Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 37 U 114/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 712/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.10.2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob sich die bei dem Kläger anerkannte Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Lärmschwerhörigkeit - nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit verschlimmert hat. Der 1965 geborene Kläger arbeitete von 1981 bis 1990 im Steinkohlenbergbau als Jungbergmann, Transportarbeiter und Hauer. Im Oktober 1990 war er für eine Unternehmerfirma als Hauer Tätig. Von 1991 bis 1993 und von 1995 bis 1996 war er als Maschinenführer bei der Firma M beschäftigt. Zuletzt arbeitete er von April 2004 bis Februar 2005 als Berg- und Maschinenmann für mehrere Unternehmerfirmen im Steinkohlenbergbau. Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der Beklagten war der Kläger zuletzt bei den Unternehmerfirmen F und J für ca. 7 Monate einem Beurteilungspegel zwischen 90 und 93 dB (A) ausgesetzt. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. N F, ein HNO-ärztliches Gutachten unter dem 04.08.2009 (richtig wohl: 04.09.2008). Dr. N sah das Audiogramm vom 26.09.2007 (richtig wohl 2006, Bl. 32 VA), das am nächsten nach dem letzten Arbeitstag lag, als maßgeblich an, weil nach dem im Einzelnen dargestellten Stand der HNO-medizinischen Wissenschaft ein Lärmschaden des Gehörs nur unter Einwirkung von Lärm entstehen könne, so dass jeder nach Beendigung der Lärmtätigkeit eingetretene Hörschaden als nicht lärmbedingt anzusehen sei. Er ermittelte daraus einen Hörverlust beidseits von 15 v.H. Daraus ergebe sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für den berufsbedingten Hörverlust einschließlich eines Tinnitus von unter 10 v.H. Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 07.10.2008 eine BK 2301 an und lehnte die Gewährung einer Rente ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.02.2009; Urteil des SG Gelsenkirchen - SG - S 37 U 114/16). Das SG stützte sich auf das Gutachten des Dr. N vom 04.08.2008. In dem sich anschließenden Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen L 4 U 127/09 holte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen auf Antrag des Klägers ein weiteres HNO-ärztliches Gutachten von dem Chefarzt der Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie des Prosper Hospitals S Prof. Dr. Dr. T (vom 25.10.2010) ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die MdE auf unter 10 v.H. zu schätzen sei. Dr. N sei uneingeschränkt zuzustimmen. Im Termin vom 10.12.2010 nahm der Kläger die Berufung zurück. Mit ärztlicher Anzeige vom 12.08.2014 teilte der behandelnde HNO-Arzt N der Beklagten mit, die Schwerhörigkeit des Klägers habe sich weiter verschlechtert. Unter dem 02.11.2015 beschied die Beklagte den Kläger dahingehend, die Verschlechterung seines Gehörs nach Aufgabe der lärmgefährdenden Tätigkeit am 23.02.2005 werde nicht als Folge der BK anerkannt. Die letzte lärmgefährdende Tätigkeit des Klägers habe am 23.02.2005 geendet. Daran habe sich Arbeitslosigkeit und Berentung angeschlossen. Eine Verschlechterung einer Lärmschwerhörigkeit könne sich aber nur während einer beruflichen Lärmeinwirkung entwickeln. Nach dem Ende der Lärmeinwirkung sei ein Fortschreiten der Schwerhörigkeit nur aus altersbedingten Gründen möglich. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch begehrte der Kläger die Feststellung einer Verschlimmerung. Dem half die Verwaltungsstelle nicht ab und der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2016 zurück. Es sei medizinisch ausgeschlossen, dass sich eine Lärmschwerhörigkeit nach Aufgabe der lärmgefährdenden versicherten Tätigkeit verschlimmere. Der Kläger hat am 22.03.2016 Klage erhoben. Zur Begründung hat er angeführt, die Beklagte gehe fehl in der Annahme, dass sich eine anerkannte Lärmschwerhörigkeit nach Aufgabe der lärmgefährdenden versicherten Tätigkeit verschlimmern (wohl: nicht verschlimmern) kann. Die Beklagte habe keine ärztlichen Untersuchungen hierzu veranlasst. Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2016 antragsgemäß zu erkennen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat Bezug genommen auf ihr Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid (§ 105 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) vom 19.10.2016 entschieden und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat sich das SG auf die Begründung des Bescheides vom 02.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2016 bezogen (§ 136 Abs. 3 SGG) und ergänzend ausgeführt, eine berufliche Lärmschwerhörigkeit könne sich nach herrschender Meinung nur während der beruflichen Lärmbelastung entwickeln und nicht danach. Die Zunahme einer vorbestehenden Lärmschwerhörigkeit nach Beendigung der beruflichen Lärmbelastung könne daher nie auf die frühere Lärmexposition zurückgeführt werden. Im versicherungsrechtlichen Sinn werde sie als Nachschaden gewertet und bei der MdE-Einschätzung nicht berücksichtigt (Verweis auf: Brusis, Berufliche Lärmschwerhörigkeit - Diagnose, Differenzialdiagnose und Begutachtung, 2006). Die letzte gefährdende Tätigkeit habe spätestens am 23.02.2005 geendet. In dem Verfahren vor dem LSG NRW unter dem Aktenzeichen L 4 U 127/09 sei der Kläger von Prof. Dr. Dr. R. T, begutachtet worden, der in seinem HNO-ärztlichen Gutachten vom 25.10.2010 festgestellt hatte, der Kläger leide unter einer zunehmenden beidseitigen Schwerhörigkeit und Ohrgeräuschen. Bis 2005 sei er beruflichen Lärmbelastungen von über 85 dB(A) ausgesetzt gewesen. Seit Ende der beruflichen Lärmexposition im Jahre 2005 lagen ihm weitere Befunde des Hörvermögens vor (vom 04.08.2009 und 19.08.2010), die eine deutliche Progredienz seit 2005 bzw. dem ersten Befund (vom 26.09.2006) nach Beendigung der beruflichen Lärmexposition zeigten. Die beruflich bedingte MdE hatte der Sachverständige auf unter 10 v.H. geschätzt und ausgeführt, aufgrund des Verlaufs der Schwerhörigkeit sei abgesehen von der während der beruflichen Lärmexposition entstandenen Schwerhörigkeit ein erheblicher Nachschaden zu verzeichnen, der nicht auf eine frühere berufliche Lärmexposition zurückgeführt werden könne und von dieser kausal zu trennen sei. Dieser Auffassung ist das SG gefolgt: Sofern der Kläger nunmehr eine zunehmende Hörminderung im Sinne einer Verschlechterung geltend mache, könne diese Verschlechterung in Ergänzung zu den Ausführungen des Sachverständigen denknotwendig nicht in Zusammenhang mit einer beruflichen Lärmexposition gebracht werden, denn der Kläger habe seit 2005 nicht lärmexponiert gearbeitet.
Gegen den ihm am 21.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 21.11.2016. Der Kläger ist der Auffassung, die Verschlechterung seines Gehörs sei auf die anerkannte Berufskrankheit zurückzuführen. Er reklamiert, dass erstinstanzlich kein Gutachten zu dieser Frage eingeholt worden sei und sich das SG insoweit weitgehend aus Parallelverfahren bediene.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich wörtlich,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 19.10.2016 die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2015 in der Gestalt eines Widerspruchsbescheides 19.03.2016 antragsgemäß zuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, aus der Berufungsschrift ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Eine Verschlimmerung der anerkannten Berufskrankheit sei nach Aufgabe der gefährdenden und versicherten Tätigkeit medizinisch ausgeschlossen. Eine weitere Begutachtung sei nicht erforderlich.
Mit Richterbrief vom 22.02.2017 hat der Senat die Beteiligten unter Verweis auf Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, Stand Dezember 2016, M 2301 2.4 a. E. darauf hingewiesen, die Rechtsauffassung der Beklagten halte er für zutreffend. Der Senat hat sodann durch Beschluss vom 05.05.2017 den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Der sodann erfolgten Anfrage, ob im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) entschieden werden kann, haben die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 12.06. und 21.06.2017 zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die genannten Gutachten und den weiteren Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der Senatsberatung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet, nachdem die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben, durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG), außerdem nach entsprechender Übertragung durch den Senat nach § 153 Abs. 5 SGG in der Besetzung mit der sogenannten "kleinen Richterbank" durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, weil die beim Kläger nach Aufgabe der lärmgefährdenden Tätigkeit am 23.02.2005 eingetretene Verschlechterung seines Hörvermögens nicht als Folge der anerkannten BK Nr. 2301 festzustellen ist - nur dies ist zulässiger (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) Streitgegenstand, denn nur hierüber haben die Beklagte und das SG entschieden.
Eine Schwerhörigkeit schreitet nach dem Ende der Lärmexposition lediglich altersentsprechend fort; die darüber hinausgehende spätere Verschlimmerung muss andere Ursachen als Berufslärm haben. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und schließt sich ausdrücklich den zutreffenden Ausführungen des SG hierzu an. Dies entspricht dem aktuell herrschenden Stand in der medizinischen Wissenschaft, wie der Senat bereits den in den vorausgegangenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. N und Professor Dr. Dr. T entnimmt, die ihrerseits zusätzlich in der aktuellen einschlägigen Literatur und Rechtsprechung Bestätigung finden (vgl. nur Mehrtens/Brandenburg, a.a.O, M 2301 2.4 a. E.; Brusis, a.a.O.; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25.03.2015 - L 5 U 8/13 -, juris Rn. 49 mit zahlreichen w.N.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.03.2012 - L 2 U 4996/10 - sozialgerichtsbarkeit.de). Danach ist ausgeschlossen, dass die nach dem Ende der beruflichen Tätigkeit eingetretene Verschlechterung des Hörvermögens des Klägers auf seine berufliche Lärmexposition zurückzuführen ist. Zu weiterer medizinischer Beweiserhebung musste sich der Senat deshalb nicht gedrängt sehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob sich die bei dem Kläger anerkannte Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Lärmschwerhörigkeit - nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit verschlimmert hat. Der 1965 geborene Kläger arbeitete von 1981 bis 1990 im Steinkohlenbergbau als Jungbergmann, Transportarbeiter und Hauer. Im Oktober 1990 war er für eine Unternehmerfirma als Hauer Tätig. Von 1991 bis 1993 und von 1995 bis 1996 war er als Maschinenführer bei der Firma M beschäftigt. Zuletzt arbeitete er von April 2004 bis Februar 2005 als Berg- und Maschinenmann für mehrere Unternehmerfirmen im Steinkohlenbergbau. Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der Beklagten war der Kläger zuletzt bei den Unternehmerfirmen F und J für ca. 7 Monate einem Beurteilungspegel zwischen 90 und 93 dB (A) ausgesetzt. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. N F, ein HNO-ärztliches Gutachten unter dem 04.08.2009 (richtig wohl: 04.09.2008). Dr. N sah das Audiogramm vom 26.09.2007 (richtig wohl 2006, Bl. 32 VA), das am nächsten nach dem letzten Arbeitstag lag, als maßgeblich an, weil nach dem im Einzelnen dargestellten Stand der HNO-medizinischen Wissenschaft ein Lärmschaden des Gehörs nur unter Einwirkung von Lärm entstehen könne, so dass jeder nach Beendigung der Lärmtätigkeit eingetretene Hörschaden als nicht lärmbedingt anzusehen sei. Er ermittelte daraus einen Hörverlust beidseits von 15 v.H. Daraus ergebe sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für den berufsbedingten Hörverlust einschließlich eines Tinnitus von unter 10 v.H. Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 07.10.2008 eine BK 2301 an und lehnte die Gewährung einer Rente ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.02.2009; Urteil des SG Gelsenkirchen - SG - S 37 U 114/16). Das SG stützte sich auf das Gutachten des Dr. N vom 04.08.2008. In dem sich anschließenden Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen L 4 U 127/09 holte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen auf Antrag des Klägers ein weiteres HNO-ärztliches Gutachten von dem Chefarzt der Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie des Prosper Hospitals S Prof. Dr. Dr. T (vom 25.10.2010) ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die MdE auf unter 10 v.H. zu schätzen sei. Dr. N sei uneingeschränkt zuzustimmen. Im Termin vom 10.12.2010 nahm der Kläger die Berufung zurück. Mit ärztlicher Anzeige vom 12.08.2014 teilte der behandelnde HNO-Arzt N der Beklagten mit, die Schwerhörigkeit des Klägers habe sich weiter verschlechtert. Unter dem 02.11.2015 beschied die Beklagte den Kläger dahingehend, die Verschlechterung seines Gehörs nach Aufgabe der lärmgefährdenden Tätigkeit am 23.02.2005 werde nicht als Folge der BK anerkannt. Die letzte lärmgefährdende Tätigkeit des Klägers habe am 23.02.2005 geendet. Daran habe sich Arbeitslosigkeit und Berentung angeschlossen. Eine Verschlechterung einer Lärmschwerhörigkeit könne sich aber nur während einer beruflichen Lärmeinwirkung entwickeln. Nach dem Ende der Lärmeinwirkung sei ein Fortschreiten der Schwerhörigkeit nur aus altersbedingten Gründen möglich. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch begehrte der Kläger die Feststellung einer Verschlimmerung. Dem half die Verwaltungsstelle nicht ab und der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2016 zurück. Es sei medizinisch ausgeschlossen, dass sich eine Lärmschwerhörigkeit nach Aufgabe der lärmgefährdenden versicherten Tätigkeit verschlimmere. Der Kläger hat am 22.03.2016 Klage erhoben. Zur Begründung hat er angeführt, die Beklagte gehe fehl in der Annahme, dass sich eine anerkannte Lärmschwerhörigkeit nach Aufgabe der lärmgefährdenden versicherten Tätigkeit verschlimmern (wohl: nicht verschlimmern) kann. Die Beklagte habe keine ärztlichen Untersuchungen hierzu veranlasst. Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2016 antragsgemäß zu erkennen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat Bezug genommen auf ihr Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid (§ 105 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) vom 19.10.2016 entschieden und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat sich das SG auf die Begründung des Bescheides vom 02.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2016 bezogen (§ 136 Abs. 3 SGG) und ergänzend ausgeführt, eine berufliche Lärmschwerhörigkeit könne sich nach herrschender Meinung nur während der beruflichen Lärmbelastung entwickeln und nicht danach. Die Zunahme einer vorbestehenden Lärmschwerhörigkeit nach Beendigung der beruflichen Lärmbelastung könne daher nie auf die frühere Lärmexposition zurückgeführt werden. Im versicherungsrechtlichen Sinn werde sie als Nachschaden gewertet und bei der MdE-Einschätzung nicht berücksichtigt (Verweis auf: Brusis, Berufliche Lärmschwerhörigkeit - Diagnose, Differenzialdiagnose und Begutachtung, 2006). Die letzte gefährdende Tätigkeit habe spätestens am 23.02.2005 geendet. In dem Verfahren vor dem LSG NRW unter dem Aktenzeichen L 4 U 127/09 sei der Kläger von Prof. Dr. Dr. R. T, begutachtet worden, der in seinem HNO-ärztlichen Gutachten vom 25.10.2010 festgestellt hatte, der Kläger leide unter einer zunehmenden beidseitigen Schwerhörigkeit und Ohrgeräuschen. Bis 2005 sei er beruflichen Lärmbelastungen von über 85 dB(A) ausgesetzt gewesen. Seit Ende der beruflichen Lärmexposition im Jahre 2005 lagen ihm weitere Befunde des Hörvermögens vor (vom 04.08.2009 und 19.08.2010), die eine deutliche Progredienz seit 2005 bzw. dem ersten Befund (vom 26.09.2006) nach Beendigung der beruflichen Lärmexposition zeigten. Die beruflich bedingte MdE hatte der Sachverständige auf unter 10 v.H. geschätzt und ausgeführt, aufgrund des Verlaufs der Schwerhörigkeit sei abgesehen von der während der beruflichen Lärmexposition entstandenen Schwerhörigkeit ein erheblicher Nachschaden zu verzeichnen, der nicht auf eine frühere berufliche Lärmexposition zurückgeführt werden könne und von dieser kausal zu trennen sei. Dieser Auffassung ist das SG gefolgt: Sofern der Kläger nunmehr eine zunehmende Hörminderung im Sinne einer Verschlechterung geltend mache, könne diese Verschlechterung in Ergänzung zu den Ausführungen des Sachverständigen denknotwendig nicht in Zusammenhang mit einer beruflichen Lärmexposition gebracht werden, denn der Kläger habe seit 2005 nicht lärmexponiert gearbeitet.
Gegen den ihm am 21.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 21.11.2016. Der Kläger ist der Auffassung, die Verschlechterung seines Gehörs sei auf die anerkannte Berufskrankheit zurückzuführen. Er reklamiert, dass erstinstanzlich kein Gutachten zu dieser Frage eingeholt worden sei und sich das SG insoweit weitgehend aus Parallelverfahren bediene.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich wörtlich,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 19.10.2016 die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2015 in der Gestalt eines Widerspruchsbescheides 19.03.2016 antragsgemäß zuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, aus der Berufungsschrift ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Eine Verschlimmerung der anerkannten Berufskrankheit sei nach Aufgabe der gefährdenden und versicherten Tätigkeit medizinisch ausgeschlossen. Eine weitere Begutachtung sei nicht erforderlich.
Mit Richterbrief vom 22.02.2017 hat der Senat die Beteiligten unter Verweis auf Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, Stand Dezember 2016, M 2301 2.4 a. E. darauf hingewiesen, die Rechtsauffassung der Beklagten halte er für zutreffend. Der Senat hat sodann durch Beschluss vom 05.05.2017 den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Der sodann erfolgten Anfrage, ob im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) entschieden werden kann, haben die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 12.06. und 21.06.2017 zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die genannten Gutachten und den weiteren Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der Senatsberatung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet, nachdem die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben, durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG), außerdem nach entsprechender Übertragung durch den Senat nach § 153 Abs. 5 SGG in der Besetzung mit der sogenannten "kleinen Richterbank" durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, weil die beim Kläger nach Aufgabe der lärmgefährdenden Tätigkeit am 23.02.2005 eingetretene Verschlechterung seines Hörvermögens nicht als Folge der anerkannten BK Nr. 2301 festzustellen ist - nur dies ist zulässiger (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) Streitgegenstand, denn nur hierüber haben die Beklagte und das SG entschieden.
Eine Schwerhörigkeit schreitet nach dem Ende der Lärmexposition lediglich altersentsprechend fort; die darüber hinausgehende spätere Verschlimmerung muss andere Ursachen als Berufslärm haben. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und schließt sich ausdrücklich den zutreffenden Ausführungen des SG hierzu an. Dies entspricht dem aktuell herrschenden Stand in der medizinischen Wissenschaft, wie der Senat bereits den in den vorausgegangenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. N und Professor Dr. Dr. T entnimmt, die ihrerseits zusätzlich in der aktuellen einschlägigen Literatur und Rechtsprechung Bestätigung finden (vgl. nur Mehrtens/Brandenburg, a.a.O, M 2301 2.4 a. E.; Brusis, a.a.O.; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25.03.2015 - L 5 U 8/13 -, juris Rn. 49 mit zahlreichen w.N.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.03.2012 - L 2 U 4996/10 - sozialgerichtsbarkeit.de). Danach ist ausgeschlossen, dass die nach dem Ende der beruflichen Tätigkeit eingetretene Verschlechterung des Hörvermögens des Klägers auf seine berufliche Lärmexposition zurückzuführen ist. Zu weiterer medizinischer Beweiserhebung musste sich der Senat deshalb nicht gedrängt sehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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