Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 2411/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Renten aus den französischen Zusatzversorgungssystemen ARRCO und AGIRC sind keine Versorgungsbezüge. Sie können nach derzeit geltendem deutschen Recht bei Mitgliedern der KVdR als ausländische staatliche Renten derzeit nicht bei der Beitragserhebung berücksichtigt werden.
1) Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom ... i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom ... verpflichtet, die Bescheide vom 12.09.2001, 17.04.2002, 01.08.2003 und 11.08.2003 zurückzunehmen. 2) Die Bescheide der Beklagten vom 21.01.2004, 29.04.2004, 30.06.2004 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom ... und der Bescheid vom ... werden aufgehoben. 3) Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Beitragserhebung aus französischen Renten.
Der im Jahr ... geborene Kläger ist seit dem 01.04.1957 Mitglied bei der Beklagten. In den Jahren 1985 bis 2001 war er kaufmännischer Direktor bei der Firma " ..." (nachfolgend Firma S.). In dieser Zeit war er nach französischem Recht krankenversichert. Ab dem 01.03.2001 ist der Kläger unter Berücksichtigung der französischen Krankenversicherungszeiten Pflichtmitglied in der bei der Beklagten geführten Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Der Kläger bezieht Renten aus vier Quellen: Eine Rente der Deutschen Rentenversicherung Bund (vormals BfA), eine Rente der Caisse nationale d’assurance vieillesse (CNAV), eine Rente aus dem System der Association des régimes de retraite complémentaires (ARRCO, durchgeführt hier von der Caisse interprofessionelle de retraite des salaries de l’industrie et du commerce - CIRSIC) und eine Rente aus dem System der Association générale des institutions de retraite des cadres (AGIRC, durchgeführt hier von der Caisse interprofessionelle de retraites des cadres de l’industrie assimilés - CIRCIA).
Das Verhältnis der monatlichen Rentenzahlbeträge gestaltete sich beispielsweise für das Jahr 2004 wie folgt: BfA EUR 260 CNAV EUR 620 CIRSIC EUR 260 CIRCIA EUR 2.450
Die BfA-Rente war beispielsweise im Jahr 2004 mit einem Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von ca. EUR 26 verbunden (Bl. 73 Verwaltungsakte). Von den Renten der CIRCIC und CIRCIA wurden im Jahr 2003 Abzüge für Sozialversicherung und Steuern vorgenommen. Aktuell zahlt der Kläger aus diesen Renten allerdings keine Steuern mehr.
Mit Bescheiden vom 12.09.2001, 17.04.2002, 01.08.2003 und 11.08.2003 erhob die Beklagte auf die Renten der CIRSIC und CIRCIA nach näherer Maßgabe (auf Bl. 20, 38, 46 und 47 Verwaltungsakte wird Bezug genommen) Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Beklagte wertete die Renten der CIRSIC und der CIRCIA als Versorgungsbezüge. Mit weiterem Beitragsbescheid vom 21.01.2004 (Bl. 53 Verwaltungsakte) forderte die Beklagte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von Versorgungsbezügen - hier den eben genannten Renten - unter Berücksichtigung einer gesetzlich vorgeschriebenen Änderung des Beitragssatzes ab dem 01.01.2004. Die zuletzt aus den Versorgungsbezügen ermittelte Beitragsbelastung in Höhe von EUR 228,43 erhöhte sich dadurch auf EUR 423,68. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 30.01.2004. Der Kläger wandte sich gegen eine Beitragserhebung auf die Renten der CIRSIC und CIRCIA. Es handle sich bei diesen Renten um staatliche Renten und nicht um Betriebsrenten. Der Kläger erhalte mithin keine Versorgungsbezüge. Ausländische gesetzliche Rentenleistungen müssten bei der Beitragsbemessung unberücksichtigt blieben, da sie schon im Herkunftsland verbeitragt würden. Nur die BfA-Rente unterliege der Beitragspflicht. Im Unterschied zum deutschen Rentenversicherungssystem sei das französische Rentenversicherungssystem mehrstufig aufgebaut: Die staatliche Rentenversicherung im Rahmen der CNAV stelle eine Grundsicherung dar, die durch halbstaatliche Zusatzkosten (beispielsweise CIRSIC und CIRCIA) mit Pflichtbeiträgen nach Beruf und Einkommen aufgestockt würden.
Während des Widerspruchsverfahrens ergingen weitere aktuelle Beitragsbescheide am 29.04.2004 (Bl. 84 Verwaltungsakte) und am 30.06.2004 (Bl. 104 Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 22.03.2004 beantragte der Kläger ferner die Überprüfung der Beitragsbescheide, die für die Zeit vom 01.03.2001 bis 31.12.2003 ergangen waren.
Mit Widerspruchsbescheid vom ... wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Er sei seit 01.01.2004 verpflichtet aus den von der CIRSIC und der CIRCIA gezahlten Versorgungsbezügen den vollen allgemeinen Beitragssatz zu zahlen. Die Beklagte sei an die gesetzlich vorgeschriebene Änderung des Beitragssatzes gebunden und habe deswegen auch keine verfassungsrechtlichen Zweifel.
Deswegen hat der Kläger am ... Klage erhoben (S 3 KR 2411/04).
Mit Bescheid vom ... lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers ab. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom ... Der Kläger wiederholte sei Vorbringen aus dem vorangegangenen Widerspruchsverfahren und ergänzte, die französischen Renten seien schon verbeitragt worden. Er habe nicht "an Stelle" der gesetzlichen Rentenversicherung an den Systemen der ARRCO und AGIRC teilgehabt, sondern im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung.
Am ... erging ein weiterer Beitragsbescheid für die Zeit ab dem 01.08.2004.
Die Beklagte schaltete die deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland ein. Diese vertrat die Auffassung, die Renten der CIRSIC und CIRCIA stellten Versorgungsbezüge dar, da sie nicht direkt im französischen Sozialversicherungsrecht geregelt seien. Es sei fraglich, ob wegen einer Erklärung der französischen Regierung über die Einbeziehung der Systeme der ARRCO und der AGIRC in die Wanderarbeitnehmerverordnung eine andere Auslegung nötig sei. Die Regelungen der Wanderarbeitnehmerverordnung würden zum Teil uneinheitlich ausgelegt.
Mit Schreiben vom 12.05.2005 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, er solle sich gegen die Beitragserhebung in Frankreich wenden.
Mit Widerspruchsbescheid vom ... wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Renten der CIRSIC und CIRCIA stellten Versorgungsbezüge im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung dar. Auch Pflichtversorgungen würden unter die Beitragspflicht fallen. In der Erklärung der französischen Regierung vom 29.03.1999 seien die Systeme als betriebliche Altersversorgung bezeichnet worden. Die Erklärung sei nur für eine "entsprechende" Anwendung im Sinne Art. 1 jVO 1408/71 und nicht im Rahmen der Art. 4, 5 VO 1408/71 ergangen. Die in Frankreich vorgenommenen Abzüge seien unzulässig.
Deswegen hat der Kläger am ... Klage erhoben.
Mit Beschluss vom 06.10.2005 wurden die Klageverfahren verbunden.
Der Kläger trägt vor, die Bezüge aus der CIRSIC und CIRCIA seien als staatliche Renten beim pflichtversicherten Kläger nicht beitragspflichtig. Es handle sich um halbstaatliche Systeme, deren privatrechtliche Komponente historisch bedingt sei. Seit 1972 sei gesetzlich geregelt, dass Pflichtbeiträge zu diesen System zu entrichten seien. In der Erklärung der französischen Regierung vom 29.03.1999 werde ausdrücklich erklärt, dass es sich bei den Systemen der ARRCO und AGIRC um staatliche Renten handle, die Verordnung 1408/71 mithin unmittelbar anwendbar sei. Soweit von der Beklagten auf einen Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts (BSG) in einer ähnlichen Sache hingewiesen werde, sei zu beachten, dass dieser Vorlagebeschluss letztlich doch ein anderes Versorgungssystem (CARCOM) betroffen habe, für das keine entsprechende Erklärung der französischen Regierung vorliege. Die Renten der CIRSIC und CIRCIA würden keine gesetzlichen Renten ersetzen, sondern seien gesetzliche Renten. Zu beachten sei, dass für den vorliegenden Fall die Anwendung deutschen Rechts maßgeblich sei. Hilfsweise weist der Kläger darauf hin, die Entscheidungen der Beklagten führten zu einer Doppelveranlagung. Wegen der Erhöhung des Beitragssatzes erhebt er verfassungsrechtliche Bedenken und macht Vertrauensschutz geltend.
Der Kläger beantragt,
1. unter Aufhebung des Bescheides vom ... i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom ... die Beklagte zu verurteilen bei der Feststellung der Bemessungsgrundlage die Einkünfte des Klägers aus der französischen CIRCIC/CIRCIA nicht zu berücksichtigen. 2. Unter Aufhebung der Bescheide vom 29.04.2004 (i.d.F. 26.05.2004, 30.06.2004, 07.12.2004, 23.12.2004, 12.05.2005) und 27.08.2004 (i.d.F. 23.12.2004, 12.05.2005) i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom ... die Beklagte zu verurteilen bei der Feststellung der Bemessungsgrundlage zur KVDR die Einkünfte des Klägers aus der französischen CIRCIC/CIRCIA nicht zu berücksichtigen. 3. Hilfsweise festzustellen, dass § 248 SGB V n.F. nicht anwendbar ist. 4. Hilfsweise festzustellen, dass allenfalls der Nettozahlbetrag der französischen CIRCIC/CIRCIA bei der Bemessung zu berücksichtigen ist.
Der Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen.
Die Beklagte trägt zur Erwiderung vor, bei den Bezügen aus der CIRSIC und CIRCIA handle es sich um beitragspflichtige Betriebsrenten. Die zugrunde liegenden Systeme seien privatrechtlicher Natur. Entsprechendes ergebe sich auch aus einem Vorlagebeschluss des BSG zum Versorgungssystem der CARCOM. Die Erklärung der französischen Regierung vom 29.03.1999 sei nicht zu Art. 5 VO 1408/71 erfolgt und bezeichne die Systeme ausdrücklich als betriebliche Altersversorgung. Auch Pflichtsysteme würden unter die gesetzliche Beitragspflicht fallen. Bei der Beitragserhebung sei das Bruttoprinzip anzuwenden. Hinsichtlich der Änderung des Beitragssatzes führt die Beklagte aus, ein Schutz vor Beitragserhöhungen bestehe nicht. Es seien keine Vermögensdispositionen des Klägers ersichtlich, die einen Vertrauensschutz begründen würden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Reutlingen erhobenen Klagen sind zulässig. Richtige Klageart ist hinsichtlich der Klageanträge Ziffer 1. und 2. jeweils die isolierte Anfechtungsklage. Auf die Klageanträge Ziffer 3. und 4. muss nicht weiter eingegangen werden, da sie nur hilfsweise gestellt wurden und über sie nach dem Erfolg der Hauptanträge nicht entschieden werden musste. Streitgegenstand sind die im Tenor genannten Bescheide. Soweit in den Klageanträgen Ziffer 1. und 2. weitere "Bescheide" genannt wurden, handelt es sich dabei um Schriftsätze der Beklagten, die keine eigenständige Regelung enthielten. Die Klageanträge Ziffer 1. und 2. waren sinngemäß so auszulegen, dass zum einen Streitgegenstand die Frage der Beitragserhebung ab dem 01.01.2004, über die in den im Tenor Ziffer 2. genannten Bescheiden entschieden wurde, war. Zu beachten war insoweit, dass der Bescheid vom ... gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens wurde. Weiterer Streitgegenstand war die im Wege der Neuüberprüfung streitige Frage der Rücknahme der Beitragsbescheide für die Zeit vom 01.03.2001 bis 31.12.2003. Über diese Frage wurde in den im Tenor Ziffer 1. genannten Bescheide entschieden.
Die Beklagte war unter Aufhebung des Bescheids vom ... i.d.G. des Widerspruchsbescheids vom ... zu verpflichten, die Bescheide vom 12.09.2001, 17.04.2004, 01.08.2003, in denen die Beitragspflicht aus den Renten der CIRSIC und CIRCIA geregelt wurde, zurückzunehmen.
Nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistung zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Bei den für die Zeit vom 01.03.2001 bis 31.12.2003 ergangenen Beitragsbescheiden wurde das Recht unrichtig angewandt.
Die Vorschriften über die beitragspflichtigen Einnahmen des pflichtversicherten Rentners finden sich in § 226 ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Beim Kläger, der der Krankenversicherung der Rentner (Pflichtversicherung) angehört, sind die §§ 228, 229 SGB V einschlägig. Danach ist zwischen Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und Versorgungsbezügen zu unterscheiden. Aus § 229 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergibt sich, dass Versorgungsbezüge auch dann beitragspflichtig sind, wenn sie aus dem Ausland bezogen werden. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 228, der die Beitragspflicht aus Renten regelt, nicht. Daraus wird nach herrschender Meinung geschlossen, dass zu den beitragspflichtigen Einnahmen versicherungspflichtiger Rentner gemäß § 237 i.V.m. § 228 SGB V nur inländische, nicht aber Renten aus ausländischen gesetzlichen Rentensystemen zählen, wogegen im Falle von Versorgungsbezügen und Renten der betrieblichen Altersversorgung entsprechende ausländische Leistungen der Beitragspflicht unterworfen sind (Schuler in Kommentar zum Europäischen Sozialrecht Herausgeber Fuchs 3. Auflage Art. 33 VO 1408/71 Randnr. 4). Diese Auslegung wird im Ergebnis kritisiert und es wird eine ausdrückliche Gleichstellung ausländischer Renten aus gesetzlichen Rentensystemen gefordert (Schuler aaO). Der Wortlaut der §§ 228, 229 SGB V lässt jedoch keine andere Auslegung zu. Zudem vertrat die deutsche Regierung zu der Frage, ob ausländische Renten aus EU-Mitgliedsstaaten bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden können die Auffassung, dem stehe Art. 33 Verordnung 1408/71 entgegen. Im Rechtsstreit Movrin wandte die deutsche Regierung ein, ein Mitgliedsstaat sei nicht berechtigt, eine nach den Rechtsvorschriften anderer Mitgliedsstaaten zu zahlende Rente zur Finanzierung der eigenen Krankenversicherung heranzuziehen (Urteil vom 06.07.2000 C-73/99 Randnr. 46). Der EUGH hat diese Auffassung nicht bestätigt, die Frage jedoch letztendlich offen gelassen (siehe Urteil 06.07.2000 aaO Randnr. 48). In der Kommentarliteratur wird vertreten, Art. 33 VO 1408/71 verwehre es dem zuständigen Träger nicht, neben der inländischen Rente auch vergleichbare Renten aus anderen Mitgliedsstaaten (mit dem Nettobetrag) als Beitragsbemessungsgrundlage heranzuziehen (Schuler aaO). Freilich müsse dies - was in Deutschland nicht der Fall ist - im innerstaatlichen Recht vorgesehen sein.
Freilich hat die gegenwärtige Rechtslage zur Folge, dass Bezieher von ausländischen Renten, die daneben nur eine geringe deutsche Rente beziehen in der Pflichtversicherung der Rentner ungleich günstiger stehen, wie krankenversicherungspflichtige Rentner, die ausschließlich eine Rente der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, selbst wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gleich sein sollte. Bleiben die Renten der CIRSIC und CIRCIA bei der Beitragsbemessung unberücksichtigt (dazu siehe unten), zahlt der Kläger nur aus der vergleichsweisen geringen Rente der Deutschen Rentenversicherung Bund Beiträge. Die Kammer hat Bedenken, ob dieses Ergebnis unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG) haltbar ist. Für einen Vorlagebeschluss sind Bedenken oder Zweifel jedoch nicht ausreichend (Meyer-Ladewig SGG Kommentar 7. Auflage § 41 Randnr. 25). Mehr als Bedenken oder Zweifel sind für die Kammer jedoch nicht gegeben, da der Kläger nach gegenwärtigem Stand aus den Renten der CIRSIC und CIRCIA Abzüge für Systeme der sozialen Sicherheit in Frankreich hat. Unklar ist dabei allerdings, ob diese Abzüge zu Recht erfolgen. Dies ist nach Auffassung der deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland nicht der Fall. Diese Frage erscheint nicht endgültig geklärt. Zweifel sind insoweit berechtigt, als der Kläger nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung inzwischen der Steuerpflicht in Frankreich nicht mehr unterliegt und damit eines der Kriterien, das für eine Beitragspflicht nach französischem Recht vom Centre de sécurité sociale des travailleurs migrants genannt wurde (Bl. 124/125 Verwaltungsakte) entfallen ist. Zudem könnten den Bedenken wegen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes entgegen gehalten werden, dass hier mit den Auswirkungen eines in der EU nicht harmonisierten Krankenversicherungssystems umzugehen ist (beispielsweise der Verweis der deutschen Regierung in der Sache Movrin auf das steuerfinanzierte Gesundheitssystem im vereinigten Königreich - Schlussanträge des Generalanwalts vom 23.03.2000 C-73/99 Randnr. 17). Beim Wechsel der Systeme können mithin Brüche und Ungereimtheiten auftreten, deren Ausgleich nicht vollständig möglich ist und die im innerstaatlichen Bereich zu Wertungswidersprüchen führen.
Die Renten, die der Kläger von der CIRSIC und CIRCIA erhält, sind keine Versorgungsbezüge im Sinne § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Sie sind vielmehr als Renten der gesetzlichen Rentenversicherung nach ausländischem Recht anzusehen, für die - wie eben ausgeführt - keine Beitragspflicht besteht. Das französische Rentenversicherungssystem besteht aus zahlreichen Einzelsystemen, die auf der Basis der Berufszugehörigkeit organisiert sind. Wie das deutsche Rentensystem ist das französische Rentensystem im Wesentlichen ein Umverteilungssystem. Es beruht auf der Solidarität der Generationen, die Renten werden im Wege des Umlageverfahrens geleistet. Das allgemeine System, das die meisten Beschäftigten des privaten Sektors umfasst, ist der Hauptpfeiler des Systems und wird von der CNAV als Spitzenverband geleitet. Die aus dieser Kasse fließenden Renten sind überwiegend recht niedrig und dienen vielen Franzosen nur als eine Art der Grundsicherung. Bereits 1945 wurde die Schaffung von Trägern zugelassen, die Arbeitnehmern "weitere Vorteile als die, die aus der gesetzlichen Sozialversicherung hervorgehen" ermöglichen sollten. Ein Gesetz von 1972 verpflichtet alle Arbeitnehmer, die dem allgemeinen System angehören, auch einem Träger der zusätzlichen Rentenversorgung anzugehören. Die Träger der zusätzlichen Pflichtaltersversorgung, die Mitglieder der ARRCO und der AGIRC sind, sind Träger des privaten Rechts und werden paritätisch verwaltet. Auch hier werden die Renten nach dem Umlageverfahren gezahlt. Während des Erwerbslebens werden vergleichbar mit dem deutschen Recht Punkte gesammelt, die für die Rentenhöhe maßgeblich sind. Bei den Institutionen der ARRCO und der AGIRC handelt es sich nicht um Pensionsfonds (Prof. Dr. Kessler DRV-Schriftenband 51 Seite 198 bis 200). Trotz des privatrechtlichen Ursprungs und der privatrechtlichen Verwaltung handelt es sich nach Überzeugung der Kammer bei der ARRCO und der AGIRC um gesetzliche Rentenversicherungssysteme. Dafür spricht die 1972 eingeführte Pflicht, diesen Systemen beizutreten und die große Übereinstimmung hinsichtlich der Finanzierung und dem Gedanken der Umverteilung mit dem deutschen gesetzlichen Rentensystem. Ersichtlich stellt das System der CNAV nur eine Grundsicherung dar, die der zwingenden Ergänzung bedarf. Soweit an dieser Einstufung noch Zweifel bestanden, wurden diese durch die Erklärung der französischen Regierung vom 29.09.1999 beseitigt. Mit dieser Erklärung wurden die betrieblichen Altersversorgungssysteme ARRCO und AGIRC in den Anwendungsbereich der VO 1408/71 einbezogen. Spätestens damit haben sie die Qualität einer staatlichen gesetzlichen Rente erlangt. Unschädlich ist dabei, dass in der Erklärung von "betrieblichen" Systemen gesprochen wird. Diese Bezeichnung erklärt sich aus der Entstehung dieser Systeme. Unschädlich ist, dass die Erklärung nicht nach Art. 5 VO 1408/71 erfolgte. Art. 5 VO 1408/71 gibt den Mitgliedsstaaten auf, Übersichtslisten über Rechtsvorschriften und Systeme der sozialen Sicherheit zu erstellen. Art. 1 jVO 1408/71 regelt hingegen die jederzeitige Möglichkeit eines Mitgliedstaates ein System als zugehörig zu dem Regelsystem der sozialen Sicherheit im Sinne der VO 1408/71 zu erklären. Dies hat gegebenenfalls zur Folge, dass die Liste gemäß Art. 5 VO 1408/71 entsprechend ergänzt werden muss.
Der hier vertretenen Auffassung steht der Vorlagebeschluss des BSG vom 13.05.1998 (B 8 KN 17/96 R) nicht entgegen. Zwar ging das BSG in diesem Beschluss von einer Beitragspflicht der Leistung aus einer französischen Zusatzrente aus. Es handelte sich jedoch um die Zusatzpensionskasse für Bergleute (CARCON), für die keine entsprechende Erklärung der französischen Regierung wie die vom 29.03.1999 für die ARRCO und AGIRC vorliegt.
Somit waren die Leistungen von der CIRSIC und CIRCIA als gesetzliche Renten nicht beitragspflichtig. Die Beklagte war zu verpflichten, für die Vergangenheit ergangene, entgegenstehende Bescheide zurückzunehmen.
Entsprechend den obigen Ausführungen waren die für die Zeit ab dem 01.01.2004 ergangenen Bescheide wie im Tenor Ziffer 2. aufgeführt, aufzuheben.
Auf die Hilfsanträge muss nicht eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Beitragserhebung aus französischen Renten.
Der im Jahr ... geborene Kläger ist seit dem 01.04.1957 Mitglied bei der Beklagten. In den Jahren 1985 bis 2001 war er kaufmännischer Direktor bei der Firma " ..." (nachfolgend Firma S.). In dieser Zeit war er nach französischem Recht krankenversichert. Ab dem 01.03.2001 ist der Kläger unter Berücksichtigung der französischen Krankenversicherungszeiten Pflichtmitglied in der bei der Beklagten geführten Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Der Kläger bezieht Renten aus vier Quellen: Eine Rente der Deutschen Rentenversicherung Bund (vormals BfA), eine Rente der Caisse nationale d’assurance vieillesse (CNAV), eine Rente aus dem System der Association des régimes de retraite complémentaires (ARRCO, durchgeführt hier von der Caisse interprofessionelle de retraite des salaries de l’industrie et du commerce - CIRSIC) und eine Rente aus dem System der Association générale des institutions de retraite des cadres (AGIRC, durchgeführt hier von der Caisse interprofessionelle de retraites des cadres de l’industrie assimilés - CIRCIA).
Das Verhältnis der monatlichen Rentenzahlbeträge gestaltete sich beispielsweise für das Jahr 2004 wie folgt: BfA EUR 260 CNAV EUR 620 CIRSIC EUR 260 CIRCIA EUR 2.450
Die BfA-Rente war beispielsweise im Jahr 2004 mit einem Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von ca. EUR 26 verbunden (Bl. 73 Verwaltungsakte). Von den Renten der CIRCIC und CIRCIA wurden im Jahr 2003 Abzüge für Sozialversicherung und Steuern vorgenommen. Aktuell zahlt der Kläger aus diesen Renten allerdings keine Steuern mehr.
Mit Bescheiden vom 12.09.2001, 17.04.2002, 01.08.2003 und 11.08.2003 erhob die Beklagte auf die Renten der CIRSIC und CIRCIA nach näherer Maßgabe (auf Bl. 20, 38, 46 und 47 Verwaltungsakte wird Bezug genommen) Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Beklagte wertete die Renten der CIRSIC und der CIRCIA als Versorgungsbezüge. Mit weiterem Beitragsbescheid vom 21.01.2004 (Bl. 53 Verwaltungsakte) forderte die Beklagte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von Versorgungsbezügen - hier den eben genannten Renten - unter Berücksichtigung einer gesetzlich vorgeschriebenen Änderung des Beitragssatzes ab dem 01.01.2004. Die zuletzt aus den Versorgungsbezügen ermittelte Beitragsbelastung in Höhe von EUR 228,43 erhöhte sich dadurch auf EUR 423,68. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 30.01.2004. Der Kläger wandte sich gegen eine Beitragserhebung auf die Renten der CIRSIC und CIRCIA. Es handle sich bei diesen Renten um staatliche Renten und nicht um Betriebsrenten. Der Kläger erhalte mithin keine Versorgungsbezüge. Ausländische gesetzliche Rentenleistungen müssten bei der Beitragsbemessung unberücksichtigt blieben, da sie schon im Herkunftsland verbeitragt würden. Nur die BfA-Rente unterliege der Beitragspflicht. Im Unterschied zum deutschen Rentenversicherungssystem sei das französische Rentenversicherungssystem mehrstufig aufgebaut: Die staatliche Rentenversicherung im Rahmen der CNAV stelle eine Grundsicherung dar, die durch halbstaatliche Zusatzkosten (beispielsweise CIRSIC und CIRCIA) mit Pflichtbeiträgen nach Beruf und Einkommen aufgestockt würden.
Während des Widerspruchsverfahrens ergingen weitere aktuelle Beitragsbescheide am 29.04.2004 (Bl. 84 Verwaltungsakte) und am 30.06.2004 (Bl. 104 Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 22.03.2004 beantragte der Kläger ferner die Überprüfung der Beitragsbescheide, die für die Zeit vom 01.03.2001 bis 31.12.2003 ergangen waren.
Mit Widerspruchsbescheid vom ... wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Er sei seit 01.01.2004 verpflichtet aus den von der CIRSIC und der CIRCIA gezahlten Versorgungsbezügen den vollen allgemeinen Beitragssatz zu zahlen. Die Beklagte sei an die gesetzlich vorgeschriebene Änderung des Beitragssatzes gebunden und habe deswegen auch keine verfassungsrechtlichen Zweifel.
Deswegen hat der Kläger am ... Klage erhoben (S 3 KR 2411/04).
Mit Bescheid vom ... lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers ab. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom ... Der Kläger wiederholte sei Vorbringen aus dem vorangegangenen Widerspruchsverfahren und ergänzte, die französischen Renten seien schon verbeitragt worden. Er habe nicht "an Stelle" der gesetzlichen Rentenversicherung an den Systemen der ARRCO und AGIRC teilgehabt, sondern im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung.
Am ... erging ein weiterer Beitragsbescheid für die Zeit ab dem 01.08.2004.
Die Beklagte schaltete die deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland ein. Diese vertrat die Auffassung, die Renten der CIRSIC und CIRCIA stellten Versorgungsbezüge dar, da sie nicht direkt im französischen Sozialversicherungsrecht geregelt seien. Es sei fraglich, ob wegen einer Erklärung der französischen Regierung über die Einbeziehung der Systeme der ARRCO und der AGIRC in die Wanderarbeitnehmerverordnung eine andere Auslegung nötig sei. Die Regelungen der Wanderarbeitnehmerverordnung würden zum Teil uneinheitlich ausgelegt.
Mit Schreiben vom 12.05.2005 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, er solle sich gegen die Beitragserhebung in Frankreich wenden.
Mit Widerspruchsbescheid vom ... wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Renten der CIRSIC und CIRCIA stellten Versorgungsbezüge im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung dar. Auch Pflichtversorgungen würden unter die Beitragspflicht fallen. In der Erklärung der französischen Regierung vom 29.03.1999 seien die Systeme als betriebliche Altersversorgung bezeichnet worden. Die Erklärung sei nur für eine "entsprechende" Anwendung im Sinne Art. 1 jVO 1408/71 und nicht im Rahmen der Art. 4, 5 VO 1408/71 ergangen. Die in Frankreich vorgenommenen Abzüge seien unzulässig.
Deswegen hat der Kläger am ... Klage erhoben.
Mit Beschluss vom 06.10.2005 wurden die Klageverfahren verbunden.
Der Kläger trägt vor, die Bezüge aus der CIRSIC und CIRCIA seien als staatliche Renten beim pflichtversicherten Kläger nicht beitragspflichtig. Es handle sich um halbstaatliche Systeme, deren privatrechtliche Komponente historisch bedingt sei. Seit 1972 sei gesetzlich geregelt, dass Pflichtbeiträge zu diesen System zu entrichten seien. In der Erklärung der französischen Regierung vom 29.03.1999 werde ausdrücklich erklärt, dass es sich bei den Systemen der ARRCO und AGIRC um staatliche Renten handle, die Verordnung 1408/71 mithin unmittelbar anwendbar sei. Soweit von der Beklagten auf einen Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts (BSG) in einer ähnlichen Sache hingewiesen werde, sei zu beachten, dass dieser Vorlagebeschluss letztlich doch ein anderes Versorgungssystem (CARCOM) betroffen habe, für das keine entsprechende Erklärung der französischen Regierung vorliege. Die Renten der CIRSIC und CIRCIA würden keine gesetzlichen Renten ersetzen, sondern seien gesetzliche Renten. Zu beachten sei, dass für den vorliegenden Fall die Anwendung deutschen Rechts maßgeblich sei. Hilfsweise weist der Kläger darauf hin, die Entscheidungen der Beklagten führten zu einer Doppelveranlagung. Wegen der Erhöhung des Beitragssatzes erhebt er verfassungsrechtliche Bedenken und macht Vertrauensschutz geltend.
Der Kläger beantragt,
1. unter Aufhebung des Bescheides vom ... i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom ... die Beklagte zu verurteilen bei der Feststellung der Bemessungsgrundlage die Einkünfte des Klägers aus der französischen CIRCIC/CIRCIA nicht zu berücksichtigen. 2. Unter Aufhebung der Bescheide vom 29.04.2004 (i.d.F. 26.05.2004, 30.06.2004, 07.12.2004, 23.12.2004, 12.05.2005) und 27.08.2004 (i.d.F. 23.12.2004, 12.05.2005) i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom ... die Beklagte zu verurteilen bei der Feststellung der Bemessungsgrundlage zur KVDR die Einkünfte des Klägers aus der französischen CIRCIC/CIRCIA nicht zu berücksichtigen. 3. Hilfsweise festzustellen, dass § 248 SGB V n.F. nicht anwendbar ist. 4. Hilfsweise festzustellen, dass allenfalls der Nettozahlbetrag der französischen CIRCIC/CIRCIA bei der Bemessung zu berücksichtigen ist.
Der Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen.
Die Beklagte trägt zur Erwiderung vor, bei den Bezügen aus der CIRSIC und CIRCIA handle es sich um beitragspflichtige Betriebsrenten. Die zugrunde liegenden Systeme seien privatrechtlicher Natur. Entsprechendes ergebe sich auch aus einem Vorlagebeschluss des BSG zum Versorgungssystem der CARCOM. Die Erklärung der französischen Regierung vom 29.03.1999 sei nicht zu Art. 5 VO 1408/71 erfolgt und bezeichne die Systeme ausdrücklich als betriebliche Altersversorgung. Auch Pflichtsysteme würden unter die gesetzliche Beitragspflicht fallen. Bei der Beitragserhebung sei das Bruttoprinzip anzuwenden. Hinsichtlich der Änderung des Beitragssatzes führt die Beklagte aus, ein Schutz vor Beitragserhöhungen bestehe nicht. Es seien keine Vermögensdispositionen des Klägers ersichtlich, die einen Vertrauensschutz begründen würden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Reutlingen erhobenen Klagen sind zulässig. Richtige Klageart ist hinsichtlich der Klageanträge Ziffer 1. und 2. jeweils die isolierte Anfechtungsklage. Auf die Klageanträge Ziffer 3. und 4. muss nicht weiter eingegangen werden, da sie nur hilfsweise gestellt wurden und über sie nach dem Erfolg der Hauptanträge nicht entschieden werden musste. Streitgegenstand sind die im Tenor genannten Bescheide. Soweit in den Klageanträgen Ziffer 1. und 2. weitere "Bescheide" genannt wurden, handelt es sich dabei um Schriftsätze der Beklagten, die keine eigenständige Regelung enthielten. Die Klageanträge Ziffer 1. und 2. waren sinngemäß so auszulegen, dass zum einen Streitgegenstand die Frage der Beitragserhebung ab dem 01.01.2004, über die in den im Tenor Ziffer 2. genannten Bescheiden entschieden wurde, war. Zu beachten war insoweit, dass der Bescheid vom ... gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens wurde. Weiterer Streitgegenstand war die im Wege der Neuüberprüfung streitige Frage der Rücknahme der Beitragsbescheide für die Zeit vom 01.03.2001 bis 31.12.2003. Über diese Frage wurde in den im Tenor Ziffer 1. genannten Bescheide entschieden.
Die Beklagte war unter Aufhebung des Bescheids vom ... i.d.G. des Widerspruchsbescheids vom ... zu verpflichten, die Bescheide vom 12.09.2001, 17.04.2004, 01.08.2003, in denen die Beitragspflicht aus den Renten der CIRSIC und CIRCIA geregelt wurde, zurückzunehmen.
Nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistung zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Bei den für die Zeit vom 01.03.2001 bis 31.12.2003 ergangenen Beitragsbescheiden wurde das Recht unrichtig angewandt.
Die Vorschriften über die beitragspflichtigen Einnahmen des pflichtversicherten Rentners finden sich in § 226 ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Beim Kläger, der der Krankenversicherung der Rentner (Pflichtversicherung) angehört, sind die §§ 228, 229 SGB V einschlägig. Danach ist zwischen Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und Versorgungsbezügen zu unterscheiden. Aus § 229 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergibt sich, dass Versorgungsbezüge auch dann beitragspflichtig sind, wenn sie aus dem Ausland bezogen werden. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 228, der die Beitragspflicht aus Renten regelt, nicht. Daraus wird nach herrschender Meinung geschlossen, dass zu den beitragspflichtigen Einnahmen versicherungspflichtiger Rentner gemäß § 237 i.V.m. § 228 SGB V nur inländische, nicht aber Renten aus ausländischen gesetzlichen Rentensystemen zählen, wogegen im Falle von Versorgungsbezügen und Renten der betrieblichen Altersversorgung entsprechende ausländische Leistungen der Beitragspflicht unterworfen sind (Schuler in Kommentar zum Europäischen Sozialrecht Herausgeber Fuchs 3. Auflage Art. 33 VO 1408/71 Randnr. 4). Diese Auslegung wird im Ergebnis kritisiert und es wird eine ausdrückliche Gleichstellung ausländischer Renten aus gesetzlichen Rentensystemen gefordert (Schuler aaO). Der Wortlaut der §§ 228, 229 SGB V lässt jedoch keine andere Auslegung zu. Zudem vertrat die deutsche Regierung zu der Frage, ob ausländische Renten aus EU-Mitgliedsstaaten bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden können die Auffassung, dem stehe Art. 33 Verordnung 1408/71 entgegen. Im Rechtsstreit Movrin wandte die deutsche Regierung ein, ein Mitgliedsstaat sei nicht berechtigt, eine nach den Rechtsvorschriften anderer Mitgliedsstaaten zu zahlende Rente zur Finanzierung der eigenen Krankenversicherung heranzuziehen (Urteil vom 06.07.2000 C-73/99 Randnr. 46). Der EUGH hat diese Auffassung nicht bestätigt, die Frage jedoch letztendlich offen gelassen (siehe Urteil 06.07.2000 aaO Randnr. 48). In der Kommentarliteratur wird vertreten, Art. 33 VO 1408/71 verwehre es dem zuständigen Träger nicht, neben der inländischen Rente auch vergleichbare Renten aus anderen Mitgliedsstaaten (mit dem Nettobetrag) als Beitragsbemessungsgrundlage heranzuziehen (Schuler aaO). Freilich müsse dies - was in Deutschland nicht der Fall ist - im innerstaatlichen Recht vorgesehen sein.
Freilich hat die gegenwärtige Rechtslage zur Folge, dass Bezieher von ausländischen Renten, die daneben nur eine geringe deutsche Rente beziehen in der Pflichtversicherung der Rentner ungleich günstiger stehen, wie krankenversicherungspflichtige Rentner, die ausschließlich eine Rente der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, selbst wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gleich sein sollte. Bleiben die Renten der CIRSIC und CIRCIA bei der Beitragsbemessung unberücksichtigt (dazu siehe unten), zahlt der Kläger nur aus der vergleichsweisen geringen Rente der Deutschen Rentenversicherung Bund Beiträge. Die Kammer hat Bedenken, ob dieses Ergebnis unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG) haltbar ist. Für einen Vorlagebeschluss sind Bedenken oder Zweifel jedoch nicht ausreichend (Meyer-Ladewig SGG Kommentar 7. Auflage § 41 Randnr. 25). Mehr als Bedenken oder Zweifel sind für die Kammer jedoch nicht gegeben, da der Kläger nach gegenwärtigem Stand aus den Renten der CIRSIC und CIRCIA Abzüge für Systeme der sozialen Sicherheit in Frankreich hat. Unklar ist dabei allerdings, ob diese Abzüge zu Recht erfolgen. Dies ist nach Auffassung der deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland nicht der Fall. Diese Frage erscheint nicht endgültig geklärt. Zweifel sind insoweit berechtigt, als der Kläger nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung inzwischen der Steuerpflicht in Frankreich nicht mehr unterliegt und damit eines der Kriterien, das für eine Beitragspflicht nach französischem Recht vom Centre de sécurité sociale des travailleurs migrants genannt wurde (Bl. 124/125 Verwaltungsakte) entfallen ist. Zudem könnten den Bedenken wegen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes entgegen gehalten werden, dass hier mit den Auswirkungen eines in der EU nicht harmonisierten Krankenversicherungssystems umzugehen ist (beispielsweise der Verweis der deutschen Regierung in der Sache Movrin auf das steuerfinanzierte Gesundheitssystem im vereinigten Königreich - Schlussanträge des Generalanwalts vom 23.03.2000 C-73/99 Randnr. 17). Beim Wechsel der Systeme können mithin Brüche und Ungereimtheiten auftreten, deren Ausgleich nicht vollständig möglich ist und die im innerstaatlichen Bereich zu Wertungswidersprüchen führen.
Die Renten, die der Kläger von der CIRSIC und CIRCIA erhält, sind keine Versorgungsbezüge im Sinne § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Sie sind vielmehr als Renten der gesetzlichen Rentenversicherung nach ausländischem Recht anzusehen, für die - wie eben ausgeführt - keine Beitragspflicht besteht. Das französische Rentenversicherungssystem besteht aus zahlreichen Einzelsystemen, die auf der Basis der Berufszugehörigkeit organisiert sind. Wie das deutsche Rentensystem ist das französische Rentensystem im Wesentlichen ein Umverteilungssystem. Es beruht auf der Solidarität der Generationen, die Renten werden im Wege des Umlageverfahrens geleistet. Das allgemeine System, das die meisten Beschäftigten des privaten Sektors umfasst, ist der Hauptpfeiler des Systems und wird von der CNAV als Spitzenverband geleitet. Die aus dieser Kasse fließenden Renten sind überwiegend recht niedrig und dienen vielen Franzosen nur als eine Art der Grundsicherung. Bereits 1945 wurde die Schaffung von Trägern zugelassen, die Arbeitnehmern "weitere Vorteile als die, die aus der gesetzlichen Sozialversicherung hervorgehen" ermöglichen sollten. Ein Gesetz von 1972 verpflichtet alle Arbeitnehmer, die dem allgemeinen System angehören, auch einem Träger der zusätzlichen Rentenversorgung anzugehören. Die Träger der zusätzlichen Pflichtaltersversorgung, die Mitglieder der ARRCO und der AGIRC sind, sind Träger des privaten Rechts und werden paritätisch verwaltet. Auch hier werden die Renten nach dem Umlageverfahren gezahlt. Während des Erwerbslebens werden vergleichbar mit dem deutschen Recht Punkte gesammelt, die für die Rentenhöhe maßgeblich sind. Bei den Institutionen der ARRCO und der AGIRC handelt es sich nicht um Pensionsfonds (Prof. Dr. Kessler DRV-Schriftenband 51 Seite 198 bis 200). Trotz des privatrechtlichen Ursprungs und der privatrechtlichen Verwaltung handelt es sich nach Überzeugung der Kammer bei der ARRCO und der AGIRC um gesetzliche Rentenversicherungssysteme. Dafür spricht die 1972 eingeführte Pflicht, diesen Systemen beizutreten und die große Übereinstimmung hinsichtlich der Finanzierung und dem Gedanken der Umverteilung mit dem deutschen gesetzlichen Rentensystem. Ersichtlich stellt das System der CNAV nur eine Grundsicherung dar, die der zwingenden Ergänzung bedarf. Soweit an dieser Einstufung noch Zweifel bestanden, wurden diese durch die Erklärung der französischen Regierung vom 29.09.1999 beseitigt. Mit dieser Erklärung wurden die betrieblichen Altersversorgungssysteme ARRCO und AGIRC in den Anwendungsbereich der VO 1408/71 einbezogen. Spätestens damit haben sie die Qualität einer staatlichen gesetzlichen Rente erlangt. Unschädlich ist dabei, dass in der Erklärung von "betrieblichen" Systemen gesprochen wird. Diese Bezeichnung erklärt sich aus der Entstehung dieser Systeme. Unschädlich ist, dass die Erklärung nicht nach Art. 5 VO 1408/71 erfolgte. Art. 5 VO 1408/71 gibt den Mitgliedsstaaten auf, Übersichtslisten über Rechtsvorschriften und Systeme der sozialen Sicherheit zu erstellen. Art. 1 jVO 1408/71 regelt hingegen die jederzeitige Möglichkeit eines Mitgliedstaates ein System als zugehörig zu dem Regelsystem der sozialen Sicherheit im Sinne der VO 1408/71 zu erklären. Dies hat gegebenenfalls zur Folge, dass die Liste gemäß Art. 5 VO 1408/71 entsprechend ergänzt werden muss.
Der hier vertretenen Auffassung steht der Vorlagebeschluss des BSG vom 13.05.1998 (B 8 KN 17/96 R) nicht entgegen. Zwar ging das BSG in diesem Beschluss von einer Beitragspflicht der Leistung aus einer französischen Zusatzrente aus. Es handelte sich jedoch um die Zusatzpensionskasse für Bergleute (CARCON), für die keine entsprechende Erklärung der französischen Regierung wie die vom 29.03.1999 für die ARRCO und AGIRC vorliegt.
Somit waren die Leistungen von der CIRSIC und CIRCIA als gesetzliche Renten nicht beitragspflichtig. Die Beklagte war zu verpflichten, für die Vergangenheit ergangene, entgegenstehende Bescheide zurückzunehmen.
Entsprechend den obigen Ausführungen waren die für die Zeit ab dem 01.01.2004 ergangenen Bescheide wie im Tenor Ziffer 2. aufgeführt, aufzuheben.
Auf die Hilfsanträge muss nicht eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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