L 10 U 32/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 1 U 500/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 U 32/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 131/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.12.2013 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin wegen der Folgen eines am 21.08.2006 erlittenen Arbeitsunfalls eine Verletztenrente zu gewähren ist.

Die 1962 geborene Klägerin war bei der Firma T als Filialleiterin beschäftigt. Im Rahmen dieser Tätigkeit wurde sie am 21.08.2006 Opfer eines Raubüberfalls. Laut Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 30.08.2006 bedrohte ein unbekannter Täter die Klägerin mit einer Pistole und forderte die Herausgabe des Tresorinhaltes. Danach schloß er sie in der Toilette ein und flüchtete.

Wegen der Vorabmeldung des Überfallgeschehens durch den Arbeitgeber veranlasste die Beklagte eine Akutintervention, aufgrund derer die Klägerin an mindestens einem Therapiegespräch bei einer Psychologin teilnahm. Danach trat sie einen Urlaub an. Nach Urlaubsrückkehr nahm sie ihre Tätigkeit bei T wieder auf. Es erfolgten zunächst keine weiteren psychotherapeutischen oder psychiatrischen Therapien.

Mehr als vier Jahre später, im Dezember 2010, meldete die für die Klägerin zuständige BKK für Heilberufe bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 105 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) an, da Krankengeldleistungen seit 02.04.2010 und Psychotherapie seit 14.04.2010 übernommen worden seien. Im Rahmen eines Telefonats vom 23.03.2011 teilte die Klägerin mit, sie sei nunmehr seit März 2010 in psychiatrischer bzw psychologischer Behandlung. Mit Schreiben vom 09.09.2011 beantragte sie ausdrücklich die Übernahme der Heilkosten für Folgen ihres seinerzeitigen Arbeitsunfalls. Der Dypl.-Psych. T bescheinigte der Klägerin unter dem 07.06.2011, dass sie seit dem 07.04.2010 bei ihm in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung gewesen sei und bis Juni 2011 insgesamt 30 verhaltenstherapeutische Sitzungen stattgefunden hätten. Diagnostisch lägen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) im Zusammenhang mit dem bewaffneten Überfall am Arbeitsplatz als Verkäuferin vor. Zugleich übersandte die Klägerin einen Entlassungsbericht über eine stationäre Rehabilitations-Maßnahme vom 02.02.2011 bis 16.03.2011 in der H-Klinik. Hier wurde ua die Diagnose PTBS (F 43.1 ICD-10) gestellt und berichtet, die Ängste, die die Klägerin schildere, bestünden seit einem bewaffneten Überfall am Arbeitsplatz im August 2006. Die Klägerin leide zudem seit 2007 an Kniebeschwerden. Nachdem das Ausmaß der Beeinträchtigungen durch das Knie bekannt geworden sei, habe die Firma T der Klägerin aus ihrer Sicht aus vorgeschobenen Gründen im September 2007 gekündigt. Hiernach habe sie einen Zusammenbruch erlitten. Eine zusätzliche Belastung hätte die Pflege der kranken Eltern 2007/2008 dargestellt.

Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis, Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten und die Akten der Staatsanwaltschaft E zum Raubüberfall vom 21.08.2006 bei. In der Anklageschrift der StA heißt es ua: "Am 21.08.2006 gegen 19:15 Uhr forderte der Angeschuldigte im Ladenlokal der Firma T auf der L Str. 00 in E die Zeugin S unter Vorhalt einer Softairpistole auf, ihm Bargeld zu geben. Die weitere Verkäuferin N1 und die Zeugin S drängte er unter Vorhalt der Waffe in die dortigen Büroräume. Die Zeugin N1 öffnete den Tresor und gab ihm Bargeld in Höhe von ca. 2.100 EUR, welches sie in die von ihm mitgeführte Tasche steckte. Anschließend forderte er von den Zeuginnen deren Geldbörsen. Die Zeugin N1 wies ihn auf ihre Geldbörse hin, die auf einem Tisch in den Verkaufsräumen lag. Er nahm diese mitsamt Bargeld in Höhe von ca. 170 EUR sowie diversen persönlichen Papieren mit."

Desweiteren holte die Beklagte ein Gutachten von Prof. Dr. U, Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik der C Kliniken C vom 13.06.2012 ein, der zu dem Ergebnis kam, es hätten sich bei seiner Exploration der Klägerin keine Hinweise auf eine unfallabhängige psychoreaktive Störung von Krankheitswert ergeben. Damit ergebe sich auf psychiatrischem Fachgebiet auch keine unfallbedingte, messbare MdE. Unfallunabhängig biete die Klägerin eine leichtgradige depressive Episode vor dem Hintergrund unklarer existenzieller Perspektiven, finanzieller Sorgen, der Trennung vom Partner und einer Selbstwertproblematik.

Mit Bescheid vom 26.06.2012 lehnte die Beklagte die Entschädigung der psychischen Beschwerden der Klägerin über den 02.09.2006 hinaus ab. Der Unfall vom 21.08.2006 habe keine bleibenden Folgeschäden verursacht. Die seit April 2010 durchgeführte Behandlung stehe in keinem Zusammenhang mit dem Ereignis. Die kurzfristige psychoreaktive Störung infolge des Überfalls sei innerhalb weniger Tage abgeklungen. Den hiergegen eingelegten, inhaltlich nicht begründeten, Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2012 zurück.

Hiergegen richtete sich die am 08.10.2012 zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin auf erhebliche Angstzustände hingewiesen hat, unter denen sie leide und die auf den seinerzeit stattgehabten Überfall zurückzuführen seien.

Das SG hat ein nervenärztliches Gutachten von Dr. Q, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie vom 24.06.2013 eingeholt. Die Sachverständige hat ausgeführt, die Klägerin leide unter einer Angststörung nach einem schädigenden Ereignis 2006 (F41.2 ICD-10) und einer Dysthymie (F34.1 ICD-10). Eine PTBS im eigentlichen Sinne liege nicht vor. Die Angststörung stehe wahrscheinlich im ursächlichen Zusammenhang mit dem Ereignis vom 21.08.2006. Vorher sei die Klägerin psychisch gesund gewesen. Das Ereignis stelle auch nicht lediglich eine Gelegenheitsursache, sondern ein traumatisierendes Ereignis dar, welches die A-Kriterien der DSM IV-Definition erfülle. Die unfallbedingte MdE betrage 20 vH über die 26. Woche nach dem Ereignis hinaus.

Gestützt auf das Ergebnis dieses Gutachtens hat das SG mit Urteil vom 10.12.2013 die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der angegriffenen Bescheide verurteilt, bei der Klägerin als Folge ihres Arbeitsunfalls vom 21.08.2006 eine "Angststörung" anzuerkennen und ihr wegen der Folgen ab dem 01.04.2010 Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH zu gewähren. Zur Begründung hat es ergänzend ausgeführt, die potenziell lebensbedrohliche Situation, in welcher sich die Klägerin am 21.08.2006 durch die Drohung mit dem Vorhalten einer Waffe befunden habe, habe bei ihr ein Trauma im Sinne einer psychischen Reaktion ausgelöst und damit einen Gesundheitsschaden verursacht. Die Folgen des Traumas seien zunächst stumm verlaufen. Erst nach Abschluss der Bewältigung der Knieoperation, des Verlustes des Partners und des Arbeitsplatzes sei die Angststörung in den Vordergrund getreten, dies jedenfalls seit Beginn der Behandlung durch den Dipl.-Psych. T im April 2010.

Die Beklagte und Berufungsklägerin hat gegen das ihr am 27.12.2013 zugestellte Urteil am 14.01.2014 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie insbesondere ausführt, das Gutachten der Sachverständigen Dr. Q stütze sich fast ausschließlich auf die Angaben der Klägerin, ohne diese kritisch zu hinterfragen. Auch die erhebliche zeitliche Diskrepanz zwischen dem Unfallereignis und den erst viel später auftauchenden psychischen Problemen sei durch die Sachverständige nicht ausreichend erklärt. Hierzu legt die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dipl.-Psych. G vom 20.01.2014 vor: Es sei nicht möglich, dass nach einer so langen Latenz von einer Anpassungsstörung unfallabhängiger Art auszugehen sei. Da in der Initialphase nach dem Überfall eine rasche Stabilisierung der psychotraumatologischen Symptome eingetreten und die Klägerin längerfristig bis zur Kündigung an ihrem Arbeitsplatz weiterhin tätig gewesen sei, sei davon auszugehen, dass die jetzt postulierte Angstsymptomatik im Sinne einer Anpassungsstörung durch die später aufgetretenen Lebensumstände wie die gesundheitliche Beeinträchtigung durch das Knie, den Partnerschaftsverlust, etc. verursacht sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.12.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise: weitere Ermittlungen gemäß ihren Schriftsätzen vom 14.03.2017 und 12.05.2017 durchzuführen sowie Dr. P aufzufordern, sich fundiert mit der Beurteilung im psychologischem Zusatzgutachten von Frau N vom 11.08.2015, insbesondere Seite 23 bis 26, auseinanderzusetzten.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich im Übrigen auf das im Berufungsverfahren auf ihren Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholte Sachverständigengutachten.

Der zunächst zuständige 15. Senat hat eine ergänzende Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. Q vom 22.07.2014 eingeholt, in der die Sachverständige bei ihrer im Gutachten vertretenen Auffassung verblieben ist. Sodann hat er ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P vom 06.11.2015 nebst psychologischem Zusatzgutachten der Dipl.-Psych. und psychologischen Psychotherapeutin N vom 11.08.2015 eingeholt. Dr. P hat eine Agoraphobie ohne Panikstörung (F40.00 ICD-10) und eine Dysthymie (F34.1 ICD-10) diagnostiziert. Die Kriterien für das Vorliegen einer PTBS seien nicht erfüllt. Für den Zusammenhang der Agoraphobie mit dem Überfall sprächen: Die grundsätzliche Symptomatik, das Alleinsein vermeiden zu müssen, aus einem allgemeinen Gefühl der inneren Unsicherheit heraus; die zeitnah zum Überfallgeschehen dokumentierte, wenn auch gering ausgeprägte psychische Belastung (Befundbericht der Hausärztin vom 26.09.2006); die verstärkte Belastung, die in psychologischer Intervention durch Dipl.-Psych. I am 29.08.2006 dokumentiert wurde. Gegen einen Unfallzusammenhang sprächen: Die Eigenangaben der Versicherten gegenüber der BG vom 20.10.2006, es gehe ihr wieder gut; die direkte Arbeitsaufnahme nach kurzer Krankschreibung und Urlaub; die lange zeitliche Latenz bis zu dem Zeitpunkt, in dem im April 2010 erstmals wieder psychische Beeinträchtigungen beschrieben worden sind; die zwischenzeitlich erfolgte, durch die Klägerin als ungerecht erlebte Kündigung mit entsprechender Kränkungsreaktion; eine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch mehrere Knieoperationen; die zwischenzeitlich eingetretene Arbeitslosigkeit; die längere Arbeitsunfähigkeit aufgrund offenkundig unfallfremder gesundheitlicher Faktoren; psychosoziale Umfeldbelastungen wie eine schwierig verlaufende Partnerschaft, die Krankheit des Vaters und der Suizid eines Bekannten; die Tatsache, dass der behandelnde Psychotherapeut die Psychotherapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt habe, weil nach dessen Auffassung unfallfremde Belastungsfaktoren überwogen hätten; die Überlegung der N Klinik G hinsichtlich der Psychodynamik der Entstehung der psychischen Störung: Demnach haben sich Symptome der Dysthymie und der Agoraphobie deutlich sekundär als Folge psychosozialer Belastungsfaktoren entwickelt, der Unfall hat insoweit der eigenständig entstandenen Angststörung teilweise noch ein inhaltliches Gepräge gegeben, ohne selbst als Auslöser in Betracht zu kommen.

Es fehlten überzeugende medizinische Befunde, die Brückensymptome nach sehr leichtgradig ausgeprägten und nicht fachpsychiatrisch oder fachpsychologisch festgestellten Angstsymptomen zeitnah zum Überfallgeschehen zu belegen vermöchten. Die Beschwerdezunahme im Sinne einer Crescendo-Symptomatik spreche ebenfalls gegen den Unfallzusammenhang. Zusätzlich sei nach dem testpsychologischen Zusatzgutachten auf nicht ausschließbare Aggravationstendenzen zu verweisen. Außerdem stehe die seit Entlassung aus der Median Klinik am 26.02.2013 völlig fehlende Inanspruchnahme einer fachpsychotherapeutischen oder antidepressiv-medikamentösen Behandlung in Diskrepanz zu dem von der Klägerin geschilderten Leidensdruck. Schließlich könne ein sekundärer Krankheitsgewinn in Verbindung mit dem bestehenden Ruhestandsbegehren nicht außer Acht gelassen werden. In der Summe überwögen deutlich unfallfremde Faktoren. Dies gelte auch für die Dysthymie. Auch eine wesentliche Teilursächlichkeit des Unfallgeschehens für die psychischen Beeinträchtigungen sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Schließlich habe eine weitere Behandlungsbedürftigkeit seit 2010 in Folge des Ereignisses vom 21.08.2006 nicht bestanden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 20.05.2016 hat sich der Sachverständige mit dem Gutachten von Dr. Q auseinander gesetzt und dargelegt, warum dieser im Ergebnis nicht gefolgt werden könne.

Auf Antrag der Klägerin ist nach § 109 SGG sodann ein Gutachten von dem Neurologen und Psychiater Dr. L vom 12.10.2016 eingeholt worden. Dieser hat ausgeführt, aufgrund der von ihm erhobenen Befunde und der vorliegenden Unterlagen ließen sich vom nervenärztlichen Fachgebiet aus folgende Diagnosen erheben: Angststörung nach einem Überfall 2006 (F41.2 ICD-10) und mittelgradige depressive Episode, chronifiziert (F32.1 ICD-10). In der Antwort zur Beweisfrage 1) gibt der Sachverständige zudem eine PTBS an. Nach Auffassung von Dr. L sind die psychischen Gesundheitsstörungen ursächlich auf den Raubüberfall zurückzuführen. Die hierdurch bedingte MdE betrage auf Dauer 20 vH. In den Gutachten von Prof. Dr. U, Dr. Q und Dr. P sei eine nicht zulässige Aufsplitterung der Unfallfolgen und der sich später entwickelnden psychopathologischen Symptomatik erfolgt; die Sachverständigen seien zu nicht nachvollziehbaren Schlüssen gekommen.

Der Senat hat schließlich noch eine ergänzende Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. P vom 24.02.2017 eingeholt, der ausgeführt hat, die Kausalitätsbeurteilung des Sachverständigen Dr. L sei nicht nachvollziehbar. Zudem erschienen manche Ausführungen nicht verständlich. Zusammenfassend setze sich Dr. L mit den Argumenten im Gutachten von Dr. P vom 06.11.2015 in keiner Weise auseinander und berücksichtige insbesondere mögliche Aggravationstendenzen nicht.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung einer Verletztenrente verurteilt. Der von der Klägerin angefochtene Bescheid vom 26.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2012 ist rechtmäßig, denn sie hat weder Anspruch auf Anerkennung einer Angststörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 21.08.2006 noch auf Zahlung einer Verletztenrente.

Nach § 55 Abs 1 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann mit der Klage die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalls ist. Anspruch auf Verletztenrente haben nach § 56 Abs 1 S 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist.

Ein hier allein als Versicherungsfall (§ 7 Abs 1 SGB VII) in Betracht kommender Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 SGB VII) liegt vor, wenn es bei einer der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Verrichtung des Versicherten zu einem von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - gekommen ist, das einen Gesundheits(erst)schaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Krankheit oder Tod des Versicherten verursacht hat (sog. haftungsbegründende Kausalität). Der Gesundheitserstschaden ist eine den Versicherungsfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung, während das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (sog. haftungsausfüllende Kausalität) Voraussetzung für weitergehende Leistungsansprüche wie zB die Gewährung einer Verletztenrente ist (vgl BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 30 Rn 10 mwN).

Die Klägerin hat zwar am 21.08.2006 einen Unfall bei Verrichtung von nach § 2 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Tätigkeiten (als Filialleiterin bei der Fa. T) erlitten, indem der Raubüberfall, insbesondere die Bedrohung mit einer Pistole, die Wegnahme der Geldbörse und das Einsperren in der Toilette zu einem von außen auf ihren Körper einwirkenden Ereignis, dem Unfallereignis, geführt haben. Es kann letztlich dahinstehen, ob zudem, wie das SG annimmt, dieses Unfallereignis bei der Klägerin ein Trauma im Sinne einer psychischen Reaktion und damit einen Gesundheitserstschaden ausgelöst hat. Als Folge des Unfalls sind jedenfalls weder eine Angststörung, noch andere Erkrankungen anzuerkennen. Der Unfall mag zwar zu einer vorübergehenden Gesundheitsstörung auf psychischem Gebiet geführt haben, die Anlass zur psychologischen Akutintervention war. Ein solcher Gesundheitsschaden, so er vorlag, war aber jedenfalls vor 2010 folgenlos ausgeheilt.

Das Vorliegen eines Gesundheitserstschadens bzw. eines Gesundheitsfolgeschaden (Unfallfolgen) muss im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen. Dagegen genügt für den Nachweis der (wesentlichen) Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserst- bzw -folgeschaden die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings nur die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - Juris Rn 16). Für die erforderliche Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheits(erst)schaden sowie für die Kausalität zwischen Gesundheits(erst)schaden und weiteren Gesundheitsschäden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Als rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden sowie auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten. Gesichtspunkte für die Beurteilung sind neben der versicherten Ursache als solcher, einschließlich Art und Ausmaß der Einwirkung, u a die konkurrierende Ursache (nach Art und Ausmaß), der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte.

Nach diesen Grundsätzen lässt sich kein dauerhafter Gesundheitsfolgeschaden feststellen, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 21.08.2006 zurückzuführen ist. Soweit das SG mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte zur Anerkennung einer Angststörung als Unfallfolgeschaden verurteilt hat, lässt sich bereits nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen, dass die Klägerin an einer solchen Erkrankung überhaupt leidet. Der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. P hat jedenfalls keine Angststörung iSd ICD-10-Systematik diagnostiziert. Er geht vielmehr davon aus, dass bei der Klägerin neben einer Dysthymie eine Agoraphobie ohne Panikstörung (ICD-10 F40.00), nicht eine andere Angststörung nach den Nrn F41.0 ff ICD-10, vorliegt.

Die bei der Klägerin bestehenden Erkrankungen sind sämtlich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kausal auf den Arbeitsunfall vom 21.08.2006 zurückzuführen. Insoweit geht der Senat von den Feststellungen von Dr. P sowohl bezüglich der bestehenden Gesundheitsstörungen als auch der möglichen Kausalzusammenhänge aus und nimmt auf dessen überzeugendes Gutachten Bezug. Die dortigen Ausführungen werden, jedenfalls im Ergebnis, auch durch die Feststellungen des im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachtens von Prof. Dr. U aus dem Verwaltungsverfahren sowie die gutachterliche Stellungnahme von Dr. Dipl.-Psych. G gestützt.

Dr. P hat sich eingehend und fundiert mit sämtlichen Aspekten befasst, die für oder gegen einen hinreichenden Kausalzusammenhang mit dem Raubüberfall sprechen. Seine zusammenfassende Schlussfolgerung, in der Summe überwögen deutlich unfallfremde Faktoren, ist nachvollziehbar. Der Senat nimmt auf die entsprechende Abwägung sowie deren Ergebnis Bezug. Insbesondere können die lange zeitliche Latenz vom 21.08.2006 bis zum April 2010, als erstmals wieder psychische Beeinträchtigungen belegt sind, sowie die Vielzahl unfallfremder psychosozialer und gesundheitlicher Belastungsfaktoren, unter welchen die Klägerin seinerzeit zu leiden hatte, nicht unberücksichtigt bleiben und stellen gewichtige Argumente gegen einen Kausalzusammenhang dar.

Soweit die vom SG gehörte Sachverständige Dr. Q zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, kann dieser aus den bereits von Dr. P in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.05.2016 genannten Gründen, auf die Bezug genommen wird, nicht gefolgt werden. Bereits die Beklagte hatte in ihrer Berufungsbegründung zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Sachverständige fast ausschließlich auf eigenanamnestische Angaben der Klägerin gestützt hat, ohne diese kritisch zu hinterfragen. Auch hat Dr. Q, im Gegensatz zu Dr. P, keine testpsychologischen Untersuchungen durchgeführt bzw veranlasst. Soweit Dr. Q den hinreichenden Ursachenzusammenhang im Wesentlichen damit begründet, es fehlten psychische Vorerkrankungen, weist Dr. P in seiner ergänzenden Stellungnahme zu Recht darauf hin, dass es keine Beweisregel dahingehend gibt, wonach ein Kausalzusammenhang dann zu bejahen ist, wenn eine Störung nach einem bestimmten Ereignis aufgetreten ist und zuvor keine bestanden hat. Schließlich ließe sich selbst dann, wenn man eine ausreichende Teilursächlichkeit des Überfalls vom 21.08.2006 für die Angstsymptomatik der Klägerin annähme, eine MdE in rentenberechtigender Höhe nicht sicher bestimmen, was Dr. P in seiner ergänzenden Stellungnahme weiter ausführt. Die Stellungnahme von Dr. Q im Berufungsverfahren vom 22.07.2014 konnte die Bedenken gegen die Mängel ihres Gutachtens vom 24.06.2013 nicht ausräumen. Dies führte letztlich zur weiteren Beweiserhebung durch Einholung des Gutachtens von Dr. P.

Soweit auch der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. L die von ihm ebenfalls diagnostizierte Angststörung (F41.2 ICD-10) auf das Unfallereignis zurückführt, so ist dieses Gutachten noch weniger nachvollziehbar als dasjenige von Dr. Q und im Wesentlichen zur Beweisführung unbrauchbar. Bereits die von Dr. L gestellten Diagnosen - auf psychiatrischem Gebiet neben der zunächst von ihm ausschließlich festgestellten Angststörung (F41.2 ICD-10) und mittelgradigen depressiven Episode (F32.1 ICD-10) noch eine Agoraphobie ohne Panikstörung, eine somatoforme Schmerzstörung, eine Anpassungsstörung und eine PTBS - sind, zumindest zu einem großen Teil, anhand der von ihm selber erhobenen Befunde und hieraus gezogenen Schlussfolgerungen nicht beweiskräftig belegt. Insbesondere wurde eine Befunderhebung im Hinblick auf das Vorliegen einer PTBS nicht durchgeführt.

Die Diagnose einer PTBS ist nach den hierzu heranzuziehenden Diagnosesystemen der ICD-10 (Zehnte Revision der internationalen statischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt) oder DSM-IV (Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahr 1994) oder der jetzigen revidierten Fassung DSM-5 (zu dem Erfordernis einer Diagnosestellung nach einem anerkannten Diagnosesystem, vgl. BSGE 96, 196 Juris Rn 22 f) nicht im Vollbeweis gesichert.

Nach ICD-10 (F 43.1) wird für die Diagnose einer PTBS eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die fast bei jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, gefordert. Nach DSM-IV und DSM-5 müssen neben dem Traumakriterium (dem sog A-Kriterium) auf den nächsten Stufen (dem B- und C-Kriterium) bestimmte Symptome vorliegen, so beim B-Kriterium das Vorhandensein eines oder mehrerer der folgenden Symptome des Wiedererlebens (Intrusionen), die auf das oder die traumatische Ereignisse bezogen sind und die nach dem oder den traumatischen Ereignissen aufgetreten sind; ua wiederkehrende, unwillkürlich sich aufdrängende belastende Erinnerungen, wiederkehrende, belastende Träume, dissoziative Reaktionen wie Flashbacks, usw. Hinzu kommt für das C-Kriterium zB eine anhaltende Vermeidung von Reizen, die mit dem oder den traumatischen Ereignissen verbunden sind und die nach dem oder den traumatischen Ereignissen begannen.

Entsprechende Feststellungen im Rahmen der Diagnosesysteme ergeben sich aus den von Dr. L in seinem Gutachten erhobenen Befunden an keiner Stelle. Er trifft weder Feststellungen zu dem A-Kriterium (welches allerdings durch die lebensbedrohliche Situation, in der die Klägerin sich befunden hat, vorgelegen haben dürfte) noch zum Vorliegen des B- oder C-Kriteriums, obgleich Dr. P in seinem Gutachten, mit welchem Dr. L sich auseinanderzusetzen hatte (Beweisfrage 5 der Beweisanordnung des Senats), in seiner entsprechenden Prüfung der Kriterien von der Nichterfüllung des B- und C-Kriteriums ausgeht. So hat Dr. P insoweit ausgeführt, es fehle an dezidierten Angaben sich aufdrängender Wiedererinnerungen in Form von Intrusionen oder traumaspezifischen Albträumen.

Ist bereits die Diagnostik von Dr. L mängelbehaftet und anhand der von ihm erhobenen medizinischen Befunde nicht nachvollziehbar, so weist dessen Gutachten weitere schwere Mängel auf und lässt an der Sachkunde des Sachverständigen zweifeln. So führt Dr. L auf: "In den übrigen Gutachten wird die Trennung von Folgen des Unfallereignisses und später hinzutretenden Symptomen voneinander getrennt und dies entspricht nicht dem Sachverhalt, wie ich es in der jetzigen Anamnese geschildert habe." Dies ist unlogisch und entspricht nicht den Standards eines unfallmedizinischen Sachverständigengutachtens. Im Gutachten von Dr. L lassen sich auch, worauf bereits der Sachverständige Dr. P hingewiesen hat, nirgendwo nachvollziehbare Gründe dafür finden, warum Dr. L der Auffassung ist, dass die bei der Klägerin vorliegenden psychischen Gesundheitsstörungen auf den Raubüberfall zurückzuführen sind, außer dem Argument, dass die Klägerin vor dem Arbeitsunfall psychisch gesund war. Wie bereits ausgeführt, gibt es eine Beweisregel dahingehend, wonach ein Kausalzusammenhang dann zu bejahen ist, wenn eine Störung nach einem Ereignis aufgetreten ist und vorher keine bestanden hat, in der medizinischen Wissenschaft aber nicht. Eine Abwägung möglicher konkurrierender Kausalitätsfaktoren fehlt im Gutachten von Dr. L ebenso wie bereits im Gutachten der Sachverständigen Dr. Q.

Ergänzend ist zudem darauf hinzuweisen, dass die von Dr. L als Gesundheitsstörung aufgelistete PTBS, die allerdings von diesem diagnostisch nicht gesichert wurde, weder von dem Sachverständigen Dr. P noch von der Sachverständigen Dr. Q festgestellt wurden. Dr. P hat ausdrücklich ausgeführt, die Prüfung innerhalb der heranzuziehenden Diagnosesysteme ergebe, dass weder das B- noch das C-Kriterium vorlägen.

Schließlich liegt die von Dr. L diagnostizierte mittelgradige depressive Episode (F32.1 ICD-10) nicht vor. Dies haben sowohl Dr. Q als auch Dr. P angenommen, die beide lediglich eine Dysthymie (F34.1 ICD.10) festgestellt haben. Der Diagnose von Dr. L kann iü bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil die nach dem Diagnosesystem ICD-10 hierfür erforderlichen Symptome, wie zB ausgeprägte Müdigkeit nach jeder kleinsten Anstrengung, gestörter Schlaf, verminderter Appetit, etc nicht vorliegen; jedenfalls trifft Dr. L keine entsprechenden Feststellungen.

Die sowohl von Dr. Q als auch von Dr. P diagnostizierte Dysthymie ist nach deren übereinstimmender Auffassung nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen.

Die Beklagte hat somit zu Recht mangels unfallbedingter Verletzungsfolgen die Feststellung unfallbedingter Gesundheitsfolgeschäden sowie die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt. Weiterer Ermittlungsbedarf von Amts wegen bestand aufgrund des überzeugenden Gutachtens sowie der gutachterlichen Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. P nicht.

Soweit die Klägerin hilfsweise weitere Ermittlungen gemäß den Schriftsätzen vom 14.03.2017 und 12.05.2017 beantragt, war dem nicht nachzukommen. Mit den genannten Schriftsätzen hat die Klägerin um Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Dr. L nach § 109 SGG gebeten, weil Dr. P Dr. L Vorhaltungen gemacht habe, auf die dieser nicht medizinisch habe erwidern können. Diese Möglichkeit müsse ihm aber eingeräumt werden.

Eine Rechtsgrundlage für diese Beweisanregung der Klägerin ist nicht ersichtlich. § 109 SGG rechtfertigt die wiederholte Anhörung eines Sachverständigen, der bereits nach § 109 SGG gehört wurde, nur unter besonderen Umständen. Solche liegen nicht vor. Dr. L hat sich bereits zum Beweisthema vollständig geäußert, wenn seine Äußerungen auch mit starken Mängeln behaftet sind. Sie sind jedoch nicht unklar oder unvollständig sondern lediglich unlogisch und entsprechen nicht unfallmedizinischen Standards. Auch hat sich Dr. L bereits in seinem Gutachten zu der entgegenstehenden Auffassung von Dr. P zur Kausalitätsfrage geäußert und sich mit ihr auseinandergesetzt. Es haben sich insoweit auch keine neuen streiterheblichen Fragen ergeben. Vielmehr geht es der Klägerin mit ihrem Antrag erkennbar darum, dass Dr. L sich nochmals mit der gutachterlichen Auffassung von Dr. P auseinandersetzen soll, obwohl er dies bereits getan hat. Allein die Tatsache, dass ihm die ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Dr. P vom 24.02.2017 bei Erstellung seines Gutachtens noch nicht vorlag, ändert hieran nichts, da Dr. P in dieser keine neuen Gesichtspunkte oder Tatsachen zur beweiserheblichen Kausalitätsfrage aufgeworfen hat. Anders wäre allenfalls dann zu entscheiden, wenn von ihm neue medizinischen Tatsachen dargelegt worden wären oder wenn nach Einholung des Gutachtens nach § 109 SGG ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten von Amts wegen auf dem gleichen Fachgebiet eingeholt worden wäre, welches der nach § 109 SGG benannte Sachverständige in seinem Gutachten noch nicht verwerten konnte. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Soweit es sich bei dem Vorbringen der Klägerin in den genannten Schriftsätzen um die Anregung handeln sollte, von Amts wegen weiteren Beweis zu erheben, so bestand hierzu, wie bereits ausgeführt, keine Veranlassung.

Die Klägerin kann ihren Hilfsantrag schließlich auch nicht auf § 118 Abs 1 SGG iVm §§ 402, 397 Zivilprozessordnung (ZPO) stützen. Nach der Rechtsprechung sowohl des Bundessozialgerichts (BSG) als auch des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), wie sie insbesondere in den Entscheidungen vom 24.07.2012 (B 2 U 100/12 B in juris) und vom 17.02.2012 (1 BvR 2728/10 und 1 BvR 909/94 in juris) zum Ausdruck kommt, umfasst der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör grundsätzlich auch die Anhörung gerichtlicher Sachverständiger. Nach § 402 ZPO iVm § 397 ZPO sind die Beteiligten berechtigt, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten. Ein Antrag auf Anhörung des Sachverständigen kann allerdings dann abgelehnt werden, wenn er verspätet oder rechtsmissbräuchlich gestellt wurde oder die für erläuterungsbedürftig gehaltenen Punkte nicht benennt. Die Klägerin hat mit den genannten Schriftsätzen keinen Punkt benannt, der im Hinblick auf die zur Entscheidung stehenden Sach- und Rechtsfragen erläuterungsbedürftig ist. Entscheidungserheblich ist insoweit alleine, ob bei der Klägerin auf psychischem Gebiet vorliegende Gesundheitsstörungen kausal auf den anerkannten Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Darauf, ob der Sachverständige Dr. P zu Recht Zweifel an der fachlichen Qualifikation von Dr. L geäußert bzw diesem Vorhaltungen gemacht hat, kommt es nicht an. Mit der abweichenden gutachterlichen Bewertung der Kausalitätsfrage durch Dr. P hatte Dr. L sich bereits auseinandergesetzt. Um Erläuterungen hierzu hat die Klägerin allerdings nicht nachgesucht und zwar weder nach Erhalt des Gutachtens von Dr. L noch bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.

Dass die Klägerin sich nicht dazu in der Lage sieht, auf vermeintliche Vorhaltungen von Dr. P gegen Dr. L zu erwidern, ist unerheblich und im Übrigen nicht nachvollziehbar. Sachverständige Äußerungen von Gutachtern dienen gerade dazu, dem Gericht und den Beteiligten die nicht vorhandene medizinische Sachkunde zu verschaffen. Es ist nicht erkennbar, in welchen Punkten die ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Dr. P vom 24.02.2017 erläuterungsbedürftig oder für einen medizinischen Laien nicht nachvollziehbar sein sollte. Das Recht der Beteiligten, einem Sachverständigen Fragen vorzulegen zu lassen, dient auch nicht dazu, Verständnisfragen zu klären, die nicht aus Unklarheiten in der gutachterlichen Würdigung des Sachverständigen resultieren, sondern lediglich in der mangelnden medizinischen Vorbildung der betroffenen Beteiligten begründet sind. Im Übrigen ist es dem Senat, der ebenfalls nicht medizinisch vorgebildet ist, durchaus möglich gewesen, die gutachterlichen Äußerungen von Dr. P vom 24.02.2017 zu verstehen und nachzuvollziehen.

Schließlich war dem Hilfsantrag der Klägerin auch insoweit nicht zu folgen, als diese angeregt hat, Dr. P aufzufordern, sich fundiert mit der Beurteilung im psychologischen Zusatzgutachten von Frau N vom 11.08.2015, insbesondere Seite 23 bis 26, auseinanderzusetzen. Eine fundierte Beurteilung von Dr. P liegt bereits mit dessen Gutachten vom 06.11.2015 vor, so dass insoweit kein Ermittlungsbedarf besteht. Dr. P hat sich mit der in Teilen entgegenstehenden Auffassung der Dipl.-Psych. N auseinandergesetzt, diese in seine Beurteilung einbezogen und schlüssig dargelegt, warum er ihr bezüglich der Kausalitätsbeurteilung, dem Vorliegen von Unfallfolgeschäden und der Höhe einer etwaigen MdE nicht folgen konnte. Insoweit wird insbesondere auf Seite 47 des Gutachtens von Dr. P hingewiesen, wo dieser im zweiten Absatz ausführt: "Ungeachtet der Frage der Alltagswirksamkeit der geklagten Beschwerden kann anhand der vorliegenden Befunddokumentationen und angesichts der medizinischen Situation nach Aktenlage ein Unfallzusammenhang der nun noch feststellbaren psychischen Beeinträchtigungen aus gutachterlicher Sicht nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dies in Abweichung von der Einschätzung der psychologischen Psychotherapeutin Dipl.-Psych. N. Denn diese nimmt in erster Linie auf die Beschwerdeschilderung der Klägerin und Berufungsbeklagten Bezug, wie sich die vier Jahre bis zum ersten aussagekräftigen psychologischen Befund entwickelt haben. Objektivierbare, aus medizinischer Sicht verwertbare Befunde über Brückensymptome finden sich aber im aktenkundigen Sachverhalt nicht, und die Darstellung von Frau N1 muss unter Berücksichtigung der ebenfalls psychologischerseits nicht ausschließbaren Aggravationstendenzen unter Vorbehalt erfolgen. Dies senkt die Wahrscheinlichkeit eines Unfallzusammenhangs der vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen weiter ab."

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht.
Rechtskraft
Aus
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