Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 2 KR 227/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 19.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2012 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für eine ambulante Psychotherapie bei Frau Dr. C. in der Zeit vom 23.01.2012 bis 15.06.2015 in Höhe von 3.996,52 EUR zu erstatten.
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere 100 Stunden Psychotherapie nach dem Therapiekonzept von Frau Dr. C. zu gewähren.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Leistungen der ambulanten Psychotherapie.
Die Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet insbesondere an einer dissoziative Identitätsstörung (DIS) (multiple Persönlichkeitsstörung). Die Klägerin war zunächst seit dem Jahr 2009 in psychotherapeutischer Behandlung bei Frau Dr. C. Die Beklagte bewilligte zunächst durch mehrere Bescheide insgesamt 80 Einzelsitzungen Psychotherapie, zuletzt mit Bescheid vom 9.2.2011, mit dem insgesamt weitere 30 Einzelsitzungen Psychotherapie bewilligt wurden. Im Oktober 2011 wurde dann seitens der Klägerin bzw. seitens Frau Dr. C. ein weiterer Antrag auf Fortführung der Psychotherapie gestellt. Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten zur Bewertung der Fortführung der Therapie ein. Diesmal kam der Psychotherapeut und Psychoanalytiker D. zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie nicht als erfüllt anzusehen seien. Zur Begründung gab er an, dass die aktuell wirksame Psychodynamik der seelischen Erkrankung bzw. das Störungsmodell nicht ausreichend erkannt werde, dass die Wahl des Therapieverfahrens bzw. des methodischen Vorgehens einen Behandlungserfolg nicht oder nicht ausreichend erwarten lasse und dass für die beantragte Therapieform die Voraussetzungen beim Patienten einen ausreichenden Behandlungserfolg nicht erwarten lasse.
Mit Bescheid vom 19.12.2011 wurde der Antrag der Klägerin abgelehnt. Die Beklagte könne die Kosten der Fortführung der Psychotherapie nicht übernehmen.
Hiergegen legte die Klägerin am 3.1.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die Therapie dazu beigetragen habe ihren Gesundheitszustand erheblich zu verbessern. Ihre Arbeitsbedingungen hätten sich in den letzten 1,5 Jahren verschlechtert. Dies habe zur Folge, dass sie häufig ihre persönliche Belastbarkeit überschreite, das Angstzustände wiederholt auftreten würden, permanenter Dreh- und Schwankschwindel bestehe, es würden Erinnerungslücken auftreten sowie Müdigkeit und Erschöpfung und eine verstärkte Traurigkeit und Antriebslosigkeit. Innenpersonen würden verstärkt im Kontakt mit Kolleginnen nach außen treten. Mit der Therapie sei es ihr gelungen ihre Arbeitsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Sie lerne dort Innenpersonen kennen, ihre Bedürfnisse zu verstehen und sie zu erfüllen. Hierbei brauche sie dringend Unterstützung. Sie beantrage die psychotherapeutische Behandlung außerhalb der gängigen Richtlinien. Es bedürfe einer entsprechenden Therapie, die berücksichtigt, dass sie "Viele" sei (vgl. Bl. 24-25 der Verwaltungsakte). Die Therapeutin der Klägerin stellte einen Antrag auf ein Obergutachten und führte aus, dass die Nachricht, dass die Psychotherapie nicht fortgesetzt werden könne bei der Klägerin eine erhebliche Destabilisierung verursacht habe. Deswegen sei erneut eine stationäre Krankenhausbehandlung nötig geworden.
In dem dann eingeholten Obergutachten der Nervenärztin Dr. E. vom 8.2.2012 wird ausgeführt, dass die Fortführung der Therapie nicht befürwortet werden könne. Ein tiefenpsychologisch fundierter therapeutischer Prozess werde nicht beschrieben. Das beantragte Stundenkontingent sprenge die Höchstgrenzen der Psychotherapierichtlinien. Die Klägerin wurde von der Beklagten über das Ergebnis des Obergutachtens informiert.
Die Klägerin reichte sodann eine Stellungnahme des Krankenhauses Lahnhöhe vom 7.3.2012 ein, mit dem dringend die Weiterführung der ambulanten Psychotherapie empfohlen wurde (vgl. Bl. 40 der Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.5.2012 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass eine Bewilligung weiterer psychotherapeutische Sitzungen über die bereits bewilligten 80 Sitzungen hinaus nicht möglich sei. Die Beklagte berief sich dabei auf die eingeholten Gutachten.
Die Klägerin hat am 21.6.2012 Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben.
Die Klägerin führte insbesondere aus, dass durch die Entscheidung der Beklagten in die Therapiehoheit der behandelnden Ärztin eingegriffen werde. In der Vergangenheit seien bereits verschiedene Therapien gescheitert. Die Therapeuten seien nicht in der Lage die Klägerin wegen der Komplexität der Erkrankung leidensgerecht zu behandeln. Die Klägerin habe zu der Therapeutin bereits Vertrauen gefasst. Die Klägerin ist ergänzend der Auffassung, dass bei ihr eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliege. Sie habe mit 17 Jahren bereits einen Suizidversuch begangen. Ihre Innenpersonen seine unterschiedlich stark suizidal. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V würden vorliegen. Die Klägerin ergänzt ihren Vortrag dahingehend, dass sie zwischenzeitlich privat die Psychotherapie finanziert habe. Sie legt Rechnungen für die Zeit von Januar 2012 bis Juni 2015 in Höhe von insgesamt 3.996,52 EUR vor.
Der Klägerin beantragt:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 19.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2012 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für eine ambulante Psychotherapie bei Frau Dr. C. in Höhe von 3.996,52 EUR zu erstatten.
3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, der Klägerin mindestens weitere 100 Stunden Psychotherapie nach dem Therapiekonzept von Frau Dr. C. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Voraussetzungen der Psychotherapie nicht vorliegen würden. Die Behandlungen von Frau Dr. C. sei nicht richtlinienkonformen. Ein stimmiges Behandlungskonzept sei unumgänglich und liege nicht vor. Für einen Kostenerstattungsanpruch fehle es an einem Antrag, weil die beschaffte Leistung nicht die beantragte Leistung gewesen sei. Auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V würden nicht vorliegen, da es an einer notstandähnlichen Situation fehle.
Das Gericht holte Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin ein, insbesondere von Dr. F., von Dr. G., von Dr. H. und von Dr. C. Darüber hinaus hat das Gericht Unterlagen des Krankenhauses Lahnhöhe eingeholt. Auf Anfrage bei Frau Dr. C. wurden sodann genaue Daten bezüglich der inzwischen durchgeführten Psychotherapietermine mitgeteilt. Des Weiteren wurden die Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren vom 8.2.2012, vom 28.4.2010, vom 30.1.2011, vom 8.12.2011 und vom 10.3.2010 übermittelt. Die Klägerin legte sodann auf Aufforderung der Beklagten das Behandlungskonzept von Frau Dr. C. vor. Auf Nachfrage des Gerichts teilte Frau Dr. C. sodann mit, dass es bei der Klägerin immer wieder zu krisenhaften Zuspitzungen komme. Insgesamt seien jedoch gute Fortschritte zu verzeichnen. Es seien noch mindestens weitere 150-200 Therapiestunden erforderlich (vgl. Bl. 217 der Gerichtakte).
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J. vom 2.12.2014 und ein Ergänzungsgutachten vom 27.5.2015 eingeholt. Der Sachverständige kam in seinen Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Klägerin an einer dissoziativen Identitätsstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung, an einer somatoformen Schmerzstörung und an einem somatoformen Schwindel leide. Aufgrund dieser Erkrankungen sei eine Psychotherapie bei der Klägerin indiziert und auch notwendig. Die Behandlung von Frau Dr. C. sei keine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie im Sinne der Psychotherapierichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss. Wenn Frau Dr. C. eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie angewendet hätte, wäre dies ein Verstoß gegen medizinischen Behandlungsstandards, da die Klägerin für so eine Therapie nicht stabil genug sei. Bei der dissoziativen Identitätsstörung handele es sich im Falle der Klägerin um eine lebensbedrohliche Erkrankung bzw. um eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung. Wirksame Behandlungsalternativen zu der Therapie von Frau Dr. C. würden nicht bestehen. Es bestehe eine hinreichende Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Inhalte der Sachverständigengutachten (vgl. Bl. 254-276 und Bl. 351-355 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Die Beklagte meint jedoch weiterhin, dass eine akute lebensbedrohliche oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung nicht vorliege. Das habe Prof. Dr. K. in einem weiteren Widerspruchsverfahren bestätigt. Auch bestehe die Möglichkeit einer psychosomatischen Grundversorgung und der Klägerin stünden zur kurzfristigen Krisenintervention Institutsambulanzen zur Verfügung.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten für eine ambulante Psychotherapie bei Frau Dr. C. in der Zeit vom 23.01.2012 bis zum 15.06.2015 in Höhe von 3.996,52 EUR. Des Weiteren hat die Klägerin einen Anspruch auf weitere 100 Behandlungseinheiten Psychotherapie nach dem Behandlungskonzept von Frau Dr. C. Ein darüber hinaus bestehender Anspruch der Klägerin liegt zur Überzeugung des Gerichts derzeit nicht vor.
Im Einzelnen:
1. Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin für eine ambulante Psychotherapie bei Frau Dr. C. in der Zeit vom 23.01.2012 bis zum 15.06.2015 in Höhe von 3.996,52 EUR ist begründet. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V, der einzig in Betracht kommenden Rechtsgrundlage, liegen hier zur Überzeugung der Kammer vor.
Nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten die Kosten einer selbst beschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, soweit die Leistung notwendig war. Ein Anspruch auf Kostenerstattung ist nach dieser Regelung also nur gegeben, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Bestehen eines Primärleistungs-(Sachleistungs-)anspruch des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung (Alternative 1) bzw. Ablehnung der Sachleistung durch die Krankenkasse (Alternative 2). Denn der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Es muss also um eine Leistung gehen, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, vgl. Urteil vom 16.12. 2008, B 1 KR 11/08 R m.w.N.),
- Selbstbeschaffung einer entsprechenden Leistung durch den Versicherten
- Unaufschiebbarkeit einer Leistung (Alternative 1) bzw. Ursachenzusammenhang zwischen einer Leistungsablehnung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung einer notwendigen Leistung (Alternative 2) und
- rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten durch die Selbstbeschaffung.
(vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.05.2013, Az. B 1 KR 44/12 R m.w.N.)
Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor.
a) Hier hatte die Klägerin in der Zeit vom 23.01.2012 bis zum 15.06.2015 einen Primärleistungsanspruch auf die im Streit stehende ambulante Psychotherapie bei Frau Dr. C., den die Beklagte rechtswidrig nicht erfüllt bzw. abgelehnt hat.
Denn nach § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst dabei insbesondere die ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung (vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB V). § 28 Abs. 3 SGB V sieht insoweit vor, dass die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 SGB V durchgeführt wird. Die psychotherapeutische Behandlung erfolgt "entsprechend der Richtlinien nach § 92 SGB V". Damit ist dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) ein weitgehender Ausgestaltungsspielraum für die psychotherapeutische Behandlung übertragen, welchen dieser durch die Psychotherapie-Richtlinien ausgefüllt hat (vgl. dazu jurisPraxis-kommentar, 2. Auflage, § 28 SGB V, Rn. 69). Durch diese Richtlinie wird auch das sogenannte Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V konkretisiert, wonach Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen (vgl. § 92 Abs. 1 SGB V).
Hier ist zwischen den Beteiligten – gerade auch vor dem Hintergrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. J. - letztlich unstreitig, dass die im Streit stehende Psychotherapie der Frau Dr. C. nicht mit den Vorgaben der Psychotherapierichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss in Einklang steht und dass diese Leistung daher im Grundsatz nicht Gegenstand des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung ist. Ebenso wenig ist die im Streit stehende Psychotherapie von Frau Dr. C. als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode vom Gemeinsamen Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 135 SGB V positiv empfohlen worden (§ 135 SGB V findet auf alle Verfahren – also auch auf Verfahren der Psychotherapie - Anwendung, die bisher nicht Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen sind – vgl. jurisPraxisKommentar, 2. Auflage, § 92 SGB V, Rn. 92 m.w.N.).
Jedoch kann sich die Klägerin im hier vorliegenden Einzelfall mit Erfolg auf eine von der Rechtsprechung im Wege der grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005, Az. 1 BvR 347/98; Urteil des Bundessozialgerichts vom 4.4.2006, Az. B 1 KR 12/04 R; Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.2.2008, Az. B 1 KR 16/07 R) und von dem Gesetzgeber inzwischen in § 2 Abs. 1a SGB V anerkannten Ausnahmekonstellation berufen.
Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen für einen Anspruch aufgrund einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts hat der Gesetzgeber zum 1.1.2012 in § 2 Abs. 1a SGB V dahingehend in das Gesetz aufgenommen, dass Versicherte auch eine von § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen können wenn
1. bei dem Versicherten eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliegt,
2. für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht,
3. wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Mit der Kodifizierung dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber den Geltungsumfang der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005 für das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung klarstellen. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass damit keine neuen Leistungen eingeführt, sondern bereits bestehende Anspruchsvoraussetzungen gemäß einer grundrechtskonformen Auslegung des Leistungsrechts ins Gesetz übernommen werden sollten (vgl. BR-Drs. 456/11, S. 85).
Die Kammer ist davon überzeugt, dass diese Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V im vorliegenden Einzelfall der Klägerin erfüllt sind.
Im Einzelnen:
(1) Die Kammer ist davon überzeugt, dass bei der Klägerin eine lebensbedrohliche Erkrankung bzw. eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vorliegt.
(a) Mit dem Kriterium einer Krankheit, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung zumindest vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten Off-Label-Use formuliert ist (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1.3.2013, Az. L 4 KR 3517/11 m.w.N.). Erforderlich ist eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb eines überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Diese Kriterien, die auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005 beruhen, haben durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bzw. durch den Gesetzgeber eine Ausweitung insoweit erfahren hat, dass der kurz bevorstehende und nicht kompensierbare Verlust eines wichtigen Sinnesorgans bzw. einer herausgehobenen Körperfunktion in diesen Schutzbereich miteinbezogen wurde (vgl. Eichenhofer/Wenner, § 2 SGB V, Rn. 18). Danach reicht also auch das Vorliegen einer Krankheit aus, die einer lebensbedrohlichen Erkrankung wertungsmäßig vergleichbare ist. In der Entscheidung vom 28.2.2008 (Az. B 1 KR 16/07 R) hat das Bundessozialgericht dazu etwa wie folgt ausgeführt:
"Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den ggf gleichzustellenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten"
Dies hat der Gesetzgeber bei der Einführung des § 2 Abs. 1a SGB V auch ausdrücklich in den Gesetzestext übernommen, wobei auch nach Auffassung des Gesetzgebers unter einer wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung jedenfalls Erkrankungen zu verstehen sind, bei denen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ein nicht kompensierbarer Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion droht (vgl. BT-Drs 456/11, S. 74).
(b) Eine solche lebensbedrohliche bzw. wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V liegt bei der Klägerin nach Auffassung der Kammer vor.
Denn zum einen hat der Sachverständige Dr. J. in seinem Ergänzungsgutachten vom 27.5.2015 überzeugend ausgeführt und dargelegt, dass bei der Klägerin aufgrund ihrer dissoziativen Identitätsstörung die schwerste (psychische) Erkrankung im Spektrum der dissoziativen Störungen vorliegt, die bei 75 % aller betroffenen Patienten mit Selbstmordversuchen einhergeht. Der Sachverständige Dr. J. hat außerdem überzeugend dargelegt, dass gerade auch im Einzelfall der Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung ohne die stabilisierende Psychotherapie mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Suizidversuch bei einer psychischen Belastung innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums gerechnet werden müsste. Aufgrund dieser überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. J. geht die Kammer davon aus, dass hier eine lebensbedrohliche psychische Erkrankung und eine notstandsähnliche Situation im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vorliegt. Dabei spricht nach Auffassung der Kammer insbesondere der Umstand für die Überzeugungskraft des Gutachtens des Sachverständigen Dr. J., dass sich auch aus den vorliegenden Befundberichten ergibt, dass die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung an selbstverletzenden und suizidalen Tendenzen leidet bzw. dass diese erst durch die hier im Streit stehende Behandlung reduziert wurden. So schildert etwa Herr Dr. L. in seinem Befundbericht vom 16.1.2013, dass die Klägerin zu selbstverletzendem Verhalten (Haar ausreißen, Beißen, mit dem Kopf gegen die Wand schlagen) neige (vgl. Bl. 59 der Gerichtsakte). Auch Frau Dr. C. führte bereits im Befundbericht vom 17.1.2013 aus, dass bei der Klägerin im Vordergrund der Behandlung insbesondere Depressionen, suizidale Tendenzen und ausgeprägte Selbstverletzungsneigungen gestanden haben (vgl. Bl. 65 der Gerichtsake). Für den Zeitraum vor der Aufnahme der im Streit stehenden Behandlung sind im Jahre 2009 noch massive Selbstverletzungstendenzen bei der Klägerin dokumentiert und in Befundberichten wird ausgeführt, dass die Klägerin latent suizidal gewesen sei (vgl. Bl. 218 der Gerichtsakte). Die Klägerin hat sogar bereits einen Selbstmordversuch durchgeführt (vgl. Bl. 315 der Gerichtsakte) und Frau Dr. C. konnte in ihrer Stellungnahme vom 30.3.2015 sogar weitere konkrete "Selbstmordszenarien" der Klägerin schildern (vgl. Bl. 315 der Gerichtsakte). Dies alles spricht dafür, dass die Klägerin unter einer lebensbedrohenden psychischen Erkrankung leidet, zumal der Sachverständige die Klägerin als sehr erschöpft und "psychisch sehr labilisiert" beschreibt.
Soweit die Beklagte meint, sie könne dem Gutachten des Sachverständigen Dr. J. entgegenhalten, dass bei der Klägerin keine akute lebensbedrohliche Erkrankung vorliege, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Der Sachverständige Dr. J. hat gerade – wie bereits ausgeführt - schlüssig und plausibel dargelegt, dass bei der Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung ohne die hier im Streit stehende stabilisierende Psychotherapie mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Suizidversuch innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums gerechnet werden muss. Dies spricht - entgegen der Auffassung der Beklagten - gerade für das Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V. Und dies ist für die Kammer vor dem Hintergrund der Befundberichte und der Ausführungen des Sachverständigen Dr. J. im vorliegenden Einzelfall der Klägerin auch nachvollziehbar, zumal sich aus den vorliegenden Unterlagen ergibt, dass die Klägerin vor dem Beginn der hier im Streit stehenden Psychotherapie massiv zu selbstverletzendem Verhalten neigte und sich die suizidalen Tendenzen der Klägerin erst durch die hier im Streit stehenden Therapie verringert haben.
Auch das Argument der Beklagten, dass ihr in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung kein Fall bekannt sei, dass eine lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V wegen eines drohenden Suizids angenommen worden sei, vermag das Gericht nicht zu überzeugen. Denn das Bundessozialgericht hat sich in seiner Rechtsprechung bereits mehrfach im Bereich des § 2 Abs. 1a SGB V bzw. im Rahmen der Prüfung der verfassungskonformen Auslegung des Leistungsrechts mit der Suizidgefahr befasst und es hat dazu ausgeführt, dass ein Leistungsanspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V nur in den Fällen der Suizidgefahr ausgeschlossen ist, in denen es – anders als im vorliegenden Fall der Klägerin - den Versicherten gerade nicht um die Versorgung mit "Mitteln der Psychiatrie" ging, also in denen Versicherte andere Leistungen beansprucht haben (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 26.9.2006, Az. B 1 KR 14/06 R; Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.3.2007, Az. B 1 KR 30/06 R). So heißt es etwa in dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 26.9.2006, Az. B 1 KR 14/06 R:
"Zudem bewirkt selbst hochgradige akute Suizidgefahr bei Versicherten grundsätzlich nicht, dass sie Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der GKV beanspruchen können. Vielmehr begründet Selbsttötungsgefahr regelmäßig nur einen Anspruch auf ihre spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie. Diese Therapiealternative schließt eine verfassungsrechtlich begründete Leistungsausdehnung aus."
Daraus ergibt sich eindeutig, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine psychische Erkrankung, die eine Suizidgefahr mit sich bringt, eine lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V sein kann. Denn das Bundessozialgericht hat in den genannten Entscheidungen gerade darauf hingewiesen, dass der Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V bei einer Suizidgefahr nicht an dem Merkmal der lebensbedrohlichen Erkrankung scheitern würde, sondern in den dort entschiedenen Fällen an dem zweiten Kriterium des § 2 Abs. 1a SGB V, da nämlich (anders als im vorliegenden Fall – vgl. dazu Ziffer 2) eine Therapiealternative aus dem Bereich Psychiatrie bestanden habe. Dies verkennt die Beklagte in ihrer Argumentation. Außerdem verkennt die Beklagte, dass es vorliegenden Fall aufgrund der psychischen Erkrankungen der Klägerin gerade darum geht, ob die Beklagte die Klägerin mit einem bestimmten Mittel der Psychiatrie, nämlich mit einer bestimmten psychotherapeutischen Behandlung, versorgen muss. Solche Mittel kommen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Behandlung von Suizidgefahr jedoch gerade ausdrücklich in Betracht. In hier vorliegenden Konstellation steht es nach Auffassung der Kammer also mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in Einklang, dass eine psychische Erkrankung, die – wie hier – ohne die im Streit stehenden psychiatrische Behandlung eine akute Suizidgefahr bewirkt, eine lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V darstellt.
(c) Darüber hinaus liegt aber nach Auffassung der Kammer auch eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vor.
Denn die Erkrankung der Klägerin geht damit einher, dass sie zahlreiche verschiedene Persönlichkeiten in sich trägt. Wie sich aus den vorliegenden ärztlichen Berichten und den Sachverständigengutachten des Dr. J. ergibt, üben diese verschiedenen "Persönlichkeits- und Selbstzustände" wechselweise die Kontrolle über das Erleben und Verhalten der Klägerin aus, wobei der Wechsel von einem Zustand in den anderen teilweise mit Amnesie verbunden ist (vgl. Bl. 352 der Gerichtsakte). Die Kammer ist ebenso wie der Sachverständige Dr. J. – der Auffassung, dass dieser Zustande als ein nicht kompensierbarer Verlust eines wichtigen Sinnesorgans bzw. einer herausgehobenen Körperfunktion" zu betrachten ist. Denn insbesondere das Gedächtnis, also die Fähigkeit des Nervensystems aufgenommene Informationen zu kodieren, zu speichern und wieder abzurufen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ged%C3%A4chtnis) und das Erinnerungsvermögen als die Fähigkeit, im Langzeitgedächtnis vorhandene Erinnerungen zu finden (z.B. sich an Erlebnisse zu erinnern, an einmal gesehene Gesichter – diese wiederzuerkennen und sich auch an den dazugehörigen Namen zu erinnern oder alphanumerische bzw. numerische Informationen aus dem Gedächtnis abzurufen)" (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/ Erinnerungsverm%C3%B6gen), stellen besonders wichtige Körperfunktionen dar. Gleiches gilt für die Fähigkeit des Menschen, die Kontrolle über sein Erleben und Verhalten zu steuern. Für dieses Ergebnis, dass hier eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vorliegt, spricht im Übrigen auch ein Umkehrschluss. Denn wenn – wovon die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausgeht - etwa der Verlust des Augenlichts zu der Annahme einer wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V führt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 5.5.2009, Az. B 1 KR 15/08 R), so muss dies nach Auffassung der Kammer auch dann gelten, wenn der Versicherte bzw. die Versicherte – wie hier – (wenn auch nur zeitweise) die "vollständige" Kontrolle über das Erleben und Verhalten und nicht nur über eine einzige Sinneswahrnehmung verliert, zumal dies beim Auftreten von Dissoziationen bei der Klägerin teilweise sogar mit dem Verlust der Erinnerung verbunden ist.
Auch in Bezug auf die wertungsmäßige Vergleichbarkeit im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V trifft es nach Auffassung der Kammer zu, dass insoweit eine notstandsähnliche Situation im dem Sinne gegeben ist, dass sich diese Gefahr in einem kürzeren, überschaubaren Zeitraums wahrscheinlich verwirklicht (vgl. BT-Drs. 17/6906, S. 53). Denn die Gefahr, dass Dissoziationen auftreten liegt bei der Klägerin akut vor. Sie treten bei der Klägerin sogar bereits tatsächlich ein, wobei nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. J. diese Dissoziationen bei der Klägerin bei Behandlungsbeginn sogar täglich vorkamen und diese durch die im Streit stehende Therapie erst reduziert werden konnten. Dies wird letztlich auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.
(d) Im Ergebnis geht die Kammer somit davon aus, dass bei der Klägerin eine lebensbedrohliche Erkrankung bzw. eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vorliegt.
(2) Auch das Tatbestandmerkmal des Fehlens einer dem allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlungsalternative im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V liegt hier vor.
Bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals ist folgendes zu beachten: Eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechenden Leistung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V steht nach der ausdrücklichen Begründung des Gesetzgebers auch dann nicht zur Verfügung, wenn eine solche Behandlungsalternative im konkreten Fall nicht angewendet werden kann (vgl. BT-Drs. 356/11, S. 74). In der Entscheidung vom 26.2.2013 (Az. 1 BvR 2045/12) hat das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus ausdrücklich ausgeführt, dass es mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht vereinbar ist, Versicherte auf eine nurmehr auf die Linderung von Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie zu verweisen, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung besteht (vgl. auch Eichenhofer/Wenner, § 2 SGB V, Rn. 19). Entsprechendes gilt, wenn die nicht anerkannte Behandlungsmethode mit erheblich geringeren Nebenwirkungen verbunden ist (vgl. auch Eichenhofer/Wenner, § 2 SGB V, Rn. 19).
Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes ist die Kammer davon überzeugt, dass bei der Klägerin keine dem allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlungsalternative im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V - insbesondere aus dem Bereich der Psychiatrie - vorliegt. Dies stützt das Gericht auf die überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. J., der im Ergänzungsgutachten vom 27.5.2015 geschildert hat, dass keine alternativen, insbesondere keine psychotherapeutischen und pharmakologischen, Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen. Andere Formen der Psychotherapie sind nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. J. sogar kontraindiziert.
Demgegenüber vermag die Auffassung der Beklagten, dass für die Klägerin alternativ die Möglichkeit der ärztlichen Behandlung um Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung und der Kriseninterventionen durch Institutsambulanzen zur Verfügung stünden, nicht zu überzeugen. Insoweit verweist die Beklagte nämlich lediglich auf eine Stellungnahme des Prof. Dr. K. vom 19.2.2015 der im Rahmen eines weiteren Verwaltungsverfahrens in seiner Stellungnahme lediglich ausführte, dass die Klägerin ohne die im Streit stehende Psychotherapie "nicht unversorgt" bliebe. Dem lässt sich jedoch nicht im Ansatz entnehmen, dass im Einzelfall der Klägerin konkrete Behandlungsalternativen bestehen, die in vergleichbarer Weise zu einer Linderung der Krankheitsbeschwerden führen könnten um die lebensbedrohliche Erkrankung bzw. die wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung der Klägerin zu behandeln und um Dissoziationen und suizidale Impulse zu verhindern bzw. zu verringern. Konkrete Behandlungsmöglichkeiten benennt die Klägerin auch nicht vielmehr bleibt sie bei allgemeinen Ausführungen. Im Übrigen hatte gerade das Krankenhaus Lahnhöhe, also ein "überregionales Zentrum für Psychosomatische Medizin", die Fortführung der ambulanten Psychotherapie "dringend" empfohlen (vgl. Bl. 40 der Verwaltungsakte), um eine Verschlechterung bei der Klägerin zu verhindern. Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass nach Auffassung des Gerichts die Beklagte die Klägerin auch nicht darauf verweisen kann, dass es die Möglichkeit zur stationären Behandlung gebe, denn bereits in der Vergangenheit haben kurzzeitige stationäre Behandlungen bei der Klägerin nicht zu einem anhaltenden Erfolg geführt. Dies trägt die Beklagte letztlich selbst auch nicht vor.
Aus den dargelegten Gründen ist somit auch die zweite Tatbestandsvariante des § 2 Abs. 1a SGB V nach Auffassung der Kammer erfüllt.
(3) Schließlich besteht bei der Behandlung der Klägerin mit der im Streit stehenden Psychotherapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bzw. auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Dies ergibt sich ausdrücklich aus den überzeugenden Sachverständigengutachten des Dr. J., wonach die Behandlung von Frau Dr. C. indiziert und medizinisch notwendig ist und internationalen Leitlinien entspricht. Der Sachverständige hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass die im Streit stehende Therapie auch tatsächlich zu einer Verbesserung der Krankheit der Klägerin geführt hat und insofern ein Behandlungserfolg eingetreten ist, da die Dissoziationen seltener geworden sind und der Klägerin eine verbesserte Alltagsbewältigung möglich ist.
Daher hat die Kammer keine Zweifel, dass die im Streit stehende Psychotherapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf hat und dass sie medizinisch notwendig ist.
(4) Im Ergebnis ist die Kammer aus den dargelegten Gründen davon überzeugt, dass die Klägerin in der Zeit vom 23.01.2012 bis zum 15.06.2015 einen Primärleistungsanspruch auf die im Streit stehende Psychotherapie bei Frau Dr. C. hatte, den die Beklagte rechtswidrig nicht erfüllt bzw. abgelehnt hat.
b) Die Klägerin hat sich die abgelehnten psychotherapeutischen Leistungen im Sinne des § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V auch selbst beschafft und sie ist dadurch auch einer wirksamen Kostenbelastung ausgesetzt, was durch die vorgelegten Rechnungen von Frau Dr. C. in Höhe von 3.996,52 EUR nachgewiesen ist.
c) Des Weiteren ist die Kammer davon überzeugt, dass die Selbstbeschaffung der Leistungen in der Zeit vom 23.01.2012 bis 15.06.2015 auf der Leistungsablehnung der Beklagten beruht. Die Leistungsablehnung ist also auch kausal im Sinne des § 13 Abs. 3 S. 1, 2. Alternative SGB V dafür, dass der Klägerin Kosten in Höhe von 3.996,52 EUR in der Zeit vom 23.01.2012 bis zum 15.06.2015 entstanden sind.
Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (der Leistungsablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (dem Entstehen der Kosten) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss sich also vor Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des Systems der Gesetzlichen Krankenversicherung mit seiner Krankenkasse ins Benehmen setzen und zunächst deren Entscheidung abwartet (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 20.5.2003, B 1 KR 9/03 R; Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27.03.2014, Az. L 16 KR 82/13; Urteil des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 17.12.2013, Az. L 11 KR 2555/12).
Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hatte die im Streit stehenden Leistungen im November 2011 beantragt und die Leistungen sind mit Bescheid vom 19.12.2011 abgelehnt worden. Die Leistungsablehnung der Beklagten fand hier also vor dem 23.1.2012 – also vor der Fortführung der im Streit stehenden Therapie – statt und war somit kausal für die Selbstbeschaffung der Leistung durch die Klägerin.
Die Beklagte kann sich demgegenüber auch nicht darauf berufen, dass Frau Dr. C. oder die Klägerin eine andere Leistung beantragt habe, als dann im Wege der Selbstbeschaffung erbracht worden sei. Denn hier hat Frau Dr. C. in ihren "Therapieberichten" im Rahmen des unterschiedlichen Antragsverfahrens ausgeführt, dass es sich nicht um eine Psychotherapie im Sinne der Psychotherapierichtlinien handelt. Bereits in dem Bericht vom 24.3.2010 wurde ausdrücklich, darum gebeten eine weitere Psychotherapie außerhalb der Psychotherapie-Richtlinien zu befürworten, da diese im Einzelfall der Klägerin nicht eingehalten werden können (vgl. Bl. 334 der Gerichtsakte). Auch in den weiteren Berichten von Frau Dr. C. wurde ausgeführt, dass eine traumaspezifische Psychotherapie beabsichtigt ist und dass es gerade um die Fortführung dieser Therapie gehe. Auch die Gutachterin Dr. E. hatte etwa in ihrer Stellungnahme vom 8.2.2012 ausgeführt, dass die begehrte Psychotherapie nicht den Psychotherapierichtlinien entspricht. Außerdem hatte die Klägerin selbst im Widerspruch vom 3.1.2012 ausdrücklich erklärt:
"Weil die beantragten Mittel des beantragten Verfahrens innerhalb der Psychotherapierichtlinien vermutlich nicht ausreichen, beantrage ich psychotherapeutische Behandlung außerhalb der gängigen Richtlinien." (vgl. Bl. 25 der Verwaltungsakte)
Nach Auffassung der Kammer kann also keine Rede davon sein, dass die Klägerin lediglich eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie im Sinne der Psychotherapierichtlinien beantragt habe (nur weil ursprünglich das auf die Verfahren der Psychotherapierichtlinien zugeschnittene Antragsformular verwendet worden ist) und stattdessen ganz andere Leistungen erbracht worden seien. Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht der Fall.
d) Im Ergebnis ist somit der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch der Klägerin für eine ambulante Psychotherapie bei Frau Dr. C. in der Zeit vom 23.01.2012 bis zum 15.06.2015 in Höhe von 3.996,52 EUR aus den dargelegten Gründen begründet.
2. Des Weiteren ist die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten auch einen Sachleistungsanspruch auf weitere 100 Einzelsitzungen Psychotherapie nach dem Therapiekonzept von Frau Dr. C. hat.
Es wurde bereits dargelegt, dass insoweit die Voraussetzungen der §§ 27, 28 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit § 2 Abs. 1a SGB V vorliegen, weil die Klägerin an einer lebensbedrohlichen bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung leidet, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht und bei der im Streit stehenden Therapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bzw. auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1a) Bezug genommen. Die Kammer ist weiter der Auffassung, dass die im Streit stehende Therapie bei der Klägerin noch in einem Umfang von weiteren 100 Stunden medizinisch notwendig ist. Dies entspricht den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. J., die die Beklagte insoweit auch nicht weiter substantiiert angegriffen hat. Außerdem deckt sich dies auch mit der Einschätzung der behandelnden Ärztin der Klägerin (Frau Dr. C.), die in der mündlichen Verhandlung am 16.3.2015 ausdrücklich angegeben hat, dass noch etwa weitere 100 Stunden zur Behandlung der Klägerin erforderlich sind.
Daher ist die Beklagte auch zu verurteilen, der Klägerin weitere 100 Stunden Psychotherapie als Sachleistung zu gewähren.
3. Darüber hinaus ist die Klage jedoch unbegründet, soweit die Klägerin psychotherapeutische Sachleistungen über weitere 100 Stunden hinaus begehrt.
Denn Frau Dr. C. hat in der mündlichen Verhandlung am 16.3.2015 selbst ausgeführt, dass sie davon ausgehe, dass nur noch etwa 100 Stunden erforderlich sein werden, so dass die Kammer derzeit nicht von einer medizinischen Notwendigkeit der psychotherapeutischen Behandlung ausgehen kann, soweit diese weitere 100 Stunden überschreitet. Außerdem ist hier auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin von 2009 bis 2011 bereits 80 Stunden und im Jahre 2014 nochmals 25 Stunden Psychotherapie bei Frau Dr. C. von der Beklagten gewährt bekommen hat und dass ihr daneben im vorliegenden Rechtsstreit weitere 49 Stunden im Rahmen der Kostenerstattung und weitere 100 Stunden als Sachleistungsanspruch zugesprochen werden. Daher ist derzeit ein weitergehender Anspruch der Klägerin für die Kammer nicht nachvollziehbar. Daher ist die Klage klarstellend im Übrigen abzuweisen.
4. Im Ergebnis ist der Klage aus den dargestellten Gründen somit in ganz überwiegendem Umfang stattzugeben. Sie ist nur in geringem Umfang abzuweisen. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätten drängen müssen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens. Das die Klage in geringem Umfang abzuweisen war, wirkt sich nach Auffassung der Kammer im Rahmen der Kostenentscheidung nicht aus.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für eine ambulante Psychotherapie bei Frau Dr. C. in der Zeit vom 23.01.2012 bis 15.06.2015 in Höhe von 3.996,52 EUR zu erstatten.
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere 100 Stunden Psychotherapie nach dem Therapiekonzept von Frau Dr. C. zu gewähren.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Leistungen der ambulanten Psychotherapie.
Die Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet insbesondere an einer dissoziative Identitätsstörung (DIS) (multiple Persönlichkeitsstörung). Die Klägerin war zunächst seit dem Jahr 2009 in psychotherapeutischer Behandlung bei Frau Dr. C. Die Beklagte bewilligte zunächst durch mehrere Bescheide insgesamt 80 Einzelsitzungen Psychotherapie, zuletzt mit Bescheid vom 9.2.2011, mit dem insgesamt weitere 30 Einzelsitzungen Psychotherapie bewilligt wurden. Im Oktober 2011 wurde dann seitens der Klägerin bzw. seitens Frau Dr. C. ein weiterer Antrag auf Fortführung der Psychotherapie gestellt. Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten zur Bewertung der Fortführung der Therapie ein. Diesmal kam der Psychotherapeut und Psychoanalytiker D. zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie nicht als erfüllt anzusehen seien. Zur Begründung gab er an, dass die aktuell wirksame Psychodynamik der seelischen Erkrankung bzw. das Störungsmodell nicht ausreichend erkannt werde, dass die Wahl des Therapieverfahrens bzw. des methodischen Vorgehens einen Behandlungserfolg nicht oder nicht ausreichend erwarten lasse und dass für die beantragte Therapieform die Voraussetzungen beim Patienten einen ausreichenden Behandlungserfolg nicht erwarten lasse.
Mit Bescheid vom 19.12.2011 wurde der Antrag der Klägerin abgelehnt. Die Beklagte könne die Kosten der Fortführung der Psychotherapie nicht übernehmen.
Hiergegen legte die Klägerin am 3.1.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die Therapie dazu beigetragen habe ihren Gesundheitszustand erheblich zu verbessern. Ihre Arbeitsbedingungen hätten sich in den letzten 1,5 Jahren verschlechtert. Dies habe zur Folge, dass sie häufig ihre persönliche Belastbarkeit überschreite, das Angstzustände wiederholt auftreten würden, permanenter Dreh- und Schwankschwindel bestehe, es würden Erinnerungslücken auftreten sowie Müdigkeit und Erschöpfung und eine verstärkte Traurigkeit und Antriebslosigkeit. Innenpersonen würden verstärkt im Kontakt mit Kolleginnen nach außen treten. Mit der Therapie sei es ihr gelungen ihre Arbeitsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Sie lerne dort Innenpersonen kennen, ihre Bedürfnisse zu verstehen und sie zu erfüllen. Hierbei brauche sie dringend Unterstützung. Sie beantrage die psychotherapeutische Behandlung außerhalb der gängigen Richtlinien. Es bedürfe einer entsprechenden Therapie, die berücksichtigt, dass sie "Viele" sei (vgl. Bl. 24-25 der Verwaltungsakte). Die Therapeutin der Klägerin stellte einen Antrag auf ein Obergutachten und führte aus, dass die Nachricht, dass die Psychotherapie nicht fortgesetzt werden könne bei der Klägerin eine erhebliche Destabilisierung verursacht habe. Deswegen sei erneut eine stationäre Krankenhausbehandlung nötig geworden.
In dem dann eingeholten Obergutachten der Nervenärztin Dr. E. vom 8.2.2012 wird ausgeführt, dass die Fortführung der Therapie nicht befürwortet werden könne. Ein tiefenpsychologisch fundierter therapeutischer Prozess werde nicht beschrieben. Das beantragte Stundenkontingent sprenge die Höchstgrenzen der Psychotherapierichtlinien. Die Klägerin wurde von der Beklagten über das Ergebnis des Obergutachtens informiert.
Die Klägerin reichte sodann eine Stellungnahme des Krankenhauses Lahnhöhe vom 7.3.2012 ein, mit dem dringend die Weiterführung der ambulanten Psychotherapie empfohlen wurde (vgl. Bl. 40 der Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.5.2012 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass eine Bewilligung weiterer psychotherapeutische Sitzungen über die bereits bewilligten 80 Sitzungen hinaus nicht möglich sei. Die Beklagte berief sich dabei auf die eingeholten Gutachten.
Die Klägerin hat am 21.6.2012 Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben.
Die Klägerin führte insbesondere aus, dass durch die Entscheidung der Beklagten in die Therapiehoheit der behandelnden Ärztin eingegriffen werde. In der Vergangenheit seien bereits verschiedene Therapien gescheitert. Die Therapeuten seien nicht in der Lage die Klägerin wegen der Komplexität der Erkrankung leidensgerecht zu behandeln. Die Klägerin habe zu der Therapeutin bereits Vertrauen gefasst. Die Klägerin ist ergänzend der Auffassung, dass bei ihr eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliege. Sie habe mit 17 Jahren bereits einen Suizidversuch begangen. Ihre Innenpersonen seine unterschiedlich stark suizidal. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V würden vorliegen. Die Klägerin ergänzt ihren Vortrag dahingehend, dass sie zwischenzeitlich privat die Psychotherapie finanziert habe. Sie legt Rechnungen für die Zeit von Januar 2012 bis Juni 2015 in Höhe von insgesamt 3.996,52 EUR vor.
Der Klägerin beantragt:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 19.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2012 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für eine ambulante Psychotherapie bei Frau Dr. C. in Höhe von 3.996,52 EUR zu erstatten.
3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, der Klägerin mindestens weitere 100 Stunden Psychotherapie nach dem Therapiekonzept von Frau Dr. C. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Voraussetzungen der Psychotherapie nicht vorliegen würden. Die Behandlungen von Frau Dr. C. sei nicht richtlinienkonformen. Ein stimmiges Behandlungskonzept sei unumgänglich und liege nicht vor. Für einen Kostenerstattungsanpruch fehle es an einem Antrag, weil die beschaffte Leistung nicht die beantragte Leistung gewesen sei. Auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V würden nicht vorliegen, da es an einer notstandähnlichen Situation fehle.
Das Gericht holte Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin ein, insbesondere von Dr. F., von Dr. G., von Dr. H. und von Dr. C. Darüber hinaus hat das Gericht Unterlagen des Krankenhauses Lahnhöhe eingeholt. Auf Anfrage bei Frau Dr. C. wurden sodann genaue Daten bezüglich der inzwischen durchgeführten Psychotherapietermine mitgeteilt. Des Weiteren wurden die Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren vom 8.2.2012, vom 28.4.2010, vom 30.1.2011, vom 8.12.2011 und vom 10.3.2010 übermittelt. Die Klägerin legte sodann auf Aufforderung der Beklagten das Behandlungskonzept von Frau Dr. C. vor. Auf Nachfrage des Gerichts teilte Frau Dr. C. sodann mit, dass es bei der Klägerin immer wieder zu krisenhaften Zuspitzungen komme. Insgesamt seien jedoch gute Fortschritte zu verzeichnen. Es seien noch mindestens weitere 150-200 Therapiestunden erforderlich (vgl. Bl. 217 der Gerichtakte).
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J. vom 2.12.2014 und ein Ergänzungsgutachten vom 27.5.2015 eingeholt. Der Sachverständige kam in seinen Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Klägerin an einer dissoziativen Identitätsstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung, an einer somatoformen Schmerzstörung und an einem somatoformen Schwindel leide. Aufgrund dieser Erkrankungen sei eine Psychotherapie bei der Klägerin indiziert und auch notwendig. Die Behandlung von Frau Dr. C. sei keine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie im Sinne der Psychotherapierichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss. Wenn Frau Dr. C. eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie angewendet hätte, wäre dies ein Verstoß gegen medizinischen Behandlungsstandards, da die Klägerin für so eine Therapie nicht stabil genug sei. Bei der dissoziativen Identitätsstörung handele es sich im Falle der Klägerin um eine lebensbedrohliche Erkrankung bzw. um eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung. Wirksame Behandlungsalternativen zu der Therapie von Frau Dr. C. würden nicht bestehen. Es bestehe eine hinreichende Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Inhalte der Sachverständigengutachten (vgl. Bl. 254-276 und Bl. 351-355 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Die Beklagte meint jedoch weiterhin, dass eine akute lebensbedrohliche oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung nicht vorliege. Das habe Prof. Dr. K. in einem weiteren Widerspruchsverfahren bestätigt. Auch bestehe die Möglichkeit einer psychosomatischen Grundversorgung und der Klägerin stünden zur kurzfristigen Krisenintervention Institutsambulanzen zur Verfügung.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten für eine ambulante Psychotherapie bei Frau Dr. C. in der Zeit vom 23.01.2012 bis zum 15.06.2015 in Höhe von 3.996,52 EUR. Des Weiteren hat die Klägerin einen Anspruch auf weitere 100 Behandlungseinheiten Psychotherapie nach dem Behandlungskonzept von Frau Dr. C. Ein darüber hinaus bestehender Anspruch der Klägerin liegt zur Überzeugung des Gerichts derzeit nicht vor.
Im Einzelnen:
1. Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin für eine ambulante Psychotherapie bei Frau Dr. C. in der Zeit vom 23.01.2012 bis zum 15.06.2015 in Höhe von 3.996,52 EUR ist begründet. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V, der einzig in Betracht kommenden Rechtsgrundlage, liegen hier zur Überzeugung der Kammer vor.
Nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten die Kosten einer selbst beschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, soweit die Leistung notwendig war. Ein Anspruch auf Kostenerstattung ist nach dieser Regelung also nur gegeben, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Bestehen eines Primärleistungs-(Sachleistungs-)anspruch des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung (Alternative 1) bzw. Ablehnung der Sachleistung durch die Krankenkasse (Alternative 2). Denn der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Es muss also um eine Leistung gehen, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, vgl. Urteil vom 16.12. 2008, B 1 KR 11/08 R m.w.N.),
- Selbstbeschaffung einer entsprechenden Leistung durch den Versicherten
- Unaufschiebbarkeit einer Leistung (Alternative 1) bzw. Ursachenzusammenhang zwischen einer Leistungsablehnung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung einer notwendigen Leistung (Alternative 2) und
- rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten durch die Selbstbeschaffung.
(vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.05.2013, Az. B 1 KR 44/12 R m.w.N.)
Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor.
a) Hier hatte die Klägerin in der Zeit vom 23.01.2012 bis zum 15.06.2015 einen Primärleistungsanspruch auf die im Streit stehende ambulante Psychotherapie bei Frau Dr. C., den die Beklagte rechtswidrig nicht erfüllt bzw. abgelehnt hat.
Denn nach § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst dabei insbesondere die ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung (vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB V). § 28 Abs. 3 SGB V sieht insoweit vor, dass die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 SGB V durchgeführt wird. Die psychotherapeutische Behandlung erfolgt "entsprechend der Richtlinien nach § 92 SGB V". Damit ist dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) ein weitgehender Ausgestaltungsspielraum für die psychotherapeutische Behandlung übertragen, welchen dieser durch die Psychotherapie-Richtlinien ausgefüllt hat (vgl. dazu jurisPraxis-kommentar, 2. Auflage, § 28 SGB V, Rn. 69). Durch diese Richtlinie wird auch das sogenannte Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V konkretisiert, wonach Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen (vgl. § 92 Abs. 1 SGB V).
Hier ist zwischen den Beteiligten – gerade auch vor dem Hintergrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. J. - letztlich unstreitig, dass die im Streit stehende Psychotherapie der Frau Dr. C. nicht mit den Vorgaben der Psychotherapierichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss in Einklang steht und dass diese Leistung daher im Grundsatz nicht Gegenstand des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung ist. Ebenso wenig ist die im Streit stehende Psychotherapie von Frau Dr. C. als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode vom Gemeinsamen Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 135 SGB V positiv empfohlen worden (§ 135 SGB V findet auf alle Verfahren – also auch auf Verfahren der Psychotherapie - Anwendung, die bisher nicht Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen sind – vgl. jurisPraxisKommentar, 2. Auflage, § 92 SGB V, Rn. 92 m.w.N.).
Jedoch kann sich die Klägerin im hier vorliegenden Einzelfall mit Erfolg auf eine von der Rechtsprechung im Wege der grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005, Az. 1 BvR 347/98; Urteil des Bundessozialgerichts vom 4.4.2006, Az. B 1 KR 12/04 R; Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.2.2008, Az. B 1 KR 16/07 R) und von dem Gesetzgeber inzwischen in § 2 Abs. 1a SGB V anerkannten Ausnahmekonstellation berufen.
Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen für einen Anspruch aufgrund einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts hat der Gesetzgeber zum 1.1.2012 in § 2 Abs. 1a SGB V dahingehend in das Gesetz aufgenommen, dass Versicherte auch eine von § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen können wenn
1. bei dem Versicherten eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliegt,
2. für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht,
3. wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Mit der Kodifizierung dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber den Geltungsumfang der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005 für das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung klarstellen. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass damit keine neuen Leistungen eingeführt, sondern bereits bestehende Anspruchsvoraussetzungen gemäß einer grundrechtskonformen Auslegung des Leistungsrechts ins Gesetz übernommen werden sollten (vgl. BR-Drs. 456/11, S. 85).
Die Kammer ist davon überzeugt, dass diese Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V im vorliegenden Einzelfall der Klägerin erfüllt sind.
Im Einzelnen:
(1) Die Kammer ist davon überzeugt, dass bei der Klägerin eine lebensbedrohliche Erkrankung bzw. eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vorliegt.
(a) Mit dem Kriterium einer Krankheit, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung zumindest vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten Off-Label-Use formuliert ist (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1.3.2013, Az. L 4 KR 3517/11 m.w.N.). Erforderlich ist eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb eines überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Diese Kriterien, die auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005 beruhen, haben durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bzw. durch den Gesetzgeber eine Ausweitung insoweit erfahren hat, dass der kurz bevorstehende und nicht kompensierbare Verlust eines wichtigen Sinnesorgans bzw. einer herausgehobenen Körperfunktion in diesen Schutzbereich miteinbezogen wurde (vgl. Eichenhofer/Wenner, § 2 SGB V, Rn. 18). Danach reicht also auch das Vorliegen einer Krankheit aus, die einer lebensbedrohlichen Erkrankung wertungsmäßig vergleichbare ist. In der Entscheidung vom 28.2.2008 (Az. B 1 KR 16/07 R) hat das Bundessozialgericht dazu etwa wie folgt ausgeführt:
"Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den ggf gleichzustellenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten"
Dies hat der Gesetzgeber bei der Einführung des § 2 Abs. 1a SGB V auch ausdrücklich in den Gesetzestext übernommen, wobei auch nach Auffassung des Gesetzgebers unter einer wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung jedenfalls Erkrankungen zu verstehen sind, bei denen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ein nicht kompensierbarer Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion droht (vgl. BT-Drs 456/11, S. 74).
(b) Eine solche lebensbedrohliche bzw. wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V liegt bei der Klägerin nach Auffassung der Kammer vor.
Denn zum einen hat der Sachverständige Dr. J. in seinem Ergänzungsgutachten vom 27.5.2015 überzeugend ausgeführt und dargelegt, dass bei der Klägerin aufgrund ihrer dissoziativen Identitätsstörung die schwerste (psychische) Erkrankung im Spektrum der dissoziativen Störungen vorliegt, die bei 75 % aller betroffenen Patienten mit Selbstmordversuchen einhergeht. Der Sachverständige Dr. J. hat außerdem überzeugend dargelegt, dass gerade auch im Einzelfall der Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung ohne die stabilisierende Psychotherapie mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Suizidversuch bei einer psychischen Belastung innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums gerechnet werden müsste. Aufgrund dieser überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. J. geht die Kammer davon aus, dass hier eine lebensbedrohliche psychische Erkrankung und eine notstandsähnliche Situation im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vorliegt. Dabei spricht nach Auffassung der Kammer insbesondere der Umstand für die Überzeugungskraft des Gutachtens des Sachverständigen Dr. J., dass sich auch aus den vorliegenden Befundberichten ergibt, dass die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung an selbstverletzenden und suizidalen Tendenzen leidet bzw. dass diese erst durch die hier im Streit stehende Behandlung reduziert wurden. So schildert etwa Herr Dr. L. in seinem Befundbericht vom 16.1.2013, dass die Klägerin zu selbstverletzendem Verhalten (Haar ausreißen, Beißen, mit dem Kopf gegen die Wand schlagen) neige (vgl. Bl. 59 der Gerichtsakte). Auch Frau Dr. C. führte bereits im Befundbericht vom 17.1.2013 aus, dass bei der Klägerin im Vordergrund der Behandlung insbesondere Depressionen, suizidale Tendenzen und ausgeprägte Selbstverletzungsneigungen gestanden haben (vgl. Bl. 65 der Gerichtsake). Für den Zeitraum vor der Aufnahme der im Streit stehenden Behandlung sind im Jahre 2009 noch massive Selbstverletzungstendenzen bei der Klägerin dokumentiert und in Befundberichten wird ausgeführt, dass die Klägerin latent suizidal gewesen sei (vgl. Bl. 218 der Gerichtsakte). Die Klägerin hat sogar bereits einen Selbstmordversuch durchgeführt (vgl. Bl. 315 der Gerichtsakte) und Frau Dr. C. konnte in ihrer Stellungnahme vom 30.3.2015 sogar weitere konkrete "Selbstmordszenarien" der Klägerin schildern (vgl. Bl. 315 der Gerichtsakte). Dies alles spricht dafür, dass die Klägerin unter einer lebensbedrohenden psychischen Erkrankung leidet, zumal der Sachverständige die Klägerin als sehr erschöpft und "psychisch sehr labilisiert" beschreibt.
Soweit die Beklagte meint, sie könne dem Gutachten des Sachverständigen Dr. J. entgegenhalten, dass bei der Klägerin keine akute lebensbedrohliche Erkrankung vorliege, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Der Sachverständige Dr. J. hat gerade – wie bereits ausgeführt - schlüssig und plausibel dargelegt, dass bei der Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung ohne die hier im Streit stehende stabilisierende Psychotherapie mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Suizidversuch innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums gerechnet werden muss. Dies spricht - entgegen der Auffassung der Beklagten - gerade für das Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V. Und dies ist für die Kammer vor dem Hintergrund der Befundberichte und der Ausführungen des Sachverständigen Dr. J. im vorliegenden Einzelfall der Klägerin auch nachvollziehbar, zumal sich aus den vorliegenden Unterlagen ergibt, dass die Klägerin vor dem Beginn der hier im Streit stehenden Psychotherapie massiv zu selbstverletzendem Verhalten neigte und sich die suizidalen Tendenzen der Klägerin erst durch die hier im Streit stehenden Therapie verringert haben.
Auch das Argument der Beklagten, dass ihr in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung kein Fall bekannt sei, dass eine lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V wegen eines drohenden Suizids angenommen worden sei, vermag das Gericht nicht zu überzeugen. Denn das Bundessozialgericht hat sich in seiner Rechtsprechung bereits mehrfach im Bereich des § 2 Abs. 1a SGB V bzw. im Rahmen der Prüfung der verfassungskonformen Auslegung des Leistungsrechts mit der Suizidgefahr befasst und es hat dazu ausgeführt, dass ein Leistungsanspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V nur in den Fällen der Suizidgefahr ausgeschlossen ist, in denen es – anders als im vorliegenden Fall der Klägerin - den Versicherten gerade nicht um die Versorgung mit "Mitteln der Psychiatrie" ging, also in denen Versicherte andere Leistungen beansprucht haben (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 26.9.2006, Az. B 1 KR 14/06 R; Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.3.2007, Az. B 1 KR 30/06 R). So heißt es etwa in dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 26.9.2006, Az. B 1 KR 14/06 R:
"Zudem bewirkt selbst hochgradige akute Suizidgefahr bei Versicherten grundsätzlich nicht, dass sie Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der GKV beanspruchen können. Vielmehr begründet Selbsttötungsgefahr regelmäßig nur einen Anspruch auf ihre spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie. Diese Therapiealternative schließt eine verfassungsrechtlich begründete Leistungsausdehnung aus."
Daraus ergibt sich eindeutig, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine psychische Erkrankung, die eine Suizidgefahr mit sich bringt, eine lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V sein kann. Denn das Bundessozialgericht hat in den genannten Entscheidungen gerade darauf hingewiesen, dass der Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V bei einer Suizidgefahr nicht an dem Merkmal der lebensbedrohlichen Erkrankung scheitern würde, sondern in den dort entschiedenen Fällen an dem zweiten Kriterium des § 2 Abs. 1a SGB V, da nämlich (anders als im vorliegenden Fall – vgl. dazu Ziffer 2) eine Therapiealternative aus dem Bereich Psychiatrie bestanden habe. Dies verkennt die Beklagte in ihrer Argumentation. Außerdem verkennt die Beklagte, dass es vorliegenden Fall aufgrund der psychischen Erkrankungen der Klägerin gerade darum geht, ob die Beklagte die Klägerin mit einem bestimmten Mittel der Psychiatrie, nämlich mit einer bestimmten psychotherapeutischen Behandlung, versorgen muss. Solche Mittel kommen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Behandlung von Suizidgefahr jedoch gerade ausdrücklich in Betracht. In hier vorliegenden Konstellation steht es nach Auffassung der Kammer also mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in Einklang, dass eine psychische Erkrankung, die – wie hier – ohne die im Streit stehenden psychiatrische Behandlung eine akute Suizidgefahr bewirkt, eine lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V darstellt.
(c) Darüber hinaus liegt aber nach Auffassung der Kammer auch eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vor.
Denn die Erkrankung der Klägerin geht damit einher, dass sie zahlreiche verschiedene Persönlichkeiten in sich trägt. Wie sich aus den vorliegenden ärztlichen Berichten und den Sachverständigengutachten des Dr. J. ergibt, üben diese verschiedenen "Persönlichkeits- und Selbstzustände" wechselweise die Kontrolle über das Erleben und Verhalten der Klägerin aus, wobei der Wechsel von einem Zustand in den anderen teilweise mit Amnesie verbunden ist (vgl. Bl. 352 der Gerichtsakte). Die Kammer ist ebenso wie der Sachverständige Dr. J. – der Auffassung, dass dieser Zustande als ein nicht kompensierbarer Verlust eines wichtigen Sinnesorgans bzw. einer herausgehobenen Körperfunktion" zu betrachten ist. Denn insbesondere das Gedächtnis, also die Fähigkeit des Nervensystems aufgenommene Informationen zu kodieren, zu speichern und wieder abzurufen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ged%C3%A4chtnis) und das Erinnerungsvermögen als die Fähigkeit, im Langzeitgedächtnis vorhandene Erinnerungen zu finden (z.B. sich an Erlebnisse zu erinnern, an einmal gesehene Gesichter – diese wiederzuerkennen und sich auch an den dazugehörigen Namen zu erinnern oder alphanumerische bzw. numerische Informationen aus dem Gedächtnis abzurufen)" (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/ Erinnerungsverm%C3%B6gen), stellen besonders wichtige Körperfunktionen dar. Gleiches gilt für die Fähigkeit des Menschen, die Kontrolle über sein Erleben und Verhalten zu steuern. Für dieses Ergebnis, dass hier eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vorliegt, spricht im Übrigen auch ein Umkehrschluss. Denn wenn – wovon die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausgeht - etwa der Verlust des Augenlichts zu der Annahme einer wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V führt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 5.5.2009, Az. B 1 KR 15/08 R), so muss dies nach Auffassung der Kammer auch dann gelten, wenn der Versicherte bzw. die Versicherte – wie hier – (wenn auch nur zeitweise) die "vollständige" Kontrolle über das Erleben und Verhalten und nicht nur über eine einzige Sinneswahrnehmung verliert, zumal dies beim Auftreten von Dissoziationen bei der Klägerin teilweise sogar mit dem Verlust der Erinnerung verbunden ist.
Auch in Bezug auf die wertungsmäßige Vergleichbarkeit im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V trifft es nach Auffassung der Kammer zu, dass insoweit eine notstandsähnliche Situation im dem Sinne gegeben ist, dass sich diese Gefahr in einem kürzeren, überschaubaren Zeitraums wahrscheinlich verwirklicht (vgl. BT-Drs. 17/6906, S. 53). Denn die Gefahr, dass Dissoziationen auftreten liegt bei der Klägerin akut vor. Sie treten bei der Klägerin sogar bereits tatsächlich ein, wobei nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. J. diese Dissoziationen bei der Klägerin bei Behandlungsbeginn sogar täglich vorkamen und diese durch die im Streit stehende Therapie erst reduziert werden konnten. Dies wird letztlich auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.
(d) Im Ergebnis geht die Kammer somit davon aus, dass bei der Klägerin eine lebensbedrohliche Erkrankung bzw. eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vorliegt.
(2) Auch das Tatbestandmerkmal des Fehlens einer dem allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlungsalternative im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V liegt hier vor.
Bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals ist folgendes zu beachten: Eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechenden Leistung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V steht nach der ausdrücklichen Begründung des Gesetzgebers auch dann nicht zur Verfügung, wenn eine solche Behandlungsalternative im konkreten Fall nicht angewendet werden kann (vgl. BT-Drs. 356/11, S. 74). In der Entscheidung vom 26.2.2013 (Az. 1 BvR 2045/12) hat das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus ausdrücklich ausgeführt, dass es mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht vereinbar ist, Versicherte auf eine nurmehr auf die Linderung von Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie zu verweisen, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung besteht (vgl. auch Eichenhofer/Wenner, § 2 SGB V, Rn. 19). Entsprechendes gilt, wenn die nicht anerkannte Behandlungsmethode mit erheblich geringeren Nebenwirkungen verbunden ist (vgl. auch Eichenhofer/Wenner, § 2 SGB V, Rn. 19).
Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes ist die Kammer davon überzeugt, dass bei der Klägerin keine dem allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlungsalternative im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V - insbesondere aus dem Bereich der Psychiatrie - vorliegt. Dies stützt das Gericht auf die überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. J., der im Ergänzungsgutachten vom 27.5.2015 geschildert hat, dass keine alternativen, insbesondere keine psychotherapeutischen und pharmakologischen, Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen. Andere Formen der Psychotherapie sind nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. J. sogar kontraindiziert.
Demgegenüber vermag die Auffassung der Beklagten, dass für die Klägerin alternativ die Möglichkeit der ärztlichen Behandlung um Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung und der Kriseninterventionen durch Institutsambulanzen zur Verfügung stünden, nicht zu überzeugen. Insoweit verweist die Beklagte nämlich lediglich auf eine Stellungnahme des Prof. Dr. K. vom 19.2.2015 der im Rahmen eines weiteren Verwaltungsverfahrens in seiner Stellungnahme lediglich ausführte, dass die Klägerin ohne die im Streit stehende Psychotherapie "nicht unversorgt" bliebe. Dem lässt sich jedoch nicht im Ansatz entnehmen, dass im Einzelfall der Klägerin konkrete Behandlungsalternativen bestehen, die in vergleichbarer Weise zu einer Linderung der Krankheitsbeschwerden führen könnten um die lebensbedrohliche Erkrankung bzw. die wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung der Klägerin zu behandeln und um Dissoziationen und suizidale Impulse zu verhindern bzw. zu verringern. Konkrete Behandlungsmöglichkeiten benennt die Klägerin auch nicht vielmehr bleibt sie bei allgemeinen Ausführungen. Im Übrigen hatte gerade das Krankenhaus Lahnhöhe, also ein "überregionales Zentrum für Psychosomatische Medizin", die Fortführung der ambulanten Psychotherapie "dringend" empfohlen (vgl. Bl. 40 der Verwaltungsakte), um eine Verschlechterung bei der Klägerin zu verhindern. Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass nach Auffassung des Gerichts die Beklagte die Klägerin auch nicht darauf verweisen kann, dass es die Möglichkeit zur stationären Behandlung gebe, denn bereits in der Vergangenheit haben kurzzeitige stationäre Behandlungen bei der Klägerin nicht zu einem anhaltenden Erfolg geführt. Dies trägt die Beklagte letztlich selbst auch nicht vor.
Aus den dargelegten Gründen ist somit auch die zweite Tatbestandsvariante des § 2 Abs. 1a SGB V nach Auffassung der Kammer erfüllt.
(3) Schließlich besteht bei der Behandlung der Klägerin mit der im Streit stehenden Psychotherapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bzw. auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Dies ergibt sich ausdrücklich aus den überzeugenden Sachverständigengutachten des Dr. J., wonach die Behandlung von Frau Dr. C. indiziert und medizinisch notwendig ist und internationalen Leitlinien entspricht. Der Sachverständige hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass die im Streit stehende Therapie auch tatsächlich zu einer Verbesserung der Krankheit der Klägerin geführt hat und insofern ein Behandlungserfolg eingetreten ist, da die Dissoziationen seltener geworden sind und der Klägerin eine verbesserte Alltagsbewältigung möglich ist.
Daher hat die Kammer keine Zweifel, dass die im Streit stehende Psychotherapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf hat und dass sie medizinisch notwendig ist.
(4) Im Ergebnis ist die Kammer aus den dargelegten Gründen davon überzeugt, dass die Klägerin in der Zeit vom 23.01.2012 bis zum 15.06.2015 einen Primärleistungsanspruch auf die im Streit stehende Psychotherapie bei Frau Dr. C. hatte, den die Beklagte rechtswidrig nicht erfüllt bzw. abgelehnt hat.
b) Die Klägerin hat sich die abgelehnten psychotherapeutischen Leistungen im Sinne des § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V auch selbst beschafft und sie ist dadurch auch einer wirksamen Kostenbelastung ausgesetzt, was durch die vorgelegten Rechnungen von Frau Dr. C. in Höhe von 3.996,52 EUR nachgewiesen ist.
c) Des Weiteren ist die Kammer davon überzeugt, dass die Selbstbeschaffung der Leistungen in der Zeit vom 23.01.2012 bis 15.06.2015 auf der Leistungsablehnung der Beklagten beruht. Die Leistungsablehnung ist also auch kausal im Sinne des § 13 Abs. 3 S. 1, 2. Alternative SGB V dafür, dass der Klägerin Kosten in Höhe von 3.996,52 EUR in der Zeit vom 23.01.2012 bis zum 15.06.2015 entstanden sind.
Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (der Leistungsablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (dem Entstehen der Kosten) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss sich also vor Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des Systems der Gesetzlichen Krankenversicherung mit seiner Krankenkasse ins Benehmen setzen und zunächst deren Entscheidung abwartet (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 20.5.2003, B 1 KR 9/03 R; Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27.03.2014, Az. L 16 KR 82/13; Urteil des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 17.12.2013, Az. L 11 KR 2555/12).
Dies ist hier der Fall. Die Klägerin hatte die im Streit stehenden Leistungen im November 2011 beantragt und die Leistungen sind mit Bescheid vom 19.12.2011 abgelehnt worden. Die Leistungsablehnung der Beklagten fand hier also vor dem 23.1.2012 – also vor der Fortführung der im Streit stehenden Therapie – statt und war somit kausal für die Selbstbeschaffung der Leistung durch die Klägerin.
Die Beklagte kann sich demgegenüber auch nicht darauf berufen, dass Frau Dr. C. oder die Klägerin eine andere Leistung beantragt habe, als dann im Wege der Selbstbeschaffung erbracht worden sei. Denn hier hat Frau Dr. C. in ihren "Therapieberichten" im Rahmen des unterschiedlichen Antragsverfahrens ausgeführt, dass es sich nicht um eine Psychotherapie im Sinne der Psychotherapierichtlinien handelt. Bereits in dem Bericht vom 24.3.2010 wurde ausdrücklich, darum gebeten eine weitere Psychotherapie außerhalb der Psychotherapie-Richtlinien zu befürworten, da diese im Einzelfall der Klägerin nicht eingehalten werden können (vgl. Bl. 334 der Gerichtsakte). Auch in den weiteren Berichten von Frau Dr. C. wurde ausgeführt, dass eine traumaspezifische Psychotherapie beabsichtigt ist und dass es gerade um die Fortführung dieser Therapie gehe. Auch die Gutachterin Dr. E. hatte etwa in ihrer Stellungnahme vom 8.2.2012 ausgeführt, dass die begehrte Psychotherapie nicht den Psychotherapierichtlinien entspricht. Außerdem hatte die Klägerin selbst im Widerspruch vom 3.1.2012 ausdrücklich erklärt:
"Weil die beantragten Mittel des beantragten Verfahrens innerhalb der Psychotherapierichtlinien vermutlich nicht ausreichen, beantrage ich psychotherapeutische Behandlung außerhalb der gängigen Richtlinien." (vgl. Bl. 25 der Verwaltungsakte)
Nach Auffassung der Kammer kann also keine Rede davon sein, dass die Klägerin lediglich eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie im Sinne der Psychotherapierichtlinien beantragt habe (nur weil ursprünglich das auf die Verfahren der Psychotherapierichtlinien zugeschnittene Antragsformular verwendet worden ist) und stattdessen ganz andere Leistungen erbracht worden seien. Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht der Fall.
d) Im Ergebnis ist somit der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch der Klägerin für eine ambulante Psychotherapie bei Frau Dr. C. in der Zeit vom 23.01.2012 bis zum 15.06.2015 in Höhe von 3.996,52 EUR aus den dargelegten Gründen begründet.
2. Des Weiteren ist die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten auch einen Sachleistungsanspruch auf weitere 100 Einzelsitzungen Psychotherapie nach dem Therapiekonzept von Frau Dr. C. hat.
Es wurde bereits dargelegt, dass insoweit die Voraussetzungen der §§ 27, 28 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit § 2 Abs. 1a SGB V vorliegen, weil die Klägerin an einer lebensbedrohlichen bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung leidet, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht und bei der im Streit stehenden Therapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bzw. auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1a) Bezug genommen. Die Kammer ist weiter der Auffassung, dass die im Streit stehende Therapie bei der Klägerin noch in einem Umfang von weiteren 100 Stunden medizinisch notwendig ist. Dies entspricht den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. J., die die Beklagte insoweit auch nicht weiter substantiiert angegriffen hat. Außerdem deckt sich dies auch mit der Einschätzung der behandelnden Ärztin der Klägerin (Frau Dr. C.), die in der mündlichen Verhandlung am 16.3.2015 ausdrücklich angegeben hat, dass noch etwa weitere 100 Stunden zur Behandlung der Klägerin erforderlich sind.
Daher ist die Beklagte auch zu verurteilen, der Klägerin weitere 100 Stunden Psychotherapie als Sachleistung zu gewähren.
3. Darüber hinaus ist die Klage jedoch unbegründet, soweit die Klägerin psychotherapeutische Sachleistungen über weitere 100 Stunden hinaus begehrt.
Denn Frau Dr. C. hat in der mündlichen Verhandlung am 16.3.2015 selbst ausgeführt, dass sie davon ausgehe, dass nur noch etwa 100 Stunden erforderlich sein werden, so dass die Kammer derzeit nicht von einer medizinischen Notwendigkeit der psychotherapeutischen Behandlung ausgehen kann, soweit diese weitere 100 Stunden überschreitet. Außerdem ist hier auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin von 2009 bis 2011 bereits 80 Stunden und im Jahre 2014 nochmals 25 Stunden Psychotherapie bei Frau Dr. C. von der Beklagten gewährt bekommen hat und dass ihr daneben im vorliegenden Rechtsstreit weitere 49 Stunden im Rahmen der Kostenerstattung und weitere 100 Stunden als Sachleistungsanspruch zugesprochen werden. Daher ist derzeit ein weitergehender Anspruch der Klägerin für die Kammer nicht nachvollziehbar. Daher ist die Klage klarstellend im Übrigen abzuweisen.
4. Im Ergebnis ist der Klage aus den dargestellten Gründen somit in ganz überwiegendem Umfang stattzugeben. Sie ist nur in geringem Umfang abzuweisen. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätten drängen müssen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens. Das die Klage in geringem Umfang abzuweisen war, wirkt sich nach Auffassung der Kammer im Rahmen der Kostenentscheidung nicht aus.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved