Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 69 R 332/17 WA
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 713/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmunds vom 17.07.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht vornehmlich, ob das sozialgerichtliche Verfahren durch Erledigungserklärung des Klägers erledigt ist.
Der im Juni 1961 geborene Kläger beantragte im März 2012 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 04.07.2012 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung wegen Fehlens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab. Den Widerspruch des Klägers vom 25.07.2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2012 zurück. Der Kläger habe letztmalig im September 2007 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Ein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden arbeitstäglich bereits seit diesem Zeitpunkt sei nicht feststellbar.
Hiergegen hat der Kläger am 14.01.2013 Klage bei dem Sozialgericht erhoben. Das Sozialgericht hat den Kläger nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte durch den Internisten und Kardiologen Dr. D begutachten lassen. Dieser hat den Kläger am 03.06.2014 untersucht und bei dem Kläger unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen ein zeitlich uneingeschränktes Leistungsvermögen festgestellt. Dieses Leistungsbild bestehe in etwa seit September 2007. Lediglich in 2012 sei der Kläger kardial dekompensiert und sei deshalb zeitweilig nicht in der Lage gewesen, eine Tätigkeit durchzuführen. Befunde für das Jahr 2013 lägen nicht vor. Der Kläger hat sich ausführlich gegen die Leistungseinschätzung des Dr. D gewandt. Dr. D ist in einer ergänzenden Stellungnahme aus November 2014 bei seiner Leistungseinschätzung verblieben.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.01.2016 hat das Sozialgericht auf eine bis März 2011 zu Lasten der Beklagten durchgeführte berufliche Rehabilitationsmaßnahme verwiesen, aufgrund derer der Kläger die Voraussetzungen des § 53 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) erfülle. Damit sei die Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen entbehrlich. Die Beteiligten haben daraufhin einen für die Beklagte widerruflichen Vergleich dahingehend geschlossen, dass die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ausgehend von einem "Versicherungsfall" im März 2012 bis zum 05.06.2014 gewährt. Der Kläger hat das Vergleichsangebot zunächst angenommen und den Rechtsstreit vorbehaltlich des Widerrufs der Beklagten für erledigt erklärt.
Mit Schreiben vom 25.01.2016 hat der Kläger den Vergleich widerrufen. Seine Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. D seien nicht ausreichend gewürdigt worden, ebenso wie der Umstand, dass seit März 2012 bei ihm ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt worden sei. Aufgrund starker Rückenschmerzen und Unruhe habe er dem Termin nicht aufmerksam folgen können. Er sei über die weitreichenden Konsequenzen des Vergleichs nicht aufgeklärt worden.
Die Beklagte hat den Vergleich am 19.02.2016 unter Hinweis darauf widerrufen, dass die Ausnahmevorschrift des § 53 Abs 2 SGB VI doch nicht erfüllt sei. In dem maßgeblichen 2-Jahreszeitraum vom 01.04.2010 bis 28.02.2012 seien nur 9 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt, nicht hingegen die erforderlichen 12 Monate. Der Kläger hat sich gegen diese Berechnung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gewandt. Anschließend hat die Beklagte ihr Vergleichsangebot aus dem Verhandlungstermin wieder aufgegriffen. In einem weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 hat der Vertreter der Beklagten ausweislich des Protokolls erklärt, die Beklagte sei bereit, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem Versicherungsfall im März 2012, befristet bis Juni 2014, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Kläger hat daraufhin die Erklärung abgegeben: "Ich nehme das Angebot an und betrachte den Rechtsstreit damit als erledigt." Diese Erklärung wurde ausweislich des Protokolls abgespielt und genehmigt.
Nach Zugang des Protokolls, eingehend am 08.02.2017, hat der Kläger seine Erklärung "wegen Irrtum" "nach 119 BGB" angefochten. Die Richterin habe ihm versucht zu erklären, dass die Voraussetzungen für die Rente doch nicht vorgelegen hätten und ihm mit Klageabweisung gedroht. Dies, obwohl die Beklagte mit Schreiben vom 19.04.2016 die Voraussetzungen für die Rentengewährung doch bejaht habe. Ohne Not habe der Beklagtenvertreter anschließend das alte Vergleichsangebot wieder aufleben lassen. Seine - des Klägers - Bitte, das Angebot erst einmal ein paar Tage prüfen zu können, habe die Richterin resolut abgelehnt, denn er solle doch froh über das Angebot sein. Die Richterin wisse um seine Depressionen. Sie habe bei ihm Existenzängste geschürt. Bei ausreichender Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles hätte er eine solche Willenserklärung nicht abgegeben.
Das Verfahren ist sodann unter dem Aktenzeichen S 4 R 332/17 WA wieder aufgenommen worden. Das Sozialgericht hat die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Nach Abgabe des Verfahrens an die 69. Kammer hat das Sozialgericht am 06.06.2017 einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt, der am Terminstage in einen Erörterungstermin umgewandelt wurde, da ein ehrenamtlicher Richter nicht erschienen war. Das Sozialgericht hat die Beteiligten im Termin erneut zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.07.2017 hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Rechtsstreit beendet sei. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger seine prozessbeendende Erklärung vom 26.01.2017 nicht wirksam durch Anfechtung beseitigt habe. Die Kammervorsitzende habe den Kläger zu dieser Erklärung weder durch Täuschung noch durch widerrechtliche Drohung im Sinne des § 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) veranlasst. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihm am 25.07.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.08.2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, nach seiner Auffassung sei er sehr wohl getäuscht und bedroht worden. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Bei sachdienlicher Auslegung seines schriftsätzlich vorgebrachten Begehrens beantragt der Kläger,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmunds vom 17.07.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2012 zu verurteilen, ihm ausgehend von einem Versicherungsfall im März 2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Kläger hat mitgeteilt, aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen zu können und gebeten, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs 1, 110 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er in der Terminsmitteilung, die ihm am 17.11.2017 zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 17.07.2017 zu Recht festgestellt, dass das Verfahren S 4 R 66/13 durch Erklärung des Klägers vom 27.01.2017 erledigt ist. Der Senat nimmt zunächst gemäß § 153 Abs 2 SGG Bezug auf die angefochtene Entscheidung, deren Begründung er sich im Wesentlichen zu Eigen macht.
Klarstellend ist auszuführen, dass es sich bei der Erklärung der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 um ein Teilanerkenntnis handelt, welches der Kläger angenommen hat, und dass der Kläger im Übrigen die Klage zurückgenommen hat. Ausweislich der Feststellungen des Protokolls vom 26.01.2017 wurden die Erklärungen des Klägers vom Tonträger abgespielt und genehmigt. Die Annahme des Teilanerkenntnisses und die Teilklagerücknahme im Übrigen haben den Rechtsstreit vollständig erledigt, §§ 101 Abs 2, 102 Abs 1 Satz 2 SGG.
Diese prozesserledigenden Erklärungen hat der Kläger durch seine Anfechtungserklärung vom 08.02.2017 nicht wirksam beseitigt, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Hinweis auf eine voraussichtliche Klageabweisung keine widerrechtliche Drohung im Sinne des § 123 BGB darstellt, sondern gerade Ausdruck eines fairen, transparenten Gerichtsverfahrens ist. Der Kläger wusste nach seinem eigenen Vorbringen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 auch, dass ihm gegen ein klageabweisendes Urteil das Rechtsmittel der Berufung offenstand (siehe S. 3 seiner Berufungsbegründung vom 21.08.2017).
Darüber hinaus wurde der Kläger auch nicht getäuscht. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil das Sozialgericht die Rechtslage zutreffend dargestellt hat. Eine Rentengewährung kam nicht in Betracht. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung lagen letztmalig im September 2007 vor. Für den Eintritt einer Erwerbsminderung bereits zu diesem Zeitpunkt gibt es keinerlei Anhalt. Kardial dekompensiert ist der Kläger ausweislich des Berichts des St. Johannes-Hospitals Dortmund vom 22.03.2012 erst am 03.02.2012. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind auch nicht ausnahmsweise nach § 43 Abs 5 SGB VI entbehrlich. Hiernach ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. Nach § 53 Abs 2 SGB VI ist die allgemeine Wartezeit auch vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung oder des Todes verlängert sich um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren. Ausgehend von einem (temporären) Leistungsfall am 03.02.2012 hat der Kläger ausweislich seines Versicherungsverlaufs in den vorhergehenden zwei Jahren, d.h. in der Zeit vom 03.02.2010 bis zum 02.02.2012, nur 10 Monate und nicht die erforderlichen 12 Monate an Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt.
Schließlich kannte der Kläger Inhalt und Tragweite des erneut geschlossenen Vergleichs genau, denn er hatte genau diese Vereinbarung ein Jahr vorher schon einmal geschlossen, bevor er - nach ausführlicher inhaltlicher Auseinandersetzung hiermit - einen, wenn auch unwirksamen, weil ihm nicht vorbehaltenen Widerruf erklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs 2 Nrn1 und 2 SGG.
Tatbestand:
Im Streit steht vornehmlich, ob das sozialgerichtliche Verfahren durch Erledigungserklärung des Klägers erledigt ist.
Der im Juni 1961 geborene Kläger beantragte im März 2012 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 04.07.2012 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung wegen Fehlens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab. Den Widerspruch des Klägers vom 25.07.2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2012 zurück. Der Kläger habe letztmalig im September 2007 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Ein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden arbeitstäglich bereits seit diesem Zeitpunkt sei nicht feststellbar.
Hiergegen hat der Kläger am 14.01.2013 Klage bei dem Sozialgericht erhoben. Das Sozialgericht hat den Kläger nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte durch den Internisten und Kardiologen Dr. D begutachten lassen. Dieser hat den Kläger am 03.06.2014 untersucht und bei dem Kläger unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen ein zeitlich uneingeschränktes Leistungsvermögen festgestellt. Dieses Leistungsbild bestehe in etwa seit September 2007. Lediglich in 2012 sei der Kläger kardial dekompensiert und sei deshalb zeitweilig nicht in der Lage gewesen, eine Tätigkeit durchzuführen. Befunde für das Jahr 2013 lägen nicht vor. Der Kläger hat sich ausführlich gegen die Leistungseinschätzung des Dr. D gewandt. Dr. D ist in einer ergänzenden Stellungnahme aus November 2014 bei seiner Leistungseinschätzung verblieben.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.01.2016 hat das Sozialgericht auf eine bis März 2011 zu Lasten der Beklagten durchgeführte berufliche Rehabilitationsmaßnahme verwiesen, aufgrund derer der Kläger die Voraussetzungen des § 53 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) erfülle. Damit sei die Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen entbehrlich. Die Beteiligten haben daraufhin einen für die Beklagte widerruflichen Vergleich dahingehend geschlossen, dass die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ausgehend von einem "Versicherungsfall" im März 2012 bis zum 05.06.2014 gewährt. Der Kläger hat das Vergleichsangebot zunächst angenommen und den Rechtsstreit vorbehaltlich des Widerrufs der Beklagten für erledigt erklärt.
Mit Schreiben vom 25.01.2016 hat der Kläger den Vergleich widerrufen. Seine Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. D seien nicht ausreichend gewürdigt worden, ebenso wie der Umstand, dass seit März 2012 bei ihm ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt worden sei. Aufgrund starker Rückenschmerzen und Unruhe habe er dem Termin nicht aufmerksam folgen können. Er sei über die weitreichenden Konsequenzen des Vergleichs nicht aufgeklärt worden.
Die Beklagte hat den Vergleich am 19.02.2016 unter Hinweis darauf widerrufen, dass die Ausnahmevorschrift des § 53 Abs 2 SGB VI doch nicht erfüllt sei. In dem maßgeblichen 2-Jahreszeitraum vom 01.04.2010 bis 28.02.2012 seien nur 9 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt, nicht hingegen die erforderlichen 12 Monate. Der Kläger hat sich gegen diese Berechnung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gewandt. Anschließend hat die Beklagte ihr Vergleichsangebot aus dem Verhandlungstermin wieder aufgegriffen. In einem weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 hat der Vertreter der Beklagten ausweislich des Protokolls erklärt, die Beklagte sei bereit, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem Versicherungsfall im März 2012, befristet bis Juni 2014, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Kläger hat daraufhin die Erklärung abgegeben: "Ich nehme das Angebot an und betrachte den Rechtsstreit damit als erledigt." Diese Erklärung wurde ausweislich des Protokolls abgespielt und genehmigt.
Nach Zugang des Protokolls, eingehend am 08.02.2017, hat der Kläger seine Erklärung "wegen Irrtum" "nach 119 BGB" angefochten. Die Richterin habe ihm versucht zu erklären, dass die Voraussetzungen für die Rente doch nicht vorgelegen hätten und ihm mit Klageabweisung gedroht. Dies, obwohl die Beklagte mit Schreiben vom 19.04.2016 die Voraussetzungen für die Rentengewährung doch bejaht habe. Ohne Not habe der Beklagtenvertreter anschließend das alte Vergleichsangebot wieder aufleben lassen. Seine - des Klägers - Bitte, das Angebot erst einmal ein paar Tage prüfen zu können, habe die Richterin resolut abgelehnt, denn er solle doch froh über das Angebot sein. Die Richterin wisse um seine Depressionen. Sie habe bei ihm Existenzängste geschürt. Bei ausreichender Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles hätte er eine solche Willenserklärung nicht abgegeben.
Das Verfahren ist sodann unter dem Aktenzeichen S 4 R 332/17 WA wieder aufgenommen worden. Das Sozialgericht hat die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Nach Abgabe des Verfahrens an die 69. Kammer hat das Sozialgericht am 06.06.2017 einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt, der am Terminstage in einen Erörterungstermin umgewandelt wurde, da ein ehrenamtlicher Richter nicht erschienen war. Das Sozialgericht hat die Beteiligten im Termin erneut zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.07.2017 hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Rechtsstreit beendet sei. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger seine prozessbeendende Erklärung vom 26.01.2017 nicht wirksam durch Anfechtung beseitigt habe. Die Kammervorsitzende habe den Kläger zu dieser Erklärung weder durch Täuschung noch durch widerrechtliche Drohung im Sinne des § 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) veranlasst. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihm am 25.07.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.08.2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, nach seiner Auffassung sei er sehr wohl getäuscht und bedroht worden. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Bei sachdienlicher Auslegung seines schriftsätzlich vorgebrachten Begehrens beantragt der Kläger,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmunds vom 17.07.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2012 zu verurteilen, ihm ausgehend von einem Versicherungsfall im März 2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Kläger hat mitgeteilt, aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen zu können und gebeten, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs 1, 110 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er in der Terminsmitteilung, die ihm am 17.11.2017 zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 17.07.2017 zu Recht festgestellt, dass das Verfahren S 4 R 66/13 durch Erklärung des Klägers vom 27.01.2017 erledigt ist. Der Senat nimmt zunächst gemäß § 153 Abs 2 SGG Bezug auf die angefochtene Entscheidung, deren Begründung er sich im Wesentlichen zu Eigen macht.
Klarstellend ist auszuführen, dass es sich bei der Erklärung der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 um ein Teilanerkenntnis handelt, welches der Kläger angenommen hat, und dass der Kläger im Übrigen die Klage zurückgenommen hat. Ausweislich der Feststellungen des Protokolls vom 26.01.2017 wurden die Erklärungen des Klägers vom Tonträger abgespielt und genehmigt. Die Annahme des Teilanerkenntnisses und die Teilklagerücknahme im Übrigen haben den Rechtsstreit vollständig erledigt, §§ 101 Abs 2, 102 Abs 1 Satz 2 SGG.
Diese prozesserledigenden Erklärungen hat der Kläger durch seine Anfechtungserklärung vom 08.02.2017 nicht wirksam beseitigt, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Hinweis auf eine voraussichtliche Klageabweisung keine widerrechtliche Drohung im Sinne des § 123 BGB darstellt, sondern gerade Ausdruck eines fairen, transparenten Gerichtsverfahrens ist. Der Kläger wusste nach seinem eigenen Vorbringen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 auch, dass ihm gegen ein klageabweisendes Urteil das Rechtsmittel der Berufung offenstand (siehe S. 3 seiner Berufungsbegründung vom 21.08.2017).
Darüber hinaus wurde der Kläger auch nicht getäuscht. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil das Sozialgericht die Rechtslage zutreffend dargestellt hat. Eine Rentengewährung kam nicht in Betracht. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung lagen letztmalig im September 2007 vor. Für den Eintritt einer Erwerbsminderung bereits zu diesem Zeitpunkt gibt es keinerlei Anhalt. Kardial dekompensiert ist der Kläger ausweislich des Berichts des St. Johannes-Hospitals Dortmund vom 22.03.2012 erst am 03.02.2012. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind auch nicht ausnahmsweise nach § 43 Abs 5 SGB VI entbehrlich. Hiernach ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. Nach § 53 Abs 2 SGB VI ist die allgemeine Wartezeit auch vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung oder des Todes verlängert sich um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren. Ausgehend von einem (temporären) Leistungsfall am 03.02.2012 hat der Kläger ausweislich seines Versicherungsverlaufs in den vorhergehenden zwei Jahren, d.h. in der Zeit vom 03.02.2010 bis zum 02.02.2012, nur 10 Monate und nicht die erforderlichen 12 Monate an Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt.
Schließlich kannte der Kläger Inhalt und Tragweite des erneut geschlossenen Vergleichs genau, denn er hatte genau diese Vereinbarung ein Jahr vorher schon einmal geschlossen, bevor er - nach ausführlicher inhaltlicher Auseinandersetzung hiermit - einen, wenn auch unwirksamen, weil ihm nicht vorbehaltenen Widerruf erklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs 2 Nrn1 und 2 SGG.
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