Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 16 KA 6/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 71/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.08.2016 wird verworfen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen anhängig gemachten Klage S 16 KA 7/16, die auf Aufhebung des Bescheides des Antragsgegners vom 18.05.2016 gerichtet ist. Mit diesem Bescheid hat der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk Münster vom 15.03.2016 zurückgewiesen und die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet.
Der Antragsteller ist Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie. Er war seit Mitte 1992 zur vertragsärztlichen Versorgung in der X Straße 00, D, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und hatte einen Versorgungsauftrag zur Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten nach Anlage 9.1 des Bundesmantelvertrags für Ärzte. Bis zum 31.03.2002 bestand eine Gemeinschaftspraxis. Vom 01.04.2002 bis zum 31.07.2002 betrieb der Antragsteller eine Einzelpraxis. Mit Wirkung zum 01.08.2002 gründete er eine bis zum 31.12.2009 bestehende Gemeinschaftspraxis mit Dr. I. Anschließend war er bis zum 18.08.2010 in Einzelpraxis tätig. Ab dem 18.08.2010 wird die Praxis von einer aus dem Antragsteller und Dr. U bestehenden Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) geführt.
Der Antragsteller wurde durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Hamm vom 04.02.2016 - 1-17 U 84/14 - zur Abgabe einer Willenserklärung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KVWL) wie folgt verpflichtet:
"An den Zulassungsausschuss für den Regierungsbezirk Münster, Robert-Schimrigk-Str. 4-6, 44741 Dortmund
Betrifft: Verlegung des Vertragsarztsitzes
Hiermit beantrage ich, X I, meinen Vertragsarztsitz vom Standort X Str. 00 in D an den Standort D, C-str. 00 zu verlegen.
Begründung:
Mit Wirkung zum 01.01.2014 hat der Zulassungsausschuss gestattet, den Vertragsarztsitz von dem Standort C-str. 00 an den Standort X Str. 00 in D zu verlegen. Mit Urteil vom 25.02.2014 hat das Landgericht E unter dem Az: 25 O 00/00 entschieden, dass ich, X I, verpflichtet bin, den mit der Verfügungsklägerin (W GmbH) abgeschlossenen Kooperationsvertrag zum Betrieb einer ausgelagerten Praxisstätte in Form eines Dialysezentrums in der C-str. 00, D zu erfüllen und fortzuführen.
Um der Entscheidung des Landgerichts E nachzukommen, ist es erforderlich, den Vertragsarztsitz an den alten Standort C-str. 00 zu verlegen. Nach § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV hat der Zulassungsausschuss die Verlegung zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen. Derartige Gründe sind nicht ersichtlich, da ich meine Praxis bis zum 31.12.2013 an dem Verlegungsstandort geführt habe und dort alle sachlichen und personellen Einrichtungen zur Sicherstellung der Versorgung vorhanden sind.
X I"
Das Urteil wurde dem Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen am 02.03.2016 förmlich zugestellt. Hierauf genehmigte der Zulassungsausschuss am 15.03.2016 die beantragte "Verlegung des Vertragsarztsitzes des Herrn X I als Arzt (fachärztlich) von D, X Straße 00, nach D, C-straße 00, mit Wirkung vom 16.03.2016".
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Beschluss vom 18.05.2016 zurück. Gleichzeitig ordnete er die sofortige Vollziehung an.
Unter dem 20.06.2016 hat der Antragsteller gegen den Beschluss des Antragsgegners Klage vor dem SG Gelsenkirchen erhoben und am 21.06.2016 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er hat vorgetragen, die fraglichen Räumlichkeiten nicht nutzen zu können. In der C-straße 00 in D sei die frühere Dialysepraxis der BAG gewesen. Nach Beendigung der Dialyse-Tätigkeit befände sich dort unter anderem eine Zahnarztpraxis. Zum Betrieb der Dialyse seien die Räumlichkeiten nicht geeignet; insbesondere seien die erforderlichen Elektro- und Wasserbereiche nicht mehr vorhanden. Daher sei es unmöglich, die durch Urteil des OLG Hamm fingierte Willenserklärung zu realisieren. Im Übrigen habe er den Antrag auf Sitzverlegung weder persönlich gestellt noch entspreche dies seinem Willen. Vielmehr sei er zu der Abgabe der Willenserklärung verurteilt worden. Auch habe der Antragsgegner seine Anordnung des Sofortvollzuges nicht hinreichend begründet.
Die Antragsteller hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage unter dem Az.: S 16 KA 7/16 gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 18.05.2016 mit dem Az.: BA Nr. 18/2016.
Der Antragsgegner hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Antrag abzulehnen
und sich zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides bezogen.
Mit Beschluss vom 18.08.2016 hat das SG den Antrag abgelehnt. Bei nur deklaratorisch-feststellenden Verwaltungsakten sei ein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Feststellung der aufschiebenden Wirkung zu vereinen, weil damit das im Eilverfahren verfolgte Ziel einer Verbesserung der Rechtsstellung von vornherein nicht erreichbar sei. Beschränke sich die Regelungswirkung eines feststellenden Verwaltungsaktes darauf, schon zuvor eingetretene Rechtsfolgen nur noch deklaratorisch festzustellen, könne mit der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen auch nicht nur vorläufig ein Zustand wiederhergestellt zu werden, der schon zuvor nicht mehr bestanden habe. Infolge der mit Zustellung eingetretenen Rechtskraft des Urteils des OLG Hamm vom 04.02.2016 - 1-17 U84/14 - habe der Antragsteller die Verlegung seines Vertragsarztsitzes beantragt. Unerheblich sei, ob der fingierte Antrag auf Verlegung des Vertragsarztsitzes dem Willen des Antragsteller entspreche, denn § 894 Zivilprozessordnung (ZPO) ersetze dies.
Diese Entscheidung greift der Antragsteller fristgerecht mit der am 21.09.2016 eingegangenen Beschwerde an. Eine Begründung liegt nicht vor. Statt dessen haben seine Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 05.10.2016 unter Hinweis auf den von ihnen beigefügten Beschluss des Amtsgerichts (AG) E vom 30.09.2016 - 253 IN 76/16 - mitgeteilt, über das Vermögen des Antragstellers sei das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das Prozessverfahren sei gem. § 240 ZPO unterbrochen. Eine Aufnahme des Rechtsstreits sei mit dem Schriftsatz vom 05.10.2016 nicht verbunden.
Das AG hat mit betreffendem Beschluss die Bevollmächtigte des Antragstellers, Rechtsanwältin Dr. N, zur Insolvenzverwalterin bestellt. Diese hat am 04.11.2016 zum Verfahren S 16 KA 10/16 (SG Gelsenkirchen) mitgeteilt, dass der Antragsteller zum 25.10.2016 auf seinen "Kassenarztsitz" verzichtet habe.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen des § 240 ZPO lägen nicht vor. Das Verfahren betreffe nicht die Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO)).
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie die Streitakten betreffen die Verfahren L 11 KA 70/16 B ER, L 11 KA 72/16 B ER und L 11 KA 55/16 B ER verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Das Verfahren ist nicht unterbrochen (nachfolgend 1.). Es fehlt am Rechtsschutzbedürfnis (nachfolgend 2.).
1. Die Voraussetzungen des § 240 ZPO liegen nicht vor. Die Norm bestimmt: "Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht."
Das anhängige Verfahren muss sonach die Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO), also das pfändbare Vermögen des Schuldners betreffen. Unterbrochen wird das Verfahren daher nur, wenn der Verfahrensgegenstand zumindest mittelbar einen Vermögenswert ist, der zur Insolvenzmasse gehört; in diesem Fall auch bei Feststellungs- und Unterlassungsklagen (Greger in Zöller, ZPO, 31. Auflage, 2016, § 240 Rdn. 8 m.w.N.). Die Insolvenzmasse definiert § 35 Abs. 1 InsO dahin, dass sie das gesamte Vermögen erfasst, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Ausgenommen sind nicht der Zwangsvollstreckung unterliegende Gegenstände (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO), wobei die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850k, 851c und 851d ZPO entsprechend gelten (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InsO).
Das einstweilige Rechtsschutzverfahren betrifft nicht die Insolvenzmasse. Verfahrensgegenstand ist der durch das OLG Hamm fingierte Antrag auf Verlegung des Vertragsarztsitzes. Weder die vertragsärztliche Zulassung noch der hieraus abgeleitete Anspruch auf Verlegung des Vertragsarztsitzes (§ 24 Abs. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV)) nach Maßgabe des § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV fällt in die Insolvenzmasse. Zwar kann der zivilrechtliche Vermögenswert einer Arztpraxis Teil der Insolvenzmasse werden Der öffentlich-rechtliche Status der Zulassung als Vertragsarzt und der damit untrennbar verbundene Vertragsarztsitz (§ 24 Abs. 1 Ärzte-ZV) sind hingegen nicht pfändbar und nicht der Insolvenzmasse zurechenbar (Senat, Urteil vom 07.10.1998 - L 11 KA 62/98 -). Das Bundessozialgericht (BSG) ist dem gefolgt und hat judiziert (Urteil vom 10.05.2000 - B 6 KA 67/98 R -): "Er (Anm. des Senats: Der Kläger) hat durch die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen und die Ernennung des Beigeladenen zu 8. zum Konkursverwalter nicht die Befugnis verloren, seinen Vertragsarztsitz zu verlegen und hierfür die erforderliche Genehmigung zu beantragen. Diese Befugnis gehört entgegen der Ansicht des Beigeladenen zu 8. nicht zu der von ihm verwalteten Konkursmasse. Die Befugnis, den Vertragsarztsitz zu verlegen, ist eng mit dem Zulassungsstatus als Vertragsarzt verbunden, der weder übertragbar noch pfändbar ist. ( ) Untrennbar mit der Zulassung als Vertragsarzt verbunden ist der Vertragsarztsitz. Er ist unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, die ohne einen Vertragsarztsitz nicht möglich ist (vgl BSGE 85, 1, 4 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 30 ff). Daher kann der Vertragsarzt die Befugnis zur Verfügung über ihn ebenfalls nicht durch die Konkurseröffnung verlieren. Dementsprechend konnte der Beigeladene zu 8. mit seinem Begehren, den Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 5. nachzubesetzen, keinen Erfolg haben. Nichts anderes gilt für das Recht auf Verlegung des Vertragsarztsitzes und für die Befugnis, die erforderliche Genehmigung zu beantragen. Sie kann aus den dargestellten Gründen ebenfalls nicht mit der Konkurseröffnung auf den Konkursverwalter übergehen."
Hieraus folgt: Der Verfahrensgegenstand "Verlegung des Vertragsarztsitzes" ist nicht Teil der Insolvenzmasse. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist akzessorisch und folgt dem. Das Verfahren ist mithin nicht unterbrochen.
2. Es fehlt am Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller hat am 25.10.016 auf seine Zulassung verzichtet. Der Antragsgegner hat den Verzicht mit Ablauf des 25.10.2016 per Beschluss festgehalten (Schriftsatz vom 01.12.2016 im Verfahren L 11 KA 72/16 B ER). Als Rechtsfolge bewirkt der Verzicht das Ende der Zulassung. Untrennbar mit dem Zulassungsstatus ist der Vertragsarztsitz verbunden, denn die Zulassung erfolgt für den Vertragsarztsitz (§ 24 Abs. 1 Ärzte-ZV). Das Wirksamwerden des Zulassungsverzichts hat mithin zur Folge, dass der insoweit akzessorische Vertragsarztsitz entfällt. Infolgedessen existiert kein Substrat mehr, das nach § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV verlegt werden könnte. Infolgedessen ist das Rechtsschutzbedürfnis entfallen.
III.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Bedeutung der Sache i.S.d. § 53 Abs. 1 GKG ist ziffernmäßig (wirtschaftlich) nicht präzisierbar. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in zulassungsähnlichen Verfahren (Zweigpraxisgenehmigung, Anstellung eines Arztes, Abrechnungsgenehmigung usw.) auf den Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR abzustellen, der je Quartal auf drei Jahre anzusetzen ist. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist dieser Zeitraum auf ein Jahr zu reduzieren (hierzu Beschlüsse vom 13.09.2016 - L 11 KA 78/15 -, 16.11.2015 - L 11 KA 42/15 B ER -, 30.03.2015 - L 11 KA 94/14 B ER, L 11 KA 13/15 ER -). Demzufolge ergibt sich ein Streitwert von 20.000,00 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG iVm § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen anhängig gemachten Klage S 16 KA 7/16, die auf Aufhebung des Bescheides des Antragsgegners vom 18.05.2016 gerichtet ist. Mit diesem Bescheid hat der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk Münster vom 15.03.2016 zurückgewiesen und die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet.
Der Antragsteller ist Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie. Er war seit Mitte 1992 zur vertragsärztlichen Versorgung in der X Straße 00, D, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und hatte einen Versorgungsauftrag zur Versorgung chronisch niereninsuffizienter Patienten nach Anlage 9.1 des Bundesmantelvertrags für Ärzte. Bis zum 31.03.2002 bestand eine Gemeinschaftspraxis. Vom 01.04.2002 bis zum 31.07.2002 betrieb der Antragsteller eine Einzelpraxis. Mit Wirkung zum 01.08.2002 gründete er eine bis zum 31.12.2009 bestehende Gemeinschaftspraxis mit Dr. I. Anschließend war er bis zum 18.08.2010 in Einzelpraxis tätig. Ab dem 18.08.2010 wird die Praxis von einer aus dem Antragsteller und Dr. U bestehenden Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) geführt.
Der Antragsteller wurde durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Hamm vom 04.02.2016 - 1-17 U 84/14 - zur Abgabe einer Willenserklärung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KVWL) wie folgt verpflichtet:
"An den Zulassungsausschuss für den Regierungsbezirk Münster, Robert-Schimrigk-Str. 4-6, 44741 Dortmund
Betrifft: Verlegung des Vertragsarztsitzes
Hiermit beantrage ich, X I, meinen Vertragsarztsitz vom Standort X Str. 00 in D an den Standort D, C-str. 00 zu verlegen.
Begründung:
Mit Wirkung zum 01.01.2014 hat der Zulassungsausschuss gestattet, den Vertragsarztsitz von dem Standort C-str. 00 an den Standort X Str. 00 in D zu verlegen. Mit Urteil vom 25.02.2014 hat das Landgericht E unter dem Az: 25 O 00/00 entschieden, dass ich, X I, verpflichtet bin, den mit der Verfügungsklägerin (W GmbH) abgeschlossenen Kooperationsvertrag zum Betrieb einer ausgelagerten Praxisstätte in Form eines Dialysezentrums in der C-str. 00, D zu erfüllen und fortzuführen.
Um der Entscheidung des Landgerichts E nachzukommen, ist es erforderlich, den Vertragsarztsitz an den alten Standort C-str. 00 zu verlegen. Nach § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV hat der Zulassungsausschuss die Verlegung zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen. Derartige Gründe sind nicht ersichtlich, da ich meine Praxis bis zum 31.12.2013 an dem Verlegungsstandort geführt habe und dort alle sachlichen und personellen Einrichtungen zur Sicherstellung der Versorgung vorhanden sind.
X I"
Das Urteil wurde dem Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen am 02.03.2016 förmlich zugestellt. Hierauf genehmigte der Zulassungsausschuss am 15.03.2016 die beantragte "Verlegung des Vertragsarztsitzes des Herrn X I als Arzt (fachärztlich) von D, X Straße 00, nach D, C-straße 00, mit Wirkung vom 16.03.2016".
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Beschluss vom 18.05.2016 zurück. Gleichzeitig ordnete er die sofortige Vollziehung an.
Unter dem 20.06.2016 hat der Antragsteller gegen den Beschluss des Antragsgegners Klage vor dem SG Gelsenkirchen erhoben und am 21.06.2016 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er hat vorgetragen, die fraglichen Räumlichkeiten nicht nutzen zu können. In der C-straße 00 in D sei die frühere Dialysepraxis der BAG gewesen. Nach Beendigung der Dialyse-Tätigkeit befände sich dort unter anderem eine Zahnarztpraxis. Zum Betrieb der Dialyse seien die Räumlichkeiten nicht geeignet; insbesondere seien die erforderlichen Elektro- und Wasserbereiche nicht mehr vorhanden. Daher sei es unmöglich, die durch Urteil des OLG Hamm fingierte Willenserklärung zu realisieren. Im Übrigen habe er den Antrag auf Sitzverlegung weder persönlich gestellt noch entspreche dies seinem Willen. Vielmehr sei er zu der Abgabe der Willenserklärung verurteilt worden. Auch habe der Antragsgegner seine Anordnung des Sofortvollzuges nicht hinreichend begründet.
Die Antragsteller hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage unter dem Az.: S 16 KA 7/16 gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 18.05.2016 mit dem Az.: BA Nr. 18/2016.
Der Antragsgegner hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Antrag abzulehnen
und sich zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides bezogen.
Mit Beschluss vom 18.08.2016 hat das SG den Antrag abgelehnt. Bei nur deklaratorisch-feststellenden Verwaltungsakten sei ein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Feststellung der aufschiebenden Wirkung zu vereinen, weil damit das im Eilverfahren verfolgte Ziel einer Verbesserung der Rechtsstellung von vornherein nicht erreichbar sei. Beschränke sich die Regelungswirkung eines feststellenden Verwaltungsaktes darauf, schon zuvor eingetretene Rechtsfolgen nur noch deklaratorisch festzustellen, könne mit der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen auch nicht nur vorläufig ein Zustand wiederhergestellt zu werden, der schon zuvor nicht mehr bestanden habe. Infolge der mit Zustellung eingetretenen Rechtskraft des Urteils des OLG Hamm vom 04.02.2016 - 1-17 U84/14 - habe der Antragsteller die Verlegung seines Vertragsarztsitzes beantragt. Unerheblich sei, ob der fingierte Antrag auf Verlegung des Vertragsarztsitzes dem Willen des Antragsteller entspreche, denn § 894 Zivilprozessordnung (ZPO) ersetze dies.
Diese Entscheidung greift der Antragsteller fristgerecht mit der am 21.09.2016 eingegangenen Beschwerde an. Eine Begründung liegt nicht vor. Statt dessen haben seine Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 05.10.2016 unter Hinweis auf den von ihnen beigefügten Beschluss des Amtsgerichts (AG) E vom 30.09.2016 - 253 IN 76/16 - mitgeteilt, über das Vermögen des Antragstellers sei das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das Prozessverfahren sei gem. § 240 ZPO unterbrochen. Eine Aufnahme des Rechtsstreits sei mit dem Schriftsatz vom 05.10.2016 nicht verbunden.
Das AG hat mit betreffendem Beschluss die Bevollmächtigte des Antragstellers, Rechtsanwältin Dr. N, zur Insolvenzverwalterin bestellt. Diese hat am 04.11.2016 zum Verfahren S 16 KA 10/16 (SG Gelsenkirchen) mitgeteilt, dass der Antragsteller zum 25.10.2016 auf seinen "Kassenarztsitz" verzichtet habe.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen des § 240 ZPO lägen nicht vor. Das Verfahren betreffe nicht die Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO)).
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie die Streitakten betreffen die Verfahren L 11 KA 70/16 B ER, L 11 KA 72/16 B ER und L 11 KA 55/16 B ER verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Das Verfahren ist nicht unterbrochen (nachfolgend 1.). Es fehlt am Rechtsschutzbedürfnis (nachfolgend 2.).
1. Die Voraussetzungen des § 240 ZPO liegen nicht vor. Die Norm bestimmt: "Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht."
Das anhängige Verfahren muss sonach die Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO), also das pfändbare Vermögen des Schuldners betreffen. Unterbrochen wird das Verfahren daher nur, wenn der Verfahrensgegenstand zumindest mittelbar einen Vermögenswert ist, der zur Insolvenzmasse gehört; in diesem Fall auch bei Feststellungs- und Unterlassungsklagen (Greger in Zöller, ZPO, 31. Auflage, 2016, § 240 Rdn. 8 m.w.N.). Die Insolvenzmasse definiert § 35 Abs. 1 InsO dahin, dass sie das gesamte Vermögen erfasst, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Ausgenommen sind nicht der Zwangsvollstreckung unterliegende Gegenstände (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO), wobei die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850k, 851c und 851d ZPO entsprechend gelten (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InsO).
Das einstweilige Rechtsschutzverfahren betrifft nicht die Insolvenzmasse. Verfahrensgegenstand ist der durch das OLG Hamm fingierte Antrag auf Verlegung des Vertragsarztsitzes. Weder die vertragsärztliche Zulassung noch der hieraus abgeleitete Anspruch auf Verlegung des Vertragsarztsitzes (§ 24 Abs. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV)) nach Maßgabe des § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV fällt in die Insolvenzmasse. Zwar kann der zivilrechtliche Vermögenswert einer Arztpraxis Teil der Insolvenzmasse werden Der öffentlich-rechtliche Status der Zulassung als Vertragsarzt und der damit untrennbar verbundene Vertragsarztsitz (§ 24 Abs. 1 Ärzte-ZV) sind hingegen nicht pfändbar und nicht der Insolvenzmasse zurechenbar (Senat, Urteil vom 07.10.1998 - L 11 KA 62/98 -). Das Bundessozialgericht (BSG) ist dem gefolgt und hat judiziert (Urteil vom 10.05.2000 - B 6 KA 67/98 R -): "Er (Anm. des Senats: Der Kläger) hat durch die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen und die Ernennung des Beigeladenen zu 8. zum Konkursverwalter nicht die Befugnis verloren, seinen Vertragsarztsitz zu verlegen und hierfür die erforderliche Genehmigung zu beantragen. Diese Befugnis gehört entgegen der Ansicht des Beigeladenen zu 8. nicht zu der von ihm verwalteten Konkursmasse. Die Befugnis, den Vertragsarztsitz zu verlegen, ist eng mit dem Zulassungsstatus als Vertragsarzt verbunden, der weder übertragbar noch pfändbar ist. ( ) Untrennbar mit der Zulassung als Vertragsarzt verbunden ist der Vertragsarztsitz. Er ist unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, die ohne einen Vertragsarztsitz nicht möglich ist (vgl BSGE 85, 1, 4 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 30 ff). Daher kann der Vertragsarzt die Befugnis zur Verfügung über ihn ebenfalls nicht durch die Konkurseröffnung verlieren. Dementsprechend konnte der Beigeladene zu 8. mit seinem Begehren, den Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 5. nachzubesetzen, keinen Erfolg haben. Nichts anderes gilt für das Recht auf Verlegung des Vertragsarztsitzes und für die Befugnis, die erforderliche Genehmigung zu beantragen. Sie kann aus den dargestellten Gründen ebenfalls nicht mit der Konkurseröffnung auf den Konkursverwalter übergehen."
Hieraus folgt: Der Verfahrensgegenstand "Verlegung des Vertragsarztsitzes" ist nicht Teil der Insolvenzmasse. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist akzessorisch und folgt dem. Das Verfahren ist mithin nicht unterbrochen.
2. Es fehlt am Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller hat am 25.10.016 auf seine Zulassung verzichtet. Der Antragsgegner hat den Verzicht mit Ablauf des 25.10.2016 per Beschluss festgehalten (Schriftsatz vom 01.12.2016 im Verfahren L 11 KA 72/16 B ER). Als Rechtsfolge bewirkt der Verzicht das Ende der Zulassung. Untrennbar mit dem Zulassungsstatus ist der Vertragsarztsitz verbunden, denn die Zulassung erfolgt für den Vertragsarztsitz (§ 24 Abs. 1 Ärzte-ZV). Das Wirksamwerden des Zulassungsverzichts hat mithin zur Folge, dass der insoweit akzessorische Vertragsarztsitz entfällt. Infolgedessen existiert kein Substrat mehr, das nach § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV verlegt werden könnte. Infolgedessen ist das Rechtsschutzbedürfnis entfallen.
III.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Bedeutung der Sache i.S.d. § 53 Abs. 1 GKG ist ziffernmäßig (wirtschaftlich) nicht präzisierbar. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in zulassungsähnlichen Verfahren (Zweigpraxisgenehmigung, Anstellung eines Arztes, Abrechnungsgenehmigung usw.) auf den Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR abzustellen, der je Quartal auf drei Jahre anzusetzen ist. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist dieser Zeitraum auf ein Jahr zu reduzieren (hierzu Beschlüsse vom 13.09.2016 - L 11 KA 78/15 -, 16.11.2015 - L 11 KA 42/15 B ER -, 30.03.2015 - L 11 KA 94/14 B ER, L 11 KA 13/15 ER -). Demzufolge ergibt sich ein Streitwert von 20.000,00 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG iVm § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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