S 12 RA 352/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Potsdam (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 12 RA 352/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 R 1686/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. Juli 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rentenhöhe für Rentenbezugszeiten vor dem 1. September 2001.

Der 1932 geborenen Klägerin musste nach einem Unfall im Juli 1951 ein Unterschenkel amputiert werden. Nach Abschluss des Medizinstudiums und Approbation als Arzt ab 19. Januar 1959 war sie – mit Unterbrechungen in den Jahren 1965 bis 1969 - im Bezirkskrankenhaus P beschäftigt. Durch Urkunde der Deutschen Versicherungs-Anstalt vom 16. März 1970 wurde sie mit Wirkung vom 1. Februar 1970 in die Altersversorgung der Intelligenz unter Hinweis auf die insoweit maßgeblichen Vorschriften des DDR-Rechts einbezogen. In der DDR wurde ihr vom 1. November 1982 bis zum 31. Januar 1984 und ab dem 1. August 1987 eine Invalidenrente (aus der Sozialversicherung und der Zusatzversorgung) gewährt. Während des Rentenbezuges von 1982 bis 1984 erhielt die Klägerin kein Arbeitsentgelt (abgesehen von einem geringen Zuverdienst). In der Zeit ab dem 1. August 1987 ging die Klägerin dagegen neben dem Bezug der Invalidenrente weiter ihrer Beschäftigung im Bezirkskrankenhaus P nach, dabei wurde ihr erst ab dem 1. Januar 1992 der Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung abgezogen. Mit Bescheid vom 27. November 1991 wandelte die Beklagte die Invalidenrente mit Wirkung ab dem 1. Januar 1992 in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit um. Zum 30. November 1993 endete das Beschäftigungsverhältnis mit dem nunmehrigen Klinikum E in P.

Nachdem die Klägerin bereits am 29. Mai 1992 die Gewährung einer Altersrente beantragt hatte, begehrte sie im Januar 1994 die Gewährung einer Altersrente nach § 39 des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch - SGB VI - ab dem 1. Dezember 1993, für die Zeit vorher sollte eine Rente nach § 4 Art. 2 des Rentenüberleitungsgesetzes - RÜG - gezahlt werden. Durch Rentenbescheid vom 11. November 1994 stellte die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente mit Wirkung ab dem 1. Juli 1990 unter Berücksichtigung der vom Zusatzversorgungsträger übermittelten Entgelte neu fest, als Zahlbetrag ergaben sich 1.843,07 DM (Stand: Januar 1995). Mit Rentenbescheid vom 15. November 1995 stellte die Beklagte die an die Klägerin zu leistende überführte Invalidenrente nunmehr als Berufsunfähigkeitsrente mit einer Überzahlung von 2.610,83 DM fest.

Durch Rentenbescheid vom 8. März 1996 gewährte die Beklagte der Klägerin Altersrente für Frauen ab dem 1. Dezember 1993. Die Rentenberechnung weist den Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis 30. September 1993 als Pflichtbeitragszeit und auch als Zeit des Rentenbezugs aus, die Zeit vom 31. Juli 1987 bis 31. Dezember 1990 dagegen lediglich als Zeit des Rentenbezugs.

Am 17. Januar 2002 beantragte die Klägerin die Überprüfung ihrer Altersrente mit Hinweis auf eine möglicherweise günstigere Berechnung ihrer Rente unter Zugrundelegung eines Zeitraums von 20 Jahren. Ihr Bevollmächtigter begehrte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens noch die Anrechnung aller während des Invalidenrentenbezugs zurückgelegten Zeiten der Beschäftigung als versicherungspflichtige Beitragszeiten. Durch Rentenbescheid vom 2. September 2002 stellte die Beklagte die Altersente für Frauen der Klägerin ab dem 1. Januar 1998 neu unter Änderung der Beitragszeit vom 15. April 1959 bis 14. Mai 1960 fest. Es ergaben sich nunmehr ein Zahlbetrag von 1.207,77 Euro (Stand: 1. Oktober 2002) und eine Nachzahlung von 156,33 Euro. Die Klägerin erhob Widerspruch. Durch weiteren Rentenbescheid vom 13. November 2002 stellte die Beklagte die an die Klägerin zu zahlende Altersrente für Frauen wegen Berücksichtigung der Zeit vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1990 als zusätzliche Beitragszeit mit Wirkung ab dem 1. September 2001 neu fest. Es ergaben sich ein Zahlbetrag von 1.225,52 Euro und eine Nachzahlung von 279,51 Euro. Auch dagegen erhob die Klägerin Widerspruch, insbesondere im Hinblick auf den Beginn der höheren Leistung. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2003 wies die Beklagte die Widersprüche gegen ihre Bescheide vom 2. September 2002 und 13. November 2002 zurück. Soweit die Berücksichtigung von Beitragszeiten neben dem Bezug einer Invalidenrente begehrt werde, sei das nach § 310c SGB VI nur für Rentenbezugszeiten ab dem 1. September 2001 möglich.

Dagegen richtet sich die am 28. März 2003 erhobene Klage, mit der die Klägerin einen Anspruch auf höhere Altersrente ab 1. Dezember 1993, jedenfalls aber seit Beginn der Regelaltersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres (1. Juli 1997) unter Berücksichtigung einer Beitragszeit vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1990 geltend macht. Zur Begründung verweist die Klägerin auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG - zu § 248 SGB VI a.F. (Hinweis auf Urt. v. 31. August 2001 – B 4 RA 62/00 R - ) und Rechtsprechung des Landessozialgerichts - LSG - und des Sozialgerichts – SG - Berlin, welche zunächst zu § 15 des Fremdrentengesetzes - FRG - und später auch zu § 248 SGB VI ergangen sei (Hinweis auf Urteile des LSG Berlin v. 9. März 1988 – L 9 An 10/87 -; 31. Mai 1999 – L 16 RJ 65/97 - ; SG Berlin v. 1. Juli 1997 –S 26 J 1737/96 -; v. 22. Januar 2002 – S 27 RJ 514/99 -). Dort sei entschieden worden, dass Zeiten der Beschäftigung eines Invalidenrentners in der DDR ungeachtet der Tatsache, dass auf ihn persönlich keine Beitragslast entfiel, wegen der vom Arbeitgeber zu entrichtenden Beiträge als Beitragszeit anzusehen sei. Den Inhalt dieser Rechtsprechung habe sich schließlich auch der Gesetzgeber zu Eigen gemacht. Da die Klägerin ihren Überprüfungsantrag vor Inkrafttreten des § 310c SGB VI gestellt habe, könne die Einführung dieser Vorschrift durch Gesetz vom 22. Juni 2002 nichts an ihren berechtigten Ansprüchen ändern. Die Beklagte hat demgegenüber darauf verwiesen, dass nach § 310c SGB VI eine Neufeststellung der Rente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten während des Invalidenrentenbezugs nur ab dem 1. September 2001 möglich sei. Für die Zeit vorher sei die zusätzliche Berücksichtigung der Beitragszeiten also ausgeschlossen.

Das Sozialgericht hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Berücksichtigung einer weiteren Beitragszeit vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1990 höhere Altersrente für Frauen zu gewähren (Urteil v. 27. Juli 2005). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte das Recht unrichtig angewandt habe, weil sie die Beschäftigung der Klägerin während des Bezugs von Invalidenrente nicht als Beitragszeit im Rahmen der Rentenwertfestsetzung für die Altersrente berücksichtigt habe. Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung der Zeiten vom 1. November 1982 bis zum 31. Dezember 1986 und ab 1987 bei der Altersrente nach dem SGB VI sei § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI. § 55 SGB VI gelte nur für Beitragszeiten ab dem 1. Januar 1992. Für vorher im Beitragsgebiet zurückgelegte Versicherungszeiten gelte allgemein § 248 Abs. 3 SGB VI und speziell für Zusatz- und Sonderversorgungssysteme § 5 AAÜG. § 248 Abs. 3 SGB VI verlange nur, dass Beiträge zu einem Rentenversicherungssystem im Beitrittsgebiet gezahlt worden seien. Trotz Beitragsfreiheit der Klägerin seien für sie Beiträge entrichtet worden, auf die Verteilung der Beitragslast komme es nicht an. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass § 310c SGB VI erst mit Wirkung vom 1. Juli 2002 in das SGB VI eingefügt worden sei. Die Klägerin habe demnach gemäß § 44 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch - SGB X - und der insoweit geltenden Verjährungsfrist von vier Jahren Anspruch auf höhere Leistungen ab dem 1. Juli 1997.

Gegen das ihr am 28. September 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 27. Oktober 2005. Der Gesetzgeber habe durch die Einführung des § 310c SGB VI zum 1. Juli 2002 Bestandsrentnern die Möglichkeit eröffnet, ihre Altersrenten für Rentenbezugszeiten ab dem 1. September 2001 unter Berücksichtigung der neben dem Bezug von Invalidenrenten zurückgelegten Beitragszeiten neu festzustellen. Für vorherige Rentenbezugszeiten könnten dagegen Beschäftigungszeiten neben dem Bezug von Invalidenrenten nicht berücksichtigt werden. Weil die Klägerin während des Bezugs der Invalidenrente von der Zahlung eines eigenen Beitragsanteils befreit gewesen sei, habe für sie Beitragsfreiheit im Sinne von § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 a.F. SGB VI bestanden. Soweit das BSG entschieden habe, dass die genannte Vorschrift nur Renten wegen Alters erfasse, könne ihm nicht gefolgt werden. Auch der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Zeiten des Bezugs einer Invalidenrente bei der Berechnung einer Rente wegen Alters erst durch das Gesetz vom 20. Juni 2002 geschaffen worden sei. Es sei dem Gesetzgeber auch nicht von Verfassungs wegen verwehrt, Rechtsprechung durch Gesetze rückwirkend zu korrigieren. Das Rückwirkungsverbot stehe dem nur entgegen, wenn Vertrauensschutzgründe greifen würden. Die vom Gesetzgeber angeordnete Rückwirkung beginne aber bereits mit dem Tag, welcher der Entscheidung des BSG (vom 30. August 2001) folge. Für die Zeit vorher könnten die Versicherten keinen Vertrauensschutz für die dem Wortlaut des § 248 Abs. 3 SGB VI widersprechende Entscheidung des BSG beanspruchen. Die Beklagte sei dieser Entscheidung bis zum In-Kraft-Treten der gesetzlichen Neuregelung nicht gefolgt. Im Übrigen habe das Sozialgericht § 44 Abs. 4 SGB X falsch angewandt. Wegen des (erst) am 17. Januar 2002 gestellten Überprüfungsantrages könnten höhere Leistungen jedenfalls erst ab dem 1. Januar 1998 gewährt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. Juli 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vernachlässige die umfangreiche Rechtsprechung, die schon vor Inkrafttreten der geänderten Fassung des § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI ergangen sei. An diese habe auch das BSG angeknüpft. Bei zeitnaher Bescheidung des Überprüfungsantrages hätte bei Orientierung an dieser Rechtsprechung eine Entscheidung zugunsten der Klägerin ergehen müssen. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - ergebe sich als überzeugender Grundsatz das Verbot, normierende Rechtsprechung rückwirkend zu korrigieren. Die Klägerin habe auf die alte Rechtsprechung vertrauen dürfen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist rechtswidrig. Zu Unrecht hat es die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 2. September 2002, 13. November 2002 und 2. Mai 2004 sowie unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2003 verurteilt, der Klägerin ab dem 1. Juli 1997 unter Berücksichtigung einer weiteren Beitragszeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1990 höhere Altersrente für Frauen zu gewähren.

Ein Anspruch auf höhere Altersrente könnte sich nur aus § 44 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch – SGB X – ergeben. Der Rentenbescheid vom 8. März 1996 ist bestandskräftig geworden, nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin den zunächst erhobenen Widerspruch durch Schreiben vom 10. Dezember 1996 für erledigt erklärt hat. Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch soweit er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Durch den Bescheid vom 13. November 2001 gewährt die Beklagte der Klägerin gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB X – in Abänderung des Rentenbescheides vom 8. März 1996 – ab dem 1. September 2001 höhere Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1990 als weitere Beitragszeit. Soweit er - zugleich – die Zahlung der höheren Rente bereits für Zeiten vor dem 1. September 2001 im Wege einer Zugunstenentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X ablehnt, ist er nicht zu beanstanden. Maßgebend für die Beurteilung, ob der Rentenbescheid vom 8. März 1996 für Rentenbezugszeiten vor dem 1. September 2001 rechtswidrig war, ist das zur Zeit der Entscheidung des Senats geltende Recht.

In der Zeit zwischen der Stellung des Überprüfungsantrages und dem Ergehen der sozialgerichtlichen Entscheidung hat der Gesetzgeber die maßgeblichen Vorschriften über die Berücksichtigung von neben dem Bezug einer Invalidenrente zurückgelegten Zeiten der Beschäftigung geändert. In der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung des § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI war bestimmt: Beitragszeiten im Beitrittsgebiet sind nicht Zeiten, in denen wegen des Bezugs einer Rente oder einer Versorgung nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets Versicherungs- oder Beitragsfreiheit bestanden hat. § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI idF des Gesetzes vom 20. Juni 2002 schreibt dagegen nunmehr vor: Beitragszeiten im Beitrittsgebiet sind nicht Zeiten einer Beschäftigung neben dem Bezug einer Altersrente oder einer Versorgung wegen Alters. Ergänzend bestimmt § 310c SGB VI, dass bei Zurücklegung von Zeiten der Beschäftigung während des Bezugs einer Invalidenrente nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes bis zum 31. Dezember 1991 Anspruch auf Neufeststellung einer vor dem 1. Juli 2002 begonnenen Rente ab dem 1. September 2001 besteht, abweichend von § 300 Abs. 3 SGB VI seien bei der Neufeststellung die Regelungen in der seit dem 1. Juli 2002 geltenden Fassung anzuwenden.

Maßgebend für die Entscheidung des Senats sind die §§ 248, 310c SGB VI in der ab dem 1. Juli 2002 geltenden Fassung. Er hat das zur Zeit der mündlichen Verhandlung geltende Recht anzuwenden. Da der Rücknahmeanspruch aus § 44 Abs. 1 SGB X zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (noch) bestehen muss, sind auch solche Rechtsänderungen zu berücksichtigen, die erst nach Stellung des Überprüfungsantrages in Kraft getreten sind, denen der Gesetzgeber aber Rückwirkung beigemessen hat (BSG, Urteil v. 21. Juni 2005 - B 8 KN 9/04 R - ). Selbst wenn auf Überprüfungsanträge im Allgemeinen weiter das zur Zeit der Antragstellung geltende Recht Anwendung findet, sind jedoch zwischenzeitlich eingetretene Rechtsänderungen jedenfalls dann zu beachten, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich bestimmt hat (BSG, Urteil v. 29. August 2006 – B 13 RJ 47/04 R - ). In Bezug auf die Behandlung von im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten der Beschäftigung neben dem Bezug einer Invalidenrente liegt ein solcher Fall vor. Der Gesetzgeber wollte hier gerade eine Rückwirkung der Begünstigung (vor dem 1. September 1991) ausschließen.

Aus der ab dem 1. Juli 2002 geltenden Fassung des Gesetzes ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Gesetzgeber durch die Einführung der geänderten Fassung des § 248 Abs. 3 SGB VI erst mit Wirkung ab dem 1. September 2001 die Möglichkeit eröffnen wollte, eine Beschäftigung neben dem Bezug einer Invalidenrente rentensteigernd als Beitragszeit zu berücksichtigen. Die Gesetzesänderung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass das BSG durch Urteil vom 30. August 2001 ( - B 4 RA 62/00 R - ) zu § 248 Abs. 3 SGB VI a.F. entschieden hatte, dass nur Bezieher einer Vollrente wegen Alters von dem Ausschlusstatbestand erfasst werden. Aus den Gesetzesmaterialien über die Neufassung der §§ 248, 310c SGB VI ergibt sich dagegen die Vorstellung, dass der Ausschlusstatbestand des § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F. auch die Bezieher einer Invalidenrente erfasste und erst eine Gesetzesänderung die Berücksichtigung einer Beschäftigung neben dem Bezug von Invalidenrente ermöglichen würde (BT-Drs 14/8583 S. 7). Dem Gesetz selbst ist ein entsprechender Regelungswille zu entnehmen. Denn die in § 310c SGB VI zu findende Anordnung der Rückwirkung der geänderten Fassung des § 248 Abs. 3 SGB VI ab dem 1. September 2001 würde ins Leere gehen und keinen Sinn machen, falls schon nach § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F. Anspruch auf die Berücksichtigung von Beitragszeiten neben dem Bezug einer Invalidenrente bestanden hätte. Die gesetzliche Anordnung, für Rentenbezugszeiten ab dem 1. September 2001 (versicherte) Zeiten einer Beschäftigung neben dem Bezug einer Invalidenrente als Beitragszeiten zu berücksichtigen, beinhaltet danach auch die Regelung, dass dies für Rentenbezugszeiten vor diesem Stichtag eben nicht gelten soll. Danach erweist sich die von der Beklagten für die Klägerin vorgenommene Rentenberechnung nicht als rechtswidrig. Es entspricht vielmehr der Gesetzeslage, dass die von der Klägerin neben dem Bezug einer Invalidenrente zurückgelegte Zeit der Beschäftigung für Rentenbezugszeiten vor dem 1. September 2001 nicht rentensteigernd als Beitragszeit berücksichtigt wird.

Der Senat hat keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Regelung. Zwar würde es sich um einen Fall der (an dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes [Art. 20] zu messenden) echten Rückwirkung handeln, wenn in Übereinstimmung mit dem Urteil des BSG vom 30. August 2001 – B 4 RA 62/00 R - davon auszugehen wäre, dass bereits unter der Geltung von § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F. Anspruch auf rentensteigernde Berücksichtigung der neben dem Bezug einer Invalidenrente zurückgelegtem Beschäftigungszeit bestanden hätte. Unter dieser Voraussetzung hätte der Gesetzgeber durch die Änderung der Vorschrift und Einführung des § 310c SGB VI den Versicherten eine bereits vorhandene Rechtsposition für Rentenbezugszeiten vor dem 1. September 2001 wieder genommen. Bei der späteren Willensäußerung des Gesetzgebers handelt es sich nicht um eine authentische Interpretation der früheren Gesetzeslage. Der Gesetzgeber überantwortet mit der Verabschiedung eines Gesetzes seine Auslegung der Rechtsprechung. Er kann nicht klarstellend eingreifen, sondern nur im verfassungsrechtlichen Rahmen ein Änderungsgesetz beschließen (BSG, Urteil v. 21. Juni 2005 - B 8 KN 1/05 R -).

Indessen kann hier die Frage, ob ein Eingriff in bereits vorhandene Rechte vorliegt, offen bleiben, da ein solcher Eingriff jedenfalls verfassungsrechtlich zulässig wäre. Eine echte Rückwirkung ist nicht schlechthin verboten, sondern verfassungsrechtlich erlaubt, wenn sich bei den Betroffenen kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der Rechte (mehr) bilden konnte (BSG, Urteil v. 21. Juni 2005 - B 8 KN 1/05 R –; BSG, Urteil v. 29. August 2006 – B 13 RJ 47/04 R – jeweils mit umfangreichen weit. Nachw. ). Das ist insbesondere bei einer unklaren Rechtslage der Fall, die nachträglich durch ein rückwirkendes Gesetz geregelt wird. Jedenfalls bis zu der Entscheidung des BSG vom 30. August 2001 – B 4 RA 62/00 R – hat sich bei den Betroffenen kein berechtigtes Vertrauen auf eine sie begünstigende Rechtslage bilden können. Der Wortlaut des § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F. sprach eher dafür, dass alle (beitragsfreien) Bezieher einer Rente im Beitrittsgebiet ohne Rücksicht auf die Rentenart trotz Beschäftigung keine Beitragszeiten erwerben konnten. So wurde die Vorschrift auch in der Kommentarliteratur (etwa Kasseler Kommentar-Polster, § 248 SGB VI Rdnr 50-52 [Stand: 1996]) sowie (teilweise) in der obergerichtlichen Rechtsprechung (LSG Berlin, Urt. v. 13. September 2000 – L 6 RA 37/99 ) verstanden und von der Beklagten angewandt. Aus der vom Bevollmächtigten der Klägerin in Bezug genommenen früheren Rechtsprechung zum Fremdrentengesetz – FRG - ergibt sich nichts anderes, weil das FRG nicht mehr die gesetzliche Grundlage für die Anerkennung von in der DDR zurückgelegten Versicherungszeiten war. Auf die Zeit nach der Entscheidung des BSG vom 30. August 2001 kommt es dagegen nicht an, weil ab dem 1. September 2001 auch nach der gegebenen Gesetzeslage eine rentensteigernde Wirkung von Zeiten der Beschäftigung neben dem Bezug einer Invalidenrente eintritt. Im Übrigen hat die Klägerin ihren Überprüfungsantrag erst im Februar 2002 und damit nach dem Zeitpunkt gestellt, ab dem das Gesetz Vertrauensschutz anerkennt (September 2001).

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen, da er der Frage, ob § 310c SGB VI die Neufeststellung einer Rente wegen Beschäftigungszeiten während des Bezugs einer Invalidenrente auch im Rahmen eines bereits vor Inkrafttreten der Vorschrift eingeleiteten Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X ausschließt, grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Rechtskraft
Aus
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