Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 SF 1/15 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Erinnerung nach § 189 Abs. 2 S. 2 SGG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (Parallele zu LSG München, Beschl. v. 15. Oktober 2015 L 15 SF 281/15 –).
2. Die im Klage- oder Eilverfahren getroffene Verfügung zur Nichtanwendung des § 197 a SGG ist einer Überprüfung im Gebührenfeststellungsverfahren entzogen.
3. Die Pauschgebührenpflicht gem. § 184 SGG gilt unabhängig vom Erfolg des erhobenen Rechtsbehelfs und ebenso für Verfahren, in denen vor dem Sozialgericht eine rechtswegfremde Forderung geltend gemacht wird, sofern keine Rechtswegverweisung erfolgt (Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 17. September 2014 – XII ZB 284/13 –).
4. Die Entscheidung über die Erinnerung gem. § 189 Abs. 2 S. 2 SGG erfordert eine Kostenentscheidung (Fortführung von SG Fulda, Beschl. v. 10. Februar 2010 – S 3 SF 22/09 E –).
2. Die im Klage- oder Eilverfahren getroffene Verfügung zur Nichtanwendung des § 197 a SGG ist einer Überprüfung im Gebührenfeststellungsverfahren entzogen.
3. Die Pauschgebührenpflicht gem. § 184 SGG gilt unabhängig vom Erfolg des erhobenen Rechtsbehelfs und ebenso für Verfahren, in denen vor dem Sozialgericht eine rechtswegfremde Forderung geltend gemacht wird, sofern keine Rechtswegverweisung erfolgt (Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 17. September 2014 – XII ZB 284/13 –).
4. Die Entscheidung über die Erinnerung gem. § 189 Abs. 2 S. 2 SGG erfordert eine Kostenentscheidung (Fortführung von SG Fulda, Beschl. v. 10. Februar 2010 – S 3 SF 22/09 E –).
Die Erinnerung gegen die Feststellung der Pauschgebühr im Verfahren S 11 KR 96/14 E wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Erinnerungsführerin zur Zahlung der Pauschgebühr gem. § 184 SGG.
Im Ausgangsverfahren S 11 KR 96/14 ER machte die dortige Antragstellerin (im Folgenden nur: Antragstellerin) gegen die Antragsgegnerin und hiesige Erinnerungsführerin, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts für die Durchführung von Fürsorgemaßnahmen gem. §§ 78, 80 BBG zuständig ist, Leistungen zur Kostenübernahme für einen "Dusch-Toiletten-Stuhl" geltend. Unter dem 13. August 2014 erklärte die Antragstellerin die Rücknahme ihres Eilantrags. Bis dahin hatte die zuständige Kammervorsitzende weder in der Eingangsverfügung noch bei anderer Gelegenheit die Anwendung des § 197a SGG festgestellt oder verfügt.
Daraufhin stellte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine Pauschgebühr gegen die Erinnerungsführerin gem. § 189 Abs. 2 S. 1 SGG in Höhe von 75,00 EUR fest; der Auszug aus dem Gebührenverzeichnis wurde der Erinnerungsführerin unter dem 26. November 2014 übersandt.
Hiergegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit ihrem Schriftsatz vom 17. Dezember 2014, der am selben Tag bei dem SG Fulda eingegangen ist. Zur Begründung führt sie aus, dass sie weder eine gesetzliche Krankenkasse noch eine private Krankenversicherung sei, sondern eine Sozialeinrichtung zur Durchführung von Fürsorgemaßnahmen. Sie stelle organisationsintern ein zweistufiges Beschwerdeverfahren zur Verfügung, nach deren Abschluss nur der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei. Betreffend das Begehren des Ausgangsverfahrens sei der Beschwerde der Antragstellerin abgeholfen worden, worüber sie auch unterrichtet worden sei. Die Anrufung des Sozialgerichts durch die Antragstellerin sei daher unzulässig gewesen.
Die Erinnerungsführerin beantragt,
die Pauschgebühr niederzuschlagen bzw. sie der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Erinnerungsgegner hat keinen Antrag gestellt, jedoch Zweifel vorgetragen, ob die Antragstellerin überhaupt zum privilegierten Personenkreis gem. § 183 SGG gehört habe und nicht vielmehr § 197a SGG auf das Ausgangsverfahren hätte Anwendung finden müssen.
II.
Die zulässige, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 189 Abs. 2 S. 2 SGG erhobene Erinnerung ist unbegründet. Die Erinnerungsführerin ist zur Entrichtung der festgestellten Pauschgebühr verpflichtet.
Auch wenn die Erinnerungsführerin im Schriftsatz vom 17. Dezember 2015 explizit nur einen Antrag auf Niederschlagung oder die Verpflichtung der Antragstellerin zur Kostentragung gestellt hat, ist dieser Antrag gleichwohl (auch) als Erinnerung auszulegen. Wie das BayLSG jüngst im Beschluss vom 15. Oktober 2015 (L 15 SF 281/15 –, juris Rn. 11) ausgeführt hat, ist der Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen und Anträgen bei Gericht der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist, was im Zweifel zu einem umfassenden Rechtsschutzbegehren führt.
1. Im Erinnerungsverfahren gem. § 189 Abs. 2 S. 2 SGG kann Anwendung des "richtigen" Kostenrechts – der §§ 183 ff. SGG einerseits oder des § 197a SGG i.V.m. §§ 154 ff. VwGO andererseits – nicht zum Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemacht werden.
Hierzu hat das bereits zitierte BayLSG (Beschl. v. 15. Oktober 2015 – L 15 SF 281/15 – juris Rn. 14) mit Recht für die parallele Konstellation im Rahmen der Erinnerung gem. § 66 Abs. 1 GKG ausgeführt, dass dieser Rechtsbehelf nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden könne, nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Im Erinnerungsverfahren zum Kostenansatz nach § 19 GKG könne daher lediglich geprüft werden, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen kostenrechtlich richtig umgesetzt worden sind. Dies gelte auch dann, wenn die verfahrenskostenrechtliche Einordnung lediglich durch eine "Verfügung" des zuständigen Richter des Hauptsacheverfahrens getroffen worden sei; auch hier sei eine Klärung nur im Hauptsacheverfahren, nicht aber im Erinnerungsverfahren möglich (so schon BayLSG, Beschl. v. 1. August 2014 – L 15 SF 90/14 E –, juris Rn. 9).
Diesen Grundsätzen ist zuzustimmen; die darin zum Ausdruck kommenden Wertungen gelten auch für das Erinnerungsverfahren gem. § 189 Abs. 2 S. 2 SGG. Denn die Frage der Anwendung des Kostenrechts auf ein konkretes Verfahren ist Aufgabe des gesetzlichen Spruchrichters. Dieser allein hat zu entscheiden, welches Prozess(kosten)recht er anwendet. Diese Entscheidung kann dann entsprechend nur im für das jeweilige Prozessverfahren gegebenen Rechtsmittelzug angefochten werden oder gar nicht, wenn ein solcher fehlt. Letzteres ist hier der Fall, da das Ausgangsverfahren durch Zurücknahme erledigt worden ist; dann ist gem. §§ 172 Abs. 3 Nr. 3, 193 SGG wie auch gem. § 158 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 197a SGG eine Anfechtung der richterlichen Entscheidung betreffend die Kosten ausgeschlossen. Dieser Ausschluss kann nicht über eine Erinnerung gegen den Kostenansatz oder die Feststellung der Pauschgebühr umgangen werden.
2. Folglich kommt es für die hier zu treffende Entscheidung allein darauf an, ob der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Pauschgebühr gegenüber der Erinnerungsführerin zutreffend festgestellt hat; dies ist der Fall.
a) Dies ergibt sich schon daraus, dass das Verfahren vor den Sozialgerichten nur zwei alternative Verfahrenskostensystem kennt: das kostenprivilegierte Verfahren einerseits, das zur Anwendung der §§ 183 ff. SGG führt, und das Verfahren im Fall des § 197a SGG i.V.m. §§ 154 ff. VwGO (und dem GKG) andererseits. Tertium non datur (s. dazu auch im Folgenden 5.).
Für den vorliegenden Fall hat die Kammervorsitzende keinerlei Verfügung dahin gehend getroffen, dass sie die Anwendung des § 197a SGG für zutreffend erachtet; hierzu hätte insbesondere bereits bei Verfassen der Eingangsverfügung oder bei Abschluss des Verfahren Gelegenheit bestanden. Zudem hätte sie, wenn Sie von der Anwendbarkeit des GKG ausgegangen wäre, nach Abschluss des Verfahrens eine Streitwertfestsetzung durch Beschluss vornehmen müssen, was sie ebenfalls nicht getan hat. Damit sind die §§ 183 ff. SGG anzuwenden.
b) Folglich bestünde die Gebührenpflicht gem. § 184 Abs. 1 SGG dann, wenn die Erinnerungsführerin nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehörte. Es steht hier außer Streit, dass die Erinnerungsführer als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht in der Eigenschaft als Versicherte, Leistungsempfängerin oder in einer anderen Eigenschaft gem. § 183 SGG am Ausgangsverfahren beteiligt war. Damit ergibt sich ohne Weiteres die Pauschgebührenpflicht der Erinnerungsführerin, ohne dass es darauf ankäme, ob die Antragstellerin als Leistungsempfängerin im Sinne dieser Vorschrift anzusehen wäre.
c) Gegen die Höhe der Gebühr (75,00 EUR gem. §§ 186 S. 1, 184 Abs. 2 Nr. 1 SGG) ist ebenso wenig zu erinnern wie gegen deren Fälligkeit durch Zurücknahme des Antrags im Ausgangsverfahren (§ 185 SGG).
3. Für die Frage der Gebührenpflichtigkeit kann daher keine Bedeutung erlangen, ob die Antragstellerin aufgrund des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses (etwas ausgestaltet durch Satzungsrecht) über die Frage der prozessrechtlichen Rechtswegzuweisungen (etwa §§ 23, 71 GVG oder hier § 51 SGG) hinaus eine Pflicht bestand, einen bestimmten Rechtsweg zu wählen oder zunächst ein körperschaftsinternes Beschwerdeverfahren zu durchlaufen. Die Kostenvorschriften des SGG weisen einen solchen Vorbehalt, der zugleich eine Dispositionsbefugnis der Beteiligten über das anzuwenden Prozessrecht bedeutete, nicht auf.
4. Ebenso wenig kommt es daher für das Erinnerungsverfahren darauf ab, ob die Antragstellerin, wie die Erinnerungsführerin vorträgt, eine vor den Sozialgerichten rechtswegfremde Forderung geltend gemacht hat. Dies wäre nur dann relevant, wenn die Pauschgebührenpflicht vom Erfolg eines Antrags oder einzelnen seiner Voraussetzungen wie Zulässigkeit oder Begründetheit abhinge. Dies ist jedoch nicht der Fall (insofern in seiner Generalität zweifelbehaftet BayLSG, Beschl. v. 22. September 2014 – L 15 SF 157/14 E –, juris, das meint, die Kostenfreiheit gelte nur für statthafte Verfahren). Vielmehr gilt, was das SG Karlsruhe jüngst im Beschluss vom 8. Oktober 2015 (S 1 SF 3222/15 E, juris Rn. 9 m.w.Nw.) zutreffend formuliert hat:
"Für die Gebührenverpflichtung ist es ( ...) unerheblich, ob die Klage zulässig oder/und begründet war ( ...). Sie entfällt auch nicht durch eine sofort nach Klageerhebung eingereichte Klagerücknahme ( ...). Abzustellen ist vielmehr allein auf das Rubrum, d.h. die formelle Beteiligtenstellung ( ...). Die Pauschgebühr ist mit anderen Worten entsprechend der typischen sozialen Lage der Beteiligten – unabhängig von den Erfolgsaussichten, d.h. dem Anlass zur Klageerhebung, und dem Ausgang des Verfahrens."
Hiergegen bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfGE 76, 139 ff. [für Körperschaftlichen des öffentlichen Rechts] sowie BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 31. Januar 2008 – 1 BvR 1806/02 –, juris [betreffend private Pflegeversicherungen]).
5. Dem steht auch nicht die Auffassung im Beschluss des BGH vom 17. September 2014 (XII ZB 284/13, juris) entgegen, in dem das Gericht (erstmals) ohne nähere Begründung angenommen hat, eine rechtswegfremde Forderung sei nach dem tatsächlich anzuwendenden Prozessrecht zu entscheiden (zustimmend Fritzsche, NJW 2015, S. 586 [587]). Denn die Kammer vermag sich dem nicht anzuschließen, da so der Rechtswegbestimmung "nur" noch der Charakter einer mittelbaren Konkretisierung der jeweils richterlichen Entscheidungsperson innewohnte. Dies missachtet jedoch, dass die Unterscheidung der Rechtswege sachimmanent nicht nur zur Bestimmung des gesetzlichen Richters dient, sondern auch zur Folge hat, dass das Prozessrecht zur Anwendung kommt, dass der Gesetzgeber jeweils und zwar rein rechtswegabhängig vorgesehen hat. Mit der Differenzierung der Rechtswege und der Normierung unterschiedlicher Prozessordnungen hat er vielmehr zugleich die Entscheidung getroffen, dass für den Rechtsschutz bzw. die Durchsetzung der jeweiligen Ansprüche differenzierte Regelungen gelten sollen, fundamental etwa der Beibringungsgrundsatz einerseits und die Untersuchungsmaxime andererseits. Für die Bestimmung dieses Rechtswegs und damit des mit ihm anzuwendenden Prozessrechts wiederum hat der Gesetzgeber das Prozedere der §§ 17 ff. GVG geschaffen. Wollte man nun unabhängig hiervon einem Gericht einräumen, etwa nach Rechtswegverweisung individuell verfahrensbezogen die von ihm für richtig gehaltene Verfahrensordnung zur Anwendung kommen zu lassen, würde die mit der Rechtswegbestimmung durch den Gesetzgeber zugleich "mitentschiedene" Frage des anzuwendenden Prozessrechts missachtet.
Solange also ein Verfahren vor einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit anhängig ist, darf es allein nach den Regeln des Sozialgerichtsgesetzes geführt werden, ggf. ergänzt um in Bezug genommene Normen anderer Verfahrensordnungen (s. etwa §§ 197a oder 202 SGG). Dies gilt somit auch für das Kostenrecht der §§ 183 ff. SGG, so dass deren Anwendung auch nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass, wie die Erinnerungsführerin vorträgt, der ordentliche Rechtsweg zu beschreiten und deshalb das Kostenrecht von ZPO/GKG anzuwenden wäre.
6. Eine Befreiung der Erinnerungsführer von der Gebührenpflicht aufgrund anderer Normen ist nicht ersichtlich; eine Niederschlagung der Gebühr kann im Wege der Erinnerung nicht erreicht werden, sondern obliegt einer Entscheidung der Gerichtsverwaltung (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 190 Rn. 5).
Die Pauschgebühr kann auch nicht der Antragstellering auferlegt werden; hierfür fehlt es im SGG schlicht an einer Rechtsgrundlage.
7 Die Notwendigkeit einer Kostenentscheidung folgt aus den gleichen Erwägungen, wie sie im Beschluss des SG Fulda vom 10. Februar 2010 (S 3 SF 22/09 E, juris Rn. 68 ff.) zur Erinnerung gem. § 197 Abs. 2 SGG aufgestellt worden sind und auf die verwiesen werden kann.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Erinnerungsführerin zur Zahlung der Pauschgebühr gem. § 184 SGG.
Im Ausgangsverfahren S 11 KR 96/14 ER machte die dortige Antragstellerin (im Folgenden nur: Antragstellerin) gegen die Antragsgegnerin und hiesige Erinnerungsführerin, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts für die Durchführung von Fürsorgemaßnahmen gem. §§ 78, 80 BBG zuständig ist, Leistungen zur Kostenübernahme für einen "Dusch-Toiletten-Stuhl" geltend. Unter dem 13. August 2014 erklärte die Antragstellerin die Rücknahme ihres Eilantrags. Bis dahin hatte die zuständige Kammervorsitzende weder in der Eingangsverfügung noch bei anderer Gelegenheit die Anwendung des § 197a SGG festgestellt oder verfügt.
Daraufhin stellte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine Pauschgebühr gegen die Erinnerungsführerin gem. § 189 Abs. 2 S. 1 SGG in Höhe von 75,00 EUR fest; der Auszug aus dem Gebührenverzeichnis wurde der Erinnerungsführerin unter dem 26. November 2014 übersandt.
Hiergegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit ihrem Schriftsatz vom 17. Dezember 2014, der am selben Tag bei dem SG Fulda eingegangen ist. Zur Begründung führt sie aus, dass sie weder eine gesetzliche Krankenkasse noch eine private Krankenversicherung sei, sondern eine Sozialeinrichtung zur Durchführung von Fürsorgemaßnahmen. Sie stelle organisationsintern ein zweistufiges Beschwerdeverfahren zur Verfügung, nach deren Abschluss nur der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei. Betreffend das Begehren des Ausgangsverfahrens sei der Beschwerde der Antragstellerin abgeholfen worden, worüber sie auch unterrichtet worden sei. Die Anrufung des Sozialgerichts durch die Antragstellerin sei daher unzulässig gewesen.
Die Erinnerungsführerin beantragt,
die Pauschgebühr niederzuschlagen bzw. sie der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Erinnerungsgegner hat keinen Antrag gestellt, jedoch Zweifel vorgetragen, ob die Antragstellerin überhaupt zum privilegierten Personenkreis gem. § 183 SGG gehört habe und nicht vielmehr § 197a SGG auf das Ausgangsverfahren hätte Anwendung finden müssen.
II.
Die zulässige, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 189 Abs. 2 S. 2 SGG erhobene Erinnerung ist unbegründet. Die Erinnerungsführerin ist zur Entrichtung der festgestellten Pauschgebühr verpflichtet.
Auch wenn die Erinnerungsführerin im Schriftsatz vom 17. Dezember 2015 explizit nur einen Antrag auf Niederschlagung oder die Verpflichtung der Antragstellerin zur Kostentragung gestellt hat, ist dieser Antrag gleichwohl (auch) als Erinnerung auszulegen. Wie das BayLSG jüngst im Beschluss vom 15. Oktober 2015 (L 15 SF 281/15 –, juris Rn. 11) ausgeführt hat, ist der Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen und Anträgen bei Gericht der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist, was im Zweifel zu einem umfassenden Rechtsschutzbegehren führt.
1. Im Erinnerungsverfahren gem. § 189 Abs. 2 S. 2 SGG kann Anwendung des "richtigen" Kostenrechts – der §§ 183 ff. SGG einerseits oder des § 197a SGG i.V.m. §§ 154 ff. VwGO andererseits – nicht zum Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemacht werden.
Hierzu hat das bereits zitierte BayLSG (Beschl. v. 15. Oktober 2015 – L 15 SF 281/15 – juris Rn. 14) mit Recht für die parallele Konstellation im Rahmen der Erinnerung gem. § 66 Abs. 1 GKG ausgeführt, dass dieser Rechtsbehelf nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden könne, nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Im Erinnerungsverfahren zum Kostenansatz nach § 19 GKG könne daher lediglich geprüft werden, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen kostenrechtlich richtig umgesetzt worden sind. Dies gelte auch dann, wenn die verfahrenskostenrechtliche Einordnung lediglich durch eine "Verfügung" des zuständigen Richter des Hauptsacheverfahrens getroffen worden sei; auch hier sei eine Klärung nur im Hauptsacheverfahren, nicht aber im Erinnerungsverfahren möglich (so schon BayLSG, Beschl. v. 1. August 2014 – L 15 SF 90/14 E –, juris Rn. 9).
Diesen Grundsätzen ist zuzustimmen; die darin zum Ausdruck kommenden Wertungen gelten auch für das Erinnerungsverfahren gem. § 189 Abs. 2 S. 2 SGG. Denn die Frage der Anwendung des Kostenrechts auf ein konkretes Verfahren ist Aufgabe des gesetzlichen Spruchrichters. Dieser allein hat zu entscheiden, welches Prozess(kosten)recht er anwendet. Diese Entscheidung kann dann entsprechend nur im für das jeweilige Prozessverfahren gegebenen Rechtsmittelzug angefochten werden oder gar nicht, wenn ein solcher fehlt. Letzteres ist hier der Fall, da das Ausgangsverfahren durch Zurücknahme erledigt worden ist; dann ist gem. §§ 172 Abs. 3 Nr. 3, 193 SGG wie auch gem. § 158 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 197a SGG eine Anfechtung der richterlichen Entscheidung betreffend die Kosten ausgeschlossen. Dieser Ausschluss kann nicht über eine Erinnerung gegen den Kostenansatz oder die Feststellung der Pauschgebühr umgangen werden.
2. Folglich kommt es für die hier zu treffende Entscheidung allein darauf an, ob der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Pauschgebühr gegenüber der Erinnerungsführerin zutreffend festgestellt hat; dies ist der Fall.
a) Dies ergibt sich schon daraus, dass das Verfahren vor den Sozialgerichten nur zwei alternative Verfahrenskostensystem kennt: das kostenprivilegierte Verfahren einerseits, das zur Anwendung der §§ 183 ff. SGG führt, und das Verfahren im Fall des § 197a SGG i.V.m. §§ 154 ff. VwGO (und dem GKG) andererseits. Tertium non datur (s. dazu auch im Folgenden 5.).
Für den vorliegenden Fall hat die Kammervorsitzende keinerlei Verfügung dahin gehend getroffen, dass sie die Anwendung des § 197a SGG für zutreffend erachtet; hierzu hätte insbesondere bereits bei Verfassen der Eingangsverfügung oder bei Abschluss des Verfahren Gelegenheit bestanden. Zudem hätte sie, wenn Sie von der Anwendbarkeit des GKG ausgegangen wäre, nach Abschluss des Verfahrens eine Streitwertfestsetzung durch Beschluss vornehmen müssen, was sie ebenfalls nicht getan hat. Damit sind die §§ 183 ff. SGG anzuwenden.
b) Folglich bestünde die Gebührenpflicht gem. § 184 Abs. 1 SGG dann, wenn die Erinnerungsführerin nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehörte. Es steht hier außer Streit, dass die Erinnerungsführer als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht in der Eigenschaft als Versicherte, Leistungsempfängerin oder in einer anderen Eigenschaft gem. § 183 SGG am Ausgangsverfahren beteiligt war. Damit ergibt sich ohne Weiteres die Pauschgebührenpflicht der Erinnerungsführerin, ohne dass es darauf ankäme, ob die Antragstellerin als Leistungsempfängerin im Sinne dieser Vorschrift anzusehen wäre.
c) Gegen die Höhe der Gebühr (75,00 EUR gem. §§ 186 S. 1, 184 Abs. 2 Nr. 1 SGG) ist ebenso wenig zu erinnern wie gegen deren Fälligkeit durch Zurücknahme des Antrags im Ausgangsverfahren (§ 185 SGG).
3. Für die Frage der Gebührenpflichtigkeit kann daher keine Bedeutung erlangen, ob die Antragstellerin aufgrund des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses (etwas ausgestaltet durch Satzungsrecht) über die Frage der prozessrechtlichen Rechtswegzuweisungen (etwa §§ 23, 71 GVG oder hier § 51 SGG) hinaus eine Pflicht bestand, einen bestimmten Rechtsweg zu wählen oder zunächst ein körperschaftsinternes Beschwerdeverfahren zu durchlaufen. Die Kostenvorschriften des SGG weisen einen solchen Vorbehalt, der zugleich eine Dispositionsbefugnis der Beteiligten über das anzuwenden Prozessrecht bedeutete, nicht auf.
4. Ebenso wenig kommt es daher für das Erinnerungsverfahren darauf ab, ob die Antragstellerin, wie die Erinnerungsführerin vorträgt, eine vor den Sozialgerichten rechtswegfremde Forderung geltend gemacht hat. Dies wäre nur dann relevant, wenn die Pauschgebührenpflicht vom Erfolg eines Antrags oder einzelnen seiner Voraussetzungen wie Zulässigkeit oder Begründetheit abhinge. Dies ist jedoch nicht der Fall (insofern in seiner Generalität zweifelbehaftet BayLSG, Beschl. v. 22. September 2014 – L 15 SF 157/14 E –, juris, das meint, die Kostenfreiheit gelte nur für statthafte Verfahren). Vielmehr gilt, was das SG Karlsruhe jüngst im Beschluss vom 8. Oktober 2015 (S 1 SF 3222/15 E, juris Rn. 9 m.w.Nw.) zutreffend formuliert hat:
"Für die Gebührenverpflichtung ist es ( ...) unerheblich, ob die Klage zulässig oder/und begründet war ( ...). Sie entfällt auch nicht durch eine sofort nach Klageerhebung eingereichte Klagerücknahme ( ...). Abzustellen ist vielmehr allein auf das Rubrum, d.h. die formelle Beteiligtenstellung ( ...). Die Pauschgebühr ist mit anderen Worten entsprechend der typischen sozialen Lage der Beteiligten – unabhängig von den Erfolgsaussichten, d.h. dem Anlass zur Klageerhebung, und dem Ausgang des Verfahrens."
Hiergegen bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfGE 76, 139 ff. [für Körperschaftlichen des öffentlichen Rechts] sowie BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 31. Januar 2008 – 1 BvR 1806/02 –, juris [betreffend private Pflegeversicherungen]).
5. Dem steht auch nicht die Auffassung im Beschluss des BGH vom 17. September 2014 (XII ZB 284/13, juris) entgegen, in dem das Gericht (erstmals) ohne nähere Begründung angenommen hat, eine rechtswegfremde Forderung sei nach dem tatsächlich anzuwendenden Prozessrecht zu entscheiden (zustimmend Fritzsche, NJW 2015, S. 586 [587]). Denn die Kammer vermag sich dem nicht anzuschließen, da so der Rechtswegbestimmung "nur" noch der Charakter einer mittelbaren Konkretisierung der jeweils richterlichen Entscheidungsperson innewohnte. Dies missachtet jedoch, dass die Unterscheidung der Rechtswege sachimmanent nicht nur zur Bestimmung des gesetzlichen Richters dient, sondern auch zur Folge hat, dass das Prozessrecht zur Anwendung kommt, dass der Gesetzgeber jeweils und zwar rein rechtswegabhängig vorgesehen hat. Mit der Differenzierung der Rechtswege und der Normierung unterschiedlicher Prozessordnungen hat er vielmehr zugleich die Entscheidung getroffen, dass für den Rechtsschutz bzw. die Durchsetzung der jeweiligen Ansprüche differenzierte Regelungen gelten sollen, fundamental etwa der Beibringungsgrundsatz einerseits und die Untersuchungsmaxime andererseits. Für die Bestimmung dieses Rechtswegs und damit des mit ihm anzuwendenden Prozessrechts wiederum hat der Gesetzgeber das Prozedere der §§ 17 ff. GVG geschaffen. Wollte man nun unabhängig hiervon einem Gericht einräumen, etwa nach Rechtswegverweisung individuell verfahrensbezogen die von ihm für richtig gehaltene Verfahrensordnung zur Anwendung kommen zu lassen, würde die mit der Rechtswegbestimmung durch den Gesetzgeber zugleich "mitentschiedene" Frage des anzuwendenden Prozessrechts missachtet.
Solange also ein Verfahren vor einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit anhängig ist, darf es allein nach den Regeln des Sozialgerichtsgesetzes geführt werden, ggf. ergänzt um in Bezug genommene Normen anderer Verfahrensordnungen (s. etwa §§ 197a oder 202 SGG). Dies gilt somit auch für das Kostenrecht der §§ 183 ff. SGG, so dass deren Anwendung auch nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass, wie die Erinnerungsführerin vorträgt, der ordentliche Rechtsweg zu beschreiten und deshalb das Kostenrecht von ZPO/GKG anzuwenden wäre.
6. Eine Befreiung der Erinnerungsführer von der Gebührenpflicht aufgrund anderer Normen ist nicht ersichtlich; eine Niederschlagung der Gebühr kann im Wege der Erinnerung nicht erreicht werden, sondern obliegt einer Entscheidung der Gerichtsverwaltung (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 190 Rn. 5).
Die Pauschgebühr kann auch nicht der Antragstellering auferlegt werden; hierfür fehlt es im SGG schlicht an einer Rechtsgrundlage.
7 Die Notwendigkeit einer Kostenentscheidung folgt aus den gleichen Erwägungen, wie sie im Beschluss des SG Fulda vom 10. Februar 2010 (S 3 SF 22/09 E, juris Rn. 68 ff.) zur Erinnerung gem. § 197 Abs. 2 SGG aufgestellt worden sind und auf die verwiesen werden kann.
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