Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AL 173/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AL 147/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ob ein wichtiger Grund i.S.v. § 159 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB III bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag vorliegt, beurteilt sich nach objektiven Kriterien. Kommt es dabei auf die arbeitsrechtliche Situation (insbesondere die Möglichkeit einer Kündigung durch den Arbeitgeber zum gleichen Beendigungszeitpunkt wie im Aufhebungsvertrag) an, so ist auf die Prognose eines objektiven Betrachters zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages abzustellen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.06.2016 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 04.02.2015 und Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 17.02.2015, beide in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.03.2015, sämtlich in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015, verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld I vom 01. bis 21.12.2014 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit (01. bis 21.12.2014) wegen Arbeitsaufgabe.
Der 1958 geborene Kläger war seit mehr als 40 Jahren bei der F Facility Management GmbH (FFM) beschäftigt, zuletzt in H als Mitarbeiter am Empfang/an der Pforte.
Mit Aufhebungsvertrag vom 13./20.09.2012 wurde das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung von FFM einvernehmlich mit Ablauf des 30.11.2014 beendet (Ziffer 1 des Vertrages). Hierfür erhielt der Kläger eine Sonderzahlung von 22.779,55 EUR brutto (Ziffer 3.3) sowie eine ihrer Höhe nach (in Ziffer 4) näher geregelte monatliche Abfindung bis zum Einsetzen einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertragstext (Bl. 9 bis 17 der Verwaltungsakte der Beklagten) Bezug genommen.
Nach Anzeige i.S.v. § 38 Abs. 1 Satz 3 SGB III vom 19.08.2014 meldete sich der Kläger am 22.09.2014 persönlich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld I (Alg) ab dem 01.12.2014. In der Arbeitsbescheinigung der F Business Services I GmbH vom 19.01.2015 gab jene u.a. an, das Arbeitsverhältnis sei am 20.09.2012 betriebsbedingt zum "31.12.2014" durch Aufhebungsvertrag beendet worden. Sonst wäre es am 30.06.2014 zum 31.12.2014 arbeitgeberseitig gekündigt worden. Es sei eine "Abfindung nach KBV Vorruhestand" von 363.416,56 EUR angefallen bei (abgerundet) 41-jähriger Betriebszugehörigkeit; diese wäre bei arbeitgeberseitiger Kündigung nicht gezahlt worden. Der Kläger führte ergänzend mit Schreiben vom 29.01.2015 aus, im Juli/August 2012 sei die Belegschaft darüber informiert worden, dass die FFM im Juni 2013 geschlossen werde. Für Mitarbeiter bis zum Geburtsjahr 1958 sei ein Zeitfenster bis September 2012 eröffnet worden, einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Diese Möglichkeit habe er genutzt, um einer fristgerechten betriebsbedingten Kündigung mit unabsehbaren Folgen zu entgehen. Durch die Verhandlungen des Betriebsrates sei dann die Schließung des Betriebs erst für Ende 2014 beschlossen worden.
Mit Bescheid vom 04.02.2015 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit (01.12.2014 bis 22.02.2015) fest. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Es sei unerheblich, ob die Initiative hierzu von ihm oder von FFM ausgegangen sei; entscheidend sei, dass der Aufhebungsvertrag ohne seine Zustimmung nicht hätte zustande kommen können. Der Kläger habe voraussehen müssen, dass er dadurch arbeitslos werde. Zwar habe er sein Verhalten mit der Vermeidung einer arbeitgeberseitigen Kündigung begründet. Mit einer Betriebszugehörigkeit von 41 Jahren sei er allerdings unkündbar gewesen. Deshalb könne bei Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft der Eintritt einer Sperrzeit nicht abgewendet werden. Auch in den weiteren Unterlagen seien keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne der Sperrzeitregelung zu erkennen. Es werde nicht verkannt, dass die Gründe für das Verhalten des Klägers aus dessen Sicht bedeutsam gewesen seien. Ein wichtiger Grund liege aber nur dann vor, wenn die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses objektiv nicht mehr hätte zugemutet werden können. Die Sperrzeit dauere zwölf Wochen und mindere den Anspruch auf Alg um 135 Tage.
Mit Bescheid vom 09.02.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger bei Anspruchsbeginn am 01.12.2014 Alg für die Dauer von vorläufig 540 Kalendertagen. Vom 01.12.2014 bis 22.02.2015 betrage der tägliche Leistungsbetrag 0,00 EUR (zwölfwöchige Sperrzeit); vom 23.02.105 - 09.04.2016 betrage er 67,74 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 17.02.2015 erfolgte die gleichlautende Bewilligung ohne Vorläufigkeitsvorbehalt.
Gegen den Bescheid vom 04.02.2015 legte der Kläger am 23.02.2015 Widerspruch ein. Er habe den ihm vorgelegten Aufhebungsvertrag nur deshalb akzeptiert, weil das Arbeitsverhältnis aufgrund der von FFM beabsichtigten und an sämtliche Mitarbeiter kommunizierten Betriebsstilllegung anderenfalls aus betriebsbedingten Gründen spätestens zum 31.12.2014 gekündigt worden wäre. Insoweit verwies er auf eine schriftliche "Bestätigung" von FFM (N) vom 12.02.2015, die ausführte: "Hätte Herr X keinen Aufhebungsvertrag geschlossen, wäre er von der schrittweisen Stilllegung sämtlicher Betriebe der Gesellschaft betroffen gewesen. Ihm wären in diesem Zusammenhang die Ausscheidenswege nach dem Sozialplan vom 03.06.2013 angeboten worden. Hätte er keines dieser Angebote angenommen, wäre unter Einhaltung der für ihn maßgeblichen tariflichen Kündigungsfrist am 30.06.2014 eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung mit Wirkung zum 31.12.2014 ausgesprochen worden." Er habe deshalb einen wichtigen Grund zur Kündigung gehabt. Im Übrigen sei die Sperrzeit jedenfalls auf drei Wochen zu verkürzen, da das Arbeitsverhältnis spätestens zum 31.12.2014 durch Arbeitgeberkündigung beendet worden wäre.
Mit Änderungsbescheid vom 24.03.2015 setzte die Beklagte für den Zeitraum vom 01. bis 21.12.2014 einen täglichen Leistungssatz von 0,00 EUR fest (dreiwöchige Sperrzeit) und bewilligte für die Zeit vom 22.12.2014 bis zum 29.05.2016 tägliche Leistungen i.H.v. 67,74 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2015 wies sie sodann den Widerspruch zurück. Der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis zum 30.11.2014 durch seine Zustimmung vom 20.09.2012 zum Aufhebungsvertrag gelöst. Er habe keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt und die Arbeitslosigkeit daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Nach Abwägung der Interessen des Klägers mit denen der Beitragszahler wäre es ihm zumutbar gewesen, das Beschäftigungsverhältnis bis zu dem Tage fortzusetzen, an dem es auch ohne die Auflösung geendet hätte. Der Arbeitgeber hätte das Arbeitsverhältnis ausweislich der Arbeitsbescheinigung erst zum 31.12.2014 beendet und wegen der maßgeblichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende auch nur kündigen können. Der Kläger habe damit Anlass für den Eintritt der Sperrzeit gegeben. Die Dauer der Sperrzeit betrage drei Wochen, weil das Arbeitsverhältnis ohnehin innerhalb von sechs Wochen nach dem Sperrzeitereignis ohne eine Sperrzeit geendet hätte (§ 159 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB III).
Hiergegen hat der Kläger am 22.04.2015 Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Für den Aufhebungsvertrag habe er einen wichtigen Grund gehabt. Er habe den Vertrag nur deshalb akzeptiert, weil das Arbeitsverhältnis anderenfalls aus betriebsbedingten Gründen arbeitgeberseitig beendet worden wäre. Bei Abschluss des Vertrages sei er aufgrund der ihm mitgeteilten Informationen nicht davon ausgegangen, dass er damit das Arbeitsverhältnis früher beende, als dies bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung der Fall gewesen wäre; denn die Kündigungsfrist habe sechs Monate zum Quartalsende betragen und sei mit dem Aufhebungsvertrag eingehalten worden. Wenn die Arbeitgeberin nun mitteile, das Arbeitsverhältnis wäre ohne Aufhebungsvertrag am 30.06.2014 zum 31.12.2014 durch Kündigung beendet worden, entspreche dies nicht den Informationen, die man ihm zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages gegeben habe. Ihm sei nur mitgeteilt worden, das Arbeitsverhältnis ende zu dem im Vertrag fixierten Zeitpunkt, anderenfalls durch betriebsbedingte Kündigung. Außerdem habe die Arbeitgeberin in der Arbeitsbescheinigung angegeben, das Arbeitsverhältnis sei durch Aufhebungsvertrag zum 31.12.2014 beendet worden, anderenfalls durch Kündigung zum 31.12.2014. Der Beendigungszeitpunkt habe daher unabhängig davon sein sollen, ob das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag oder durch Kündigung beendet werde. Ihm sei im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages mitgeteilt worden, dass das Arbeitsverhältnis anderenfalls wegen Stilllegung sämtlicher Betriebe der Gesellschaft durch betriebsbedingte Kündigung beendet würde; allerdings sei ihm ein konkreter Kündigungszeitpunkt in diesem Zusammenhang nicht mitgeteilt worden. Er sei jedoch davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis dann zum gleichen Zeitpunkt geendet hätte, wie dies durch den Aufhebungsvertrag der Fall war (Schriftsatz vom 21.04.2016). Im weiteren Verlauf hat der Kläger vorgetragen, er sei im Juli/August 2012 darüber informiert worden, dass der Betrieb bereits im Juni 2013 geschlossen werde. Er habe daher davon ausgehen können, dass das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag jedenfalls nicht früher ende als durch eine Kündigung. Erst durch weitere Verhandlungen des Betriebsrates im Jahr 2013 sei dann die Betriebsschließung auf Ende 2014 verlegt worden (Schriftsatz vom 31.05.2016 und Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht).
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 04.02.2015 und Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 17.02.2015, beide in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.03.2015, alle in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015, zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld I ohne Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihren Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Auf Anforderung des Sozialgerichts hat der Kläger die schriftliche "Bestätigung" der FFM vom 12.02.2015 über den Abschluss des Aufhebungsvertrages und die Folgen einer Nichtunterzeichnung dieses Vertrages vorgelegt, ferner den "Interessenausgleich über die Stilllegung der Betriebe der F Facility Management GmbH" vom 03.06.2013 zwischen der Arbeitgeberin und dem Spartenbetriebsrat. In Letzterem wird unter II. ausgeführt, Gegenstand des Interessenausgleichs sei die schrittweise Stilllegung der Betriebe der FFM bis spätestens zum 31.12.2014; betroffen seien davon sämtliche Arbeitsplätze in den Betrieben. In der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2016 hat der Kläger zudem einen "Mitarbeiterbrief des Spartenbetriebsrates der FFM" vom 13.03.2013 vorgelegt; darin ist u.a. ausgeführt, es sei dem Spartenbetriebsrat gelungen, die Schließung statt wie geplant zum 30.06.2013 auf den 31.12.2014 zu verlegen.
Mit Urteil vom 21.06.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages könne vorliegen, wenn der Arbeitgeber zum Abschlusszeitpunkt mit einer betriebsbedingten rechtmäßigen Kündigung zum selben Zeitpunkt drohe, zu dem auch der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis beende (BSG, Urteil vom 12.07.2006 - B 11a AL 47/05 R; st. Rspr.). Dem Kläger wäre jedoch ohne den Aufhebungsvertrag nicht zum 30.11.2014 gekündigt worden. Die Arbeitgeberin habe vielmehr angegeben, ohne Vertrag wären dem Kläger Ausscheidenswege nach dem Sozialplan angeboten worden; hätte er keines dieser Angebote angenommen, wäre ihm fristgemäß am 30.06.2014 zum 31.12.2014 gekündigt worden. Bei Vertragsschluss habe dem Kläger deshalb zum Ablauf des 30.11.2014 keine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung gedroht. Soweit er vortrage, er habe subjektiv von einen Betriebsschließung zum 30.06.2013 ausgehen müssen und dürfen, so ändere dies nichts. Zwar möge der Kläger subjektiv davon ausgegangen sein, dass er mit dem Aufhebungsvertrag das Ende seines Arbeitsverhältnisses sogar über den 30.06.2013 hinaus bis zum 30.11.2014 verlängert habe. Für einen wichtigen Grund komme es indes nicht auf seine subjektive Vorstellung an, sondern auf das objektive Vorliegen. Objektiv wäre ihm jedoch weder zum 30.11.2014 noch zum 30.06.2013 gekündigt worden. Dies folge auch aus dem Mitarbeiterbrief des Spartenbetriebsrates; danach habe es 2012 nur Planungen, jedoch keine endgültige Entscheidung zur Schließung des Betriebes gegeben. Die Arbeitgeberin habe auch nicht bekundet, dass allen Mitarbeitern ohne Aufhebungsvertrag unmittelbar betriebsbedingt gekündigt worden wäre. Es seien vielmehr fortlaufend Gespräche zwischen FFM und Spartenbetriebsrat über eine sozialverträgliche Schließung des Betriebes geführt worden; von einer endgültigen Entscheidung könne deshalb bereits 2012 noch nicht die Rede gewesen sein. Dem Spartenbetriebsrat sei es dann auch gelungen, die Betriebsschließung vom 30.06.2013 auf den 31.12.2014 zu verschieben; dies wäre nicht möglich gewesen, wenn zuvor bereits eine unumstößliche Entscheidung für den 30.06.2013 getroffen gewesen wäre.
Gegen das am 06.07.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.07.2016 Berufung eingelegt. Auch wenn FFM bei Vertragsschluss im September 2012 nicht konkret damit gedroht habe, das Arbeitsverhältnis ggf. durch betriebsbedingte Kündigung zum selben Zeitpunkt enden zu lassen, habe er seinerzeit nach allen ihm vorliegenden Quellen davon ausgehen dürfen, dass das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt bereits zum 30.06.2013 gekündigt würde. Insbesondere habe ihn der Betriebsrat, der mit FFM über die beabsichtigten Betriebsänderungen verhandelt habe, von einer geplanten Betriebsstilllegung zur Jahresmitte 2013 in Kenntnis gesetzt. Deshalb sei er im September 2012 davon ausgegangen, mit dem Aufhebungsvertrag sein Arbeitsverhältnis im Vergleich zu einer betriebsbedingten Kündigung um mehr als ein Jahr zu verlängern. Eine letztlich spätere Betriebsschließung erst zum 31.12.2014 mit der damit einhergehenden späteren Kündigungsmöglichkeit sei erst lange nach dem Aufhebungsvertrag entschieden worden. Es sei jedoch auf die Erkenntnismöglichkeiten bei Abschluss des Aufhebungsvertrages abzustellen.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.06.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.02.2015 sowie des Bescheides vom 17.02.2015 in Fassung des Änderungsbescheides vom 24.03.2015, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015, zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld I für den Zeitraum vom 01. bis 21.12.2014 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sie für zutreffend hält.
Der Senat hat vom Prokuristen und Syndikusanwalt der F Beteiligungen GmbH (F), Dr. N, eine Auskunft vom 07.08.2017 eingeholt. Danach ist die FFM mit der F Beteiligungen GmbH zum 31.2.2014 "rückwirkend verschmolzen". Die Schließung von FFM sei ab etwa 2004 "Thema" gewesen, da das Unternehmen wegen seiner Tarifstruktur nicht konkurrenzfähig gewesen sei; aus sozialen Gründen sei sie allerdings immer wieder aufgeschoben worden. Die Schließung habe sozialverträglich erfolgen sollen. Vorruhestandsverträge seien ab Mitte 2012 angeboten worden; zum Zeitpunkt September 2012 sei - nach Erinnerung des Prokuristen - die Schließung für Mitte 2013 angestrebt gewesen, was von der Geschäftsführung gegenüber den Mitarbeitern auch so kommuniziert worden sei. Langwierige Verhandlungen hätten den Prozess verzögert, so dass die Schließung erst zum 31.12.2014 erfolgt sei. Bereits 2013 seien Teile des operativen Geschäfts eingestellt oder an Subunternehmer vergeben worden. Wer weder Vorruhestands- noch Abfindungsverträge habe abschließen wollen, hätte mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen müssen. Er - Dr. N - könne nicht genau sagen, wann der endgültige Schließungstermin festgelegt worden sei, gehe aber davon aus, dass dies im Frühjahr 2013 entschieden worden sei und man die Komplexität des Verfahrens unterschätzt habe. Die Geschäftsführung und ein kleines Abwicklungsteam hätten dann vom 01.01.2014 bis zum Frühjahr 2015 die verbleibenden Restaufgaben abgewickelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des Rechtsstreits ist neben dem Sperrzeitbescheid vom 04.02.2015 auch der Bewilligungsbescheid vom 17.02.2015, der den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 09.02.2015 erledigt hat, sowie der hierzu ergangene Änderungsbescheid vom 24.03.2015, diese sämtlich in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015. Der Bewilligungsbescheid korrespondiert hinsichtlich seiner Nichtgewährung von Alg für den Zeitraum 01. bis 21.12.2014 mit dem Sperrzeitbescheid; beide bilden insoweit eine rechtliche Einheit (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteile vom 21.10.2003 - B 7 AL 92/02 R Rn. 14 und vom 02.05.2012 - B 11 AL 6/11 R Rn. 12).
II. Die zulässige Berufung ist wie die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG) begründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 1 SGG in seinen Rechten. Denn er hat auch für die Zeit vom 01. bis zum 21.12.2014 Anspruch auf Zahlung von Alg; eine Sperrzeit ist nicht eingetreten.
Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht nach § 159 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB III der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III liegt versicherungswidriges Verhalten u.a. dann vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe dauert nach § 159 Abs. 3 S. 1 SGB III zwölf Wochen. Sie verkürzt sich auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte (§ 159 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB III).
1. Durch den Aufhebungsvertrag vom 20.09.2012 hat der Kläger das Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 1. Alt. SGB III gelöst. Denn er hat durch seine Zustimmung zu dem Vertrag eine wesentliche Ursache zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesetzt, sich also nicht allein passiv verhalten, sondern durch eigenes Zutun das Ende seiner Beschäftigung herbeigeführt. Ob die Initiative von ihm oder vom Arbeitgeber ausgegangen ist, ist unerheblich (vgl. BSG, Urteil vom 05.06.1997 - 7 RAr 22/96 Rn. 19; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand 8/2013, § 159 Rn. 116).
2. Der Kläger hat seine Arbeitslosigkeit damit zugleich mindestens grob fahrlässig herbeigeführt. Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, führt er seine Arbeitslosigkeit jedenfalls dann grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (vgl. etwa BSG, Urteile vom 13.08.1986 - 7 RAr 1/86 Rn. 16 und vom 02.05.2012 - B 11 AL 6/11 R Rn. 15; vgl. ferner Coseriu, a.a.O., Rn. 163 m.w.N.). Dass eine solche Aussicht für den Kläger bestanden hätte, ist nicht ersichtlich; er war ab Dezember 2014 auch tatsächlich arbeitslos.
3. Für die vertragliche Auflösung seines Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger jedoch einen wichtigen Grund, der den Eintritt einer Sperrzeit verhinderte.
Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu beurteilen. Diese dient dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor Risikofällen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten hätte zugemutet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.2007 - B 11a AL 51/06 R Rn. 35; Urteil vom 02.05.2012 - B 11 AL 6/11 R Rn. 17, jeweils m.w.N.; st. Rspr.). Der Sperrzeitregelung liegt zu Grunde, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muss, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (vgl. BSG, Urteil vom 05.06.1997 - 7 RAr 22/96 Rn. 20). Der wichtige Grund muss nicht nur die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses als solche, sondern auch den Zeitpunkt der Auflösung decken; der Arbeitnehmer muss also einen wichtigen Grund haben, das Beschäftigungsverhältnis gerade zum gewählten Zeitpunkt zu lösen (BSG, Urteil vom 05.06.1997 - 7 RAr 22/96 Rn. 21).
Ein solcher wichtiger Grund bestand darin, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages (20.09.2012) annehmen musste, die Betriebstätigkeit von FFM werde mit dem 30.06.2013 enden, und sein Arbeitsverhältnis werde dementsprechend durch rechtzeitige arbeitgeberseitige Kündigung spätestens zu diesem Termin beendet.
a) Zwar kann sich der Kläger nicht auf ein tatsächliches Einstellen der Betriebstätigkeit bereits am 30.06.2013 berufen; die Einstellung hat sich im Verlauf des Jahres 2013 auf den 31.12.2014 verschoben.
b) Auch auf eine ihm zum 30.11.2014 (dem Auslaufen des Arbeitsverhältnisses laut Aufhebungsvertrag) drohende Kündigung durch den Arbeitgeber kann sich der Kläger nicht stützen. Grundsätzlich ist es dem Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten, eine arbeitgeberseitige Kündigung abzuwarten (vgl. Coseriu, a.a.O. Rn. 188). Allerdings kann für die Lösung des Arbeitsverhältnisses ein wichtiger Grund bestehen, wenn bei einer konkret angedrohten Kündigung besondere Umstände vorliegen. Das ist etwa dann der Fall, wenn aus einem vom Verhalten des Arbeitnehmers unabhängigen Grund eine rechtmäßige Kündigung zu dem Zeitpunkt droht, zu dem er das Beschäftigungsverhältnis löst, und dadurch Nachteile für das berufliche Fortkommen vermieden werden können (vgl. Karmanski in Brand, SGB III, 6. Auflage 2012, § 159 Rn. 130; Coseriu, a.a.O., Rn. 189). Eine konkrete Kündigung war dem Kläger indes seitens der FFM im September 2012 gar nicht angedroht worden. Dies hat er selbst vorgetragen. Auch die Arbeitgeberin hat in der von ihm vorgelegten "Bestätigung" vom 12.02.2015 ausgeführt, es wären zunächst andere Ausscheidenswege nach dem Sozialplan angeboten worden. Ohnehin wäre - bei der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung nur zum Quartalsende - nicht mit einer rechtmäßigen Kündigung zum 30.11.2014 zu rechnen gewesen.
c) Gleichwohl liegt ein wichtiger Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger darin, dass er zum Zeitpunkt des Auflösungsvertrages (20.09.2012) nach allen ihm zugänglichen Informationen und gestützt auf die von FFM gegenüber den Mitarbeitern kommunizierten Umstände davon ausgehen musste, der Betrieb werde zum 30.06.2013 eingestellt, und sein Beschäftigungsverhältnis könne bis spätestens zu diesem Zeitpunkt arbeitgeberseitig durch ordentliche Kündigung beendet werden.
Grundsätzlich sind für das Vorliegen eines wichtigen Grundes allerdings nicht die subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen maßgebend; ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts muss vielmehr objektiv vorliegen (vgl. BSG, Urteile vom 17.10.2007 - B 11a AL 51/06 R Rn. 35 und vom 02.05.2012 - B 11 AL 6/11 R Rn. 17, jeweils m.w.N.; Coseriu, a.a.O. Rn. 173 ff.; Karmanski, a.a.O. Rn. 122). Es genügt also insbesondere nicht, dass der Arbeitslose lediglich annimmt, er habe wegen einer sonst drohenden rechtmäßigen Kündigung durch den Arbeitgeber einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Ein wichtiger Grund liegt vielmehr nur vor, wenn ansonsten auch objektiv eine rechtmäßige Arbeitgeberkündigung aus nicht verhaltensbedingten Gründen (spätestens) zum gleichen Beendigungszeitpunkt droht (vgl. BSG, Urteil vom 12.07.2006 - B 11a AL 47/05 R Rn. 13).
Für einen objektiven Betrachter sah es jedoch bei Abschluss des Aufhebungsvertrages durch den Kläger so aus, als werde ihm ohne diesen Vertragsschluss spätestens zum 30.06.2013 vom Arbeitgeber gekündigt. Zwar stand später (im Laufe des Monats März 2013) fest, dass der Betrieb von FFM (erst) mit Ablauf des Jahres 2014 eingestellt wird. Bei Abschluss des Aufhebungsvertrages am 20.09.2012 war jedoch prognostisch noch davon auszugehen, FFM stelle die Betriebstätigkeit mit Ablauf des 30.06.2013 ein. Dies ergibt sich nicht nur aus dem späteren Mitarbeiterbrief des Spartenbetriebsrates vom 13.03.2013, der die tatsächlich erst spätere Einstellung zum 31.12.2014 - ersichtlich als eine neue Entwicklung im Verlauf der Abwicklungsgespräche mit FFM - erstmals den Mitarbeitern zur Kenntnis brachte; auch die Auskunft des Prokuristen Dr. N der F Beteiligungen GmbH bestätigt dies. Bei Abschluss des Aufhebungsvertrages am 20.09.2012 wäre der Kläger - entsprechend der prognostischen Betriebseinstellung am 30.06.2013 - aber noch spätestens zum Quartalsende am 30.06.2013 ordentlich kündbar gewesen.
Für die im Rahmen des § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III gebotene Interessenabwägung kann es nur auf die Ex-ante-Sicht zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages ankommen. Denn arbeits- und sozialversicherungsrechtlich bedeutsame Entscheidungen, die - wie das für später vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses - ihre Wirkung erst in der Zukunft entfalten, können ihrer Natur nach interessengerecht nur auf der Grundlage einer Entwicklungsprognose im Zeitpunkt der Entscheidung getroffen werden (vgl. zur Maßgeblichkeit der Prognose auch BSG, Urteil vom 21.07.2009 - B 7 AL 6/08 R Rn. 12 und Leitsatz 3; vgl. auch BSG, Urteil vom 17.11.2005 - B 11/11a AL 69/04 R Rn. 16 und 18). Wollte man für die Frage, ob am 20.09.2012 objektiv ein wichtiger Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrages bestanden hat, hingegen die Ex-post-Sicht der tatsächlichen Entwicklung als entscheidend ansehen, so würde man in der Abwägung der Interessen des Arbeitslosen mit denen der Versichertengemeinschaft zu Lasten des Arbeitslosen auch das Risiko berücksichtigen, dass sich die tatsächlichen Abläufe später anders entwickeln als (ex ante) prognostiziert, und zugleich anders, als es in verständiger Weise prognostizierbar war. Die zu treffende Prognose hat sich allerdings nicht an bloß subjektiven Vorstellungen des Arbeitnehmers zu orientieren, sondern an einer objektiven Beurteilung der Aussichten über die künftige tatsächliche Entwicklung. Diese Aussichten wiesen jedoch im Falle des Klägers am 20.09.2012 aus den genannten Gründen auch für einen objektiven Beobachter noch auf eine Betriebsschließung am 30.06.2013 und auf eine Kündbarkeit durch den Arbeitgeber spätestens zu letzterem Termin hin.
Daran ändert es nichts, dass bei Entscheidungsprozessen über die Einstellung einer Betriebstätigkeit naturgemäß Verzögerungen eintreten können (wie sie letztlich bei FFM auch eingetreten sind). Wollte man vom Arbeitslosen erwarten, mit der Entscheidung über eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag in jedem Falle mindestens so lange zuzuwarten, bis eine unabänderliche Regelung zur Betriebseinstellung vorliegt, würde die Abwägung zwischen den Interessen von Arbeitslosem und Versichertengemeinschaft dem Arbeitslosen allzu einseitig unzumutbare Risiken aufbürden. Dies gilt jedenfalls bei tatsächlichen Umständen wie im Falle des Klägers. Eine Schließung von FFM war nach Angaben des Prokuristen Dr. N der F Beteiligungen GmbH bereits ab 2004 "Thema"; dies stellte für den Kläger mithin seit Jahren eine Bedrohung seiner beruflichen Zukunft bei FFM dar, mit deren zeitnaher Verwirklichung er im September 2012 deshalb rechnen konnte. Hätte er ab September 2012 weiter zugewartet, bis der Spartenbetriebsrat unter dem 13.03.2013 die Verlagerung der Betriebseinstellung erst auf den 31.12.2014 mitgeteilt hat, wäre er Gefahr gelaufen, schon bis spätestens Ende 2012 arbeitgeberseitig zur Jahresmitte 2013 ordentlich gekündigt zu werden. Bot ihm stattdessen der Aufhebungsvertrag einerseits ab September 2012 die Gewissheit, sogar bis zum 30.11.2014 vollbeschäftigt zu bleiben, und zudem eine beachtliche soziale Absicherung auch für die Folgezeit bis zum Renteneintritt, und sicherte dies andererseits der Versichertengemeinschaft (aus der Sicht vom 20.09.2012) etliche Monate zusätzlicher Beitragsleistungen und verschob - mit allen darin für die Arbeitsmarktentwicklung und die Arbeitsvermittlung enthaltenen Chancen - den Eintritt von Arbeitslosigkeit nach hinten, so begründete dies einen wichtigen Grund für die vertragliche Lösung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
IV. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit (01. bis 21.12.2014) wegen Arbeitsaufgabe.
Der 1958 geborene Kläger war seit mehr als 40 Jahren bei der F Facility Management GmbH (FFM) beschäftigt, zuletzt in H als Mitarbeiter am Empfang/an der Pforte.
Mit Aufhebungsvertrag vom 13./20.09.2012 wurde das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung von FFM einvernehmlich mit Ablauf des 30.11.2014 beendet (Ziffer 1 des Vertrages). Hierfür erhielt der Kläger eine Sonderzahlung von 22.779,55 EUR brutto (Ziffer 3.3) sowie eine ihrer Höhe nach (in Ziffer 4) näher geregelte monatliche Abfindung bis zum Einsetzen einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertragstext (Bl. 9 bis 17 der Verwaltungsakte der Beklagten) Bezug genommen.
Nach Anzeige i.S.v. § 38 Abs. 1 Satz 3 SGB III vom 19.08.2014 meldete sich der Kläger am 22.09.2014 persönlich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld I (Alg) ab dem 01.12.2014. In der Arbeitsbescheinigung der F Business Services I GmbH vom 19.01.2015 gab jene u.a. an, das Arbeitsverhältnis sei am 20.09.2012 betriebsbedingt zum "31.12.2014" durch Aufhebungsvertrag beendet worden. Sonst wäre es am 30.06.2014 zum 31.12.2014 arbeitgeberseitig gekündigt worden. Es sei eine "Abfindung nach KBV Vorruhestand" von 363.416,56 EUR angefallen bei (abgerundet) 41-jähriger Betriebszugehörigkeit; diese wäre bei arbeitgeberseitiger Kündigung nicht gezahlt worden. Der Kläger führte ergänzend mit Schreiben vom 29.01.2015 aus, im Juli/August 2012 sei die Belegschaft darüber informiert worden, dass die FFM im Juni 2013 geschlossen werde. Für Mitarbeiter bis zum Geburtsjahr 1958 sei ein Zeitfenster bis September 2012 eröffnet worden, einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Diese Möglichkeit habe er genutzt, um einer fristgerechten betriebsbedingten Kündigung mit unabsehbaren Folgen zu entgehen. Durch die Verhandlungen des Betriebsrates sei dann die Schließung des Betriebs erst für Ende 2014 beschlossen worden.
Mit Bescheid vom 04.02.2015 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit (01.12.2014 bis 22.02.2015) fest. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Es sei unerheblich, ob die Initiative hierzu von ihm oder von FFM ausgegangen sei; entscheidend sei, dass der Aufhebungsvertrag ohne seine Zustimmung nicht hätte zustande kommen können. Der Kläger habe voraussehen müssen, dass er dadurch arbeitslos werde. Zwar habe er sein Verhalten mit der Vermeidung einer arbeitgeberseitigen Kündigung begründet. Mit einer Betriebszugehörigkeit von 41 Jahren sei er allerdings unkündbar gewesen. Deshalb könne bei Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft der Eintritt einer Sperrzeit nicht abgewendet werden. Auch in den weiteren Unterlagen seien keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne der Sperrzeitregelung zu erkennen. Es werde nicht verkannt, dass die Gründe für das Verhalten des Klägers aus dessen Sicht bedeutsam gewesen seien. Ein wichtiger Grund liege aber nur dann vor, wenn die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses objektiv nicht mehr hätte zugemutet werden können. Die Sperrzeit dauere zwölf Wochen und mindere den Anspruch auf Alg um 135 Tage.
Mit Bescheid vom 09.02.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger bei Anspruchsbeginn am 01.12.2014 Alg für die Dauer von vorläufig 540 Kalendertagen. Vom 01.12.2014 bis 22.02.2015 betrage der tägliche Leistungsbetrag 0,00 EUR (zwölfwöchige Sperrzeit); vom 23.02.105 - 09.04.2016 betrage er 67,74 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 17.02.2015 erfolgte die gleichlautende Bewilligung ohne Vorläufigkeitsvorbehalt.
Gegen den Bescheid vom 04.02.2015 legte der Kläger am 23.02.2015 Widerspruch ein. Er habe den ihm vorgelegten Aufhebungsvertrag nur deshalb akzeptiert, weil das Arbeitsverhältnis aufgrund der von FFM beabsichtigten und an sämtliche Mitarbeiter kommunizierten Betriebsstilllegung anderenfalls aus betriebsbedingten Gründen spätestens zum 31.12.2014 gekündigt worden wäre. Insoweit verwies er auf eine schriftliche "Bestätigung" von FFM (N) vom 12.02.2015, die ausführte: "Hätte Herr X keinen Aufhebungsvertrag geschlossen, wäre er von der schrittweisen Stilllegung sämtlicher Betriebe der Gesellschaft betroffen gewesen. Ihm wären in diesem Zusammenhang die Ausscheidenswege nach dem Sozialplan vom 03.06.2013 angeboten worden. Hätte er keines dieser Angebote angenommen, wäre unter Einhaltung der für ihn maßgeblichen tariflichen Kündigungsfrist am 30.06.2014 eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung mit Wirkung zum 31.12.2014 ausgesprochen worden." Er habe deshalb einen wichtigen Grund zur Kündigung gehabt. Im Übrigen sei die Sperrzeit jedenfalls auf drei Wochen zu verkürzen, da das Arbeitsverhältnis spätestens zum 31.12.2014 durch Arbeitgeberkündigung beendet worden wäre.
Mit Änderungsbescheid vom 24.03.2015 setzte die Beklagte für den Zeitraum vom 01. bis 21.12.2014 einen täglichen Leistungssatz von 0,00 EUR fest (dreiwöchige Sperrzeit) und bewilligte für die Zeit vom 22.12.2014 bis zum 29.05.2016 tägliche Leistungen i.H.v. 67,74 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2015 wies sie sodann den Widerspruch zurück. Der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis zum 30.11.2014 durch seine Zustimmung vom 20.09.2012 zum Aufhebungsvertrag gelöst. Er habe keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt und die Arbeitslosigkeit daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Nach Abwägung der Interessen des Klägers mit denen der Beitragszahler wäre es ihm zumutbar gewesen, das Beschäftigungsverhältnis bis zu dem Tage fortzusetzen, an dem es auch ohne die Auflösung geendet hätte. Der Arbeitgeber hätte das Arbeitsverhältnis ausweislich der Arbeitsbescheinigung erst zum 31.12.2014 beendet und wegen der maßgeblichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende auch nur kündigen können. Der Kläger habe damit Anlass für den Eintritt der Sperrzeit gegeben. Die Dauer der Sperrzeit betrage drei Wochen, weil das Arbeitsverhältnis ohnehin innerhalb von sechs Wochen nach dem Sperrzeitereignis ohne eine Sperrzeit geendet hätte (§ 159 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB III).
Hiergegen hat der Kläger am 22.04.2015 Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Für den Aufhebungsvertrag habe er einen wichtigen Grund gehabt. Er habe den Vertrag nur deshalb akzeptiert, weil das Arbeitsverhältnis anderenfalls aus betriebsbedingten Gründen arbeitgeberseitig beendet worden wäre. Bei Abschluss des Vertrages sei er aufgrund der ihm mitgeteilten Informationen nicht davon ausgegangen, dass er damit das Arbeitsverhältnis früher beende, als dies bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung der Fall gewesen wäre; denn die Kündigungsfrist habe sechs Monate zum Quartalsende betragen und sei mit dem Aufhebungsvertrag eingehalten worden. Wenn die Arbeitgeberin nun mitteile, das Arbeitsverhältnis wäre ohne Aufhebungsvertrag am 30.06.2014 zum 31.12.2014 durch Kündigung beendet worden, entspreche dies nicht den Informationen, die man ihm zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages gegeben habe. Ihm sei nur mitgeteilt worden, das Arbeitsverhältnis ende zu dem im Vertrag fixierten Zeitpunkt, anderenfalls durch betriebsbedingte Kündigung. Außerdem habe die Arbeitgeberin in der Arbeitsbescheinigung angegeben, das Arbeitsverhältnis sei durch Aufhebungsvertrag zum 31.12.2014 beendet worden, anderenfalls durch Kündigung zum 31.12.2014. Der Beendigungszeitpunkt habe daher unabhängig davon sein sollen, ob das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag oder durch Kündigung beendet werde. Ihm sei im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages mitgeteilt worden, dass das Arbeitsverhältnis anderenfalls wegen Stilllegung sämtlicher Betriebe der Gesellschaft durch betriebsbedingte Kündigung beendet würde; allerdings sei ihm ein konkreter Kündigungszeitpunkt in diesem Zusammenhang nicht mitgeteilt worden. Er sei jedoch davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis dann zum gleichen Zeitpunkt geendet hätte, wie dies durch den Aufhebungsvertrag der Fall war (Schriftsatz vom 21.04.2016). Im weiteren Verlauf hat der Kläger vorgetragen, er sei im Juli/August 2012 darüber informiert worden, dass der Betrieb bereits im Juni 2013 geschlossen werde. Er habe daher davon ausgehen können, dass das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag jedenfalls nicht früher ende als durch eine Kündigung. Erst durch weitere Verhandlungen des Betriebsrates im Jahr 2013 sei dann die Betriebsschließung auf Ende 2014 verlegt worden (Schriftsatz vom 31.05.2016 und Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht).
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 04.02.2015 und Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 17.02.2015, beide in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.03.2015, alle in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015, zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld I ohne Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihren Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Auf Anforderung des Sozialgerichts hat der Kläger die schriftliche "Bestätigung" der FFM vom 12.02.2015 über den Abschluss des Aufhebungsvertrages und die Folgen einer Nichtunterzeichnung dieses Vertrages vorgelegt, ferner den "Interessenausgleich über die Stilllegung der Betriebe der F Facility Management GmbH" vom 03.06.2013 zwischen der Arbeitgeberin und dem Spartenbetriebsrat. In Letzterem wird unter II. ausgeführt, Gegenstand des Interessenausgleichs sei die schrittweise Stilllegung der Betriebe der FFM bis spätestens zum 31.12.2014; betroffen seien davon sämtliche Arbeitsplätze in den Betrieben. In der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2016 hat der Kläger zudem einen "Mitarbeiterbrief des Spartenbetriebsrates der FFM" vom 13.03.2013 vorgelegt; darin ist u.a. ausgeführt, es sei dem Spartenbetriebsrat gelungen, die Schließung statt wie geplant zum 30.06.2013 auf den 31.12.2014 zu verlegen.
Mit Urteil vom 21.06.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages könne vorliegen, wenn der Arbeitgeber zum Abschlusszeitpunkt mit einer betriebsbedingten rechtmäßigen Kündigung zum selben Zeitpunkt drohe, zu dem auch der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis beende (BSG, Urteil vom 12.07.2006 - B 11a AL 47/05 R; st. Rspr.). Dem Kläger wäre jedoch ohne den Aufhebungsvertrag nicht zum 30.11.2014 gekündigt worden. Die Arbeitgeberin habe vielmehr angegeben, ohne Vertrag wären dem Kläger Ausscheidenswege nach dem Sozialplan angeboten worden; hätte er keines dieser Angebote angenommen, wäre ihm fristgemäß am 30.06.2014 zum 31.12.2014 gekündigt worden. Bei Vertragsschluss habe dem Kläger deshalb zum Ablauf des 30.11.2014 keine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung gedroht. Soweit er vortrage, er habe subjektiv von einen Betriebsschließung zum 30.06.2013 ausgehen müssen und dürfen, so ändere dies nichts. Zwar möge der Kläger subjektiv davon ausgegangen sein, dass er mit dem Aufhebungsvertrag das Ende seines Arbeitsverhältnisses sogar über den 30.06.2013 hinaus bis zum 30.11.2014 verlängert habe. Für einen wichtigen Grund komme es indes nicht auf seine subjektive Vorstellung an, sondern auf das objektive Vorliegen. Objektiv wäre ihm jedoch weder zum 30.11.2014 noch zum 30.06.2013 gekündigt worden. Dies folge auch aus dem Mitarbeiterbrief des Spartenbetriebsrates; danach habe es 2012 nur Planungen, jedoch keine endgültige Entscheidung zur Schließung des Betriebes gegeben. Die Arbeitgeberin habe auch nicht bekundet, dass allen Mitarbeitern ohne Aufhebungsvertrag unmittelbar betriebsbedingt gekündigt worden wäre. Es seien vielmehr fortlaufend Gespräche zwischen FFM und Spartenbetriebsrat über eine sozialverträgliche Schließung des Betriebes geführt worden; von einer endgültigen Entscheidung könne deshalb bereits 2012 noch nicht die Rede gewesen sein. Dem Spartenbetriebsrat sei es dann auch gelungen, die Betriebsschließung vom 30.06.2013 auf den 31.12.2014 zu verschieben; dies wäre nicht möglich gewesen, wenn zuvor bereits eine unumstößliche Entscheidung für den 30.06.2013 getroffen gewesen wäre.
Gegen das am 06.07.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.07.2016 Berufung eingelegt. Auch wenn FFM bei Vertragsschluss im September 2012 nicht konkret damit gedroht habe, das Arbeitsverhältnis ggf. durch betriebsbedingte Kündigung zum selben Zeitpunkt enden zu lassen, habe er seinerzeit nach allen ihm vorliegenden Quellen davon ausgehen dürfen, dass das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt bereits zum 30.06.2013 gekündigt würde. Insbesondere habe ihn der Betriebsrat, der mit FFM über die beabsichtigten Betriebsänderungen verhandelt habe, von einer geplanten Betriebsstilllegung zur Jahresmitte 2013 in Kenntnis gesetzt. Deshalb sei er im September 2012 davon ausgegangen, mit dem Aufhebungsvertrag sein Arbeitsverhältnis im Vergleich zu einer betriebsbedingten Kündigung um mehr als ein Jahr zu verlängern. Eine letztlich spätere Betriebsschließung erst zum 31.12.2014 mit der damit einhergehenden späteren Kündigungsmöglichkeit sei erst lange nach dem Aufhebungsvertrag entschieden worden. Es sei jedoch auf die Erkenntnismöglichkeiten bei Abschluss des Aufhebungsvertrages abzustellen.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.06.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.02.2015 sowie des Bescheides vom 17.02.2015 in Fassung des Änderungsbescheides vom 24.03.2015, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015, zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld I für den Zeitraum vom 01. bis 21.12.2014 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sie für zutreffend hält.
Der Senat hat vom Prokuristen und Syndikusanwalt der F Beteiligungen GmbH (F), Dr. N, eine Auskunft vom 07.08.2017 eingeholt. Danach ist die FFM mit der F Beteiligungen GmbH zum 31.2.2014 "rückwirkend verschmolzen". Die Schließung von FFM sei ab etwa 2004 "Thema" gewesen, da das Unternehmen wegen seiner Tarifstruktur nicht konkurrenzfähig gewesen sei; aus sozialen Gründen sei sie allerdings immer wieder aufgeschoben worden. Die Schließung habe sozialverträglich erfolgen sollen. Vorruhestandsverträge seien ab Mitte 2012 angeboten worden; zum Zeitpunkt September 2012 sei - nach Erinnerung des Prokuristen - die Schließung für Mitte 2013 angestrebt gewesen, was von der Geschäftsführung gegenüber den Mitarbeitern auch so kommuniziert worden sei. Langwierige Verhandlungen hätten den Prozess verzögert, so dass die Schließung erst zum 31.12.2014 erfolgt sei. Bereits 2013 seien Teile des operativen Geschäfts eingestellt oder an Subunternehmer vergeben worden. Wer weder Vorruhestands- noch Abfindungsverträge habe abschließen wollen, hätte mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen müssen. Er - Dr. N - könne nicht genau sagen, wann der endgültige Schließungstermin festgelegt worden sei, gehe aber davon aus, dass dies im Frühjahr 2013 entschieden worden sei und man die Komplexität des Verfahrens unterschätzt habe. Die Geschäftsführung und ein kleines Abwicklungsteam hätten dann vom 01.01.2014 bis zum Frühjahr 2015 die verbleibenden Restaufgaben abgewickelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des Rechtsstreits ist neben dem Sperrzeitbescheid vom 04.02.2015 auch der Bewilligungsbescheid vom 17.02.2015, der den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 09.02.2015 erledigt hat, sowie der hierzu ergangene Änderungsbescheid vom 24.03.2015, diese sämtlich in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2015. Der Bewilligungsbescheid korrespondiert hinsichtlich seiner Nichtgewährung von Alg für den Zeitraum 01. bis 21.12.2014 mit dem Sperrzeitbescheid; beide bilden insoweit eine rechtliche Einheit (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteile vom 21.10.2003 - B 7 AL 92/02 R Rn. 14 und vom 02.05.2012 - B 11 AL 6/11 R Rn. 12).
II. Die zulässige Berufung ist wie die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG) begründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 1 SGG in seinen Rechten. Denn er hat auch für die Zeit vom 01. bis zum 21.12.2014 Anspruch auf Zahlung von Alg; eine Sperrzeit ist nicht eingetreten.
Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht nach § 159 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB III der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III liegt versicherungswidriges Verhalten u.a. dann vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe dauert nach § 159 Abs. 3 S. 1 SGB III zwölf Wochen. Sie verkürzt sich auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte (§ 159 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB III).
1. Durch den Aufhebungsvertrag vom 20.09.2012 hat der Kläger das Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 1. Alt. SGB III gelöst. Denn er hat durch seine Zustimmung zu dem Vertrag eine wesentliche Ursache zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesetzt, sich also nicht allein passiv verhalten, sondern durch eigenes Zutun das Ende seiner Beschäftigung herbeigeführt. Ob die Initiative von ihm oder vom Arbeitgeber ausgegangen ist, ist unerheblich (vgl. BSG, Urteil vom 05.06.1997 - 7 RAr 22/96 Rn. 19; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand 8/2013, § 159 Rn. 116).
2. Der Kläger hat seine Arbeitslosigkeit damit zugleich mindestens grob fahrlässig herbeigeführt. Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, führt er seine Arbeitslosigkeit jedenfalls dann grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (vgl. etwa BSG, Urteile vom 13.08.1986 - 7 RAr 1/86 Rn. 16 und vom 02.05.2012 - B 11 AL 6/11 R Rn. 15; vgl. ferner Coseriu, a.a.O., Rn. 163 m.w.N.). Dass eine solche Aussicht für den Kläger bestanden hätte, ist nicht ersichtlich; er war ab Dezember 2014 auch tatsächlich arbeitslos.
3. Für die vertragliche Auflösung seines Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger jedoch einen wichtigen Grund, der den Eintritt einer Sperrzeit verhinderte.
Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu beurteilen. Diese dient dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor Risikofällen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten hätte zugemutet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.2007 - B 11a AL 51/06 R Rn. 35; Urteil vom 02.05.2012 - B 11 AL 6/11 R Rn. 17, jeweils m.w.N.; st. Rspr.). Der Sperrzeitregelung liegt zu Grunde, dass sich die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muss, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (vgl. BSG, Urteil vom 05.06.1997 - 7 RAr 22/96 Rn. 20). Der wichtige Grund muss nicht nur die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses als solche, sondern auch den Zeitpunkt der Auflösung decken; der Arbeitnehmer muss also einen wichtigen Grund haben, das Beschäftigungsverhältnis gerade zum gewählten Zeitpunkt zu lösen (BSG, Urteil vom 05.06.1997 - 7 RAr 22/96 Rn. 21).
Ein solcher wichtiger Grund bestand darin, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages (20.09.2012) annehmen musste, die Betriebstätigkeit von FFM werde mit dem 30.06.2013 enden, und sein Arbeitsverhältnis werde dementsprechend durch rechtzeitige arbeitgeberseitige Kündigung spätestens zu diesem Termin beendet.
a) Zwar kann sich der Kläger nicht auf ein tatsächliches Einstellen der Betriebstätigkeit bereits am 30.06.2013 berufen; die Einstellung hat sich im Verlauf des Jahres 2013 auf den 31.12.2014 verschoben.
b) Auch auf eine ihm zum 30.11.2014 (dem Auslaufen des Arbeitsverhältnisses laut Aufhebungsvertrag) drohende Kündigung durch den Arbeitgeber kann sich der Kläger nicht stützen. Grundsätzlich ist es dem Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten, eine arbeitgeberseitige Kündigung abzuwarten (vgl. Coseriu, a.a.O. Rn. 188). Allerdings kann für die Lösung des Arbeitsverhältnisses ein wichtiger Grund bestehen, wenn bei einer konkret angedrohten Kündigung besondere Umstände vorliegen. Das ist etwa dann der Fall, wenn aus einem vom Verhalten des Arbeitnehmers unabhängigen Grund eine rechtmäßige Kündigung zu dem Zeitpunkt droht, zu dem er das Beschäftigungsverhältnis löst, und dadurch Nachteile für das berufliche Fortkommen vermieden werden können (vgl. Karmanski in Brand, SGB III, 6. Auflage 2012, § 159 Rn. 130; Coseriu, a.a.O., Rn. 189). Eine konkrete Kündigung war dem Kläger indes seitens der FFM im September 2012 gar nicht angedroht worden. Dies hat er selbst vorgetragen. Auch die Arbeitgeberin hat in der von ihm vorgelegten "Bestätigung" vom 12.02.2015 ausgeführt, es wären zunächst andere Ausscheidenswege nach dem Sozialplan angeboten worden. Ohnehin wäre - bei der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung nur zum Quartalsende - nicht mit einer rechtmäßigen Kündigung zum 30.11.2014 zu rechnen gewesen.
c) Gleichwohl liegt ein wichtiger Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger darin, dass er zum Zeitpunkt des Auflösungsvertrages (20.09.2012) nach allen ihm zugänglichen Informationen und gestützt auf die von FFM gegenüber den Mitarbeitern kommunizierten Umstände davon ausgehen musste, der Betrieb werde zum 30.06.2013 eingestellt, und sein Beschäftigungsverhältnis könne bis spätestens zu diesem Zeitpunkt arbeitgeberseitig durch ordentliche Kündigung beendet werden.
Grundsätzlich sind für das Vorliegen eines wichtigen Grundes allerdings nicht die subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen maßgebend; ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts muss vielmehr objektiv vorliegen (vgl. BSG, Urteile vom 17.10.2007 - B 11a AL 51/06 R Rn. 35 und vom 02.05.2012 - B 11 AL 6/11 R Rn. 17, jeweils m.w.N.; Coseriu, a.a.O. Rn. 173 ff.; Karmanski, a.a.O. Rn. 122). Es genügt also insbesondere nicht, dass der Arbeitslose lediglich annimmt, er habe wegen einer sonst drohenden rechtmäßigen Kündigung durch den Arbeitgeber einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Ein wichtiger Grund liegt vielmehr nur vor, wenn ansonsten auch objektiv eine rechtmäßige Arbeitgeberkündigung aus nicht verhaltensbedingten Gründen (spätestens) zum gleichen Beendigungszeitpunkt droht (vgl. BSG, Urteil vom 12.07.2006 - B 11a AL 47/05 R Rn. 13).
Für einen objektiven Betrachter sah es jedoch bei Abschluss des Aufhebungsvertrages durch den Kläger so aus, als werde ihm ohne diesen Vertragsschluss spätestens zum 30.06.2013 vom Arbeitgeber gekündigt. Zwar stand später (im Laufe des Monats März 2013) fest, dass der Betrieb von FFM (erst) mit Ablauf des Jahres 2014 eingestellt wird. Bei Abschluss des Aufhebungsvertrages am 20.09.2012 war jedoch prognostisch noch davon auszugehen, FFM stelle die Betriebstätigkeit mit Ablauf des 30.06.2013 ein. Dies ergibt sich nicht nur aus dem späteren Mitarbeiterbrief des Spartenbetriebsrates vom 13.03.2013, der die tatsächlich erst spätere Einstellung zum 31.12.2014 - ersichtlich als eine neue Entwicklung im Verlauf der Abwicklungsgespräche mit FFM - erstmals den Mitarbeitern zur Kenntnis brachte; auch die Auskunft des Prokuristen Dr. N der F Beteiligungen GmbH bestätigt dies. Bei Abschluss des Aufhebungsvertrages am 20.09.2012 wäre der Kläger - entsprechend der prognostischen Betriebseinstellung am 30.06.2013 - aber noch spätestens zum Quartalsende am 30.06.2013 ordentlich kündbar gewesen.
Für die im Rahmen des § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III gebotene Interessenabwägung kann es nur auf die Ex-ante-Sicht zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages ankommen. Denn arbeits- und sozialversicherungsrechtlich bedeutsame Entscheidungen, die - wie das für später vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses - ihre Wirkung erst in der Zukunft entfalten, können ihrer Natur nach interessengerecht nur auf der Grundlage einer Entwicklungsprognose im Zeitpunkt der Entscheidung getroffen werden (vgl. zur Maßgeblichkeit der Prognose auch BSG, Urteil vom 21.07.2009 - B 7 AL 6/08 R Rn. 12 und Leitsatz 3; vgl. auch BSG, Urteil vom 17.11.2005 - B 11/11a AL 69/04 R Rn. 16 und 18). Wollte man für die Frage, ob am 20.09.2012 objektiv ein wichtiger Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrages bestanden hat, hingegen die Ex-post-Sicht der tatsächlichen Entwicklung als entscheidend ansehen, so würde man in der Abwägung der Interessen des Arbeitslosen mit denen der Versichertengemeinschaft zu Lasten des Arbeitslosen auch das Risiko berücksichtigen, dass sich die tatsächlichen Abläufe später anders entwickeln als (ex ante) prognostiziert, und zugleich anders, als es in verständiger Weise prognostizierbar war. Die zu treffende Prognose hat sich allerdings nicht an bloß subjektiven Vorstellungen des Arbeitnehmers zu orientieren, sondern an einer objektiven Beurteilung der Aussichten über die künftige tatsächliche Entwicklung. Diese Aussichten wiesen jedoch im Falle des Klägers am 20.09.2012 aus den genannten Gründen auch für einen objektiven Beobachter noch auf eine Betriebsschließung am 30.06.2013 und auf eine Kündbarkeit durch den Arbeitgeber spätestens zu letzterem Termin hin.
Daran ändert es nichts, dass bei Entscheidungsprozessen über die Einstellung einer Betriebstätigkeit naturgemäß Verzögerungen eintreten können (wie sie letztlich bei FFM auch eingetreten sind). Wollte man vom Arbeitslosen erwarten, mit der Entscheidung über eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag in jedem Falle mindestens so lange zuzuwarten, bis eine unabänderliche Regelung zur Betriebseinstellung vorliegt, würde die Abwägung zwischen den Interessen von Arbeitslosem und Versichertengemeinschaft dem Arbeitslosen allzu einseitig unzumutbare Risiken aufbürden. Dies gilt jedenfalls bei tatsächlichen Umständen wie im Falle des Klägers. Eine Schließung von FFM war nach Angaben des Prokuristen Dr. N der F Beteiligungen GmbH bereits ab 2004 "Thema"; dies stellte für den Kläger mithin seit Jahren eine Bedrohung seiner beruflichen Zukunft bei FFM dar, mit deren zeitnaher Verwirklichung er im September 2012 deshalb rechnen konnte. Hätte er ab September 2012 weiter zugewartet, bis der Spartenbetriebsrat unter dem 13.03.2013 die Verlagerung der Betriebseinstellung erst auf den 31.12.2014 mitgeteilt hat, wäre er Gefahr gelaufen, schon bis spätestens Ende 2012 arbeitgeberseitig zur Jahresmitte 2013 ordentlich gekündigt zu werden. Bot ihm stattdessen der Aufhebungsvertrag einerseits ab September 2012 die Gewissheit, sogar bis zum 30.11.2014 vollbeschäftigt zu bleiben, und zudem eine beachtliche soziale Absicherung auch für die Folgezeit bis zum Renteneintritt, und sicherte dies andererseits der Versichertengemeinschaft (aus der Sicht vom 20.09.2012) etliche Monate zusätzlicher Beitragsleistungen und verschob - mit allen darin für die Arbeitsmarktentwicklung und die Arbeitsvermittlung enthaltenen Chancen - den Eintritt von Arbeitslosigkeit nach hinten, so begründete dies einen wichtigen Grund für die vertragliche Lösung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
IV. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
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