L 20 AL 224/17 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 21 SF 225/17 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AL 224/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Für die Bemessung der nach der Beiordnung des Rechtsanwalts im Wege der Prozesskostenhilfe entstandenen Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG im sozialgerichtlichen Verfahren (Betragsrahmengebühr) sind auch die Tätigkeiten des Rechtsanwalts zu berücksichtigen, die dieser schon vor Wirksamwerden seiner Beiordnung erbracht hat (Anschluss an LSG NRW, Beschluss vom 24.09.2008 - L 19 B 21/08 AS; LSG Bayern, Beschluss vom 22.07.2010 - L 15 SF 303/09 B E; LSG Thüringen, Beschluss vom 18.03.2011 - L 6 SF 1418/10 B; entgegen LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17.07.2008 - L 1 B 127/08 SK).
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25.10.2017 geändert. Die dem Beschwerdeführer zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 1.055,53 EUR festgesetzt. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung einer höheren Vergütung aus der Landeskasse nach dem RVG für sein Tätigwerden im Verfahren S 21 AL 420/16 vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen.

In jenem Verfahren wandte sich die Klägerin gegen einen Bescheid vom 02.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016, in dem die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01. bis 07.09.2016 wegen verspäteter Arbeitslosmeldung festgestellt hatte. Der Arbeitgeber der Klägerin hatte das Arbeitsverhältnis am 01.08.2016 zum 31.08.2016 gekündigt. Er hat ihr darüber hinaus schriftlich mitgeteilt, ab dem 18.08.2016 habe sie ihren restlichen Jahresurlaub; vorher könne sie nicht freigestellt werden und werde gebeten, sämtliche Termine erst ab dem 18.08.2016 wahrzunehmen. Die Klägerin, die ab 12.08.2016 erkrankt war, meldete sich daraufhin (erst) am 13.08.2016 persönlich bei der Beklagten; sie trug im Klageverfahren vor, sie habe die Beklagte bereits am 02.08.2016, über die Situation informiert.

Bereits mit der Klageschrift vom 09.12.2016, auf die Bezug genommen wird, beantragte die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Dem Antrag waren u.a. die Kopien zweier Bescheide der Agentur für Arbeit C vom 02.11.2016 und 21.11.2016 beigefügt; danach war der Klägerin zunächst erst ab dem 01.01.2017 ein täglicher Leistungsbetrag nach dem SGB III i.H.v. (entweder) 25,26 EUR oder 26,26 EUR bewilligt worden, mit dem späteren Änderungsbescheid jedoch bereits ab dem 08.09.2016. Die zweite Ziffer ist auf den (von per Telefax übermittelten Originalen gefertigten) Kopien jeweils nicht genau erkennbar; ansonsten sind die Kopien - wenn auch etwas mühsam - im Wesentlichen lesbar. Der Urkundsbeamte des Sozialgerichts teilte dem Beschwerdeführer unter dem 15.12.2016 gleichwohl mit, die eingesandten Bescheide seien nicht lesbar, und im Antrag seien alle Einkommensarten verneint worden. Der Beschwerdeführer übersandte daraufhin u.a. eine deutlich lesbare Kopie des Änderungsbescheides des Jobcenters vom 21.11.2016. Derzeit beziehe die Klägerin Arbeitslosengeld I (täglicher Leistungssatz: 25,26 EUR). Das Sozialgericht bewilligte der Klägerin sodann mit Beschluss vom 13.02.2017 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers ab dem 08.02.2017 (= Eingang der weiteren Unterlagen beim Sozialgericht).

Im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht vom 21.06.2017 wurde der Vater der Klägerin als (präsenter) Zeuge zu dem von der Klägerin nach ihren Angaben mit der Beklagten geführten Telefonat vernommen. Anschließend führte die Kammervorsitzende ausweislich der Sitzungsniederschrift aus, es werde für die Entscheidung letztlich auf eine Wertung der Aussage des Vaters ankommen; der Verfahrensausgang erscheine völlig offen und ein Vergleich sinnvoll. Auf Vorschlag des Gerichts beendeten die Beteiligten daraufhin das Verfahren durch Vergleich (Verkürzung der Sperrzeit auf vier Tage).

Unter dem 22.06.2017 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR
Einigungsgebühr, Nr. 1006/1005 VV RVG 300,00 EUR
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG (2 x 15 km je 0,30 EUR) 4,50 EUR
Tage-/Abwesenheitsgeld bis 4 Std., Nr. 7005 (1) VV RVG 25,00 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Anrechnung Beratungshilfe, § 58 RVG -42,50 EUR
Zwischensumme: 887,00 EUR
Zzgl. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 168,53 EUR
Summe: 1.055,53 EUR

Bei den Gebühren nach Nrn. 3102, 3106 und 1006/1005 VV RVG handelte es sich insoweit jeweils um die sog. Mittelgebühr.

Der Urkundsbeamte des Sozialgerichts setzte die an den Beschwerdeführer zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 698,53 EUR fest. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei unterdurchschnittlich gewesen. Es könne lediglich auf den anwaltlichen Aufwand ab Wirksamwerden seiner Beiordnung abgestellt werden; da seither (08.02.2017) kein Sachvortrag mehr stattgefunden habe, sei die Verfahrensgebühr deshalb nur mit 150,00 EUR anzusetzen. Die Höhe der Einigungsgebühr bemesse sich nach derjenigen der Verfahrensgebühr, mithin ebenfalls auf 150,00 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Festsetzungsverfügung Bezug genommen. Dem vom Beschwerdeführer mit der Begründung eingelegten "zulässigen Rechtsmittel", das Verfahren sei in jeder Hinsicht durchschnittlich gewesen, weshalb die Mittelgebühr angesetzt worden sei, half der Urkundsbeamte nicht ab.

Das Sozialgericht wies die Erinnerung des Beschwerdeführers zurück und setzte die ihm zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 698,53 EUR fest. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei als unterdurchschnittlich anzusehen; den zutreffenden Ausführungen des Urkundsbeamten schließe sich das Gericht an.

Gegen den ihm am 02.11.2017 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 15.11.2017 Beschwerde eingelegt. Keineswegs sei die anwaltliche Tätigkeit seit der Beiordnung unterdurchschnittlich gewesen. Es hätten mehrere Besprechungen mit der Klägerin stattgefunden, zuletzt unmittelbar vor dem Gerichtstermin. In jedem Falle aber sei die Kürzung der Einigungsgebühr ungerechtfertigt. Die mit 300,00 EUR angesetzte Verfahrensgebühr sei nur deshalb gekürzt worden, weil die Beiordnung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sei. Sei die anwaltliche Tätigkeit über die Gesamtdauer des Verfahrens aber durchschnittlich gewesen, so dürfe jedenfalls die Einigungsgebühr nicht gekürzt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift Bezug genommen.

Der Beschwerdegegner hält die vom Sozialgericht festgesetzten Gebühren unter Berücksichtigung des anwaltlichen Gesamtaufwandes sowie der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R) für nicht zu beanstanden.

II.

A. Die zulässige Beschwerde (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG) ist begründet. Das Sozialgericht hat - dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle folgend - zu Unrecht die vom Beschwerdeführer angesetzten (Mittel-) Gebühren und Auslagen bei der Verfahrens- sowie bei der Einigungsgebühr jeweils um die Hälfte gekürzt und die zu erstattenden Gebühren und Auslagen (einschließlich Nebenkosten) demensprechend auf 698,53 EUR festgesetzt. Die dem Beschwerdeführer (einschließlich Nebenkosten) zu erstattenden Gebühren und Auslagen sind vielmehr - wie von ihm in Ansatz gebracht - in Höhe von 1.055,53 EUR festzusetzen.

B. Nach näherer Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 1 bis 3 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall innerhalb des (von der jeweiligen Gebührenziffer nach dem VV RVG vorgegebenen) Betragsrahmens nach billigem Ermessen. Er bestimmt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); in Fällen von Betragsrahmengebühren berücksichtigt er auch das Haftungsrisiko (Satz 3). Dem Anwalt steht dabei ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht zu. Ist die Gebühr von einem Dritten (z.B. wie hier von der Staatskasse) zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn bei Anwendung der gesetzlichen Bestimmungskriterien eine "Toleranzgrenze" von 20 Prozent überschritten wird (BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R Rn. 19 m.w.N.). Die billige Gebühr wird ausgehend von der Mittelgebühr bestimmt; diese ist in "Normalfällen" zu Grunde zu legen, in denen sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt (BSG, a.a.O. Rn. 24 m.w.N.).

1. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle handelte es sich bei dem Verfahren S 21 AL 420/16 vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen gebührenrechtlich insgesamt um einen "Durchschnittsfall", welcher bei den jeweiligen Gebührenrahmen den Ansatz der Mittelgebühr durchaus rechtfertigte.

a) War die wirtschaftliche Auswirkung einer Sperrzeit von sieben Tagen bei einem täglichen Arbeitslosengeld-Leistungssatz von 25,26 EUR (x 7 = 178,82 EUR) in Ansehung des betroffenen Leistungsbetrages einerseits zwar nominell gering, so verfügte die Klägerin andererseits damit monatlich (ab dem 08.09.2015) nur über ein Einkommen von (30 x 25,26 =) 757,80 EUR; für die Klägerin kann die wirtschaftliche Auswirkung deshalb keineswegs als unterdurchschnittlich angesehen werden (vgl. insoweit BSG, a.a.O. Rn. 38, zur gebührenrechtlichen "Kompensation" ungünstiger - sprich: deutlich unterdurchschnittlicher - Einkommens- bzw. Vermögensverhältnisse durch eine individuell gleichwohl überdurchschnittliche wirtschaftliche Bedeutung bei Beziehern von Leistungen nach dem SGB II mit der Folge einer im Sinne des Gebührenrechts insgesamt durchschnittlichen wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit).

b) Das - nach § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG vorliegend zwingend zu berücksichtigende - Haftungsrisiko des Beschwerdeführers war angesichts einer wirtschaftlichen Auswirkung der Sperrzeit für die Klägerin in Höhe von 178,82 EUR unterdurchschnittlich.

c) Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit in einer Sperrzeitangelegenheit sind zwar in der Regel als durchschnittlich anzusehen. Im vorliegenden Fall kommt allerdings hinzu, dass das Sozialgericht ohne entsprechende Vorankündigung im Erörterungstermin einen Zeugen vernommen hat und erst unter dem Eindruck der Zeugenaussage einen verfahrensbeendenden Vergleich vorgeschlagen hat. Hierauf musste der Beschwerdeführer reagieren und bei seinen Erwägungen für eine Handlungsempfehlung an die Klägerin etwa auch berücksichtigen, dass durchaus eine weitere Beweiserhebung in Frage gekommen wäre. Denn auch wenn die Kammervorsitzende - jedenfalls soweit aus der Sitzungsniederschrift ersichtlich - allein den ungewissen Ausgang der Bewertung der Aussage des vernommenen Zeugen als für die Entscheidung maßgebend bezeichnet hatte, wäre durchaus noch eine weitergehende Beweisaufnahme denkbar gewesen: Immerhin hatte die Klägerin ein Schreiben des Arbeitgebers vorgelegt, wonach sie vor dem 18.08.2016 nicht freigestellt werden könne und sämtliche Termine (mithin auch die persönliche Arbeitslosmeldung) erst ab diesem Datum wahrnehmen möge. Dementsprechend musste der Beschwerdeführer einen möglichen Beweisantrag (etwa auf Nachfrage beim ehemaligen Arbeitgeber oder entsprechende Einvernahme dortiger Zeugen) in seine Überlegungen mit einbeziehen. Insofern erscheint die Annahme gerechtfertigt, die anwaltliche Tätigkeit habe einen leicht überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad gehabt, welcher das niedrige Haftungsrisiko kompensierte.

d) Der Schwierigkeitsgrad wird insbesondere auch nicht dadurch herabgesetzt, dass der Beschwerdeführer zur Sache selbst schriftsätzlich einzig die Klageschrift vorgelegt hatte und Prozesskostenhilfe erst im Anschluss an die Nachreichung besser lesbarer Unterlagen bewilligt wurde.

aa) Dies folgt allerdings nicht bereits aus dem Umstand, dass Zweifel an der Notwendigkeit der Nachforderung besser lesbarer Einkommensnachweise durch den Urkundsbeamten bestehen.

Der Urkundsbeamte begründete dies damit, dass die (bereits mit der Klageschrift übersandten) Nachweise nicht leserlich seien. Jenen Kopien (von per Telefax übermittelten Bescheiden) war indes ohne Weiteres zu entnehmen, dass es sich um Bewilligungsbescheide über Arbeitslosengeld I handelte, und es bestand lediglich Unsicherheit, ob der (erst) ab dem 08.09.2016 bewilligte Leistungssatz 25,26 EUR oder aber (minimal höher und für die Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erkennbar ohne Auswirkung) 26,26 EUR betrug. Dass (wie der Urkundsbeamte weiter bemängelte) die Klägerin im Antrag sämtliche Einkommensarten verneint hatte, war angesichts der übermittelten Bescheide zum SGB III erkennbar irrtümlich geschehen; dementsprechend hatte der Urkundsbeamte nach Übersendung einer besser lesbaren Bescheidkopie auch keine weiteren Einwände, und das Sozialgericht bewilligte denn auch ohne weitere Nachfragen Prozesskostenhilfe. Die Verschiebung des Beiordnungszeitpunktes erst auf den 08.02.2017 sieht sich infolge dessen zumindest Bedenken ausgesetzt.

Es spricht allerdings Vieles dafür, dass die Richtigkeit des Beiordnungszeitpunktes im Prozesskostenhilfebeschluss des Sozialgerichts vom 13.02.2017 im Rahmen des Festsetzungsverfahrens nach §§ 55 f. RVG nicht mehr überprüft werden kann. Denn der Bewilligungsbeschluss vom 13.02.2017 selbst war insoweit nicht (oder jedenfalls nicht mehr; § 173 SGG) beschwerdefähig; einzig die erst ab dem 08.02.2017 erfolgte Beiordnung aber kann dem Festsetzungsverfahren nach §§ 55 f. RVG zugrunde liegen. Dabei kann offenbleiben, ob die Klägerin gegen diese erst ab dem 08.02.2017 erfolgte Beiordnung nach § 172 Abs. 1 SGG rechtzeitig zulässigerweise hätte Beschwerde einlegen können (auf eine solche Beschwerdemöglichkeit verweist - zur damaligen Rechtslage - LSG NRW, Beschluss vom 24.09.2008 - L 19 B 21/08 AS Rn. 25), oder ob eine solche Beschwerde dem (erst seit dem 25.01.2013 geltenden) Ausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2a SGG unterlegen hätte. Denn auch im Falle eines Beschwerdeausschlusses dürfte ein solcher als gesetzgeberische Entscheidung gegen eine Überprüfbarkeit im Instanzenzug von der Klägerin hinzunehmen sein. Letztlich kann dies im vorliegenden Fall jedoch dahinstehen (dazu sogleich bb).

bb) Denn die erst einige Zeit nach Klageerhebung erfolgte Beiordnung wirkt sich - entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und des Urkundsbeamten - nicht auf die festzusetzenden Gebühren aus.

Das Sozialgericht hat sich im angefochtenen Beschluss ohne nähere Rechtsausführungen der Festsetzung des Urkundsbeamten angeschlossen. Dieser hatte ausgeführt, nach dem 08.02.2017 habe kein Sachvortrag mehr stattgefunden, und es könne lediglich auf den anwaltlichen Aufwand ab Wirksamwerden der Beiordnung abgestellt werden. Zur Begründung hatte der Urkundsbeamte anstelle inhaltlicher Rechtsausführungen einzig (in einem Klammerzusatz) auf einen Beschluss des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 17.07.2008 - L 1 B 127/08 SK Bezug genommen. Dieser Beschluss wiederum enthält allein den nicht näher begründeten Hinweis, für die Bemessung der Verfahrensgebühr komme es allein auf die anwaltliche Tätigkeit zwischen "Bestellung" und Verfahrenserledigung an (Rn. 9, unter Bezugnahme auf einen Beschluss desselben Senats vom 12.12.2005 - L 1 B 325/05 SF SK, welcher weder in der juris-Datenbank noch unter www.sozialgerichtsbarkeit.de abrufbar ist). Daneben hat der Urkundsbeamte ohne jede weitere Ausführungen Beschlüsse des SG Detmold vom 21.01.2011 - S 21 SF 18/10 E und des SG Köln vom 27.07.2011 - S 1 SF 231/11 E zum Beleg angeführt (beide Beschlüsse sind in der juris-Datenbank und unter www.sozialgerichtsbarkeit.de nicht verzeichnet). Zwar hat der Urkundsbeamte im vorliegenden Fall zugleich darauf hingewiesen, dass zur Ansicht des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein auch anderslautende Rechtsprechung existiere (namentlich LSG NRW, Beschluss vom 24.09.2008, a.a.O., sowie LSG Thüringen, Beschluss vom 18.03.2011 - L 6 SF 1418/10 B, und LSG Bayern, Beschluss vom 22.07.2010 - L 15 SF 303/09 B E); inhaltlich hat er sich jedoch damit nicht befasst. Das Sozialgericht wiederum hat sich von vornherein nur auf die Entscheidung des Urkundsbeamten bezogen.

Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (a.a.O. Rn. 29 f.; ihm folgend LSG Bayern, Beschluss vom 22.07.2010 - L 15 SF 303/09 B E Rn. 21 - 23, und LSG Thüringen, a.a.O. Rn. 21 - 24) ist allerdings für die Bemessung der nach der Beiordnung entstandenen Verfahrensgebühr auch auf die Tätigkeiten des Rechtsanwalts abzustellen, die dieser vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens seiner Beiordnung erbracht hat. Denn das RVG wird aus Gründen der Kostengerechtigkeit und Vereinfachung vom Prinzip der Pauschalgebühren beherrscht. Die Gebühren entgelten die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit (§ 15 Abs. 1 RVG). Der Anwalt wird also nicht für einzelne Teiltätigkeiten, sondern insgesamt durch eine pauschale Gebühr vergütet. Dabei entstehen die Gebühren durch jede weitere Erfüllung des Gebührentatbestandes (also z.B. bei jeder Teiltätigkeit, die auch für sich allein das Verfahren betreibt) gleichsam immer aufs Neue; allerdings kann der Anwalt die betreffende Gebühr im gerichtlichen Verfahren für jeden Rechtszug nur einmal fordern (vgl. § 15 Abs. 2 RVG). Damit unvereinbar wäre es, die jeweiligen anwaltlichen Teilbetätigungen danach zu trennen, ob sie vor oder nach der Beiordnung erfolgt sind, und die Verfahrensgebühr allein danach zu bemessen, welcher Tätigkeitsanteil erst ab Wirksamkeit der Beiordnung erfolgt ist (dementsprechend erfolgt auch keine Kürzung der Verfahrensgebühr, wenn der Prozesskostenhilfeantrag zugleich mit der Klageschrift vorgelegt wird, die Klageschrift aber notwendig bereits vor Einreichen von Klage und Prozesskostenhilfeantrag vom Anwalt gefertigt worden ist). Gegen eine Kürzung der Verfahrensgebühr bei erst späterer Beiordnung spricht zudem die sog. Forderungssperre nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO; danach bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können. Diese Sperre gilt für alle nach der Beiordnung verwirklichten Gebührentatbestände, auch wenn diese bereits vor der Beiordnung (erstmals) erfüllt waren. Sie ist zugleich zwingendes Recht; eine Kürzung, wie sie das Sozialgericht - dem Urkundsbeamten folgend - vorgenommen hat, hätte deshalb die mit Art. 12 GG nicht zu vereinbarende Folge, dass der Rechtsanwalt einen (teilweisen) Gebührenausfall erlitte (vgl. LSG NRW, LSG Thüringen und LSG Bayern, jeweils a.a.O. und m.w.N.; LSG NRW und LSG Thüringen zudem mit ergänzendem Rückgriff auf die Situation bei Gebührenfestsetzungen im Rahmen von § 197a SGG, gegenüber der bei Abrechnung nach Betragsrahmengebühren keine Benachteiligung entstehen dürfe).

e) Ist damit die gesamte Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Sperrzeitangelegenheit der Klägerin für die Gebührenbemessung maßgebend, so handelte es sich in Ansehung sämtlicher im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG zu berücksichtigender Bemessungskriterien um eine insgesamt durchschnittliche Angelegenheit.

2. Für diese durchschnittliche Angelegenheit hat der Beschwerdeführer zu Recht die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG mit der Mittelgebühr in Ansatz gebracht. Nach Nr. 1005/1006 VV RVG hat dies den Ansatz der Mittelgebühr auch für die Einigungsgebühr zur Folge. Die übrigen vom Beschwerdeführer angesetzten Gebühren stehen nicht im Streit; die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ist denn auch zutreffend ebenfalls mit der Mittelgebühr angesetzt. Auch die sonstige Berechnung der Gebühren und Auslagen durch den Beschwerdeführer ist fehlerfrei. Insgesamt sind deshalb - wie von ihm beantragt - Gebühren und Auslangen i.H.v. 1.055,53 EUR festzusetzen.

C. Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).

D. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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