S 3 R 43/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 43/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kein Ausschluss der Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI in der ab 01.07.2014 geltenden Fassung bei Beamten, die während der Erziehungszeit keine Anwartschaften auf Versorgung im Alter nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen aufgrund der Erziehung eines Kindes erworben haben.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 14.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015, soweit dadurch der Bescheid vom 07.12.2011 aufgehoben wird, wird aufgehoben. 2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit ist die Aufhebung der Entscheidung der Beklagten über die Vormerkung von Zeiten der Kindererziehung des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der am. geborene, verheiratete Kläger ist Vater des am. geborenen Sohnes M. und des am. geborenen Sohnes H.

Für den Kläger wurden in den Zeiten vom 1.10.1968 bis 31.3.1970, vom 15.3.1977 bis 30.4.1977 und vom 16.9.1989 bis 27.9.1989 - für 21 Monate - Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Am 1.5.1977 wurde der Kläger zunächst auf Widerruf (bis 6.4.1979) und ab 27.4.1979 auf Lebenszeit in das Beamtenverhältnis übernommen. In der Zeit vom 1.7.1981 bis zum 31.5.1988 war er als Beamter ohne Bezüge zur Kindererziehung beurlaubt. In der anschließenden Zeit vom 1.6.1988 bis 31.5.2013 legte er wieder eine Dienstzeit im Beamtenverhältnis zurück. Seit 1.6.2013 bezieht der Kläger ein Ruhegehalt (Versorgungsbezüge) nach dem Landesbeamtenversorgungsgesetz Baden-Württemberg (LBeamtVGBW).

Die Ehefrau des Klägers, die Mutter von M. und H. befand sich vom 3.7.1978 bis 2. 4. 1980 im Vorbereitungsdienst im Beamtenverhältnis auf Widerruf. In den Zeiten vom 1.5.1980 bis 23.2.1981 und vom 29.6.1981 bis 2.9.1982 stand sie in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst; in der Zwischenzeit vom 24. 2. 1981 bis 28.6.1981 legte sie eine nicht ruhegehaltfähige Zeit (nach der Geburt von M. am.) zurück. Vom 3. 9. 1982 bis 23.11.1983 befand sie sich in einem Beamtenverhältnis. Ferner legte sie eine Dienstzeit im Beamtenverhältnis in der Zeit vom 24.11.1983 bis 27.1.1984 in Form einer Kindererziehungszeit (bis zur Vollendung des 6. Lebensmonats voll ruhegehaltfähig) bei Geburt von H. am ... zurück. Im Anschluss an diese Kindererziehungszeit legte sie vom 28. 1. 1984 bis 31.5.2013 weitere Dienstzeiten im Beamtenverhältnis zurück.

Am 31.3.2011 beantragte der Kläger die Zahlung von Beiträgen für eine freiwillige Versicherung, um einen Anspruch auf Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben (bei noch fehlenden 39 Kalendermonaten hierfür). Er gab im Folgenden an, er sei vom 1.7.1981 bis zum 31.5.1988 als Beamter ohne Bezüge zur Kindererziehung beurlaubt gewesen. In dieser Zeit habe er keine beamtenrechtlichen Pensionsansprüche erworben. Nach Geburt des 2. Kindes (H.) am. habe seine Frau Mutterschaftsurlaub gehabt, bis H. vier Monate alt gewesen sei, also bis zum 1984. Diese Zeit werde bei ihrem Pensionsanspruch berücksichtigt. Er bitte um Prüfung, ob für ihn als dem tatsächlich zur Erziehung ohne Bezüge und ohne Pensionsanwartschaften Beurlaubten eine rentenwirksame Berücksichtigung, z.B. durch Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen, möglich sei.

In den hierauf übersandten Zusatzfragebögen zur Kindererziehung gaben der Kläger und seine Ehefrau (mit Datum vom 28.6.2011) an, die Erziehung der Kinder M. und H. sei gemeinsam mit dem anderen Elternteil erfolgt; das Kind sei während der gemeinsamen Erziehung nicht überwiegend von einem Elternteil erzogen worden. Die Beklagte teilte hierauf dem Kläger (mit Schreiben vom 1.9.2011) mit, beide Kinder seien bereits im Konto der Mutter aufgenommen worden (unter Hinweis auf den Bescheid vom 9.11.2005). Da eine gemeinsame Erklärung über die Zuordnung der Erziehungszeiten damals nicht abgegeben worden sei, seien diese Zeiten grundsätzlich im Konto der Mutter zu berücksichtigen. Etwas anderes sei nur möglich, wenn die überwiegende Erziehung durch den Vater der Kinder nachgewiesen sei.

Nachdem die Ehefrau des Klägers mit Schreiben vom 31.7.2011 erklärt hatte, ihr Ehemann beantrage derzeit die Anrechnung der Kindererziehungszeit für H. für seine Rentenversicherung, insofern erübrige es sich für sie, einen derartigen Antrag zu stellen, erließ die Beklagte den Bescheid vom 7.12.2011 über die im Versicherungskonto des Klägers festgestellten Zeiten mit Bindung bis 31.12.2004 und merkte hierbei aufgrund übereinstimmender Erklärung der Eltern von M. und H. die Zeit vom 1.10.1982 bis 28.12.1990 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung von M. im Versicherungskonto des Vaters (dem Kläger im vorliegenden Verfahren) vor sowie die Zeit vom 1.2.1984 bis 27.9.1993 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung von H ...

Mit Schreiben vom 6.8.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe die Wartezeit für den Bezug einer Regelaltersrente durch die Zahlung von freiwilligen Beiträgen zum 1.10.2015 bereits erfüllt. Hierauf beendete der Kläger die freiwillige Beitragszahlung. Er vereinbarte mit der Beklagten, es solle bei den 66 Monaten an auf die Wartezeit zu berücksichtigenden rentenrechtlichen Zeiten verbleiben.

Am 16.7.2015 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Regelaltersrente ab 1.10.2015.

Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg teilte der Beklagten auf Anfrage mit (Schreiben vom 31.8.2015), Kindererziehungszeiten seien im Ruhegehalt bei dem Kläger nicht berücksichtigt worden. Beigefügt war eine Aufstellung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten aus dem Versorgungsbescheid vom 13.5.2013 zum Versorgungsbeginn 1.6.2013.

Mit Bescheid vom 14.9.2015 stellte die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 7.12.2011 nach § 149 Abs. 5 S. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) mit Wirkung ab 1.7.2014 fest, die bisher vorgemerkten Kindererziehungszeiten/-Berücksichtigungszeiten vom 1.10.1982 bis zum 28.12.1990 bzw. vom 1.2.1984 bis 27.9.1993 könnten nicht mehr berücksichtigt werden. Während dieser Zeit habe der Kläger Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen erworben. Nach den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung gälten diese als systembezogen annähernd gleichwertig. Dies gelte auch für Zeiten einer Beurlaubung ohne Besoldung. Nach Abzug der durch die Rechtsänderung nicht mehr zu berücksichtigenden Kindererziehungszeiten seien für den Kläger für die Wartezeit nur noch 58 Monate zu ermitteln. Für die erforderliche Mindestwartezeit für die beantragte Regelaltersrente fehlten noch zwei Monate; der Rentenantrag müsste daher abgelehnt werden. Der Kläger habe jedoch die Möglichkeit, freiwillige Beiträge zur Erfüllung der Wartezeit zu entrichten.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 13.10.2015. Zur Begründung trug er vor, die Zeit vom 1.7.1981 bis 31.5.1988, in der er für die Betreuung seiner am. und ... geborenen Kinder ohne Bezüge beurlaubt gewesen sei, stelle eine nicht ruhegehaltfähige Zeit dar und begründe somit keine Versorgungsanwartschaft. Für nach dem 31.12.1991 geborene Kinder würden Betreuungszeiten von Kindern durch Kinderzuschläge, die die Versorgungsbezüge erhöhten, angerechnet werden. Nach der damals geltenden Rechtslage sei dies jedoch bei ihm ausgeschlossen gewesen. Um bei ablehnender Entscheidung dennoch einen Anspruch auf einen Rentenbezug ab 1.10.2015 zu haben, werde er jedoch zwei freiwillige Beiträge zur Erfüllung der Wartezeit in Höhe des Mindestbeitrages entrichten.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2015 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, Zeiten der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung könnten bei dem Kläger nicht mehr berücksichtigt werden. Die Beamtenversorgungen würden im zweiten Halbsatz des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI als gleichwertig aufgeführt. Eine weitere Differenzierung erfolge dabei nicht. Das Beamtenverhältnis des Klägers habe in der Zeit der Beurlaubung fortbestanden und es verbleibe bei der Zugehörigkeit zu dem Alterssicherungssystem nach beamtenrechtlichen Vorschriften.

Mit Rentenbescheid vom 18.12.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab 1.10.2015 in Höhe von monatlich 96,69 EUR (Zahlbetrag). Hierbei werden keine Kindererziehungs- oder Berücksichtigungszeiten als rentenrechtliche Zeiten aufgeführt.

Am 5.1.2016 hat der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 14.12.2015 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und trägt vertiefend vor, § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI bestimme, dass Elternteile von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgeschlossen seien, wenn sie "während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben ...". Dies sei bei ihm nicht der Fall. Der Versorgungsbescheid vom 13.5.2013 weise für den Zeitraum vom 1.7.1981 bis 31.5.1988, in dem die Erziehungszeiten der Kinder M. und H. lägen, eine "nicht ruhegehaltfähige Zeit" aus bei Beurlaubung ohne Dienstbezüge wegen Kindererziehung gemäß § 152 Landesbeamtengesetz (LBG) in der im Jahr 1981 geltenden Fassung. Er habe also während der ursprünglich vorgemerkten Erziehungszeiten weder aufgrund der Erziehung noch aus sonst irgendeinem Grund Versorgungsanwartschaften erhalten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14.9.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015 aufzuheben, soweit dadurch der Bescheid vom 7.12.2011 aufgehoben wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält an ihrem Standpunkt fest. Zur Begründung führt sie aus, während einer Beurlaubung ohne Besoldung bestehe das Beamtenverhältnis fort. Es bleibe auch in dieser Zeit bei der Zugehörigkeit zu einem Alterssicherungssystem nach beamtenrechtlichen Vorschriften, das stets als gleichwertig gelte.

Auf Anfrage des Gerichts ist seitens des Landesamts für Besoldung und Versorgung (mit Schreiben von ... vom 22.4.2016) mitgeteilt worden, der Kläger habe während seiner Erziehungszeit keine Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung nach beamtenrechtlichen Vorschriften erworben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Die Klage ist auch begründet. Der mit der Klage angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. 9. 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015 war aufzuheben, soweit dadurch der Bescheid vom 7.12.2011 aufgehoben wird, da er insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

Anspruchsgrundlage für die Feststellung von rentenrechtlichen Zeiten ist § 149 Abs. 5 SGB VI. Der Rentenversicherungsträger ist hiernach verpflichtet einen inhaltlich zutreffenden Vormerkungsbescheid über die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, zu erlassen, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat (BSG, Urteil vom 16.11.1983, Az. 4 RA 39/92, juris-Doc). Nach Absatz 5 S. 2 der Regelung ist der Feststellungsbescheid bei Änderungen der dem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden Vorschriften durch einen neuen Feststellungsbescheid oder im Rentenbescheid für die Zukunft aufzuheben. Hiernach erfordert die Aufhebungsentscheidung keine Ermessensausübung.

Gemäß § 56 Abs. 4 SGB VI in der vom 22.7.2009 bis 30.6.2014 geltenden Fassung waren Elternteile von der Anrechnung von Erziehungszeiten – nur dann – ausgeschlossen, wenn sie (nach Abs. 4 Nr. 3) während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen oder nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung aufgrund der Erziehung erworben haben, die systembezogen gleichwertig berücksichtigt werden wie die Kindererziehung nach dem SGB VI. Durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.6.2014) wurde § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI neu gefasst. Danach sind Elternteile von der Anrechnung (von Kindererziehungszeiten) nunmehr ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt werden wie die Kindererziehung nach dem SGB VI; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

Grund der Neufassung war, dass die mit Wirkung vom 22.7.2009 gültige Vorfassung zur Unsicherheit darüber geführt hatte, was in der Beamtenversorgung (und den weiteren betroffenen Versorgungssystemen) als "systembezogen gleichwertig" anzusehen war (vergl. Schuler-Harms in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 56 SGB VI, Rn. 6.1 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf, BT-Drs.18/909, S. 21). Absatz 4 Nr. 3 der Regelung erhielt in den Beratungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales seine gültige Fassung (Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drs.18/1489, S. 5), der Klärungsbedarf für weitere Personengruppen sah, etwa von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI befreite Lehrkräfte. Unter der Geltung der mit Wirkung vom 22.7.2009 gültigen Vorfassung hatten die systembezogene Gleichwertigkeit verschiedene Gerichte (z. B. SG Dortmund, Urteil vom 22.3.2013, S 34 R 1594/10 -juris-Doc.; VG Düsseldorf, Urteil vom 7.1.2013, 23 K 5322/12 – juris-Doc.) im Falle der Anrechnung von sechs Monaten Kindererziehungszeit in der Beamtenversorgung für vor dem 1. 1.1992 geborene Kinder mit der Rechtsfolge verneint, dass Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung und der Beamtenversorgung angerechnet wurden. Der Gesetzgeber nahm diese Rechtsprechung zum Anlass, § 56 Abs. 4 SGB VI zu überarbeiten. Die Neufassung durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz nimmt nunmehr die Formel von der systembezogenen "annähernd(en)" Gleichwertigkeit für alle aufgeführten Systeme auf. In einem neuen Halbsatz wird außerdem klargestellt, dass in der beamten- und kirchenrechtlichen Versorgung die systembezogene annähernde Gleichwertigkeit als gewährleistet gilt (vergl. Schuler-Harms, aaO, Rn. 68.1 und Fichte, in Hauck/Noftz,, § 56 SGB VI, Rn. 86). Das Merkmal der systembezogen annähernd gleichwertigen Berücksichtigung wird somit legal definiert (Gesetzesfiktion) als jede Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

Nach der Neuregelung ist die Anrechnung daher ausgeschlossen, wenn während und aufgrund der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter nach (u.a.) beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen erworben werden. Dagegen ist eine Anrechnung nicht ausgeschlossen, wenn das Alterssicherungssystem, dem die Erziehungsperson angehört, keine Leistung kennt, die der Kindererziehungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung annähernd gleichwertig ist. Erst im Falle einer Doppelversorgung ist ein Ausschluss gerechtfertigt (vergl. Schuler-Harms, aaO, Rn. 69).

Die Vorschrift des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI in der ab 1.7.2014 geltenden Fassung bedarf der Auslegung. So findet sich in dieser Bestimmung die Fiktion (vgl. Gürtner, Kass. Komm zum SVR, Stand 12/2015, § 56 SGB VI, Rdnr. 83), dass als im genannten Sinne systembezogen annähernd gleichwertig (unter anderem) eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gilt. Damit war möglicherweise beabsichtigt, zu der bis zum 21.7.2009 geltenden Fassung der Vorschrift zurückzukehren, wonach Personen, die während der Erziehungszeit zu den in § 5 Abs. 1 SGB VI genannten Personen gehören, d.h. unter anderem Beamte, grundsätzlich von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgeschlossen waren. Hierfür sprechen auch die Gesetzgebungsmaterialien (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25.3.2014, Drucks. des Deutschen Bundestages 18/909), worin ausgeführt wird: "Um eine doppelte Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung in jedem Fall zu vermeiden, sollen Beamte wieder generell von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen werden, da die Beamtenversorgung systembezogen Leistungen für Kindererziehung erbringt."

Ein derartiger - genereller - Ausschluss von Beamten bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten im Rahmen des gesetzlichen Rentenversicherungsrechts ist jedoch mit der Neufassung der Vorschrift vom 23.6.2014 nicht erfolgt. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung nicht, entsprechend der bis zum 21.7.2009 geltenden Fassung, allein auf ein bestehendes Beamtenverhältnis abgestellt, das auch bei einer Beurlaubung ohne Besoldung weiter Bestand hat. Vielmehr hat er grundsätzlich an der Neuregelung der Bestimmung ab dem 22.7.2009 festgehalten, wonach der Ausschluss der Anrechnung von Kindererziehungszeiten nur Elternteile betrifft, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben. Nach dem Wortlaut der Regelung muss zusätzlich die Bedingung erfüllt sein, dass die Erziehungszeit nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach dem SGB VI. Letzteres wird dann bei einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen nach der Neufassung von § 56 SGB VI vom 23.6.2014 fingiert.

Da der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit in den streitgegenständlichen Zeiträumen während der Erziehungszeit jedoch keine Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung seiner beiden Kinder erworben hat, fehlt es bereits an den vom Gesetz normierten Anknüpfungstatsachen für einen Ausschluss von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten. Die gesetzliche Fiktion in § 56 Abs. 4 Nr. 3 letzter Halbsatz SGB VI in der ab 1.7.2014 geltenden Fassung kommt daher - nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung - hier nicht zum Tragen.

Der Klage war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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