Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 442/07 AK-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Fehlen im klägerischen Antrag oder im klägerischen Vorbringen im Übrigen Anhaltspunkte, dass nur eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit begehrt wird, kommt eine Vermutung, dass mit dem Klagebegehren stets nur eine zeitlich befristete Rente begehrt werde, nicht in Betracht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Klageziel die Gewährung einer unbefristeten Erminderungsrente ist. 2. Begehrt der Kläger eine unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung und erkennt der Rentenversicherungsträger nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens den Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit an, entspricht es regelmäßig billigem Ermessen, wenn der Rentenversicherungsträger nur die Hälfe der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen hat.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des von der Beklagten zu tragenden Anteils an den außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Der ... geborene Kläger beantragte am 20. Juni 2001 Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte bewilligte ihm zunächst mit Bescheid vom 11. Januar 2002 Rente auf Zeit wegen voller Erwerbsminderung bis zum Ablauf des Monats Juni 2004.
Am 27. Februar 2004 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 3. Juni 2004 ab, weil über den Wegfallzeitpunkt hinaus weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 22. Juni 2004 Widerspruch ein. Unter dem 1. Oktober 2004 wurde der Widerspruch unter anderem damit begründet, dass sich die gesundheitliche Situation des Klägers gegenüber der Lage bei der Erstgewährung nicht verbessert, sondern verschlechtert habe. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei auf unter drei Stunden herabgesetzt, so dass Rente wegen voller Erwerbsminderung zu leisten sei. Der Bescheid vom 3. Juni 2004 sei daher aufzuheben und die Rente - so wörtlich - "auf unbegrenzte Zeit zu gewähren".
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 23. Dezember 2004 zurück. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.
Hiergegen erhob der Kläger am 19. Januar 2005 Klage und kündigte den Antrag an, den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 27. Februar 2004 ab dem 1. Juli 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag vom 27. Februar 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden. Außerdem beantragte der Kläger, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Im Schriftsatz vom 31. Mai 2005 begründete der Kläger die Klage damit, dass ihm weiterhin Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit zu gewähren sei. Seine Erwerbsfähigkeit sei auf unter drei Stunden herabgesetzt.
Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens erkannte die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. Juni 2006 an, dass der Kläger über den 30. Juni 2004 voll erwerbsgemindert sei. Da der Kläger noch mindestens drei Stunden täglich arbeiten könne, liege volle Erwerbsminderung lediglich aufgrund der Arbeitsmarktlage vor, so dass die Rente zu befristen sei. Die Beklagte erklärte sich bereit, die Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 1. Juli 2004 befristet bis zum 31. März 2007 in gesetzlicher Höhe weiterzugewähren. Zugleich erklärte sie sich bereit, die außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zur Hälfte zu übernehmen, sofern der Rechtsstreit durch dieses Anerkenntnis übereinstimmend als erledigt angesehen werde.
Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2006 stimmte der Kläger der Erledigung des Rechtsstreits durch das Anerkenntnis zu, sofern sich die Beklagte dazu bereit erkläre, die gesamten außergerichtlichen Kosten des Klägers sowohl für das Gerichtsverfahren als auch für das Vorverfahren zu übernehmen. Der Kläger regte einen Vergleich mit dem Inhalt an, dass sich die Beklagte verpflichte, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2004, vorläufig befristet bis zum 31. März 2007, zu gewähren und die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich des Vorverfahrens zu übernehmen.
Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2006 teilte der Kläger mit, dass die Beklagte per Bescheid vom 26. Juli 2006 festgestellt habe, dass ihm für die Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 31. April 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung gezahlt werde. Der Kläger vertrat die Ansicht, dass die Beklagte hierdurch den Vergleichsvorschlag vom 12. Juli 2006 akzeptiert habe und bat, gerichtlich zu bestätigen, dass der Vergleich zustandegekommen sei.
Mit Schriftsatz vom 15. August 2006 teilte die Beklagte mit, dass sie nicht bereit sei, die außergerichtlichen Kosten in voller Höhe zu übernehmen.
Mit Schriftsatz vom 24. August 2006 vertrat der Kläger die Auffassung, dass die Beklagte durch Erteilung ihres Bescheides den Vergleichsvorschlag des Klägers konkludent angenommen habe.
Nach richterlichem Hinweis teilte der Kläger mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2006 mit, dass das Klageziel mit Erlass des Bescheides der Beklagten vom 26. Juli 2006 nicht weggefallen sei, da mit der Klage eine unbefristete Rente begehrt gewesen sei.
Nach weiterem gerichtlichen Hinweis erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 1. Februar 2007 den Rechtsstreit aufgrund des Anerkenntnisses der Beklagten vom 23. Juni 2006 für erledigt. Im übrigen ist er der Ansicht, dass er zwar nicht mit seinem Hauptantrag auf Gewährung einer unbefristeten Rente, jedoch mit seinem Hilfsantrag Erfolg gehabt habe, so dass die Kosten vollumfänglich von der Beklagten zu tragen seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß, seine außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, ihr die außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte aufzuerlegen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Das Gericht entscheidet gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Da Entscheidungskriterien im Gesetz nicht genannt sind, hat das Gericht nach sachgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze, wie sie in anderen Verfahrensordnungen, insbesondere der Zivilprozessordnung (ZPO), niedergelegt sind, über die Kostentragung zu entscheiden, ohne an ein starres System oder bestimmte einzelne Vorschriften gebunden zu sein (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.11.2005, Az.: L 13 B 9/05 SB; vgl. auch BSG, Beschluss vom 24.05.1991, Az.: 7 RAr 2/91; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.10.2006, Az.: L 5 R 4632/06 AK-B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2005, Az.: L 11 R 233/05 AK-B; Hessisches LSG, Beschluss vom 18.02.2003, Az.: L 12 B 89/02 RJ).
In erster Linie ist danach der Verfahrensausgang bzw. der mutmaßliche Verfahrensausgang maßgebend, so dass im Zweifel derjenige die Kosten trägt, der unterliegt (BSG, Urteil vom 18.07.1989, Az.: 10 RKg 22/88; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: L 8 R 5579/05 AK-B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.11.2005, Az.: L 13 B 9/05 SB; LSG Berlin, Beschluss vom 30.04.2003, Az.: L 17 RA 62/02; Hessisches LSG, Beschluss vom 18.02.2003, Az.: L 12 B 89/02 RJ; vgl. auch BSG, Beschluss vom 07.09.1998, Az.: B 2 U 10/98 R; BSG, Beschluss vom 24.05.1991, Az.: 7 Rar 2/91). Bei nur teilweisem Klageerfolg – sei es durch gerichtliche Entscheidung oder durch Verfahrensbeendigung auf andere Weise – ist eine dem Erfolgsanteil entsprechende Quotelung vorzunehmen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: L 8 R 5579/05 AK-B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.11.2005, Az.: L 13 B 9/05 SB).
Daneben tritt als zweiter Gesichtspunkt die Frage, wer die Führung des Rechtsstreits veranlasst hat (BSG, Urteil vom 18.07.1989, Az.: 10 RKg 22/88; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.11.2005, Az.: L 13 B 9/05 SB; LSG Berlin, Beschluss vom 30.04.2003, Az.: L 17 RA 62/02; Hessisches LSG, Beschluss vom 18.02.2003, Az.: L 12 B 89/02 RJ). Es gilt also zu prüfen, ob es sich etwa um einen von vorneherein vermeidbaren oder überflüssigen Prozess gehandelt hat und wem dieses gegebenenfalls zur Last zu legen ist (Hessisches LSG, Beschluss vom 18.02.2003, Az.: L 12 B 89/02 RJ).
2. a) Die Beklagte hat Anlass zur Klageerhebung gegeben, weil die angefochtenen Bescheide rechtswidrig gewesen sind. Letzteres entspricht auch der Auffassung der Beklagten, die anerkannt hat, dass Erwerbsminderung über den 30. Juni 2004 hinaus besteht.
b) Dies allein führt jedoch nicht automatisch zu einer vollen Kostentragungspflicht der Beklagten. Entscheidend ist ferner, ob der Kläger sein Klageziel in vollem Umfang erreicht hat. Dies ist nicht der Fall. Indem der Kläger wie schon im Widerspruchsverfahren die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. Juni 2004 hinaus beantragt hat, hat er einen Antrag auf eine Dauerrente gestellt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2005, Az.: L 11 R 233/05 AK-B). Hinweise auf eine Befristung finden sich weder im ursprünglichen, im Verwaltungsverfahren gestellten Antrag, noch im Klageantrag oder in den sonstigen Ausführungen des Klägers. Fehlen im klägerischen Antrag oder im klägerischen Vorbringen im Übrigen jedoch Anhaltspunkte, dass nur eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit begehrt wird, kommt eine Vermutung dahingehend, dass mit einem Klagebegehren auf Erwerbsminderungsrente grundsätzlich stets nur eine zeitlich befristete Rente begehrt werde nicht Betracht (in diesem Sinne auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2005, Az.: L 11 R 233/05 AK-B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.10.2005, Az.: L 11 R 4138/05 AK-B; SG Reutlingen, Beschluss vom 07.11.2005, Az.: S 12 R 2997/05 AK-A; a. A. wohl LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.10.2006, Az.: L 5 R 4632/06 AK-B). Lässt sich aus dem Klageantrag und –vortrag nicht eindeutig entnehmen, dass nur eine befristete Rentengewährung begehrt wird, ist vielmehr davon auszugehen, dass das Klageziel die Gewährung einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente ist (so bereits auch SG Reutlingen, Beschluss vom 07.11.2005, Az.: S 12 R 2997/05 AK-A). Letzteres entspricht im übrigen auch der explizit zum Ausdruck gebrachten Ansicht des Klägers.
Dies würde – und dies erlangt für die Kammer besondere Bedeutung – auch außer Zweifel stehen, wenn das Verfahren durch eine gerichtliche Entscheidung beendet worden wäre und das Gericht zu beurteilen gehabt hätte, ob es mit Blick auf § 123 SGG, aus dem das Verbot folgt, mehr zuzusprechen als beantragt (vgl. Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 123 Rn. 4), auch eine unbefristete Rente zusprechen dürfte (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2005, Az.: L 11 R 233/05 AK-B; SG Reutlingen, Beschluss vom 07.11.2005, Az.: S 12 R 2997/05 AK-A). Nur die Verurteilung zur Gewährung einer befristeten Rente hätte eine teilweise Klageabweisung dargestellt. Die Auslegung des klägerischen Antrages kann aber nicht im Hinblick auf die Hauptsache anders als im Hinblick auf die Kostenentscheidung erfolgen. Vielmehr hat die Kostenentscheidung vor dem Hintergrund des von dem Kläger gestellten Klageantrages und damit seinem selbst gewählten Spektrum von Chance und Risiko zu erfolgen. Wenn sich der Kläger mit der Klage die Möglichkeit schafft, seitens des Gerichts eine Dauerrente zugesprochen zu bekommen, ist es billig, ihm andererseits auch nur einen Teil der Kosten zuzusprechen, wenn sich die Chance des Klageerfolges nur teilweise - und sei es im Wege eines Teilanerkenntnisses - realisiert hat.
Dies gilt auch, obwohl Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI grundsätzlich nur auf Zeit geleistet werden. Diesem Gesichtspunkt muss im Klageantrag Rechnung getragen werden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: L 8 R 5579/05 AK-B; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.10.2006, Az.: L 5 R 4632/06 AK-B). Wer der Ansicht ist, dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI für eine unbefristete Rente vorliegen, trägt das Risiko, dass sich diese Voraussetzungen im Prozess nicht nachweisen lassen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: L 8 R 5579/05 AK-B).
Dementsprechend bedeutete das Anerkenntnis der Beklagten keinen vollen Klageerfolg, sondern lediglich ein Teilanerkenntnis. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt auch kein voller Klageerfolg deshalb vor, weil das Teilanerkenntnis im Hinblick auf die unterstellte Entscheidung des Gerichts seinem Hilfsantrag entsprochen hätte. Der Erfolg lediglich mit dem Hilfsantrag bedeutet gerade eine teilweise Klageabweisung und steht damit der Annahme eines vollen Klageerfolges entgegen.
Eine unbefristete Rente bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 115 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) hätte eine achtzehnjährige Bezugsdauer bedeutet, während aufgrund des Teilanerkenntnisses Rente für drei Jahre – also für einen Bruchteil der Zeit – bewilligt wurde (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.01.2004, Az.: L 14 RJ 175/03); außerdem hat die Beklagte nach Vorlage des Sachverständigengutachtens den Klageanspruch unverzüglich anerkannt, soweit dies durch das Gutachten gerechtfertigt war. Andererseits hatte die Beklagte Anlass zur Klage (auf Verurteilung einer Rente auf Zeit) gegeben. Eine hälftige Teilung der außergerichtlichen Kosten des Klägers entspricht vor diesem Hintergrund billigem Ermessen (ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2005, Az.: L 11 R 233/05 AK-B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.10.2005, Az.: L 11 R 4138/05 AK-B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: L 8 R 5579/05 AK-B).
Einer Entscheidung des Gerichts stand im übrigen keine Einigung der Beteiligten über die Kostentragung entgegen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist zwischen den Beteiligten kein Vergleich mit dem Inhalt, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers in voller Höhe zu tragen hätte, zustande gekommen. Insbesondere liegt in dem Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2006 nicht die Annahme des vom Kläger unterbreiteten Vergleichsvorschlages, sondern lediglich die (angekündigte) Ausführung des von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisses.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des von der Beklagten zu tragenden Anteils an den außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Der ... geborene Kläger beantragte am 20. Juni 2001 Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte bewilligte ihm zunächst mit Bescheid vom 11. Januar 2002 Rente auf Zeit wegen voller Erwerbsminderung bis zum Ablauf des Monats Juni 2004.
Am 27. Februar 2004 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 3. Juni 2004 ab, weil über den Wegfallzeitpunkt hinaus weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 22. Juni 2004 Widerspruch ein. Unter dem 1. Oktober 2004 wurde der Widerspruch unter anderem damit begründet, dass sich die gesundheitliche Situation des Klägers gegenüber der Lage bei der Erstgewährung nicht verbessert, sondern verschlechtert habe. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei auf unter drei Stunden herabgesetzt, so dass Rente wegen voller Erwerbsminderung zu leisten sei. Der Bescheid vom 3. Juni 2004 sei daher aufzuheben und die Rente - so wörtlich - "auf unbegrenzte Zeit zu gewähren".
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 23. Dezember 2004 zurück. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.
Hiergegen erhob der Kläger am 19. Januar 2005 Klage und kündigte den Antrag an, den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 27. Februar 2004 ab dem 1. Juli 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag vom 27. Februar 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden. Außerdem beantragte der Kläger, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Im Schriftsatz vom 31. Mai 2005 begründete der Kläger die Klage damit, dass ihm weiterhin Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit zu gewähren sei. Seine Erwerbsfähigkeit sei auf unter drei Stunden herabgesetzt.
Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens erkannte die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. Juni 2006 an, dass der Kläger über den 30. Juni 2004 voll erwerbsgemindert sei. Da der Kläger noch mindestens drei Stunden täglich arbeiten könne, liege volle Erwerbsminderung lediglich aufgrund der Arbeitsmarktlage vor, so dass die Rente zu befristen sei. Die Beklagte erklärte sich bereit, die Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 1. Juli 2004 befristet bis zum 31. März 2007 in gesetzlicher Höhe weiterzugewähren. Zugleich erklärte sie sich bereit, die außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zur Hälfte zu übernehmen, sofern der Rechtsstreit durch dieses Anerkenntnis übereinstimmend als erledigt angesehen werde.
Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2006 stimmte der Kläger der Erledigung des Rechtsstreits durch das Anerkenntnis zu, sofern sich die Beklagte dazu bereit erkläre, die gesamten außergerichtlichen Kosten des Klägers sowohl für das Gerichtsverfahren als auch für das Vorverfahren zu übernehmen. Der Kläger regte einen Vergleich mit dem Inhalt an, dass sich die Beklagte verpflichte, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2004, vorläufig befristet bis zum 31. März 2007, zu gewähren und die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich des Vorverfahrens zu übernehmen.
Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2006 teilte der Kläger mit, dass die Beklagte per Bescheid vom 26. Juli 2006 festgestellt habe, dass ihm für die Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 31. April 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung gezahlt werde. Der Kläger vertrat die Ansicht, dass die Beklagte hierdurch den Vergleichsvorschlag vom 12. Juli 2006 akzeptiert habe und bat, gerichtlich zu bestätigen, dass der Vergleich zustandegekommen sei.
Mit Schriftsatz vom 15. August 2006 teilte die Beklagte mit, dass sie nicht bereit sei, die außergerichtlichen Kosten in voller Höhe zu übernehmen.
Mit Schriftsatz vom 24. August 2006 vertrat der Kläger die Auffassung, dass die Beklagte durch Erteilung ihres Bescheides den Vergleichsvorschlag des Klägers konkludent angenommen habe.
Nach richterlichem Hinweis teilte der Kläger mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2006 mit, dass das Klageziel mit Erlass des Bescheides der Beklagten vom 26. Juli 2006 nicht weggefallen sei, da mit der Klage eine unbefristete Rente begehrt gewesen sei.
Nach weiterem gerichtlichen Hinweis erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 1. Februar 2007 den Rechtsstreit aufgrund des Anerkenntnisses der Beklagten vom 23. Juni 2006 für erledigt. Im übrigen ist er der Ansicht, dass er zwar nicht mit seinem Hauptantrag auf Gewährung einer unbefristeten Rente, jedoch mit seinem Hilfsantrag Erfolg gehabt habe, so dass die Kosten vollumfänglich von der Beklagten zu tragen seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß, seine außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, ihr die außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte aufzuerlegen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Das Gericht entscheidet gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Da Entscheidungskriterien im Gesetz nicht genannt sind, hat das Gericht nach sachgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze, wie sie in anderen Verfahrensordnungen, insbesondere der Zivilprozessordnung (ZPO), niedergelegt sind, über die Kostentragung zu entscheiden, ohne an ein starres System oder bestimmte einzelne Vorschriften gebunden zu sein (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.11.2005, Az.: L 13 B 9/05 SB; vgl. auch BSG, Beschluss vom 24.05.1991, Az.: 7 RAr 2/91; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.10.2006, Az.: L 5 R 4632/06 AK-B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2005, Az.: L 11 R 233/05 AK-B; Hessisches LSG, Beschluss vom 18.02.2003, Az.: L 12 B 89/02 RJ).
In erster Linie ist danach der Verfahrensausgang bzw. der mutmaßliche Verfahrensausgang maßgebend, so dass im Zweifel derjenige die Kosten trägt, der unterliegt (BSG, Urteil vom 18.07.1989, Az.: 10 RKg 22/88; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: L 8 R 5579/05 AK-B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.11.2005, Az.: L 13 B 9/05 SB; LSG Berlin, Beschluss vom 30.04.2003, Az.: L 17 RA 62/02; Hessisches LSG, Beschluss vom 18.02.2003, Az.: L 12 B 89/02 RJ; vgl. auch BSG, Beschluss vom 07.09.1998, Az.: B 2 U 10/98 R; BSG, Beschluss vom 24.05.1991, Az.: 7 Rar 2/91). Bei nur teilweisem Klageerfolg – sei es durch gerichtliche Entscheidung oder durch Verfahrensbeendigung auf andere Weise – ist eine dem Erfolgsanteil entsprechende Quotelung vorzunehmen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: L 8 R 5579/05 AK-B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.11.2005, Az.: L 13 B 9/05 SB).
Daneben tritt als zweiter Gesichtspunkt die Frage, wer die Führung des Rechtsstreits veranlasst hat (BSG, Urteil vom 18.07.1989, Az.: 10 RKg 22/88; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.11.2005, Az.: L 13 B 9/05 SB; LSG Berlin, Beschluss vom 30.04.2003, Az.: L 17 RA 62/02; Hessisches LSG, Beschluss vom 18.02.2003, Az.: L 12 B 89/02 RJ). Es gilt also zu prüfen, ob es sich etwa um einen von vorneherein vermeidbaren oder überflüssigen Prozess gehandelt hat und wem dieses gegebenenfalls zur Last zu legen ist (Hessisches LSG, Beschluss vom 18.02.2003, Az.: L 12 B 89/02 RJ).
2. a) Die Beklagte hat Anlass zur Klageerhebung gegeben, weil die angefochtenen Bescheide rechtswidrig gewesen sind. Letzteres entspricht auch der Auffassung der Beklagten, die anerkannt hat, dass Erwerbsminderung über den 30. Juni 2004 hinaus besteht.
b) Dies allein führt jedoch nicht automatisch zu einer vollen Kostentragungspflicht der Beklagten. Entscheidend ist ferner, ob der Kläger sein Klageziel in vollem Umfang erreicht hat. Dies ist nicht der Fall. Indem der Kläger wie schon im Widerspruchsverfahren die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. Juni 2004 hinaus beantragt hat, hat er einen Antrag auf eine Dauerrente gestellt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2005, Az.: L 11 R 233/05 AK-B). Hinweise auf eine Befristung finden sich weder im ursprünglichen, im Verwaltungsverfahren gestellten Antrag, noch im Klageantrag oder in den sonstigen Ausführungen des Klägers. Fehlen im klägerischen Antrag oder im klägerischen Vorbringen im Übrigen jedoch Anhaltspunkte, dass nur eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit begehrt wird, kommt eine Vermutung dahingehend, dass mit einem Klagebegehren auf Erwerbsminderungsrente grundsätzlich stets nur eine zeitlich befristete Rente begehrt werde nicht Betracht (in diesem Sinne auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2005, Az.: L 11 R 233/05 AK-B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.10.2005, Az.: L 11 R 4138/05 AK-B; SG Reutlingen, Beschluss vom 07.11.2005, Az.: S 12 R 2997/05 AK-A; a. A. wohl LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.10.2006, Az.: L 5 R 4632/06 AK-B). Lässt sich aus dem Klageantrag und –vortrag nicht eindeutig entnehmen, dass nur eine befristete Rentengewährung begehrt wird, ist vielmehr davon auszugehen, dass das Klageziel die Gewährung einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente ist (so bereits auch SG Reutlingen, Beschluss vom 07.11.2005, Az.: S 12 R 2997/05 AK-A). Letzteres entspricht im übrigen auch der explizit zum Ausdruck gebrachten Ansicht des Klägers.
Dies würde – und dies erlangt für die Kammer besondere Bedeutung – auch außer Zweifel stehen, wenn das Verfahren durch eine gerichtliche Entscheidung beendet worden wäre und das Gericht zu beurteilen gehabt hätte, ob es mit Blick auf § 123 SGG, aus dem das Verbot folgt, mehr zuzusprechen als beantragt (vgl. Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 123 Rn. 4), auch eine unbefristete Rente zusprechen dürfte (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2005, Az.: L 11 R 233/05 AK-B; SG Reutlingen, Beschluss vom 07.11.2005, Az.: S 12 R 2997/05 AK-A). Nur die Verurteilung zur Gewährung einer befristeten Rente hätte eine teilweise Klageabweisung dargestellt. Die Auslegung des klägerischen Antrages kann aber nicht im Hinblick auf die Hauptsache anders als im Hinblick auf die Kostenentscheidung erfolgen. Vielmehr hat die Kostenentscheidung vor dem Hintergrund des von dem Kläger gestellten Klageantrages und damit seinem selbst gewählten Spektrum von Chance und Risiko zu erfolgen. Wenn sich der Kläger mit der Klage die Möglichkeit schafft, seitens des Gerichts eine Dauerrente zugesprochen zu bekommen, ist es billig, ihm andererseits auch nur einen Teil der Kosten zuzusprechen, wenn sich die Chance des Klageerfolges nur teilweise - und sei es im Wege eines Teilanerkenntnisses - realisiert hat.
Dies gilt auch, obwohl Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI grundsätzlich nur auf Zeit geleistet werden. Diesem Gesichtspunkt muss im Klageantrag Rechnung getragen werden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: L 8 R 5579/05 AK-B; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.10.2006, Az.: L 5 R 4632/06 AK-B). Wer der Ansicht ist, dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI für eine unbefristete Rente vorliegen, trägt das Risiko, dass sich diese Voraussetzungen im Prozess nicht nachweisen lassen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: L 8 R 5579/05 AK-B).
Dementsprechend bedeutete das Anerkenntnis der Beklagten keinen vollen Klageerfolg, sondern lediglich ein Teilanerkenntnis. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt auch kein voller Klageerfolg deshalb vor, weil das Teilanerkenntnis im Hinblick auf die unterstellte Entscheidung des Gerichts seinem Hilfsantrag entsprochen hätte. Der Erfolg lediglich mit dem Hilfsantrag bedeutet gerade eine teilweise Klageabweisung und steht damit der Annahme eines vollen Klageerfolges entgegen.
Eine unbefristete Rente bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 115 Abs. 3 Satz 1 SGB VI) hätte eine achtzehnjährige Bezugsdauer bedeutet, während aufgrund des Teilanerkenntnisses Rente für drei Jahre – also für einen Bruchteil der Zeit – bewilligt wurde (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.01.2004, Az.: L 14 RJ 175/03); außerdem hat die Beklagte nach Vorlage des Sachverständigengutachtens den Klageanspruch unverzüglich anerkannt, soweit dies durch das Gutachten gerechtfertigt war. Andererseits hatte die Beklagte Anlass zur Klage (auf Verurteilung einer Rente auf Zeit) gegeben. Eine hälftige Teilung der außergerichtlichen Kosten des Klägers entspricht vor diesem Hintergrund billigem Ermessen (ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2005, Az.: L 11 R 233/05 AK-B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.10.2005, Az.: L 11 R 4138/05 AK-B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: L 8 R 5579/05 AK-B).
Einer Entscheidung des Gerichts stand im übrigen keine Einigung der Beteiligten über die Kostentragung entgegen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist zwischen den Beteiligten kein Vergleich mit dem Inhalt, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers in voller Höhe zu tragen hätte, zustande gekommen. Insbesondere liegt in dem Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2006 nicht die Annahme des vom Kläger unterbreiteten Vergleichsvorschlages, sondern lediglich die (angekündigte) Ausführung des von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisses.
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