiteren Monat geltend. Es seien Leistungen für zwölf Monate bewilligt worden, aber nur elf Auszahlungstermine vorgesehen.
Die Beklagte wertete das Schreiben als Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) und lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 13.02.2015 ab. Der Kläger legte am 09.03.2015 Widerspruch ein. Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26.05.2011 - B 10 EG 11/10 R ergebe sich, dass eine Fiktion von Elterngeldbezug nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG voraussetze, dass der Bezieher der dort genannten Leistungen die Voraussetzungen des § 1 BEEG dem Grunde nach erfülle. Das sei bei der Bevollmächtigten aber nicht der Fall gewesen, da diese während des Mutterschutzes in einem Umfang von 40 Wochenstunden ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwältin nachgegangen und ab dem 02.07.2014 wieder in Vollzeit bei der Universität I beschäftigt gewesen sei.
Der Kläger stellte beim Sozialgericht Münster einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Beklagte trug vor, das von dem Kläger angeführte Urteil betreffe eine alte Fassung des BEEG. Der Gesetzgeber habe § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG in Ansehung dieses Urteils dahingehend geändert, dass es nun nicht mehr auf die Leistungsberechtigung dem Grunde nach ankomme. Das Sozialgericht lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 21.05.2015 ab (S 2 EG 6/15 ER).
Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2015 zurück.
Der Kläger hat am 08.11.2015 beim Sozialgericht Münster Klage erhoben. Der Bescheid vom 26.06.2014 sei angesichts der Erwähnung von zwölf Monaten in der Begründung so auszulegen, dass Elterngeld für zwölf Monate bewilligt worden sei. Jedenfalls bestehe ein entsprechender Anspruch nach dem BEEG. Andernfalls werde eine Familie benachteiligt, in der die Mutter das Familieneinkommen erwirtschafte. Die Mutter werde bereits durch den Mutterschutz zu einer Einkommenseinbuße gezwungen. Werde das Kind wie hier zu früh geboren und der Mutterschutz deswegen so verlängert, dass er bis in den dritten Lebensmonat des Kindes hineinreiche, verliere der betreuende Vater einen Monat Elterngeld. Es sei sowohl gleichheitswidrig, als auch unverhältnismäßig, wenn Leistungen für einen vollen Monat verloren gingen, auch wenn die Mutterschaftsleistungen sich nur geringfügig mit dem dritten Lebensmonat überschnitten.
Die Beklagte hat eingewandt, für die Frage, ob Leistungen für den dritten Lebensmonat zustünden, komme es nicht darauf an, welcher Partner Elterngeld beziehe. Eine Verletzung von Grundrechten sei nicht ersichtlich.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 01.02.2016 abgewiesen. Aus dem Verfügungssatz des Bescheides vom 26.06.2014 ergebe sich eine Leistungsgewährung nur für elf Monate. Diese sei unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens bei der Neufassung von § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG rechtmäßig. Ein Verfassungsverstoß liege nicht vor.
Der Kläger hat gegen das seiner Bevollmächtigten am 09.02.2016 zugestellte Urteil am 09.03.2016 Berufung eingelegt. Er sei dem Grunde nach für das nicht in seinem Haushalt lebende Kind aus erster Ehe barunterhaltspflichtig, derzeit aber nicht leistungsfähig. Der hier streitige Leistungsanspruch ergebe sich bereits aus dem Bescheid vom 26.06.2014 sowie aus Vertrauensschutzgesichtspunkten. Der gesetzgeberische Wille habe in der Neufassung von § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG keinen hinreichenden Niederschlag gefunden. Denkbar sei allenfalls eine anteilige Kürzung des Elterngeldanspruches, soweit sich Mutterschaftsleistungen und dritter Lebensmonat überlappten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.02.2016 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 08.10.2015 zu verurteilen, den Bescheid vom 26.06.2014 teilweise zurückzunehmen und ihm für den 14. Lebensmonat seines Sohnes K Elterngeld in Höhe von 1980,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, die Gerichtsakte des beigezogenen Verfahrens S 2 EG 6/15 ER und auf die ebenfalls beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere fristgerechte und nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist unbegründet.
Streitgegenstand ist der Anspruch des Klägers auf Elterngeld für den 14. Lebensmonat seines Sohnes K im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X.
Richtiger Klagegegner ist die Stadt Münster, die den zu überprüfenden Bescheid erlassen hat. Zwar sieht § 26 Abs. 1 BEEG i.V.m. § 44 Abs. 3 SGB X vor, dass über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die (aktuell) zuständige Behörde entscheidet. Das wäre nach zwischenzeitlichem Umzug des Klägers in die zum Kreis T gehörende Stadt H ebendieser Kreis. Denn gemäß § 12 BEEG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und nach dem Bundeskindergeldgesetz ist örtlich zuständig der Kreis bzw. die kreisangehörige Stadt, in dem/der der Betreffende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. § 44 Abs. 3 SGB X findet aber dann keine Anwendung, wenn wie hier die Verbandszuständigkeit des jeweiligen kommunalen Trägers in Bezug genommen wird (vgl. für die kommunalen Träger der Leistungen nach dem SGB II BSG, Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 133/11 R, juris Rn 13; Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 44 Rn 37a; Heße, in: BeckOK-SGB X, § 44 SGB X, Stand: 01.04.2016, Rn 24 und § 45 Rn 52; krit. Baumeister, in: jurisPK-SGB X, Stand: 19.06.2015, § 44 Rn 151.1; Groth, in: jurisPR-SozR 2/2013, Anm. 2; Greiser, in: jurisPK-SGB XII, § 136 in der Fassung vom 24.03.2011 Rn 23.2).
Zuständig für die Erteilung des Widerspruchsbescheides war die Bezirksregierung Münster nach § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und nach dem Bundeskindergeldgesetz.
Die als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage auszulegende Klage (vgl. zur Klageart im Fall von § 44 SGB X BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 34/11 R, Rn 30) ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 26.06.2014 und Zahlung von Elterngeld für den 14. Lebensmonat seines Sohnes K, also für die Zeit vom 28.05.2015 bis zum 27.06.2015.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 26 Abs. 1 BEEG i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Der Kläger erfüllt für den streitigen Monat zwar die Leistungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 BEEG in der bis zum 31.12.2014 gültigen Fassung, die gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BEEG weiter anwendbar ist. Mit der bereits erfolgten Gewährung von Leistungen für elf Lebensmonate war der ihm zustehende Leistungsanspruch aber erschöpft.
Ein weitergehender Anspruch ergibt sich nicht schon aus dem Bescheid vom 26.06.2014. Das Sozialgericht hat zutreffend dargelegt, dass nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (vgl. hierzu Luthe, in: jurisPK-SGB X, Stand: 09.03.2015, § 31 Rn 26 ff.) der Bescheid nur so verstanden werden konnte, dass Leistungen für elf Monate bewilligt werden. Im Verfügungssatz auf Seite 1 werden in einer Tabelle elf Monate, nämlich dritter bis dreizehnter Lebensmonat, aufgelistet. Die entsprechenden und zutreffenden Daten werden in den ausdrücklich so bezeichneten Gründen wiederholt. Soweit es dann in dem zweiten Absatz zur Begründung des Leistungsendes am 27.05.2015 heißt, dass "die Voraussetzungen für die Zahlung des Elterngeldes für mehr als 12 Monate insoweit nicht vorliegen", handelte es sich um eine offenbare Unrichtigkeit. Im Übrigen beinhaltet die Formulierung "nicht mehr als" nicht zwingend eine Bejahung der Leistungsvoraussetzungen für 12 Monate.
Ein weitergehender Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BEEG in der vom 18.09.2012 bis zum 31.12.2014 gültigen Fassung, die gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BEEG weiter anwendbar ist, haben Eltern insgesamt Anspruch auf zwölf Monatsbeträge. Sie haben Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG kann ein Elternteil für höchstens zwölf Monate Elterngeld beziehen. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG gelten Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Abs. 1 Nr. 1-3 BEEG anzurechnende Leistungen zustehen, als Monate, für die dieser Elternteil Elterngeld bezieht. § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG führt zu einer Verkürzung der Bezugsdauer, die betreffenden Monate gelten als verbraucht (vgl. Jaritz, in: Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 1. Aufl. 2014, § 4 BEEG Rn 35). Hier bezog die Bevollmächtigte bis zum 01.07.2014 und damit bis in den dritten Lebensmonat des Kindes hinein zum einen Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 2 MuSchG, das in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BEEG ausdrücklich ausgenommen wird, zum anderen aber auch einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG, der von § 3 Abs. 1 Nr. 1 BEEG erfasst wird (vgl. Jaritz, a.a.O., § 3 Rn 33). Mit dem fiktiven Verbrauch von drei Lebensmonaten durch die Bevollmächtigte verbleiben für den Kläger nur elf Lebensmonate. Wegen der Geltung des Lebensmonatsprinzips werden Leistungen für den dritten Lebensmonat auch dann vollständig ausgeschlossen, wenn die in § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG in Bezug genommene Leistung wie hier nur für einen Teil dieses Monats gezahlt wird. Eine nur anteilige Kürzung des Elterngeldes für den betreffenden Lebensmonat kommt nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 10 EG 11/10 R, Rn 15 ff.; Urteil vom 26.05.2011 - B 10 EG 12/10 R, Rn 29 ff. und zuletzt Urteil vom 27.06.2013 - B 10 EG 8/12 R, Rn 62 aE; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.09.2015 - L 11 EG 109/15, juris Rn 24; Jaritz, a.a.O., § 4 Rn 35; krit. hierzu im Zusammenhang mit der Diskussion um die Neufassung die Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag, vgl. BT-Drs. 17/9841, S. 16 und der Abgeordnete Wunderlich, BT-PlPr. 17/184, 22070; grundlegend zum Lebensmonatsprinzip BSG, Teilurteil vom 30.09.2010 - B 10 EG 9/09 R, Rn 38). Dass sich im Fall von Frühgeburten nach § 6 Abs. 1 Satz 2 MuSchG die Schutzfrist für Mütter und die Anrechenbarkeit der Mutterschaftsleistungen auf das Elterngeld verlängert, ist eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung und begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2012 - B 10 EG 19/11 R, Rn 21 ff., speziell zur Verfassungsmäßigkeit Rn 27 ff.; zu dieser Entscheidung Marburger, in: jurisPR-SozR 12/2013, Anm. 5; Jaritz, a.a.O., § 3 Rn 29; Wersig, in: jurisPK-Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Stand: 22.03.2013, § 4 BEEG Rn 4.3; krit. hierzu im Zusammenhang mit der Diskussion um die Neufassung der Abgeordnete Marks, BT-PlPr. 17/184, 22068; vgl. zur Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs. 3 BEEG auch Hessisches LSG, Urteil vom 26.09.2011 - L 6 EG 4/09, juris Rn 23 ff., das dem Urteil des BSG vom 20.12.2012 vorausging).
Eine einschränkende Auslegung von § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG dahingehend, dass in dem betreffenden Monat eine Anrechnung der in § 3 BEEG genannten Leistungen bei der betreffenden Person nur dann zu erfolgen hat, wenn diese auch konkret leistungsberechtigt im Sinne von § 1 BEEG ist, also insbesondere - und anders als im Fall der Bevollmächtigten - keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt, ist nicht möglich. Zwar hat das BSG die bis zum 17.09.2012 gültige Fassung von § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG genau so ausgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 10 EG 11/10 R, Rn 19 ff. und Urteil vom 26.05.2011 - B 10 EG 12/10 R, Rn 22 ff.; zu dieser Entscheidung Dau, in: jurisPR-SozR 9/2012, Anm. 6). Der Gesetzgeber ist dieser Auslegung jedoch durch Neufassung von § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG entgegen getreten und hat insbesondere den dem BSG in der vorherigen Fassung als Ausgangspunkt seiner Auslegung dienenden Begriff der "berechtigten Person" aus dem Gesetz gestrichen (BT-Drs. 17/9841, S. 29; vgl. auch Wersig, a.a.O., Rn 4.2; Grüner/Dalichau, BEEG, Stand: 01.06.2015, § 4 bis 30.06.2015, S. 35-36). Es mag zutreffen, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung über das vom BSG herausgestellte gesetzliche Ziel der Vermeidung zweckidentischer Doppelleistungen in Gestalt von Mutterschaftsleistungen und Elterngeld hinausgeht (vgl. Dau, in: jurisPR-SozR 20/2012, Anm. 1 B.f.; Grüner/Dalichau, a.a.O., S. 36). Aufgrund der eindeutigen und mit dem Gesetzeswortlaut ohne Weiteres vereinbaren Aussage im Gesetzgebungsverfahren kommt aus Sicht des Senats aber eine andere Auslegung nicht in Betracht (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.09.2015 - L 11 EG 109/15, juris Rn 26).
§ 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG in der ab dem 18.09.2012 gültigen Fassung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht und ist auch nicht im vorgenannten Sinne einschränkend verfassungskonform auszulegen. Das BSG selbst hat für die frühere Gesetzesfassung eine Verfassungsmäßigkeit ausdrücklich bejaht, allerdings unter Berücksichtigung seiner den Anwendungsbereich einschränkenden Auslegung (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 10 EG 12/10 R, Rn 32 ff.). Es ist jedoch nicht erkennbar, dass die durch die Neufassung erfolgende Ausweitung des Anwendungsbereiches nunmehr zu einer anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung führt. Dabei ist zunächst der weite Anwendungsspielraum des Gesetzgebers im Bereich der Familienförderung zu beachten, den auch das BSG hervorhebt (vgl. BSG, a.a.O., Rn 35). Eine relevante Einschränkung der von Art. 6 GG geschützten elterlichen Gestaltungsfreiheit bei der innerfamiliären Aufgabenverteilung ist nicht gegeben. Denn es geht bei der hier zugrunde liegenden Problematik nur um Leistungen für einen, nämlich den dritten Lebensmonat des Kindes (im Ergebnis ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.09.2015 - L 11 EG 109/15, juris Rn 30 aE). Der vom Gesetzgeber bei der Neuregelung in den Vordergrund gestellte Gedanke der Verwaltungsvereinfachung, der auch im Namen des Gesetzes seinen Niederschlag gefunden hat ("Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzuges") und vom BSG wiederholt als sachlicher Rechtfertigungsgrund anerkannt worden ist (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 15.12.2015 - B 10 EG 6/14 R, Rn 18 f.), rechtfertigt es, Leistungen für einen, aber eben auch nur einen Lebensmonat auszuschließen, wenn ein Bezug von Mutterschaftsleistungen in diesem Monat erfolgt und sei es auch nur für einen Tag (vgl. zur Relevanz der Eingriffsintensität auf den Prüfungsmaßstab im Rahmen von Art. 3 GG Jung, Elterngeld und Verfassungsrecht, WzS 2012, S. 38 ff. (42)).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
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